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Katastrophenkapitalismus: Marode, labil, krisenanfällig – der Spätkapitalismus ist nicht in der Lage, die kommenden klimatischen Erschütterungen zu bewältigen, die er selbst verursacht
„Naturkatastrophen, klimatische Umschwünge oder extreme Wetterereignisse stellten in der bisherigen Menschheitsgeschichte zumeist keine bloßen Schicksalsschläge dar. Umweltkrisen bilden einen Prozess, bei dem äußere Faktoren eine soziale Struktur, eine Zivilisation unter Druck setzten; es sind komplexe Wechselwirkungen von betroffener Gesellschaft und extremen, katastrophalen Ereignissen, die oft genug gerade durch den blind ablaufenden, fetischistischen Zivilisationsprozess selber ausgelöst werden (klassisches Beispiel dafür ist der Kollaps der Kultur auf den Osterinseln). (…) Im Fall des dynamisch-instabilen, zur Autodestruktion neigenden kapitalistischen Weltsystems verhält es sich ganz anders. Hier, im Spätkapitalismus, ist es gerade der uferlose Wachstumszwang des Kapitals, der sowohl die Ursache des Klimawandels bildet, wie auch die Folgen der sich häufenden Naturkatastrophen und Klimakrisen potenziert. Im Folgenden soll argumentiert werden, dass der Kapitalismus nicht nur die globale Klimakrise maßgeblich verursacht (…), sondern auch die soziale Instabilität erhöht, die die maroden spätkapitalistischen Gesellschaften somit krisenanfälliger macht und ihre Fähigkeit, mit extremen äußeren Schocks umzugehen, unterminiert. Die Unterschiede zwischen der fetischistischen Kultur der Osterinseln, deren im blinden Ahnenkult verfangene Bewohner die Ressourcen ihrer Insel erschöpften, um immer größere Monumente zu errichten, und dem Fetischismus des Kapitals (…) als einer auf sich selbst rückgekoppelten Verwertungsdynamik sind letztendlich nur gradueller, quantitativer Art. Die Menschheit befindet sich allem technischen Fortschritt zum Trotz immer noch in ihrer fetischistischen Vorgeschichte, in der menschliche Gesellschaften ihre Reproduktion nicht bewusst regeln, sondern unbewusst hervorgebrachten Dynamiken und Gesetzen ausgesetzt sind, die sie blind antreiben. Dabei ist der Kapitalkult aufgrund seiner global wirkenden instrumentalen Rationalität weitaus zerstörerischer als der Ahnenwahn der Osterinseln: Um des irrationalen, uferlosen Wachstums willen verheert die Realabstraktion Wert die gesamte Welt, nicht nur eine abgelegene Insel im Pazifischen Ozean…“ Beitrag von Tomasz Konicz vom 31. Oktober 2019 bei Telepolis – siehe nun den Teil 2:
- Blinde „Unsichtbare Hand“ – Wer will schon klüger sein als der Markt?
„Es muss nicht immer die rechtliche Grauzone sein, in der die Fundamente für die Verstärkung künftiger Klimakatastrophen gelegt werden. Der Markt kennt kein anderes Gesetz als das des höchstmöglichen Profits – und im neoliberalen Zeitalter bemühte sich die Politik, im Rahmen der berüchtigten Deregulierung der segensspendenden „unsichtbaren Hand“ möglichst großen Spielraum zu verschaffen. Dies etwa auf dem polnischen Immobilienmarkt, wo im Verlauf der wilden, neoliberalen Systemtransformation auch die Bauvorschriften massiv dereguliert worden sind. Wer es sich leisten konnte, errichtete sein Häuschen gerne malerisch am Fluss oder in der Natur, die Vorschriften waren lax oder sie wurden ignoriert. Wer will schon klüger sein als der Markt? Die Konsequenzen dieses Marktbooms spülten die katastrophalen Überflutungen ans Tageslicht, die im Frühjahr und Sommer 2010 weite Teile Südpolens heimsuchten. Laut damaligen Schätzungen beliefen sich die Schäden auf rund 14 Milliarden Zloty (ein Euro war damals etwa vier Zloty wert), was in etwa einem Prozent des damaligen polnischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprach – dies war ein neuer Rekordwert. Die hohen Schäden seien insbesondere auf die Bebauung von „natürlichen Überflutungsgebieten“ zurückzuführen, was die Hochwasserlage immens zugespitzt habe, klagten damals Nichtregierungsorganisationen wie der WWF. (…) Der Nationale Wetterdienst der USA war nicht mehr in der Lage, die Regenmassen, die der Hurrikan Harvey über Südosttexas niedergehen ließ, mit den üblichen Methoden adäquat darzustellen. Er musste das Farbspektrum der Wetterkarten erweitern, um die historisch beispiellosen Niederschlagsmengen sinnvoll zu visualisieren. (…) Gerade im Großraum Houston, einer Bastion der marktradikalen Republikaner, konnten aber auch die desaströsen Folgen jahrzehntelanger neoliberaler Wirtschaftspolitik studiert werden. Zum einen war es ebenfalls das Fehlen essenzieller Regeln wie Bauvorschriften, die mit zu den immensen Schäden in der Region beigetragen haben. Viele Häuser wurden in Überflutungsflächen errichtet, da es keinerlei gesetzliche Regelungen gab, die dem einen Riegel vorschieben würden. Houston gehört zu den wenigen Großstädten in den USA, die keine urbane Flächennutzung durchsetzen – der Markt soll es regeln. (…) Den größten Krisenverstärker bildet aber der Weltmarkt selbst, auf dem sich die fetischistische Eigendynamik höchstmöglicher Kapitalverwertung global entfaltet. Der Markt kennt keine menschlichen Bedürfnisse, sondern nur die zahlungskräftige Nachfrage, die Mittel zum Selbstzweck der Akkumulationsbewegung ist. Deswegen herrscht auch keine Nachfrage nach Lebensmitteln in den Hungergebieten Afrikas oder im Jemen, auch wenn dort massenhaft Menschen verhungern und in den USA oder der EU rund 50 Prozent aller Nahrungsmittel auf dem Müll landen. Dieses alltägliche perverse Marktversagen, dies gigantische Verschwendung natürlicher Ressourcen, wird in der Öffentlichkeit gar nicht mehr wahrgenommen, es ist längst zur kapitalistischen Normalität geronnen…“ Beitrag von Tomasz Konicz vom 4. November 2019 bei Telepolis – Katastrophenkapitalismus – Teil 2