Der Kapitalismus auf dem Rückzug? Teilen und Kollaborieren statt Profitieren
„“Kollaborateur“ – politik- und militärhistorisch hat dieser Verhaltenstyp sich einen schlechten Ruf zugezogen. Zusammenarbeit mit dem kriegerischen Feind oder einer Besatzungsmacht wird ihm vorgeworfen, Verrat an den Interessen des eigenen Landes. Anders das Bild, das sich spätestens seit dem neuesten Erfolgsbuch des US-amerikanischen Trendökonomen Jeremy Rifkin mit dem „Kollaboratisten“ verbindet: Dieser – inzwischen immer mehr sich ausbreitend – rüste sich nun „zur Schlacht“, gegen eine von Gewinnsucht beherrschte Ökonomie. Gesellschaftsgeschichtlich bahne sich damit ein neues Zeitalter an – allgemeiner, durch Empathie geprägter „Wohlstand durch Teilen“. Die Netzwelt mache das möglich…“ Artikel von Arno Klönne in telepolis vom 20.10.2014
- Aus dem Text: „… Wir sind, meinen die Optimisten, auf dem Weg zur „Zugangsgesellschaft“; auf die allgemeine Verfügbarkeit von Gebrauchsgegenständen und Wissensbeständen komme es nun an, nicht mehr auf den individuellen Besitz derselben. Und deshalb werde das System des Profitmachens aus privatem Eigentum in Auflösung kommen. Ein bisschen Skepsis kann da nicht schädlich sein, und zu empfehlen ist ein sorgsamer Umgang mit Begriffen. Die „Ökonomie des Teilens“, wie sie sich derzeit entwickelt, stellt sich bei näherer Betrachtung zu weiten Teilen als eine Wirtschaftsweise des Verleihens gegen Entgelt heraus. „Eigentum“ und „Besitz“ sind, ein Blick in das Bürgerliche Gesetzbuch kann da Aufklärung bringen, zwei unterschiedliche Kategorien. „Herrschaft über das Recht an der Sache“ und bloße (befristete) „Sachherrschaft“, so heißt in der Juristensprache die materiell höchst bedeutsame Differenz. Der Eigentümer kann etwas aus seinem Hab und Gut einem anderen Menschen in zeitweiligen Besitz übergeben und damit Gewinn machen oder wenigstens eigene Kosten mindern. Das ist eine altbewährte Methode im kommerziellen Leben. Ein „homo empathicus“ (Rifkin), den die Lust am Teilen motiviert, tritt damit nicht auf. (…) „Sharing“ gegen Entgelt als Alltagsphänomen wirkt, wenn man es so nennen will, erzieherisch. Den Lernprozess hat dann erfolgreich ein Jugendlicher vollzogen, der seine schicke Uhr für einen Abend dem Kumpel leiht, für ein paar Euros, als Vorzeigeobjekt zum individuellen Statusgewinn. Evgeny Morozov hat diese Form des „Teilens“ als neue Fähigkeit des Kapitalismus beschrieben, „eine Ware, die gekauft und damit dem Markt entzogen wurde, in einen mietbaren Gegenstand zu verwandeln, der den Markt erst gar nicht verlässt“. Geteiltes Eigentum oder genauer gesagt: „Gemeineigentum“ ist ein anderes Ding, es hat eine lange Geschichte, in vorkapitalistischen Ausformungen (zum Beispiel der agrarischen Almende) und in Bemühungen, zum Kapitalismus wirtschaftliche Alternativen zu entwickeln, etwa genossenschaftliche Strukturen von Produktion, Konsum und Wohnen. Was die zweitgenannte Form angeht, so ist aufschlussreich, wie anfällig sie wurde für die Verwandlung in kapitalistische Eigentumsverhältnisse…“