Armutspolitisch wirkungslos: „Grundrente“
Dossier
„Als „dreisten Etikettenschwindel“ und „armutspolitisch wirkungslos“ kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die Pläne der Sondierenden aus Union und SPD zur Einführung einer sogenannten „Grundrente“. „Die Voraussetzungen sind zu hoch, die Umsetzung zu kompliziert und die Leistungen zu niedrig“, (…) kann gerade einmal ein Fünftel der Altersgrundsicherungsbezieher 35 Jahre und mehr beitragspflichtige Erwerbsarbeit als Voraussetzung für die so genannte Grundrente vorweisen. Hinzu käme, dass nach den Plänen der Sondierenden die gleichen Kriterien wie bei der Sozialhilfe angelegt werden: Erst müsse angespartes Vermögen eingesetzt werden und auch falls weitere ausreichende Einkommen, etwa von Ehepartnern vorhanden sind, entfalle der Anspruch auf die Leistung…“ Pressemitteilung des Paritätischen Gesamtverbands vom 19. Januar 2018 . Siehe dazu (ganz unten) den Grundrente-Referentenentwurf und die Debatte wie Bilanzen:
- Die Grundrente: Was ist das eigentlich? Auf jeden Fall keine Mindestrente, da keine Mindestbeträge garantiert werden
„Ist die deutsche Grundrente eine echte Grundrente? Wie wirkt sie? Was macht eine Grund- oder Mindestrente eigentlich aus? Welche empirischen Erkenntnisse liegen vor, mit der sich Bedeutung und Wirkung der Grundrente einordnen lassen? (…) Die deutsche Grundrente ist im Gegensatz dazu keine Mindestrente, da keine Mindestbeträge garantiert werden. Stattdessen werden existierende, relativ geringe Rentenansprüche durch Zuschläge erhöht; häufig wird deswegen vom „Grundrentenzuschlag“ gesprochen (allerdings ist auch das missverständlich, da es kein Zuschlag zu einer Grundrente ist, sondern die Leistung selbst bezeichnet; im Folgenden werden die Begriffe Grundrente und Grundrentenzuschlag synonym verwendet). Ein Anspruch auf einen Grundrentenzuschlag besteht ab 33 Jahren mit Grundrentenzeiten (vor allem Beitragsjahre, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit), der volle Anspruch besteht ab 35 Jahren. Aufgewertet werden nur Entgeltpunkte in Monaten mit niedrigen versicherten Einkünften. Zusätzlich gibt es eine Einkommensprüfung, die auch das Einkommen von Partner*innen bei Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften einbezieht. Die Erfüllung der Wartezeit von 33 Jahren wirkt sich zudem auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, das Wohngeld und die Sozialhilfe aus. In diesen Systemen wurden mit der Grundrente Freibeträge auf Renteneinkommen eingeführt, sodass Menschen mit Anspruch auf diese Leistungen und Erfüllung der Wartezeit der Grundrente einen Teil ihrer Rente behalten können.
Die exakte Berechnung der Grundrente ist kompliziert und für die Versicherten nicht einfach nachzuvollziehen (…)
Die 2021 eingeführte Grundrente hat einen irreführenden Namen und einige Schwächen in ihrer Ausgestaltung. Davon zeugt der enorme verwaltungstechnische Aufwand bei ihrer Einführung. Die Rentenversicherung hatte dabei erhebliche Probleme, da sie den kompletten Rentenbestand prüfen musste, und die Grundrente erst mit einer Verzögerung von etwa zwei Jahren komplett umsetzen konnte. Eine Stärke der Grundrente ist gleichzeitig eine wichtige Schwäche: die automatisierte Einkommensprüfung. So wird das Problem der Nichtinanspruchnahme vermieden. Das zeitliche Auseinanderfallen von Einkommensprüfung und Bedarf ist allerdings unglücklich. Noch wissen wir nicht, wie viele Menschen davon betroffen sind, etwa wenn Ihr Partner/Ihre Partnerin stirbt, sie aber bei der Einkommensprüfung so behandelt werden, als wäre sie/er noch am Leben. Hier sollte möglichst schnell geprüft werden, ob es alternative Ausgestaltungsmöglichkeiten gibt (vgl. Nullmeier 2020). Zudem ist problematisch, dass Renten aus einer privaten oder betrieblichen Altersvorsorge als Einkommen auf die Grundrente angerechnet werden. So gibt es beispielsweise bei der Grundsicherung einen Freibetrag für dieses Einkommen, aber bei der Grundrente nicht. Auch die Förderlogik bei der Riester-Rente oder die Geringverdiener-Förderung in der betrieblichen Altersvorsorge passen nicht recht dazu, dass sich Einkommen aus diesen Quellen potenziell negativ auf die Grundrente auswirken könnten. Ähnlich problematisch ist, dass eigenes Erwerbseinkommen nach Renteneintritt auf die Grundrente (mit einer Verzögerung von zwei Jahren) angerechnet werden könnte. In Zeiten, in denen über erleichterte Bedingungen der Weiterarbeit nach Renteneintritt nachgedacht wird, wäre auch diese Regelung zu überdenken. Man sieht der Grundrente deutlich an, dass sie Ergebnis eines Kompromisses zwischen SPD und CDU ist und ihre Umsetzung einige widersprüchliche Elemente in sich trägt…“ Beitrag von Johannes Geyer vom 15.08.2024 im WSI-Blog („Die Grundrente: Was ist das eigentlich?“) - #Mindestrente: DIE LINKE Thüringen fordert mit einer Petition die Einführung einer solidarischen Rentenversicherung für alle
- Petition für gerechte Rente!
„Mit einer Petition „Gerechte Rente jetzt!“ an den Deutschen Bundestag will Die Linke Thüringen die Forderung nach einer gerechten und solidarischen gesetzlichen Rente für Alle stark machen. Am Samstag, 03. August wurde in Erfurt die Unterschriftensammlung mit Unterstützung des Spitzenkandidaten der Thüringer Linkspartei Bodo Ramelow gestartet. Das Ziel sind 30.000 Unterschriften, um die drei Kernforderungen für eine gerechte Rentenpolitik in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses des Bundestags zu beraten. Drei Forderungen stehen im Mittelpunkt der Petition „Gerechte Rente jetzt!“:
1) Eine Rentenversicherung für alle: Wir fordern eine moderne Erwerbstätigenversicherung, in die Selbstständige, der Freiberufler, die Beamtin, der Künstler, die Arbeiterin, der Angestellte oder Politikerin und Politiker – alle zusammen, und zwar aus jeder Einkommensart – einzahlt. Somit wird die Rente zu einer solidarischen und allgemeinen Bürger:innenversicherung.
2) Einführung einer armutsfesten Mindestrente: Wir fordern eine garantierte solidarische Mindestrente von 1.250 Euro als Sockelbetrag für all jene, die keine Rente erhalten, die für ein Leben jenseits der Armut reicht. Wer zu schlechten Löhnen arbeiten musste, erwerbslos oder krank war, hat trotzdem Anspruch auf ein würdevolles Leben im Alter.
3) Benachteiligung der ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner beenden: Auch heute sind die Arbeits- und Lebensleistungen in Ost und West immer noch nicht gleich viel Wert. Rund 20 Prozent weniger Entgelt im Osten bedeuten weniger Rentenanspruch im Alter. Jeder dritte Rentner im Osten bekommt weniger als 1.000 Euro Rente im Monat. Altersarmut ist im Osten vorprogrammiert. Wir fordern daher die sofortige Angleichung der Ostrenten an das Westniveau, die Fortsetzung der Umrechnung der Ostlöhne für die Rentenversicherung bis mindestens 2030 und eine Anhebung des Rentenwerts (Ost) auf das Niveau des Wertes West)…“ Meldung vom 3. August 2024 von und bei DIE LINKE. Landesverband Thüringen zu: - Gerechte Rente jetzt! Petition an den Deutschen Bundestag
„Sehr geehrte Damen und Herren des Deutschen Bundestages, im Namen zahlreicher Bürgerinnen und Bürger fordern wir mit dieser Petition die Einführung einer solidarischen Rentenversicherung für alle. Wir wollen eine gesetzliche Rente, die den Lebensstandard wieder sichert und vor Armut schützt. Das ist die Grundlage für ein sorgenfreies und selbstbestimmtes Leben im Alter. Doch besonders Menschen mit geringem Einkommen, die in belastenden Berufen arbeiten, sind im Alter schlechter gestellt als Menschen mit höherem Einkommen in weniger belastenden Berufen. Wer wenig verdient, kann weniger einzahlen, bekommt weniger Rente. Hinzu kommt, dass Topverdiener, die hunderttausende im Monat verdienen, aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze nur auf 7.500 Euro in die Rentenversicherung einzahlen. Daher leeren ein großer Niedriglohnsektor und eine niedrige Beitragsbemessungsgrenze die Rentenkasse. Daneben zahlen viele Berufsgruppen in andere oder gar keine Altersversorgungssysteme ein.
