Chancen und Risiken der Digitalisierung – jetzt gerade in einer Politisierungsphase. Nur wohin? Ganz ohne Sinn?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 24.8.2018

Zunächst: Ein Ende der Papierzeitung – und was dabei verloren geht – überschreibt Klaus Staeck seine Kolumne in der Frankfurter Rundschau – und zeigt uns gleichzeitig, welche Kultur uns dabei verloren geht (http://www.fr.de/politik/meinung/kolumnen/medien-das-ende-der-papierzeitung-a-1568242 externer Link).

Als Trend scheint der Weg zur papierlosen Zeitung – ökonomisch – eindeutig – aber gerade deshalb muss noch einmal auf den Segen des Papierlesens hingewiesen werden: Das Papierlesen entschleunigt, das digitale Lesen führt einen oft ins Beliebige, erklärt Klaus Staeck jedoch zum Glück – durchaus auch etwas kulturpessimistisch – noch: Smartphone und Computer haben den Leser zum Dauerkonsumenten gemacht – also keine Informationsökologie! – Und dieser Dauerkonsument wechselt das Medium, wenn die „News“ nicht auf dem neuesten Stand sind.

Das ist eine fatale Entwicklung, weil Zeitunslesen für mich (Anmerkung: und für mich auch) immer Informations- und Kulturbedürfnis war. Hintergründe „entdeckt“ man – als Denkprozess gleichzeitig – beim Kreuz- und Querlesen auf den Papierseiten und beim Blättern, ich streiche auch an und schneide aus, kann verweilen – um nachzudenken – und werde nicht minütlich mit immer neuen Informationen plus Werbung – zugeschüttet.

So entschleunigt das Papierlesen – und das Lesen von digitalen Angeboten treibt in einen Sog, außer dem Wesentlichen auch noch das „X-beliebige“ anzuklicken. Und am Ende landet man in den Kommentaren AfD-naher Trolle oder wichtigtuerischer Blödsinnsverzapfer. (http://www.fr.de/politik/meinung/kolumnen/medien-das-ende-der-papierzeitung-a-1568242 externer Link)

TAZ-Geschäftsführer Andreas Bull erklärt jedoch, dass das überlegende Denken bei einer Papierzeitung doch noch kein absolutes Ende haben muss (https://blogs.taz.de/hausblog/der-realitaet-ins-auge-blicken/ externer Link) – und wenigsten für die verbleibenden „Liebhaber“ des Denkens in Zusammenhängen eine „Nische“ erhalten bleiben wird.:

Das wird zunächst ein großes Thema bei der nächsten Mitgliederversammlung der TAZ-Genossenschaft. Wir gehen davon aus, dass ein Verhältnis 20: 20: 20: 20 rauskommen wird. (also 20 Prozent dürfen weiterhin täglich eine papierene TAZ lesen.

Und beim Spiegel wird der Chefredakteur ausgewechselt, um endlich das Magazin durch eine Digitalstrategie zukunftsfest zu machen. Diese Ablösung erfolgte angesichts der sinkenden Auflage beim Spiegel von über 820 000 verkauften Magazinen im Jahre 2015 auf nur noch gut 700 000 bisher im Vergleichs-Quartal im Jahr 2018 (http://www.fr.de/kultur/netz-tv-kritik-medien/medien/spiegel-steffen-klusmann-loest-spiegel-chefredakteur-brinkbaeumer-ab-a-1568172 externer Link) mit dem Ziel die Redaktionen von „Spiegel“ und „Spiegel online“ stärker zu verzahnen. Bei den Anzeigenerlösen (Werbung und Vertrieb) wurden im Jahr 2017 11 Millionen Euro weniger erwirtschaftet.

Der bisherige Chefredakteur Klaus Brinkbäumer äußerte sich nur gegenüber dem Tagesspiegel: „Diese Entscheidung kann ich nicht nachvollziehen.“

Spiegel-Verlagsgeschäftsführer Thomas Haas hatte schon vorher erklärt, dass die Integration von Print und Online der nächste konsequente Schritt bei der Modernisierung sei – und die dafür notwendige zentrale Steuerung sei nur möglich mit einer gemeinsamen Redaktion.

