Die Postkapitalismusdebatte: Fortschrittsoptimismus oder Care-Ethik?
„Die einen vertrauen auf flexible Informationstechnologien, die anderen beharren auf festen sozialen Bindungen: Zwei völlig unterschiedliche linke Ansätze befassen sich mit der Überwindung des Kapitalismus – und beide haben einen blinden Fleck. (…) Erst jetzt, mit fast zehnjähriger Verspätung, hat man den Eindruck, es könnte vielleicht doch noch zu einer Postkapitalismusdiskussion kommen. (…) Die Postkapitalismusdebatte ist nämlich mit einem doppelten Problem konfrontiert. Zum einen sollte sie nicht hinter die marxsche Kritik am utopischen Sozialismus zurückfallen, wonach Befreiung keine Frage guter Ideen und erleuchteter Führungen ist, sondern aus materiellen Bedingungen und sozialen Kämpfen hervorgeht. Zum anderen müssen Alternativkonzepte konkret genug sein, um Handlungshorizonte aufzuzeigen und etwas in Bewegung zu setzen. (…) Sie teilen die Ansicht, dass Kooperation als Grundlage des Postkapitalismus aus gesellschaftlichen Praktiken wachsen muss. Für die einen stehen dabei Arbeitsprozesse, Kommunikation und technische Entwicklungen im Vordergrund, für andere die vermeintlich «reproduktive» Perspektive, nämlich die Bindungs- und Care-Tätigkeiten. Beide erkennen trotz Staatskritik aber auch die Bedeutung institutioneller Politik an, durch die Rahmenbedingungen verbessert oder verschlechtert werden. Und beide Ansätze haben einen grossen blinden Fleck, was Machtverhältnisse angeht…“ Artikel von Raul Zelik in der WoZ vom 26.05.2016