Eine Rentenversicherung für alle!
Wir wollen, dass in eine zukünftige, moderne Rentenversicherung jeder Mensch, der in diesem Land tätig ist, der in diesem Land lebt, aus jeder Einkommensart einzahlen muss. Wir fordern eine moderne Erwerbstätigenversicherung, in die der Selbstständige, der Freiberufler, der Künstler, derjenige, der Beamter, Angestellter, Arbeiter, Politiker ist, alle zusammen, und zwar aus jeder Einkommensart, einzahlt…“ Petition von Ulrike Grosse-Röthig, DIE LINKE. Landesverband Thüringen
- Petition für gerechte Rente!
- Kein Abbremsen der Altersarmut durch die Grundrente
„Grundrenten sollen seit 2021 niedrige Renten aufstocken. Wer davon eine merkliche Bekämpfung der Altersarmut erhoffte, wurde schnell eines besseren belehrt. Die ausgezahlten Grundrenten betrugen Ende 2022 im Durchschnitt magere 89 Euro für 1,1 Millionen Rentnerinnen und Rentner. Ursprünglich sollten einmal über 3 Millionen Menschen mit höheren Aufstockungen versorgt werden. Das wurde jedoch in der Großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD wirksam verhindert.
Diese Grundrenten haben keinen Beitrag zur Verminderung von Altersarmut geleistet. Die Zahlen vom Bundesamt für Statistik (destatis) belegen: Die Altersarmut ist stattdessen weiter angestiegen.
Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung soll, wie das „Bürgergeld“, verhindern, dass Menschen unter dem absoluten Existenzminimum leben müssen. Darunter drohen Hunger und Obdachlosigkeit. Die Zahl der Grundsicherungsempfänger stieg in 20 Jahren um 176%.
Im März 2024 betrug die Zahl der Grundsicherungsempfänger im Alter 719 330 Menschen. Das war eine Zunahme von 5% innerhalb eines Jahres. Diese Anzahl ist noch weit weg von der Realität. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte 2019 in einer Untersuchung festgestellt, dass 62 % der Grundsicherungsberechtigten keinen Antrag auf diese Sozialhilfe gestellt hatten. Die Gründe dafür waren vielfältig und nachvollziehbar: Stolz, Scham, Ablehnung des geforderten Abbaus der Ersparnisse (auf 10.000 Euro) und des kleinlichen und schikanösen Kotrollregimes. Die tatsächliche Zahl der Rentnerinnen und Rentner über 65 Jahren, die ein Einkommen unter Sozialhilfeniveau erzielen, läge demnach also bei etwa 1,8 Millionen.
Die Anzahl der erwerbsgeminderten Rentnerinnen und Rentner ist wegen der Verbesserung bei den Anrechnungszeiten leicht gesunken. Ein Erfolg? Von den 1,8 Millionen Erwerbsminderungsrentnern leben amtlich bestätigt 522.080 Frauen und Männer unter der Sozialhilfegrenze. Das sind 29 % der Betroffenen. Die tatsächliche Zahl dürfte wie bei den Altersrenten deutlich höher liegen. Was unbedingt beachtet werden muss: Die Armutsschwelle liegt deutlich höher als das absolute Minimum der Grundsicherung. Seit 1984 gilt in der Europäischen Union als armutsgefährdet, wer in einem Einzelhaushalt weniger als 60% des mittleren Nettoeinkommens zur Verfügung hat. Das waren im vergangenen Jahr 1.314 Euro…“ Beitrag von Reiner Heyse vom 16. Juli 2024 beim Seniorenaufstand - Grundrente: Die Voraussetzungen sind zu hoch und der Schutz vor Altersarmut zu gering
„Der Grundrentenzuschlag kann für Menschen, die mehr als 33 Jahre gearbeitet und wenig Geld verdient haben, eine Verbesserung sein. Doch die Voraussetzungen sind zu hoch und der Schutz vor Altersarmut zu gering, kritisiert der VdK. (…) Der VdK setzt sich dafür ein, dass die Zugangshürden für die Grundrente gesenkt werden. „Der Anspruch auf den Grundrentenzuschlag sollte bereits ab 30 Beitragsjahren beginnen und für Menschen mit einem Einkommen ab 24 Prozent des Durchschnittsgehalts gelten, damit mehr Menschen vor Altersarmut geschützt werden“, fordert VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Die widersinnige Anrechnung der Partnereinkommen sollte abgeschafft oder zumindest sollten die Freibeträge deutlich erhöht werden.“ Damit die Grundrente ihren Namen verdient, müsse dringend die willkürliche Kürzung des Zuschlags um 12,5 Prozent weg. Derzeit hat Anspruch auf Grundrente, wer mindestens 33 Beitragsjahre erreicht, dazu zählen Zeiten mit Pflichtbeiträgen aus Berufstätigkeit, Kindererziehungs- und Pflegezeiten. Außerdem muss der Verdienst mehr als 30 und weniger als 80 Prozent des Durchschnittseinkommens betragen. Doch 53 Prozent der dementsprechend eigentlich Berechtigten verlieren nach einer Einkommensprüfung beziehungsweise der Anrechnung des Partnereinkommens den Anspruch auf eine Grundrente. (…) Die bürokratisch aufwendige und jährlich neu vorgenommene Einkommensprüfung wurde 2021 auf Drängen der CDU in das Gesetz zur Grundrente aufgenommen und bereits damals vom VdK kritisch gesehen. (…) Bei der Einführung der Grundrente ging die Regierung davon aus, dass 1,3 Millionen Menschen ihre niedrigen Renten mit dem Zuschlag aufbessern können. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin ergab, dass 2022 nur rund 1,1 Millionen Personen von der Grundrente profitierten. Die Bruttohöhe des Zuschlags lag im Schnitt bei 86 Euro (75 Euro/Männern; 91 Euro/Frauen)…“ Beitrag von Jörg Ciszewski vom 13. Februar 2024 bei VdK („Grundrente erfüllt nicht die Erwartungen“) - Erwartbare schlechte Bilanz der Grundrente spricht für eine Ausweitung zur Mindestrente
„Im Jahr 2021 führte Deutschland nach jahrelanger Debatte die Grundrente ein, ein Rentenzuschlag für Geringverdienende mit langen Versicherungsbiografien, niedrigen Rentenanwartschaften und geringem Einkommen. Die Einführung dieses komplexen Instruments – laut SPD ein „sozialpolitischer Meilenstein“ – dauerte allerdings zwei Jahre. Die Auswirkungen der Grundrente sind bisher kaum erforscht. Erst seit 2023, mehr als zwei Jahre nach der Einführung, stehen erste Daten zur Auswertung bereit. Es zeigt sich, dass deutlich weniger Menschen von der Grundrente profitieren, als früher angenommen wurde. Ein wesentlicher Grund ist, dass mehr als die Hälfte wegen der Einkommensprüfung keinen Anspruch auf einen Zuschlag hat. Eine Ausweitung der Grundrente, die auch Personen mit längerer Erwerbsunterbrechung einbezieht, oder eine Einführung einer Mindestrente nach dem Vorbild Österreichs oder der Niederlande würde die Einkommenssicherungsfunktion der Rente verbessern. Dies könnte helfen, weitere Reformen sozialverträglich umzusetzen und dem eigentlichen Anspruch einer Grundrente gerecht zu werden. (…) Im Rentenbestand gab es im Jahr 2022 rund 1,1 Millionen Grundrentenzuschläge (Tabelle 1). Die Gesamtzahl der Zuschläge liegt damit deutlich unter den von der Regierung geschätzten 1,3 Millionen Begünstigten. Der größte Teil, etwa 950 000, bezieht einen Zuschlag zu einer Altersrente. Allerdings gibt es auch knapp 60 000 Zuschläge bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente und mehr als 90 000 Zuschläge bei Hinterbliebenenrenten. Im Durchschnitt wird der Zuschlag bei 4,3 Prozent aller Bestandsrenten gezahlt, der Anteil ist bei den Altersrenten mit 5,1 Prozent am höchsten. Allerdings ist der Anteil mit 3,2 Prozent auch bei Erwerbsminderungsrenten bemerkenswert hoch.