Das neue „Team-Chefredaktion“ wird von Steffen Klusmann (bisher Manager-Magazin), Barbara Hans (Chefredakteurin Spiegel-Online) und Ulrich Fichtner (Spiegel-Reporter) zusammengesetzt. Eine integrierte Redaktion – von Print und Digital – sei jetzt die wichtigste Rahmenbedingung, um den Spiegel als unabhängiges Medium weiter zu erhelten, heißt es. (https://www.sueddeutsche.de/medien/spiegel-soko-hamburg-1.4100750 externer Link)

Was bei der TAZ ziemich auf offener Bühne abläuft, vollzieht sich als beim Spiegel mit Intrigen im „Hinterzimmer“.

Um diese Digitalisierung in einen gesellschaftlichen Rahmen zu stellen, gibt es jetzt einen Digitalrat bei der Bundesregierung.

Nachdem die Digitalisierung – trotz vieler Versprechungen der Bundesregierung – bis nicht allgemein gestützt wurde, ist dieser Digitalrat der Bundesregierung zu begrüßen: (https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2018/08/2018-08-21-digitalrat.html externer Link)

Laut der Kanzlerin soll jetzt dieser – im Koalitionsvertrag vereinbarte – Digitalrat den Wissenstransfer zwischen den Expertinnen und und Experten in die Politik hinein fördern. (http://www.fr.de/politik/digitalrat-behoerden-sollen-online-gehen-a-1568259 externer Link)

Dass solch ein Vorhaben durchaus – auch jetzt noch – Sinn gibt, zeigt eine bisher recht schlechte Bilanz für die Digitalisierung in der Bundesrepublik: (https://www.teltarif.de/gerpott-analyse-koalitionsvertrag/news/71685.html externer Link)

So machen auch die Grünen im Bundestag geltend, dass es bis heute schon unzählige sehr konkrete Vorschläge zur Digitalisierung gebe, die die Bundesregierung – siehe beim Glasfaserausbau – nicht umgesetzt habe. Trotzdem sei der Digitalrat zu begrüßen.

Die personelle Besetzung sei hinsichtlich der internationalen Perspektive erfreulich, finden die Grünen. Weniger erfreulich sei jedoch, dass beispielsweise keine Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen – wie vielleicht „Algorithm Watch“ (= siehe weiter unten) – mit am Tisch sitzen – das stört die Grünen. (https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2018/august/digitalrat-darf-kein-feigenblatt-werden.html externer Link)

Mit der Professorin Katharina Zweig in Kaiserslautern und ihrer Organisation „Algorithm watch“ gibt es jetzt vielleicht auch genügend kritische Kompetenz sich umfassender im Sinne von Selbstbestimmung dem Problem der Digitalisierung zu widmen (siehe dazu auch deren Manifest: https://www.labournet.de/?p=97915).

Vielleicht muss man sich vor allem auch dieser Frage widmen: Auch Internetgiganten in ihre Schranken weisen

(https://www.nachrichten-fabrik.de/news/die-internetgiganten-in-die-schranken-weisen-49366 externer Link). Algorithmische Entscheidungssysteme und eine Bundestags-Enquete zur Künstlichen Intelligenz – mit Katharina Zweig – Informatik-Professorin aus Kaiserslautern (https://www.sueddeutsche.de/leben/katharina-zweig-ueber-algorithmen-1.4092822?reduced=true externer Link)

Neben den harmlosen Algorithmen gibt es diese neuen algorithmischen Entscheidungssysteme. Die müssen wir in den Griff kriegen, meint Katharina Zweig. Denn diese Systeme beeinflussen bereits die Polizeiarbeit, bestimmen darüber, wer einen Kredit bekommt, versorgen uns mit Nachrichten – oder lassen Börsenkurse steigen oder fallen. Deshalb brauchen wir eine gesellschaftlich Diskussion über Qualität und Fairness von Algorithmen und einen qualitätssichernden Prozess der Entwicklung, der fragt: Wie arbeitet der Algorithmus, was ist sein Einsatzgebiet? Von welchen Annahmen geht er aus? Und welche Nebenwirkungen hat er.

