Sabine Nuss über die Umverteilung des Privateigentums – und wofür sie einen Shitstorm erntet

Commons not Capitalism„Die Politikwissenschaftlerin Dr. Sabine Nuss hat in dieser Woche eine Diskussion darüber angestoßen, wie Privateigentum anders verteilt werden könnte. „Privateigentum abschaffen heißt übrigens nicht, jemandem was wegnehmen, sondern allen was geben.“ – mit diesem eigentlich eher harmlosen Tweet externer Link hat die Politikwissenschaftlerin Dr. Sabine Nuss in dieser Woche eine Diskussion um die Verteilung von Privateigentum angestoßen…“ Im Interview bei radioeins vom 2. Juli 2021 erläutert Sabine Nuss ihre Ansicht zum Privateigentum externer Link u.a. so…

  • „… Man muss erst mal eine Unterscheidung machen zwischen dem persönlichen Eigentum und zwischen Privateigentum. Und das ist auch Standard in der Literatur und in der Wissenschaft, diese Unterscheidung. Im Alltagsverstand setzt man das in eins. Da ist Privateigentum das persönliche Eigentum – in aller Regel. Und persönliches ist tatsächlich das Konsumtive, was ich jeden Tag konsumiere, was ich mir mit meinem Gehalt kaufen kann, was ich essen und trinken kann, mein Fahrrad, mein weiß ich nicht was. Und das Privateigentum bezieht sich auf das produktive Eigentum, das heißt: ertragsorientiertes Eigentum. Das ist, wenn ich in etwas Kapital investieren kann, und es vermehrt sich, und es bringt mir einen Ertrag. Das ist das produktive. Lateinisch ist übrigens privat von der Wortwurzel her privare und heißt berauben. Das ist auch ganz interessant, dass dieses Wort beraubend da drinsteckt. Wenn ich sage produktives Eigentum, dann kann man sich das relativ schnell ausdenken, was ist denn das, was sich vermehren kann? Das ist in der Regel, wenn ich Arbeitskraft kaufe und Naturressourcen mir aneigne, dann kann ich das produzieren lassen und dadurch vermehrt sich mein Kapital. Oder, wenn ich in Immobilien investiere, dann kann sich mein Kapital vermehren, indem ich die Mieten erhöhe und dadurch sozusagen das Lebensmittel anderer zu dem Mittel meiner Bereicherung machen. Das heißt, Privateigentum bezieht sich ausschließlich auf dieses produktive Eigentum, und nicht auf das persönliche. (…) Die Reichtumskonzentration ist ziemlich groß geworden. Und es geht quasi darum, dieses Thema gesellschaftlich zu denken. Das bedeutet, das ich eine Begrenzung der Güter – im Moment habe ich eher das Gegenteilige, dass wir zu viel produzieren und ein Teil davon wegwerfen müssen, weil nicht genügend Kaufkraft da ist, dass sich sozusagen zu kaufen. Wir haben nicht das Problem, dass wir begrenzte Güter haben, sondern wir haben das Problem, dass wir produzieren und produzieren und produzieren und einem enormen Wachstumszwang unterliegen und dabei noch nebenbei so ein bisschen die Natur schädigen, und gleichzeitig noch den Fakt, dass nicht alle gleichermaßen Zugang dazu haben. (…) Und daraus resultiert eine spezifische Verteilung. Und das wäre dann auch das, wo ich denken würde, das müsste man eigentlich ändern. Und dann hätten am Ende alle was davon…“ (der Beitrag von 7:40 Min bei radioeins ist noch bis zum 2. August 2021 berfügbar und ist als Download verfügbar)