Nicht überraschend ist die hohe Bedeutung des Grundrentenzuschlags für Frauen, da Kindererziehung, Teilzeitbeschäftigung und niedrigere Löhne zu geringeren Rentenansprüchen führen. Bei Frauen liegt der Anteil im Rentenbestand mit 6,5 Prozent fast dreimal so hoch wie bei den Männern (2,3 Prozent). Das bedeutet, dass ungefähr 72 Prozent aller Grundrentenzuschläge an Frauen gingen.
Im Rentenzugang 2022 profitierten rund 57 000 Personen vom Grundrentenzuschlag. Die relativen Anteile und auch die Verteilung zwischen Männern und Frauen liegen im Rentenzugang ähnlich hoch wie im Bestand. (…)
Vor allem Frauen und Ostdeutsche profitieren vom Grundrentenzuschlag
Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland spielen bei der Rente trotz der Angleichung der Rentenwerte weiterhin eine wichtige Rolle, auch beim Grundrentenzuschlag. Der Anteil von Personen mit Zuschlag liegt in Ostdeutschland höher als im Westen (Tabelle 2). In Ostdeutschland beziehen immerhin vier Prozent aller Männer im Rentenbestand und fast fünf Prozent im Rentenzugang einen Grundrentenzuschlag, wohingegen es in Westdeutschland nicht einmal zwei Prozent sind. Auch hier profitieren Frauen deutlich stärker von der Grundrente als Männer. Im Rentenbestand liegt der Anteil bei Frauen in Ostdeutschland bei etwa acht Prozent, bei Frauen im Westen waren es knapp sechs Prozent. Damit sind die Unterschiede bei den Frauen zwischen Ost und West deutlich geringer als bei den Männern. Bemerkenswert ist der hohe Anteil von Männern in Ostdeutschland, die aufgrund des Einkommenstests keinen Zuschuss erhalten. Während es in Westdeutschland weniger als ein Prozent sind, sind es in Ostdeutschland 2,6 Prozent im Rentenbestand und 4,1 Prozent im Rentenzugang. Ein wichtiger Grund hierfür dürften die höheren Einkommen und Rentenansprüche von Frauen in ostdeutschen Haushalten sein. (…)
Grundrentenzuschlag fällt im Durchschnitt niedrig aus
Im Durchschnitt lag der Bruttozuschussinfo im Jahr 2022 im Rentenbestand bei 86 Euro pro Monat (Abbildung 2). Der Zuschuss fällt bei Männern mit 75 Euro niedriger aus als bei Frauen mit 91 Euro. Betrachtet man den Zuschuss nach unterschiedlichen Rentenarten, so ist er am höchsten bei Erwerbsminderungsrenten und am niedrigsten bei Hinterbliebenenrenten. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern können aus zwei Gründen entstehen, die sich anhand der hier verwendeten Daten nicht unterscheiden lassen: einerseits aus Unterschieden in den Erwerbsbiografien und der rentenrechtlichen Behandlung dieser Zeiten, andererseits aus der Anrechnung sonstiger eigener Einkommen und gegebenenfalls Einkommen von Partner*innen. Die Unterschiede zwischen Bestand und Zugang fallen eher gering aus. Lediglich bei Frauen zeigt sich in den Zugangsdaten ein mit 106 Euro etwas höherer Zuschuss als im Rentenbestand (Abbildung 2). Generell lässt sich konstatieren, dass jüngere Zugangskohorten bei den Frauen einen höheren Grundrentenzuschlag erhalten. (…) In Ostdeutschland liegt der Grundrentenzuschlag deutlich unter dem Niveau in Westdeutschland (Tabelle 3). Bei Altersrenten von Männern im Rentenbestand liegt er beispielsweise im Durchschnitt bei etwa 63 Euro, während der Zuschlag in Westdeutschland bei knapp 91 Euro liegt. Nur bei Erwerbsminderungsrenten im Rentenbestand werden höhere Zuschläge in Ostdeutschland gewährt. Das liegt vor allem an älteren Bestandsrenten, deren Zuschlag nach besonderen Regeln berechnet wurde (…) Fazit: Nur eine Ausweitung zur Mindestrente wäre ein sozialpolitischer Meilenstein…“ DIW-Presseerklärung vom 16. Januar 2024 („Bilanz der Grundrente: Weniger Menschen als erwartet profitieren davon“) zu DIW aktuell von Johannes Geyer und Peter Haan von 2024 - 684.000 Rentner auf Grundsicherung angewiesen – so viele Rentner wie nie zuvor
„In Deutschland beziehen offenbar so viele Rentner wie nie zuvor Grundsicherung. Wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe unter Berufung auf bislang unveröffentlichte Daten des Statistischen Bundesamtes berichteten, waren in den ersten drei Monaten des Jahres 684.000 Rentner auf Grundsicherung angewiesen – 90.000 mehr als im Vorjahr. Dies entspricht im Jahresvergleich etwa einem Anstieg um 15 Prozent. Besonders von Altersarmut betroffen sind demnach Frauen. Den Daten zufolge bezogen zuletzt sechs von zehn Rentnerinnen Grundsicherung. (…) Der Bundestagsfraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, bezeichnete die Zahlen als „alarmierend“. Sie seien auch Ergebnis der „verheerenden Politik“ der vergangenen Jahre, sagte Bartsch den Funke-Zeitungen. „Inflation und Krieg treiben die Zahlen besonders an.“ (…) Angesichts der Zahlen forderte Bartsch „eine konsequente Anti-Inflationspolitik“ sowie einen „Schutzschirm gegen Altersarmut“. Preise müssten gesenkt und vor allem bei Lebensmitteln und Energie lückenlos kontrolliert werden. Für das Rentensystem forderte Bartsch „eine Generalüberholung“. Dazu gehört aus seiner Sicht eine einmalige Rentenerhöhung von zehn Prozent als Ausgleich der Inflation. Zudem solle das Rentenniveau auf 53 Prozent angehoben und eine Mindestrente von 1.200 Euro einführt werden.“ Agenturmeldung vom 16. Juli 2023 bei ZDF , siehe dazu:- Ein erheblicher Anstieg der Zahl älterer Menschen in der Grundsicherung, aber (noch) kein Grund zur quantitativen Dramatisierung
„… Der aktuelle deutlich über dem Trend der vergangenen Jahre liegende quantitative Anstieg in der Grundsicherung kann auf der Basis der präsentierten besonderen Einflussfaktoren nicht dafür instrumentalisiert werden, eine jetzt aus dem Ruder laufenden Sozialhilfeabhängigkeit von immer mehr Senioren zu behaupten. Wenn innerhalb weniger Monate Zehntausende älterer Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland flüchten mussten, in das bestehende bedürftigkeitsabhängige Grundsicherungssystem für nicht mehr erwerbsfähige Menschen integriert werden (die anderen haben Ansprüche auf SGB II-Leistungen) und darüber eine zumindest basale Versorgung bekommen, dann ist das erst einmal eine gewaltige und positive Leistung des deutschen Sozialstaats und der Aufnahmegesellschaft, die man nicht gering schätzen sollte, bei aller möglichen Kritik an der Ausgestaltung unserer Sicherungssysteme.