Ich weiß jedoch, dass sich auf so vieles aufpassen müsste, meint Frau Zweig noch. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass ich meine Daten ausreichend schützen kann. Deshalb auch fühle ich mich überfordert, erklärt die Fachfrau noch. Das fordere ich daher von der Politik. Die Politik muss algorithmische Entscheidungssysteme kontrollieren, weil der Bürger das nicht kann. Im Endeffekt möchte ich sichere Produkte, bei denen ich dann weiß, dass meine Daten da gut aufgehoben sind. (https://www.sueddeutsche.de/leben/katharina-zweig-ueber-algorithmen-1.4092822?reduced=true externer Link)

Die Bundestags-Enquete Künstliche Intelligenz.

Es ist gerade ein guter Zeitpunkt für eine solche Enquete, erklärt Frau Zweig. (https://www.bundestag.de/presse/hib/2018_06/-/562124 externer Link)

Bei der Einsetzung der Enquete wird auch die Herstellung von Öffentlichkeit ein Problem sein, damit nicht alles hinter verschlossenen Türen stattfindet. (https://netzpolitik.org/2018/bundestag-enquete-kommission-untersucht-kuenstliche-intelligenz/ externer Link)

Und eine zentrale Frage wird sein, wie Künstliche Intelligenz unsere Berufswelt verändert. (https://www.horizont.net/tech/nachrichten/ki-am-arbeitsplatz-wie-kuenstliche-intelligenz-unsere-berufswelt-veraendern-wird-168224 externer Link, vergleiche dazu weiter noch: Crowdworking-Plattformen: Wie technische Limitierungen beseitigt und Arbeitsbedingungen verbessert werden können: https://awblog.at/crowdwork-plattformen-arbeitsbedingungen-verbessern/ externer Link)

Um schon einmal ein öffentlichkeitswirksames Forum für diese Diskussion zu schaffen, hat Professorin Zweig mit MitstreiterInnen die Organisation „Algorithm Watch“ gegründet- zur Selbstbestimmung in der Netzwerkgesellschaft. (https://www.heise.de/newsticker/meldung/re-publica-Beobachtungsplattform-Algorithm-Watch-ist-online-3197438.html externer Link) So will „Algorithm Watch“ die Entscheidungsfindung algorithmischer Entscheidungssysteme unter die Lupe nehmen. Das Ziel ist die Selbstbestimmung in der Netzwerkgesellschaft! (https://algorithmwatch.org/de/ externer Link)

Algorithm Watch hat auch ein Manifest dazu erstellt, zu dem es bei Labournet eine Zusammenstellung gibt: https://www.labournet.de/?p=97915

Und jetzt die „Gesundheits-App“ – statt der gescheiterten elektronischen Gesundheitskarte – als ein Prüfstein für diese Sebstbestimmung im Netzwerk der Digitalisierung.

Dabei kann der Datenschutz-Fachmann/-frau wieder nur enorme Risiken für die Patientenrechte und für die sensiblen Gesundheitsdaten, die sich für viele Manipulationen so eignen, entdecken: (https://patientenrechte-datenschutz.de/wp-content/uploads/2018/08/PM_Patientenakte.docx-fin-2018-1.pdf externer Link pdf, siehe dazu einen Überblick noch bei: https://www.labournet.de/interventionen/grundrechte/kommunikationsfreiheit/datenschutz/el-gesundheitskarte/statt-gesundheitskarte-smartphone-kontrolle/ oder kurz: https://www.labournet.de/?p=132109

Und der Ärzteverband Marburger Bund will es schon einmal ausgeschlossen wissen, dass Patientendaten weder an Krankenkassen, Arbeitgeber noch an andere Dritte gehen dürfen (sicher eine gestalterische Herausforderung für die Politik gegenüber dem Druck dieser ganzen Lobby)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136569
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