Palliativmittel im Kapitalismus: Die Ergebnisse eines Streiks ändern nichts an den grundsätzlichen Ausbeutungsursachen des Lohnsystems
„Der Arbeitskampf hat in einer widersprüchlichen kapitalistischen Ordnung eine entscheidende Voraussetzung: Die von den Kapitaleignern abhängig Beschäftigten müssen erkennen und ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie nur in einer Koalition, in einem gewerkschaftlichen Zusammenschluss, ihrer individuellen Unterlegenheit gegenüber den Kapitalisten etwas entgegensetzen können. Denn nur mit der Möglichkeit einer kollektiven (solidarischen) Verweigerung von Arbeit, mit Streik (aus dem Englischen »to strike work« – »die Arbeit hinschmeißen«) ist eine wirksame gewerkschaftliche Interessenvertretung gegenüber dem Kapital überhaupt möglich. Die wichtige solidarische Macht von Arbeitern beschreibt hier schon das 1863 von Georg Herwegh verfasste Gedicht und Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein. »Mann der Arbeit, aufgewacht! Und erkenne deine Macht! Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!« Das wissen natürlich auch alle Kapitaleigner und deren Helfer in Politik, Wissenschaft und Medien und daher ist für sie auch jeder Streik ein Streik zu viel…“ Artikel von Heinz-J. Bontrup vom 9. Juni 2022 in Neues Deutschland online und mehr daraus:
- Weiter im Artikel von Heinz-J. Bontrup vom 9. Juni 2022 in Neues Deutschland online : „… Nicht zuletzt bildet auch das herrschende Recht Streikrestriktionen. Zwar billigt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Anbetracht der Tarifautonomie im Grundgesetz (Art. 9 (3) GG) den gewerkschaftlichen Streik. Betriebsräte dürfen hier gemäß §74 (2) Betriebsverfassungsgesetz nicht streiken. Aber das Recht gesteht den Unternehmern auch die Aussperrung von Beschäftigten zu. Für das BAG ist dies eine notwendige »Kampfparität«. Dass das höchste Arbeitsgericht hier von einer Herstellung »gleicher Verhandlungschancen« spricht bzw. diese einfordert, zeugt aber entweder von einer völligen Negierung wirtschaftlicher Realitäten (hier sei dem Gericht zur Lektüre Adam Smith empfohlen) und/oder von einer einseitigen Vertretung von Kapitalinteressen. In diesem Kontext ist wohl auch das 1995 vom Bundesverfassungsgericht gefällte Urteil zur Abschaffung des §116 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) einzustufen. Der Arbeitsrechtler Ulrich Zachert sieht in dem Urteil des Verfassungsgerichts eine »weitgehende Abschaffung des Streikrechts auf kaltem Wege«. as ist die Conclusio aus dem Ganzen? Nun, im Kapitalismus ist der Streik allenfalls ein Palliativmittel und seine Ergebnisse ändern an den grundsätzlichen Ausbeutungsursachen des Lohnsystems gar nichts. Die Tinte unter dem Tarifvertrag ist gerade trocken, ein kurzer Moment der Befriedung zwischen Kapital und Arbeit tritt ein, und danach ist der inhärente Systemwiderspruch schon wieder da. Will man daher die Ursachen der Ausbeutung beseitigen, so muss mit einer umzusetzenden Wirtschaftsdemokratie die kapitalistische Herrschaft beendet werden. Dazu sind die Gewerkschaften und Beschäftigten aufgerufen. Will man dies nicht, und es sieht ganz danach aus, so muss zumindest die Streikbereitschaft und auch -fähigkeit der Gewerkschaften massiv gesteigert werden. Dazu bedarf es der politischen Unterstützung. Als da wären: Beseitigung der Aussperrung von Beschäftigten durch Unternehmer. Pflichtmitgliedschaft aller Beschäftigten in einer Gewerkschaft. Ausbau der betrieblichen und unternehmensbezogenen Mitbestimmung, nicht zuletzt in transnationalen Konzernen. Will man dies auch nicht bzw. es kommt zu keiner Umsetzung, so wird die weitere Abwärtsspirale der Gewerkschaften nicht aufzuhalten sein.“
(Dieser Artikel stammt aus OXI – Wirtschaft anders denken. OXI ist eine ökonomiekritische Monatszeitung, die exklusiv für nd-Abonnent*innen in »nd.DieWoche« beiliegt.)