Auf der anderen Seite kann man die aktuell entdramatisierende Botschaft auch nicht dafür verwenden, die seit vielen Jahren betriebene Kleinrechnerei von „Altersarmut“ gleichsam bestätigt zu sehen. Es wurde auch hier immer wieder darauf hingewiesen, dass die Größenordnung der einkommensbezogenen Altersarmut in Deutschland eine ganz andere Hausnummer hat als der Anteil der Grundsicherung im Alter beziehenden Senioren. Die Zahl der an den gängigen Maßstäben eines relativen Einkommensarmutsbegriffs gemessenen altersarmen Menschen ist um ein Mehrfaches größer (wenn man den „richtigen“ Maßstab zugrunde legt, dann lagen im Jahr 2021 ausweislich der amtlichen Sozialberichterstattung und der Bevölkerungszahl der entsprechenden Altersgruppe 3,048 Millionen ältere Menschen unter der offiziellen Armutsgefährdungsschwelle, das waren 17,9 Prozent der Haushalte von Rentnern und Pensionären) als die Gruppe derjenigen, die SGB XII-Leistungen in Anspruch nehmen – abgesehen davon, dass selbst viele, die rechtlich Anspruch auf Grundsicherungsleistungen im Alter haben, diesen Anspruch gar nicht wahrnehmen, also auf ihnen bereits heute zustehende Leistungen verzichten…“ Aus dem Beitrag vom 18. Juli 2023 von und bei Stefan Sell
- Ein erheblicher Anstieg der Zahl älterer Menschen in der Grundsicherung, aber (noch) kein Grund zur quantitativen Dramatisierung
- Altersarmut: Diesseits und jenseits der Grundsicherung im Alter nach SGB XII
„Blickt man die vergangenen Jahre zurück, dann steigt sie kontinuierlich an, die Zahl der Empfänger der Sozialhilfeleistung Grundsicherung im Alter (und bei Erwerbsminderung für Menschen vor dem Erreichen der Altersgrenze) nach § 41 ff. SGV XII. (…) »Die Zahl der Rentner in Deutschland, die zusätzlich Grundsicherung beziehen, ist in diesem Jahr erneut angestiegen. Der Anstieg fiel zudem deutlich höher aus, als in den Vorjahren«, berichtet Felix Huesmann (…) »Im Juni 2022 bezogen demnach bundesweit 628.570 Menschen im Rentenalter Grundsicherung. Das sind 51.025 Menschen mehr als noch im Juni 2021 – ein Anstieg um fast 9 Prozent binnen eines Jahres. (…) Zur möglichen Ursachenanalyse schreibt Huesmann: »Zum sprunghaften Anstieg in diesem Jahr könnte auch der Zuzug ukrainischer Geflüchteter im Rentenalter beigetragen haben.« (…) Es ist nicht wirklich überraschend, dass man bei den Reaktionen auf solche Meldungen das immer gleiche Muster zur Kenntnis genommen werden muss: Es sind doch nur etwas mehr als 3 Prozent der älteren Menschen, die auf staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen sind, bei solchen Anteilswerten könne man doch nicht von einem erheblichen Problem der Altersarmut sprechen. (…) Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch. (…) Zum einen wird dabei ausgeblendet bzw. nicht zur Kenntnis genommen, dass wir es bei der Grundsicherung im Alter nach SGB XII mit einer bedürftigkeitsabhängigen und entsprechend geprüftem Sozialhilfeleistung zu tun haben, bei dem – seit vielen Jahren bekannt – ein Problem darin besteht, dass wir mit einer erheblichen Nicht-Inanspruchnahme eigentlich zustehender Leistungen konfrontiert sind. (…) Der zweite Fehlschluss ist von grundsätzlicher Bedeutung: Die Gleichsetzung bzw. das Kleinrechnen von Altersarmut auf die Schrumpfgröße derjenigen, die tatsächlich auch Grundsicherung im Alter nach SGB XII beziehen. Denn Altersarmut bzw. die offizielle Begrifflichkeit: die Armutsgefährdung, wird nach den gängigen nationalen und internationalen Standards nicht an der Zahl oder der Quote von bestimmten Sozialhilfeempfängern gemessen, sondern abgeleitet aus der Festlegung auf einen relativen Armutsbegriff als Unterschreiten einer relativen Einkommensposition in einer bestimmten Gesellschaft: Der „richtige“ Maßstab für die Quantifizierung von Altersarmut die Verwendung einer relativen Einkommensarmutskonzeption, also die offizielle Definition einer „Armutsgefährdung“, wenn man als Alleinstehender oder als Haushalt mit zwei oder mehr Personen über weniger als 60 Prozent des Median-EInkommens verfügt. Diese so definierte „Armutsgefährdungsschwelle“ in Zahlen des vergangenen Jahres 2021: Wenn man als alleinstehende Person weniger als 1.148 Euro im Monat für alles – also Wohnen, Lebenshaltung, Teilhabe an der Gesellschaft – zur Verfügung hat, dann gilt man als „von Armut gefährdet“. (…) Wenn man diesen „richtigen“ Maßstab zugrunde legt, dann lagen im Jahr 2021 ausweislich der amtlichen Sozialberichterstattung und der Bevölkerungszahl der entsprechenden Altersgruppe 3,048 Millionen ältere Menschen unter der offiziellen Armutsgefährdungsschwelle. Dann sprechen wir von einer Quote (nach Mikrozensus) von 17,9 Prozent bei den Haushalten von Rentnern und Pensionären. (…) Das Statistische Bundesamt hat am 29. September 2022 diese Meldung veröffentlicht: Mehr als ein Viertel der Rentnerinnen und Rentner haben ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro: »Im Jahr 2021 hatten 4,9 Millionen Rentnerinnen und Rentner ein persönliches monatliches Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro.« Datengrundlage ist der Mikrozensus. »Das entspricht einem Anteil von 27,8 % der Rentenbeziehenden. Bei Frauen liegt dieser Anteil deutlich höher: 38,2 % der Rentnerinnen hatten ein Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro, dagegen nur 14,7 % der Rentner.« …“ Beitrag von Stefan Sell vom 8. November 2022 auf seiner Homepage - Die Grundrente läuft immer noch nicht rund – viele alte Menschen warten auf ihr Geld
„Nach jahrelangem Hin und Her war es nach dem dritten Anlauf so weit: Zum Jahresbeginn 2021 wurde die Grundrente eingeführt. Langjährig Rentenversicherte mit geringem Einkommen sollten automatisch einen monatlichen Zuschlag auf ihre Altersrente erhalten. In der Bundesregierung hatte man sich darauf geeinigt, dass die Bewilligung der Grundrente von einer Einkommensprüfung abhängig gemacht wird, wobei Rentenversicherung und Finanzverwaltung zusammenarbeiten sollen. Die Rentenversicherung ist mit der Prüfung der Ansprüche auf die Grundrente der rund 26 Millionen Menschen im Altersrentenbezug allein gelassen worden. Ein Jahr nach der Einführung warten noch immer viele auf ihr Geld, da noch nicht alle Ansprüche geprüft werden konnten. (…) Den Menschen im aktuellen Rentenbezug wurde versprochen, dass sie die Grundrente nicht extra beantragen müssen. Ihr Anspruch sollte automatisch geprüft werden, indem sich Rentenversicherungsträger und Finanzamt miteinander abstimmen. Dafür aber fehlte von vorneherein die nötige Infrastruktur. Die Rentenversicherung musste nach eigenen Angaben allein für die Bearbeitung der Grundrente 3.200 Beschäftigte neu einstellen. Auch die enorm hohen Kosten sorgten im letzten Jahr für Kritik. Rund jeder vierte Euro von jährlich 1,3 Milliarden Euro für die Grundrente geht nach Angaben der Rentenversicherung in der Aufbauphase für die Verwaltung drauf und auch in späteren Jahren, wenn der Aufbau der Datenautobahn abgeschlossen ist, rechnet man immer noch mit 13 Prozent der Ausgaben. (…) Dabei scheint die Grundrente selbst eine große Mogelpackung zu werden, bei der der Niedriglohnsektor weiter festgeschrieben und mit staatlichen Subventionen gefüttert wird, anstelle den Mindestlohn und die Grundsicherung gemäß Sozialgesetzbuch XII kräftig anzuheben, um im Alter ein menschenwürdiges Auskommen zu haben. (…) Wie die vorgebliche Notwendigkeit der Lohn- und Rentenaufstockung durch öffentliche Mittel zeigt, ist die Lohnpolitik der letzten Jahrzehnte für die Beschäftigten und Rentenbezieher vor die Wand gefahren worden – als Preis für die Exportweltmeisterschaft und Vermögensbildung bei den Reichen. Mit der Einführung der Grundrente, wird sich der Niedriglohnsektor weiter vergrößern, so, wie es mit der Hartz-IV/Arbeitslosengeld II-Einführung im Jahr 2005 auch vorgesehen war…“ Beitrag vom 15. März 2022 vom und beim gewerkschaftsforum.de - Bürokratiemonster Grundrente: Wer bekommt sie?
