Inflation: Bundesbank plädiert für deutliches Lohnplus
Dossier
„Die Konjunktur brummt, nun sollen auch die Löhne steigen: Der Chefökonom der Bundesbank fordert im SPIEGEL höhere Lohnabschlüsse. Andere Experten stimmen zu…“ Vorabmeldung vom 20.07.2014 im Spiegel online . Siehe dazu Kommentare:
- Neue Töne. Bundesbank und EZB für höhere Löhne
„»Mehr Geld für die deutschen Lohnabhängigen!« Das ist nicht etwa eine Parole, mit der der DGB das Sommernachrichtenloch füllen will – nein, das fordert seit einer Woche die Deutsche Bundesbank und jetzt auch die Europäische Zentralbank (EZB). Nun stehen weder Bundesbank noch EZB unter Verdacht, Interessenvertreter der abhängig Beschäftigten zu sein. Wenn sie dennoch höhere Lohnabschlüsse in Deutschland fordern, so tun sie es auch nicht in der Absicht, den Lohnabhängigen einen höheren Anteil an dem von diesen erst geschaffenen Reichtum zu sichern. Dahinter steht vielmehr die Angst, daß die Euro-Zone in eine deflationäre Spirale gerät, denn trotz expansivster Geldpolitik der EZB und bei Zentralbankzinsen nahe Null will die Konjunktur in Euro-Land einfach nicht anspringen…“ Gastkommentar von und bei Andreas Wehr , zuerst erschienen in junge Welt vom 29.07.2014
Aus dem Text: „… Doch so richtig die Forderung nach höheren deutschen Löhnen auch ist, so unwahrscheinlich ist es doch, daß mit ihnen alleine eine ausgeglichene und harmonische Entwicklung der EU erreichbar ist. Eine jüngst veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt vielmehr, daß die Kapitalisten keines anderen Landes, sieht man von Dänemark ab, so stark vom europäischen Binnenmarkt profitiert haben wie jene Deutschlands. Der Grund dafür liegt in der traditionellen Stärke der deutschen Monopolunternehmen. Ihnen dient der europäische Binnenmarkt als idealer Heimatmarkt, wo sie nahezu uneingeschränkt agieren und Rivalen immer besser niederkonkurrieren können. Und damit dies auch so bleibt, hilft ihnen die Bundesregierung dabei in bester staatsmonopolistischer Manier durch eine großzügige industrienahe Forschungspolitik…“
- Gewerkschafter verbitten sich Einmischung. Nach der Bundesbank rät nun auch die Europäische Zentralbank zu höheren Tarifabschlüssen in Deutschland
„Neben der Bundesbank ruft nun auch die Europäische Zentralbank (EZB) nach höheren Tarifabschlüssen für Beschäftigte in Deutschland. Die Banker wollen den Konsum ankurbeln – und damit der niedrigen Inflation Schub verleihen. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet sagte dem Nachrichtenmagazin Spiegel, in manchen Krisenländern der Euro-Zone mit hoher Arbeitslosigkeit seien aktuell eher »niedrige Lohnabschlüsse erforderlich, um Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen«. In Staaten wie Deutschland dagegen, in denen die Inflationsrate niedrig und der Arbeitsmarkt in guter Verfassung sei, seien höhere Verdienststeigerungen angemessen…“ Artikel in junge Welt vom 28.07.2014 . Aus dem Text: „… Auch das Echo der Gewerkschaften blieb verhalten. »Die Sozialpartner brauchen keine Belehrung in der Tarifpolitik«, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann, dem Handelsblatt am Freitag. »Es gilt nach wie vor die Tarifautonomie.« Auch Hoffnungen, auf eine Umverteilung von Vermögen von »oben nach unten« durch diesen Schritt, dämpfte Hoffmann. Damit sei die Tarifpolitik überfordert, da sie auf andere notwendige Mechanismen wie die Entwicklung von Steuern und Sozialabgaben keinen Einfluß habe. In dem Bereich gebe es mehrere Probleme: »Die Kapitaleinkommen haben sich von den Erwerbseinkommen immer weiter weg entwickelt«, sagte der DGB-Chef…“
- Die IG Metall nutzt diese Gelegenheit, um ihre Tarifpolitik zu bewerben: Die IG Metall setzt ihre erfolgreiche Tarifpolitik fort. Lohnpolitik: Ratschläge der Bundesbank werden längst umgesetzt
„Die Bundesbank hatte vor einigen Tagen empfohlen, bei künftigen Tarifrunden den so genannten verteilungsneutralen Spielraum voll auszuschöpfen. Das wird von der IG Metall bereits seit vielen Jahren praktiziert, wie die zurückliegenden Tarifabschlüsse zeigen. Bei dieser erfolgreichen Tarifpolitik soll es auch in Zukunft bleiben…“ Meldung vom 25.07.2014
Wir haben das etwas anders in Erinnernung…
- Bundesbank-Chefökonom sieht Spielraum für höhere Lohnabschlüsse – seine Argumentation zeigt jedoch, wo die wahre Gefahr für die Preisstabilität lauert
„“Inflation: Bundesbank plädiert für deutliches Lohnplus”, titelt Spiegel online heute. Der Zusammenfassung von Spiegel online nach zu urteilen – der vollständige Text ist in der Druckausgabe erschienen -, ist dies jedoch gar nicht der Fall. Demnach sieht die Bundesbank lediglich “Spielraum für höhere Lohnabschlüsse”. Da die Lohnabschlüsse in der Vergangenheit aber keineswegs üppig ausfielen, kann man aus der Aussage der Bundesbank auch nicht ableiten, dass die Bundesbank für ein “deutliches Lohnplus” plädiert. Es kommt jedoch noch eine Aussage hinzu, die die Argumentation der Bundesbank fragwürdig erscheinen lässt. “Jahrelang hätten die Tarifpartner ´sehr verantwortungsbewusst Lohnzurückhaltung´ geübt”, gibt Spiegel online den Chefökonomen der Bundesbank, Jens Ulbrich, wieder. Mit Lohnzurückhaltung meint Ulbrich, dass sich die Löhne schwächer entwickelt haben, als Produktivität und Inflation bzw. Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit anderen Worten – wir prüfen das regelmäßig in eigenen Beiträgen zur Lohnentwicklung: Der Verteilungsspielraum (Produktivitätsentwicklung plus Inflationsziel) wurde nicht ausgeschöpft. Was aber soll daran “verantwortungsbewusst” sein? Nichts, es sei denn, man meint, es sei verantwortungsbewusst, sich unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber seinen Handelspartnern innerhalb der Europäischen Währungsunion (EWU) zu verschaffen…“ Artikel von Thorsten Hild vom 20. Juli 2014 in seinem Blog Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung
- Forderung nach Lohnplus: Neoliberale Marotten
„Die Bundesbank gibt den richtigen Tipp, aber im falschen Ton. Gönnerhaft rät sie den Gewerkschaften, dass sie höhere Löhne aushandeln sollen. Damit verkennt die Bundesbank das Problem: Es ist nicht die Schuld der Gewerkschaften, dass die Reallöhne in Deutschland seit 15 Jahren stagnieren und jetzt eine Deflation droht. Die Verantwortung trägt die Politik. Sie hat die Gewerkschaften systematisch entmachtet – und zwar mit dem Segen der Bundesbank, die die neoliberalen Blaupausen lieferte…“ Kommentar von Ulrike Herrmann in der TAZ vom 22. 07. 2014