Kapitalismus und Wachstum: Wir produzieren uns zu Tode
„Das Hauptproblem ist nicht, dass der Kapitalismus Menschen ausbeutet und die Umwelt zerstört, sondern dass wir nicht wissen, wie wir von ihm loskommen, sagt die Wirtschaftshistorikerin Ulrike Herrmann…“ Artikel von Susan Boos in der WoZ vom 09.10.2014
- Aus dem Text: „… Herrmann hatte dreissig Minuten, um den Leuten zu erklären, wie das System Kapitalismus funktioniert – und weshalb wir nicht einfach aussteigen können. Sie schaffte es eloquent. Man kann fünf wichtige Punkte herausgreifen: 1. Der Kapitalismus braucht hohe Löhne. 2. Es gibt keine Marktwirtschaft. 3. Wir produzieren uns zu Tode. 4. Die grüne Wirtschaft hilft nicht. 5. Demokratie entstand mit dem Kapitalismus. (…) Oft wird über die Konsumgesellschaft geklagt, die die Welt zugrunde richtet. Die Menschen kaufen stetig Dinge, die sie nicht brauchen. Würden alle verzichten und nur noch die Hälfte konsumieren, ginge es niemandem schlecht, aber der Umwelt besser. Achtung, sagt Herrmann, das Problem sei nicht der Konsum, sondern die Produktion – und dass der Kapitalismus davon abhänge, dass die Produkte gekauft würden. «Die Produkte sind nur Hilfsmittel für einen höheren Zweck. Das Endziel sind die Arbeitsplätze. Wir arbeiten, um zu arbeiten.» Nur wer Arbeit hat, hat Einkommen, Sicherheit und Anerkennung. (…) Einfach aussteigen geht nicht: «Es würde eine unkontrollierbare Spirale nach unten einsetzen, die an die Weltwirtschaftskrise ab 1929 erinnert: Arbeitsplätze gehen verloren, die Nachfrage sinkt, die Produktion schrumpft, noch mehr Stellen verschwinden. Der Kapitalismus wäre zwar beendet, aber dieses Ende darf man sich nicht friedlich vorstellen.» Es könnte alles pulverisiert werden, was uns lieb ist – Bildung, Demokratie, Menschenrechte, Gleichberechtigung, Sozialstaat. «Was tun, Frau Herrmann?» Sie lacht und sagt, die Frage werde ihr häufig gestellt – «aber warum soll ich sie beantworten können?»…“