„Die Grundrente soll die Rente von langjährig Versicherten mit niedrigem Einkommen aufbessern. Seit Januar 2021 ist sie in Kraft, Bescheide gab es erst für wenige. Rentenexperte Franz Ruland hält die Grundrente zudem für verfassungswidrig. (…) Für Rentenberater Christian Lindner ist der Grund für die Verzögerungen der hohe bürokratische Aufwand. 3.500 neue Mitarbeiter habe die Deutsche Rentenversicherung Bund dafür einstellen müssen, sagt er. Die Höhe der Verwaltungskosten stehe für ihn in keinem Verhältnis zur Leistung. „Nach Zahlen, wie ich sie in Erinnerung habe, kostet die Grundrente von der Verwaltung her im Jahr ungefähr 400 Millionen Euro. Damit werden Leistungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro für die Grundrentenzuschläge erbracht“, rechnet er vor. (…) Rentnerinnen wie Christiane Mühlbauer bekommen mit unter fünf Euro am Ende nur Kleckerbeträge. Die Modellrechnungen der Bundesregierung zur Grundrente sahen ganz anders aus: Der Bundesarbeitsminister stellte in einem Prospekt eine alleinstehende Verkäuferin aus Dresden vor: 49 Jahre gearbeitet, auf ihre Rente von 977 Euro kommt bei ihr noch eine Grundrente von 204 Euro dazu. Doch von der Realität ist das Arbeitswelt-Beispiel weit entfernt. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung seien mehrere zehntausend Rentenbescheide bereits verschickt. Über die Höhe gebe es keine Zahlen, heißt es auf unsere Anfrage. Wir baten den Bundesverband der Rentenberater bundesweit nach Grundrentenfällen zu schauen. Der Vorsitzende Andreas Irion zum Ergebnis: „Ich habe bisher ungefähr 40 Bescheide gesehen, die lagen zwischen 5 Euro und 200 Euro“. Auch der Sozialverband VdK startete mit einem Aufruf eine bundesweite Recherche. Von der Präsidentin Verena Bentele erfahren wir, dass auch hier das Resultat ernüchternd ist. Viele Mitglieder seien enttäuscht, weil der Grundrentenzuschlag so gering ausfalle „Weil viele fünf, zehn oder 20 Euro mehr bekommen. Manche bekommen natürlich 70 oder 100 Euro mehr, aber das ist die Ausnahme.“ Das sei „definitiv nicht die versprochene Unterstützung, die sich viele Menschen von der Grundrente erwartet haben“, sagt Bentele. Viele gehen bei der Grundrente sogar leer aus. (…) Dass die Grundrente ungerecht ist, zeigt jetzt auch eine aktuelle Studie vom Max-Planck-Institut. Danach haben drei Viertel, die als arm gelten, keinen Anspruch auf die Grundrente, weil sie die Versicherungsjahre nicht erfüllen. Gleichzeitig gehört knapp ein Viertel, die Grundrente beziehen, zur vermögensreicheren Hälfte der Rentner – weil zwar das Einkommen überprüft werde, nicht aber Vermögen wie Immobilien und Aktienbesitz…“ Text und Video des Beitrags von Christiane Cichy in der ARD-Sendung PlusMinus vom 3.11.21 - Die Grundrente ist schon vor der Auszahlung des ersten Cents gefloppt – sie dient aber dem weiteren Ausbau des Niedriglohnsektors
„Nach jahrelangem Hin- und Her war es nach dem dritten Anlauf so weit: Zum Jahresbeginn 2021 wurde die Grundrente eingeführt. (…) Dabei scheint die Grundrente selbst eine große Mogelpackung zu werden, bei der der Niedriglohnsektor weiter festgeschrieben und mit staatlichen Subventionen gefüttert wird, anstelle den Mindestlohn und die Grundsicherung gemäß Sozialgesetzbuch XII kräftig anzuheben, um im Alter ein menschenwürdiges Auskommen zu haben. Nach den aktuellen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom Februar 2021 (Datenbestand September 2020) belief sich die Zahl der abhängig erwerbstätigen Menschen, die zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen aufstockend Arbeitslosengeld II-Zahlungen erhielten bei knapp einer Million. Sie stellen weiterhin rund ein Viertel aller Hartz IV-Bezieher. Bei den Beschäftigten, die zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen Arbeitslosengeld II-Zahlungen erhielten, bilden mit einem Anteil von über einem Drittel die Teilzeitbeschäftigten die größte Gruppe. Für sie dürften der Beschäftigungsumfang und die unzureichenden Löhne die Gründe für das Aufstocken mit Hartz-IV sein. Mit 17,2 Prozent geht hingegen nur ein geringer Anteil der Aufstocker einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung nach. Zu den subventionierten Beschäftigten zählen auch knapp 60.000 Auszubildende, das sind 5,2 Prozent aller Aufstocker. Auf dem Rücken der Beschäftigten werden den Unternehmen die Personalkosten erspart und skandalös ist, dass diese Lohndrückerei vom Staat auch noch subventioniert wird. Ähnliches soll nun bei den Renten passieren. (…) Die Grundrente, sowie die geplanten Freibeträge in der Grundsicherung nach dem SGB XII und beim Wohngeld sollen über Steuern und ohne eine Beitragserhöhung in der Rentenversicherung finanziert werden. Dazu muss der Bundeszuschuss zur allgemeinen Rentenversicherung erhöht werden. Als wichtiger Beitrag zur Finanzierung der auf 1,3 bis 1,6 Milliarden Euro geschätzten Kosten pro Jahr sollte die im Koalitionsvertrag vereinbarte Finanztransaktionssteuer eingeführt werden – diese Steuer ist aber nicht in Sicht, jetzt kommt das Geld aus dem Bundeshaushalt. Somit wird wieder einmal der Niedriglohnsektor weiter festgeschrieben und mit staatlichen Subventionen gefüttert, anstelle den Mindestlohn und die Grundsicherung kräftig anzuheben. (…) Mit der Einführung der Grundrente, wird sich der Niedriglohnsektor weiter vergrößern, so, wie es mit der Hartz-IV/Arbeitslosengeld II-Einführung im Jahr 2005 auch vorgesehen war…“ Beitrag vom 15. März 2021 vom und beim gewerkschaftsforum.de - Die neue Grundrente für langjährig Versicherte
„Nach vielen Jahren kontroverser Diskussionen hat sich die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD darauf verständigt, eine Mindestsicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung einzuführen – die Grundrente…“ Broschüre und umfassende Info des Paritätischen - Grundrente tritt in Kraft: Wer profitiert und wie sie funktioniert
„Seit dem 1. Januar 2021 gilt die Grundrente. Für viele Versicherte bedeutet das: mehr Geld. Wer welchen Zuschlag erhält – und welche Probleme die Grundrente nicht löst…“ Info der IG Metall vom 4. November 2020 - Grundrentengesetz beschlossen: Diese Verbesserungen kommen 2021 – Fragen und Antworten zur Grundrente
„… Die Aufwertung geringer Rentenansprüche aus langjähriger Beitragszahlung sichert den Beschäftigten eine regelmäßige Rente über der Grundsicherung. Mit der neuen Grundrente gibt es nach 45 Jahren Arbeit in Vollzeit zum gesetzlichen Mindestlohn rund 960 Euro Rente. Ohne die vorgesehenen Grundrente wären es höchstens 660 Euro. Die Grundrente tritt ab 1. Januar 2021 in Kraft. Wegen den Verzögerungen bei der Gesetzgebung und hohem Verwaltungsaufwand für die Rentenversicherung werden die ersten Grundrentenbescheide erst ab Mitte 2021 erteilt, teilweise auch sehr viel später. Der Grundrenten-Zuschlag wird jedoch in jedem Fall rückwirkend zum 1.1.2021 gezahlt. Was sie zur Grundrente wissen müssen, wie sie beantragt wird, welche Versicherungszeiten gelten: diese Fragen beantwortet unsere FAQ zur Grundrente…“ DGB-FAQ vom 8. September 2020 - Grundrentengesetz: Politisches Armutszeugnis