Siehe auch

  • Dann werden alle mehr Wurst bekommen. Privateigentum wird gern zum Wohlstandsgarant verklärt. In Wahrheit geht es um Verfügungsrechte, also Macht. Im Kapitalimus dreht sich alles darum
    Wenn die Sorge um den Besitz jeweils Einzelnen vorbehalten ist, wird dies nicht die jeweiligen Vorwürfe produzieren; die Sorge um den Besitz wird so eher gesteigert, weil nun jeder Einzelne sich seinem Eigentum widmet.« Dieser Satz ist etwa 2.400 Jahre alt. Er stammt von Aristoteles. Mitunter wird er als Kronzeuge für die Vorzüge des Privateigentums zitiert. Das hat Gewicht. Schon Aristoteles habe das so gesehen, der bekannteste und einflussreichste Philosoph der Geschichte. Na dann. (…) Diese Anschauung gilt als unumstößlich, weil angeblich historisch bewiesen, wahr und allgemein gültig, sie ist zu einem der hartnäckigsten und am weitesten verbreiteten Mythen unserer Zeit geronnen, sie trifft im Alltagserleben auf eine gewisse Plausibilität, was ihre Stärke fördert, sie trifft kaum auf entkräftende Gegenargumente, sie hat eine ideologische Funktion und das, seit es kapitalistische Produktionsweise gibt, man könnte sagen, sie ist ihr intellektuelles Schmiermittel. Etliche von Linken gern als neoliberal bezeichnete Maßnahmen, wie Privatisierungen, Deregulierungen und Liberalisierungen, besonders wirksam seit den 1970er Jahren, wurden so gerechtfertigt und wer bei den aktuellen Debatten um Enteignung genau hinhört, wird sie auch da wieder entdecken. Sogar die Rückverwandlung der Eigentumsverhältnisse in kapitalistische in den postsozialistischen Staaten gründete sich darauf. (…) Der Streit um Enteignung und Eigentum dreht sich in aller Regel nur um die juristische Gestalt des Eigentums – die ökonomische Seite und der Zusammenhang zwischen beidem bleiben verborgen. Die Effizienz nun, die dem Privateigentum zugeschrieben wird, die zu Wachstum und Wohlstand führt, soll daher rühren, dass die Menschen nur dann einen Anreiz zur Arbeit bekommen, wenn sie sagen können: Das Ergebnis der Arbeit gehört mir. Dann werden sie angeregt, besser und sorgsamer zu produzieren, sie werden ein Interesse haben, ihr Eigentum zu vermehren. Das nennt man die Anreiztheorie des Eigentums. Sie ist nicht falsch. Nur: Die unmittelbaren Produzenten verfügen nicht über die Früchte ihrer Arbeit. Sie produzieren für eine fremde Person, mit fremden Produktionsmitteln, für einen Zweck, den sie nicht bestimmen können und der sich im Zweifel sogar gegen sie wendet. Sie verfügen nicht. Aber sie arbeiten trotzdem. Warum? Es ist der »stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse«, der sie treibt und sie strengen sich an, denn im Hintergrund lauert die berühmte »Reservearmee«, mit stets jüngeren, willigeren, besser ausgebildeten, jedenfalls konkurrierenden Beschäftigten, sowie die Drohung, den Arbeitsplatz zu verlieren. Wer das »Anreiz« nennen mag. Es gibt nicht zufällig immer wieder neue Managementmethoden, die versuchen, die Motivation der Beschäftigten zu steigern, auch die berühmte Mitarbeiterbeteiligung resultiert aus solchen Erwägungen, es gibt ein ganzes Arsenal an Motivationsliteratur, was noch keinen einzigen Verfechter der Anreiztheorie des Privateigentums ins Grübeln gebracht hat. Der Anreiz, das Eigentum zu vermehren, gilt für jene, die es haben…“ Artikel von Sabine Nuss aus OXI 7/2019 wiederveröffentlicht am 30.06.2021 im OXI-Blog externer Link
  • Im LabourNet vom Februar 2018: Warum Staat und Eigentum getrennt werden müssen. Zur Debatte über Vergesellschaftung anstelle Verstaatlichung und über Gemeineigentum anstelle von staatlichem Eigentum
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=191536
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