Facettenreiche Hegemonie. Imperialismus? Der globale Kapitalismus lässt sich ohne die Macht einzelner Staaten nicht verstehen
„Für die Emanzipation »der Vielen« gibt es keinen anderen Weg, als die Hegemonieverhältnisse innerhalb der Gesellschaften und grenzüberschreitend zu verschieben. Überlegungen zum globalen Empire und seinen Hegemonien…“ Artikel von Raul Zelik in Neues Deutschland vom 27.07.2015
- Aus dem Text: „… In den 1990er Jahren läuteten viele Autoren das Ende des Nationalstaats ein. Die Globalisierung, so hieß es, mache den Staat überflüssig. IT-Technologien schleiften die Grenzen, supranationale Institutionen wie der IWF verwandelten sich in eine Art Weltregierung. Doch mittlerweile ist klar, dass sich diese Prognosen als falsch erwiesen haben. Virtuelles Geld mag in Mikrosekunden über den Globus rasen, und Griechenland eher von der EZB als von SYRIZA regiert werden (was die Frage aufwirft, ob Linksregierungen heute nicht in erster Linie als Widerstandsformen begriffen werden müssen). Aber gleichzeitig ist die Bedeutung der führenden Nationalstaaten keineswegs geschrumpft. Staaten entscheiden zwar nicht mehr souverän über ihre Sozialpolitik, aber in der Finanzkrise seit 2008 waren sie es, die dem klammen Finanzkapital 2 Billionen US-Dollar spendieren mussten. Und schließlich wird auch das Lebensniveau der Menschen – trotz wachsender Ungleichheit in den Industriestaaten – nach wie vor ebenso sehr durch Nationalität wie durch Klassenzugehörigkeit bestimmt. Mit dem Lebensstandard eines schweizerischen Facharbeiters gehört man in Burkina Faso zu den oberen fünf Prozent. Der Staat ist also auch im globalen Empire kein Auslaufmodell, im Gegenteil: Er bleibt unverzichtbar, um internationale Machtasymmetrien abzusichern. Dabei ist es allerdings nicht so, dass Staaten einfach nur umsetzen, was ihnen von Banken und Konzernen diktiert wird. Staaten sind »verdichtete« Hegemonieverhältnisse. Das heißt, ihren Institutionen ist die Macht der Eliten eingeschrieben. (…) Es hilft nichts: Für die Emanzipation »der Vielen« gibt es keinen anderen Weg, als die Hegemonieverhältnisse innerhalb der Gesellschaften und grenzüberschreitend zu verschieben. Der globale Kapitalismus lässt sich ohne die Macht einzelner Staaten nicht verstehen – weswegen auch der Imperialismus keineswegs Geschichte ist. Doch wer umgekehrt meint, über die Verteidigung nationaler Souveränität ließe sich der Imperialismus besiegen, liegt ebenso falsch.“