„Mit der nun von der Großen Koalition beschlossenen sogenannten Grundrente lässt sich die Altersarmut nicht bekämpfen, sondern höchstens im Einzelfall lindern (…) Es handelt sich eher um eine Minimallösung für ein Problem, das diese Partei durch die Deregulierung des Arbeitsmarktes (Hartz-Gesetze), die Teilprivatisierung der Altersvorsorge (Riester-Reform) und die Absenkung des Rentenniveaus selbst herbeigeführt hat. Soll die bestehende Altersarmut verringert und die Entstehung weiterer sozialer Ungleichheit verhindert werden, ist ein umfassender arbeitsmarkt- und rentenpolitischer Kurswechsel nötig. Dazu gehören eine Reregulierung des Arbeitsmarktes, eine Wiederbelebung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses (nicht bloß für Männer) und eine Rückabwicklung der Rentenreformen ab 1992. Sinnvoll wäre es, die Gesetzliche Rentenversicherung zu stärken, ihr Leistungsniveau zu stabilisieren und die sogenannten Dämpfungs- bzw. Kürzungsfaktoren (Riester-, Nachhaltigkeits- und Nachholfaktor) aus der Rentenanpassungsformel zu entfernen. Zugleich muss die Lohnersatzfunktion, also das Prinzip der Lebensstandardsicherung der gesetzlichen Rente, rehabilitiert werden. Längerfristig geht es um die Fortentwicklung der Gesetzlichen Rentenversicherung zu einer solidarischen Bürger- bzw. Erwerbstätigenversicherung, in die eine bedarfsgerechte, armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung integriert sein muss. Den durch Deregulierungsmaßnahmen induzierten Veränderungen am Arbeitsmarkt, die eine Verschlechterung für jene Menschen darstellen, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, um leben zu können, oder sie zu (Schein-)Selbständigen gemacht hat, denen es häufig nicht besser geht, sollte vorrangig durch eine Ausdehnung der Versicherungspflicht Rechnung getragen werden. Da abhängige und selbständige Arbeit, Selbständigkeit und sogenannte Scheinselbständigkeit fließend ineinander übergehen, bedarf es einer Versicherungspflicht aller Erwerbstätigen, einschließlich jener Gruppen, die bislang in Sondersystemen bzw. zu besonderen Bedingungen abgesichert werden wie Beamte, Landwirte, Handwerks-, Kunst- und freie Berufe.“ Beitrag von Christoph Butterwegge in der jungen Welt vom 7. Juli 2020 - [Metall] Endlich beschlossen: So funktioniert die Grundrente
„… Durch die Grundrente steigt die Rente von Geringverdienern. Voraussetzung für die Grundrente sind 35 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung. Ab 33 Beitragsjahren gilt eine Übergangsregelung, die Grundrente wird dann nicht in voller Höhe bezahlt. Kindererziehung und Pflegezeiten werden angerechnet. Vor dem Erhalt der Grundrente steht eine automatische Einkommensprüfung. Darauf hatte die Union bestanden. Die volle Grundrente gibt es bis zu einem Einkommen von 1250 Euro (Alleinstehende) oder 1950 Euro (Paare). Kapitalerträge werden dabei mitgezählt. Liegt das Einkommen über diesen Werten, wird die Grundrente um 60 Prozent des darüber hinausgehenden Betrags gemindert. Ab einem Einkommen von mehr als 1600 Euro (Alleinstehende) beziehungsweise 2300 Euro (Paare) wird der über diesen Werten liegende Betrag vollständig auf die Grundrente angerechnet. Sie fällt dann entsprechend niedriger aus. Damit das Plus durch die Grundrente nicht durch Kürzungen beim Wohngeld aufgezehrt wird, gibt es für das Wohngeld einen Freibetrag. Auch für die Grundsicherung im Alter gibt es einen Freibetrag. (…) Die Grundrente soll im Durchschnitt rund 83 Euro pro Monat betragen (brutto). Der Maximalbetrag liegt bei 404,86 Euro (brutto) im Monat. Die genaue Höhe hängt vom Einzelfall ab. Die Berechnung der Grundrente ist kompliziert: Den Aufschlag erhält, wer zwischen 30 und 80 Prozent der Rentenbeiträge eines Durchschnittsverdieners geleistet hat. Für diese Personen wird die Rente für maximal 35 Jahre auf maximal 80 Prozent des durchschnittlichen Rentenbeitrags aufgewertet. Von diesem Zuschlag werden am Ende noch 12,5 Prozent abgezogen. Wer mit seinen Rentenbeiträgen knapp über der 30-Prozent-Marke liegt (also relativ niedrige Rentenbeiträge geleistet hat), kann seine Altersbezüge durch die Grundrente nahezu verdoppeln. Wer höhere Rentenbeiträge geleistet hat, erhält kleinere Zuschläge…“ Erläuterungen der IG Metall vom 2. Juli 2020 - [ver.di] Grundrente: erster Schritt gegen Altersarmut
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt den Beschluss des Deutschen Bundestags zur Einführung einer Grundrente. „Mit der Verabschiedung der Grundrente setzt die Bundesregierung einen ersten und wichtigen Schritt gegen die drohende Gefahr der Altersarmut“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke am Donnerstag: „Damit wird jetzt der ernsthafte Versuch unternommen, die Lebensleistung auch geringverdienender Menschen zu würdigen.“ Der Deutsche Bundestag hatte am Mittag (2. Juli 2020) mit den Stimmen der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD die Grundrente beschlossen. Die Grundrente soll ab dem kommenden Jahr an alle Menschen ausgezahlt werden, die 33 Beitragsjahre in der Rentenversicherung vorweisen können. Rund 1,3 Millionen Menschen sollen profitieren. Die Grundrente muss allerdings weiterentwickelt werden, das ist spätestes eine Aufgabe für die nächste Bundesregierung. „Aus unserer Sicht muss der Kreis der Bezieher deutlich über 1,3 Millionen Betroffene hinaus auf die tatsächlich von Altersarmut bedrohten 2,75 Millionen Menschen erweitert werden“, betonte Werneke. „Davon würden insbesondere Frauen profitieren.“ Zudem müssten die Freibeträge über die jetzt geltenden Grenzen hinaus erweitert werden, um Nachteile bei der Anrechnung zu vermeiden.“ Pressemitteilung vom 02.07.2020 - Union bekommt für Grundrente von der SPD eine Stärkung der privaten Altersvorsorge
„Am Donnerstag wird die Grundrente vom Bundestag verabschiedet. Die Union räumte viele Positionen – ließ sich aber eine Riester-Reform zusichern. Die Große Koalition will im Herbst die private Altersvorsorge stärken. Nach Informationen des Handelsblatts sicherte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) der Union zu, nach dem Sommer eine Reform der Riester-Rente anzugehen. Außerdem sollen mehr Beschäftigte mit kleinen Einkommen in der betrieblichen Säule der Alterssicherung gefördert werden. Die Zusagen erhielten CDU und CSU im Gegenzug für ihre Zustimmung zum in der Koalition umstrittenen Grundrenten-Entwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) (…) Strittige inhaltliche Fragen des Gesetzentwurfs verfolgte die Union ebenfalls nicht weiter. Das betrifft vor allem, wie die Einkommensprüfung ausgestaltet wird, mit der bei künftigen und heutigen Rentnern ein Anspruch auf die neue Leistung festgestellt werden soll. Langjährige Geringverdiener, die mindestens 33 Jahre an Beitragszeiten für Beschäftigung, Erziehung oder Pflege vorweisen können, sollen im Alter bessergestellt werden. Ihre Rentenansprüche werden künftig automatisch hochgestuft, laut Arbeitsministerium sollen davon rund 1,3 Millionen Menschen profitieren…“ Artikel von Gregor Waschinski vom 30.06.2020 im Handelsblatt online - Grundrente Wer profitiert, was wird es kosten?
