…vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern – Moralisierung der Verschuldung
„Im Gegensatz zu anderen Ländern wird in Deutschland die Verschuldung mit dem persönlichen Versagen im calvinistischen Sinn gleichgesetzt, weil wegen der nicht gelebten protestantischen Askese, mangelndem Fleiß und Arbeitseifer der gepriesene wirtschaftliche Wohlstand nicht erreicht wurde. Der religiöse Überbau bedeutet auch, dass nach den fetten Jahren, in denen man in Saus und Braus gelebt hat, magere Jahre folgen müssen, in denen man sich wohl verhalten und Reue zeigen muss. Für das Aufnehmen eines Kredits gibt es bei uns das Wort Schuldenmachen. Schuldenmachen beinhaltet das Wort Schuld und lässt auf etwas moralisch höchst Verwerfliches schließen. Die sprachhistorische Moralisierung der Verschuldung führte bei uns immer schon zur gesellschaftlichen Ächtung derjenigen Menschen, die die Schulden nicht vereinbarungsgemäß begleichen und schnellst möglich abbauen können. Auch auf der staatlichen Ebene soll ganz im neoliberalen Sinn die Priorität auf den Abbau der Schulden gelegt werden und man kreierte eine Schuldenbremse, um Staatsschulden abzubauen, obwohl Schuldenmachen die wirtschaftliche Entwicklung erst ankurbelt…“ Beitrag vom 18. Mai 2021 im Gewerkschaftsforum