letzte Änderung am 2. August 2002

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Offener Brief in Erwiderung der von Continental an unsere Privatadressen verschickten Brief.

18.7.02

Herrn Wennemer
Vorstand Continental
Hannover, Bundesrepublik Deutschland

Sehr geehrter Herr Wennemer,

wie Ihnen sicher bekannt sein wird, hat am 12. Juli die mexikanische Justiz eine bedeutende Entscheidung bezüglich unseres Streiks zu Gunsten unserer Gewerkschaft getroffen. Wie wir Ihnen während unseres Besuchs in Hannover im Mai mitgeteilt hatten, verletzte die Entscheidung der Bundesschlichtungsstelle (JFCA) die Rechtsvorschriften, als sie unseren Streik für "unbegründet" erklärte, ein Begriff, den es in der mexikanischen Gesetzgebung nicht einmal gibt. Dadurch wird offenkundig, dass Ihre Anwälte, allen voran Jorge Alonso De Regil, in erster Linie seinen Einfluss beim Arbeitsminister Carlos Abascal Carranza, mit dem ihn eine innige Freundschaft verbindet, nutzten, um unsern Streik gegen die illegale Schließung der Werkes, für unrechtmäßig zu erklären, und damit gegen eines unserer elementarsten Rechte zu verstoßen. Nun muss die bundesweite Schlichtungsstelle (JFCA) auf Anordnung der 3.Kammer des Arbeitsgerichtes durch Richterin Lic. Silvia Ortega Aguilar eine Anhörung durchführen, um unseren Streik erneut zu bewerten. Dabei kann es nach dem mexikanischen Recht ausschließlich darum gehen, den Streik entweder für legal oder illegal zu erklären.

Sie haben bei unserem Gespräch im Mai die Auffassung vertreten, dass auf Grund der Aussagen ihrer Anwälte alle Entscheidungen zu Gunsten des Unternehmens ausgegangen seien und unsere Betriebsbesetzung somit illegal sei. Die erwähnte Entscheidung besagt aber das glatte Gegenteil. Die Richterin entschied, dass die Schlichtungsstelle ihrer Verpflichtung eine Anhörung durchzuführen, bei der die Gewerkschaft das Recht hat, ihre Argumente und Beweise darzulegen, nicht nachgekommen war. Diese Anhörung muss nunmehr nachgeholt werden, um den ordnungsgemäßen juristischen Ablauf des Prozesses zu ermöglichen, der durch die gezielten Falschdarstellungen Ihrer Anwälte in Zusammenarbeit mit einigen mexikanischen Behörden absichtlich verfälscht worden war.

In den Briefen, die Sie an unsere Kollegen nach Hause geschickt haben, erläutern Sie, dass die Richterin der Schlichtungsstelle "einzig und allein [auferlegt habe], (dass sie) ihre Entscheidung vom 22. März revidiere ... und dass beide Seiten geladen würden, um Unterlagen für die Beweisaufnahme vorzulegen". Sie versuchen damit, die in dem Urteil eindeutig ausgesprochene Rechtmäßigkeit unseres Streik herunterzuspielen. Das Unternehmen behauptet weiter, dass "die Entscheidung des Bundesgerichtes nichts am Schlichtungsspruch vom 22.März ändere und dass sie nicht bedeute, dass das Unternehmen illegal gehandelt habe."

Mit diesen Behauptungen versucht die für Ihre Firma arbeitende Anwaltskanzlei Baker & Makenzy vergeblich zwei Sachen zu erreichen: die Realität zu leugnen, nämlich dass das Gericht die Bewertung unseres Streiks als "unbegründet" aufgehoben hat, und weiterhin ihre Inkompetenz zu verbergen, die der Firma einen empfindlichen juristischen Rückschlag in dem Konflikt mit uns, den Arbeitern, beigebracht hat.

Falls nun die Schlichtungsstelle entscheidet, dass unser Streik rechtmäßig ist, fallen alle Spitzfindigkeiten Ihrer Anwälte in sich zusammen und Continental wird alle ausstehenden Löhne seit der Schließung im Dezember nachzahlen müssen. Wenn andersherum die Entscheidung so ausgeht, dass unser Streik illegal ist, sind die Arbeitnehmer verpflichtet innerhalb von 24 Stunden an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. So sagt es das Gesetz.

Die Frage, ob das Unternehmen mit seinem Vorgehen gegen das Gesetz verstieß, wird in einem anderen juristischen Verfahren entschieden werden. Dabei wird es um die Schuld an dem Konflikt gehen, dass heißt darum, wer für den Streik verantwortlich war. Dies kann sich über viele Monate hinziehen, und wir sind überzeugt, dass wir auch diese Verfahren gewinnen werden, denn auch in dieser Frage hat das Unternehmen gegen gültiges Recht verstoßen, indem es kein Verfahren zur Darstellung der ökonomischen Unrentabilität des Werksschließung einleitete. Diese Verfahren wurde nie eingeleitet, da die Schließung völlig einseitig und deshalb ungesetzlich war.

So gibt es also nur 3 Möglichkeiten: 1. der Konflikt dauert noch Monate an, bis entschieden wird, wer für den Streik verantwortlich ist. Sie müssen in diesem Fall die aufgelaufenen Löhne der gesamten Zeit und ein Schmerzensgeld für die Beschäftigten, die auf Grund der Schließung Nachteile erlitten und die wirtschaftlichen Leistungen, denen Sie seit der illegalen Schließung nicht mehr nachgekommen sind, bezahlen.

Die zweite Möglichkeit ist diejenige, die Sie auf der Hauptversammlung der Aktionäre in Hannover vorgeschlagen haben, nämlich, Sie handeln mit der Gewerkschaft ein Abfindungspaket aus. Diese Möglichkeit wurde auch auf einer Vollversammlung der Arbeiter grundsätzlich als Diskussionsmöglichkeit akzeptiert. Die letzte Möglichkeit ist, dass die mexikanische Justiz die Wiedereröffnung des unrechtmäßig geschlossenen Werks anordnet, inklusive der Rückzahlung der Löhne, sowie eines ökonomischen Ausgleichs an die Kollegen und die Gewerkschaft für die erlittenen Nachteile.

Wir sind bereit auf jede der drei Möglichkeiten zu reagieren. Wenn wir Ihren Vorschlag angenommen haben, dann deshalb, weil wir, wie wir es Ihnen auch gesagt hatten, Ihr Angebot für seriös erachtet haben und annahmen, dass es zur Beendigung eines langen Konflikts beiträgt und damit eine weitere Zermürbung unserer Kollegen vermeidet. Angesichts des unnachgiebigen und anmaßenden Verhaltens Ihres Rechtsvertreters, der mit Ultimaten eine "Lösung" erreichen will und mit Drohungen unseren Streik, notfalls auch mit "Verletzten und Verhafteten", sowie mit strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Gewerkschaftsleitung, die, nebenbei gesagt, auf der häufig zitierten, heute aufgehobenen Entscheidung der Bundesschlichtungsstelle basierten, brechen will, geben wir den Kampf um die Wiedereröffnung des Werkes, bis zu unserem Sieg nicht, auf.

Jetzt haben Sie das Wort.

Hochachtungsvoll
Für eine soziale Revolution
Jesús Torres Nuño
Generalsekretär der SNRTE

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