Überblick vom 02.07.2020 bei tagesschau.de - «Grundrente»? Der Verschiebebahnhof von Hubertus Heil
„… Die Regelungen führen zu einer systemwidrigen Vermischung unvereinbarer Logiken von Rentenversicherungs- und Fürsorgerecht. Einerseits wird der Rentenzuschlag abhängig gemacht von einer «Bedarfsprüfung» unter Einbeziehung des Partnereinkommens (es grüßt die «Bedarfsgemeinschaft»), weshalb von einer «Rente» keine Rede sein kann. Andererseits ist der Freibetrag in der Grundsicherung an rentenrechtliche Bedingungen geknüpft (mindestens 33 Jahre «Grundrentenzeiten»). Untersuchungen zum Zusammenwirken von «Grundrente» und Freibetrag zeigen, dass ein Großteil der Berechtigten trotz des Rentenzuschlags in der Grundsicherungsbedürftigkeit verbleibt. Denn der Freibetrag wirkt hier wie eine Erhöhung des Grundsicherungsbedarfs. Wer etwa im Schnitt 75 Prozent des Durchschnittsentgelts verdiente, braucht statt 35 schon fast 40 Jahre an Grundrentenzeiten, um zusammen mit dem Wohngeld die Schwelle der Bedürftigkeit zu überschreiten. 40-Prozent-Verdienende haben dazu auch mit 45 Beitragsjahren keine Chance. In der Praxis ist zu erwarten, dass Grundrentenberechtigte, die neu in Rente gehen, erstmal zum Sozialamt müssen. Denn die Bedarfsprüfung richtet sich nach dem Einkommen des vorvergangenen Jahres, das im 1. und 2.Jahr des Rentenbezugs noch vom Erwerbseinkommen geprägt ist. Und ein Großteil wird dann beim Sozialamt bleiben müssen. Manche Kommentatoren nennen die «Grundrente» eine «Sozialhilfe plus». (…) Ungewohnt geharnischt äußerte sich die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Das Gesetzesvorhaben stelle «eine noch nie dagewesene Zäsur» dar, die die DRV «außerordentlich stark belasten» werde. Sie muss die Versicherungsbiografien von fast 26 Mio. Bestandsfällen nach Kalendermonaten auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die «Grundrente» prüfen, wobei der Gesetzentwurf diverse Detailfragen im Unklaren lässt. Zugleich werde sich der Beratungsbedarf der Versicherten erheblich erhöhen. Zur Erstbearbeitung sei ein zusätzliches Arbeitsvolumen von 2300 Vollzeitstellen erforderlich (davon 520 dauerhaft), das am Arbeitsmarkt nicht zu decken sei. Die Verwaltung koste im Einführungsjahr mehr als ein Viertel der Leistungsausgaben. In welcher Fassung dies nicht zu Unrecht als «Bürokratiemonster» skandalisierbare Gesetz das Bundesgesetzblatt erreicht, und ob dann die Leistungen tatsächlich Anfang 2021 fließen, erscheint derzeit kaum prognostizierbar. Nicht zuletzt weist die DRV auf nachteilige Folgen für alle RentnerInnen hin: Wenn die «Haltelinie» für das Rentenniveau 2025 ausläuft, würden die Ausgaben für die «Grundrente» über den «Nachhaltigkeitsfaktor» zu geringeren Rentenanpassungen und damit zu einem (stärkeren) Absinken des Rentenniveaus führen. Insgesamt handelt es sich um eine «Seitwärtsbewegung» der GroKo, um das Gesicht der SPD (vorerst) zu wahren und den entscheidenden Fragen weiterhin auszuweichen: zu niedrige Löhne, zu niedriges Rentenniveau, zu niedrige Regelbedarfe im Grundsicherungssystem – Folgen neoliberaler Politik. Dabei wäre eine bessere Teillösung als die «Grundrente», die auch die systemische Verschmelzung von Rente und Sozialhilfe vermeidet, recht einfach zu haben. Man könnte die bestehende «Rente nach Mindestentgeltpunkten», die Zeiten der Niedriglohnbeschäftigung vor 1992 ohne Einkommensprüfung höher wertet, für die Zeiten ab 1992 entfristen und punktuell nachjustieren. Und in der Grundsicherung könnte man den Freibetrag nicht nur für die «Grundrente», sondern für alle gesetzlichen Renten einräumen. Schließlich ist Rente erworbener Lohnersatz – und sollte deshalb generell mit dem Freibetrag honoriert werden, der für Erwerbseinkommen unbestritten gilt.“ Kommentar von Daniel Kreutz aus Soz Nr. 03/2020 , siehe dazu noch: - [Grafik] Grundrente – Beschluss des Koalitionsausschusses: Der Koalitionskompromiss Grundsicherungsanspruch wird nur selten überwunden
„Wer nach heutigem Recht grundsicherungsberechtigt ist, wird es auch künftig in aller Regel bleiben. – Wer heute noch oberhalb der Grundsicherung liegt, kann wegen des geplanten Freibetrags künftigeventuell hilfebedürftig werden…“ Grafik mit Erläuterungen vom Portal Sozialpolitik vom Juni 2020 - Stellungnahme der Arbeitnehmerkammer Bremen zum geplanten„Grundrentengesetz“
„… Die Arbeitnehmerkammer Bremen begrüßt, dass mit der „Grundrente“ eine erhebliche Schutzlücke und ein offensichtliches Akzeptanzproblem angegangen werden soll: Auch nach langjährigem Niedriglohnbezug wäre durch verdiente Rentenzuschläge wieder stärker gewährleistet, dass sich Pflichtvorsorge in der Sozialversicherung bezahlt macht und zu nennenswerten Renten führt. Die geplante Reform kann damit einen wertvollen Beitrag zur besseren Absicherung im Alter und zur Stabilisierung des Rentensystems leisten. Sie sollte allerdings in einigen Aspekten angepasst werden, um die Anerkennung von Vorleistung systematischer auszugestalten. Wir schlagen dazu insbesondere vor: – Die vorgesehene Aufwertungsgrenze von 420 Monaten zu streichen, um auch lange Versicherungsverläufe angemessen zu honorieren und einen insgesamt ausreichenden Entgeltpunkterwerb zu erleichtern. – Die Aufwertung innerhalb der Gleitzone ausgewogen zu steigern, um alle Niedrigeinkommensbezieher gleichmäßig zu berücksichtigen. – Den Begriff „Grundrente“ zu überdenken, um falsche Erwartungen an das an sich richtige Instrument zu vermeiden und Akzeptanzproblemen vorzubeugen. – Auf die systemfremde Einkommensprüfung zu verzichten, um bewährte Grundsätze nicht aufzuweichen und insbesondere die Lebensleistung von Frauen besser anzuerkennen. – Freibeträge bei Wohngeld- oder Grundsicherungsbezugstreng prozentual zu bemessen, damit unterschiedliche Vorsorge stets auch einen Unterschied macht. Entsprechende Maßnahmen wären im Übrigen notwendig, aber nicht hinreichend: Auch eine verbesserte „Grundrente“ wird strukturell auf ein höheres und dauerhaft stabiles Rentenniveau angewiesen sein, wie es gute Alterssicherung in der Breite ohnehin ist. Und Maßnahmen für flächendeckend gute Arbeit müssen dafür sorgen, dass ein nachträglicher Ausgleich im Rentensystem immer weniger erforderlich wird. Nur dauerhaft gute Beschäftigung zu guten (Tarif-)Löhnen kann nachhaltig angemessene Alterssicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichern…“ 16-seitige Stellungnahme der Arbeitnehmerkammer Bremen vom Mai 2020, verfasst von Dr. Magnus Brosig - [Appell zum Mitunterzeichnen] Kreative zu arm für die Grundrente!
„„Lebensleistung verdient Respekt.“ Stimmt. Das gilt für alle. Auch für Kreative. Die nun bekannt gewordenen Bedingungen für den Bezug von Grundrente werden jedoch viele Kreative ausschließen: Zusätzlich zu den mindestens 33 Jahren Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung muss ein Mindesteinkommen von mindestens 30 % des bundesweiten Durchschnittseinkommens (2018: 12.624 €) erwirtschaftet worden sein. Wer darunter liegt, fällt durchs Raster. Sehr viele Künstler*innen werden dies absehbar nicht erreichen! Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e. V. (BBK) fordert gemeinsam mit anderen Künstlerverbänden in einem Appell, diese zweite Hürde auf maximal 10 % des Durchschnittseinkommens abzusenken – orientiert am Mindesteinkommen, das mit gutem Grund (!) Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse ist…“ Appell (u.a.) vom Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e. V. (BBK) vom 5. Februar 2020 - Grundrente nur Tropfen auf den heissen Stein – erstaunlich positive Bewertungen der DGB-Gewerkschaften
- Grundrente nur Tropfen auf den heissen Stein – Eine großkoalitionäre Minimallösung gegen Altersarmut: Keine wirksame Armutsbekämpfung durch die Grundrente
„… Keines der zunächst erörterten Modelle („Zuschussrente“, „Lebensleistungsrente“, „Solidarrente“ und „solidarische Lebensleistungsrente“) hat sich durchgesetzt. Immer gab es bei CDU/CSU oder FDP wirtschaftsnahe Kräfte, die eine Kompromisslösung blockiert haben. Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil hat es jetzt geschafft, sein Konzept einer „Respektrente“ – wenn auch stark verwässert – durch das Bundeskabinett zu bringen. Hiermit erkennt die Bundesregierung an, dass sich Arbeit auch für diejenigen Ruheständlerinnen und Ruheständler lohnen muss, deren Lohn für eine armutsfeste Rente selbst nach 35 Jahren der Beitragszahlung, der Kindererziehung und/oder der Pflege von Angehörigen nicht ausreicht. 1,3 Millionen Kleinstrentnerinnen und -rentner sollen vom 1. Januar 2021 an im Durchschnitt ca. 85 Euro im Monat zusätzlich erhalten. Trotzdem werden sie in aller Regel weiter einkommensarm sein, wenn man die Armutsrisikoschwelle der Europäischen Union (1.035 Euro pro Monat für Alleinstehende) zugrunde legt. Es wird eine Gleitzone geben, die bei 33 Jahren Beitragszahlung beginnt und eine Abbruchkante bei 34 Jahren und elf Monaten vermeidet. Freibeträge in der Grundsicherung und beim Wohngeld sollen sicherstellen, dass auch Menschen die Grundrente erhalten, die in Städten mit hohen Mieten leben. Statt einer Bedürftigkeitsprüfung, die der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU verlangt hatte, steht eine „umfassende Einkommensprüfung“ auf der Grundlage von Finanzamtsdaten an. Somit bleibt den Betroffenen zwar eine meist als demütigend erlebte Offenlegung der gesamten Lebensumstände erspart, wie sie Sozialleistungsbezieher über sich ergehen lassen müssen. Die vorgesehenen Freibeträge betragen 1.250 Euro für Alleinstehende und 1.950 Euro für (Ehe-)Paare. Ganz von der Grundrente ausgeschlossen bleiben die hauptsächlich betroffenen einkommensarmen Frauen, wenn ihr Einkommen oberhalb von 1.600 Euro bzw. das eines Ehepaares über 2.300 Euro liegt. Wenn der Staat fragt, was der Mann verdient, liegt dem ein überholtes Familienmodell zugrunde. Dabei soll die Grundrente ja kein staatliches Almosen sein, sondern ein Lohn für Lebensleistung, also für harte Arbeit, Pflege und/oder Kindererziehung. Parteien, die sonst einen „schlanken Staat“ favorisieren und Bürokratie abbauen wollen, können plötzlich gar nicht genug bürokratische Hürden errichten, wenn es um die Schaffung von mehr sozialer Gerechtigkeit geht. Bei der Mütterrente, welche die CSU durchgesetzt hat, findet jedoch bezeichnenderweise keine Einkommensprüfung statt. Vergleicht man den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem ursprünglichen Konzept von Hubertus Heil, so fällt auf, dass sich die Zahl der Anspruchsberechtigten, die in den Genuss der Grundrente gelangen werden, ebenso mehr als halbiert hat wie die für das Projekt veranschlagten Finanzmittel…“ Gastbeitrag von Christoph Butterwegge vom 20. Februar 2020 im Blog der Republik - Gesetzentwurf vom 19.02.2020 bei Sozialpolitik aktuell
- Zu wenig für zu wenige. Ganze 75 Euro würden arme Rentner mehr bekommen im Monat. Die Fehler der Vergangenheit korrigiert das nicht.
„Es ist eine Binsenweisheit: Jede Grundrente ist besser als keine Grundrente. Daher kann die Große Koalition auch kleine Verbesserungen als bedeutsamen Fortschritt verkaufen. Doch nüchtern betrachtet ist nicht viel passiert. Etwa 1,3 Millionen arme Rentner werden ab 2021 pro Monat durchschnittlich 75 Euro zusätzlich erhalten. Das ist fast nichts. Zudem haben die jahrelangen Diskussionen über die Grundrente den Blick aufs Wesentliche verstellt: Wie kann es eigentlich sein, dass im reichen Deutschland so viele Rentner arm sind? Diese Debatte wird kaum geführt, stattdessen lieber auf die Demografie verwiesen. (…) Ob Hartz IV, Leiharbeit, vereinfachte Befristung, Minijobs als Nebenerwerb oder ein Mindestlohn, der viel zu niedrig ist: Wenn die Gehälter dümpeln, dann legen auch die Rentenbeiträge nicht zu. Das ist pure Logik. Genauso wahnsinnig war es, die private Riester-Rente einzuführen. Diese Gelder fehlen jetzt in der gesetzlichen Rentenversicherung – und die Arbeitgeber müssen nichts dazu beitragen. Solange diese Fehler nicht behoben sind, werden viele Rentner weiter darben. Die Grundrente hilft nur wenigen – und zu wenig.“ Kommentar von Ulrike Herrmann vom 20.2.2020 in der taz online - Grundrente; Wer profitiert, was wird es kosten?
Überblick vom 19.02.2020 bei tagesschau.de - Umso erstaunlicher die positiven Bewertungen der DGB-Gewerkschaften:
- DGB: Akzeptabler Kompromiss
- ver.di: Ein Anfang ist gemacht
- IG Metall: Grundrente kommt: So profitieren Beschäftigte
- Grundrente nur Tropfen auf den heissen Stein – Eine großkoalitionäre Minimallösung gegen Altersarmut: Keine wirksame Armutsbekämpfung durch die Grundrente
- Stoppt die Grundrente! Weil daran alles falsch ist
„… Vielleicht ist die Grundrente, die ab 2021 kommen soll, nicht mehr aufzuhalten. Am 19. Februar soll ihr das Kabinett zustimmen. Dennoch sei nochmals eindringlich vor ihrer Einführung gewarnt. Kein Argument, mit dem sie gerechtfertigt wird, stimmt. Sie führt zu verfassungswidrigen Ungerechtigkeiten, benachteiligt Ehen gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften und ist – so wie sie geplant ist – undurchführbar.Die Grundrente honoriert keine Lebensleistung – im Gegenteil. (…) Die „Honorierung“ der Lebensleistung nimmt zudem ab, je größer sie ist. Wer nach 35 Jahren eine Rente von 462 Euro im Monat erzielt hat, soll zusätzlich eine Grundrente von 404 Euro erhalten, zusammen wären dies 866 Euro. Bei einer monatlichen Rente von 600 Euro beträgt die Grundrente noch 284 Euro, ab einem Betrag von 925 Euro gibt es sie nicht mehr. Je größer die Lebensleistung, desto niedriger also die Grundrente. (…) Der Versicherte, der für seine Rente von 866 Euro die vollen Beiträge gezahlt hat, ärgert sich zu Recht, weil er die gleiche Leistung großenteils umsonst hätte bekommen können. (…) Die Grundrente ist ungeeignet, Altersarmut zu bekämpfen. Von den Personen, die 35 Jahre lang versichert waren, bezog 2016 nur ein Prozent ergänzend Leistungen der Grundsicherung. Die anderen sind nicht arm. Aber viele, die arm sind und Hilfe bräuchten, bekommen sie nicht, weil sie nicht die vorausgesetzten 33 Versicherungsjahre zurückgelegt haben.Die Rentner mit weniger als 33 Beitragsjahren werden zudem gegenüber Personen benachteiligt, die eine freiwillige, betriebliche oder private (Zusatz-)Rente beziehen. (…) Finanziert soll die Grundrente durch Steuern werden, gedacht war an die Finanztransaktionssteuer, deren Realisierungschancen aber immer geringer werden. Da auch noch ihre (Re-)Finanzierung unklar ist, gibt es nur eines: Stoppt die Grundrente!“ Kommentar von Franz Ruland vom 16. Februar 2020 beim Tagesspiegel online - Die geschrumpfte und mit viel Frustrationspotenzial versehene „Grundrente“ wird jetzt durchgezogen. Ein weiteres Lehrstück (nicht nur) für die bewusste Produktion handwerklicher Fehler in Gesetzgebungsverfahren
„Was war das für ein Gewürge um die sogenannte „Grundrente“ in den vergangenen Monaten gewesen – aber nun können wir alle aufatmen: »Die Bundesministerien für Arbeit und Gesundheit haben eine Einigung bei der Grundrente verkündet. Finanziert werden soll sie komplett aus Steuermitteln«, kann man beispielsweise dieser Meldung entnehmen, die hoffen lässt: Bundesregierung einig über letzte Details der Grundrente. (…) Aber so einfach, man ahnt es schon, ist es dann leider auch nicht. Ganz im Gegenteil, wir werden konfrontiert mit einem Lehrstück aus der Reihe: Wie rette ich einen geschrumpfte und zerstückelte Idee zur Verbesserung der Lebenslage von Menschen, in dem ich auf Teufel komm raus das, was übrig geblieben ist, gesetzgeberisch auf den Weg bringe, ungeachtet der zahlreichen Kollateralschaden, die ich damit anrichten werde? (…) Nach einem ersten Referentenentwurf vom 16.01.2020, der es aber aufgrund von neuen Widerständen aus der Union, wie auch angesichts massiver Kritik beispielsweise aus der Deutschen Rentenversicherung nicht in das Kabinett geschafft hat, wurde nunmehr ein neuer Referentenentwurf vom 06.02.2020 vorgelegt, der am 12. Februar 2020 im Bundeskabinett beraten werden soll. (…) Wofür das alles? Wenn es sich wenigstens um eine Leistung handeln würde, die die Lebenslage von Millionen altersarmen Menschen signifikant verbessern helfen wird. Aber die Realität dessen, was auf der Haben-Seite herauskommen würde, wenn das jetzt alles seinen weiteren und bekannten Gang gehen wird, ist doch mehr als ernüchternd: „In vielen Fällen von langjährigen Niedrigverdienern mit 35 oder 40 Beitragsjahren wird der Zahlbetrag der Grundrente unter der Grundsicherung liegen. Davon, dass die Grundrente laut Koalitionsvertrag rund zehn Prozent über der Grundsicherung liegen soll, kann nur in absoluten Ausnahmefällen die Rede sein“, so ein Befund von Werner Siepe, der in diesem Beitrag zitiert wurde: Von der erstplatzierten und (partei)politisch gerne in das Schaufenster gestellten „Respektrente“ über das „Rollerchaos“ zum eigentlichen sozialpolitischen Problem: Alles nur ein „Grundrenten-Bluff“?…“ Kommentar von Stefan Sell vom 8. Februar 2020 auf seiner Homepage - Die Grundrente von oben und unten. Dazwischen gibt es eine große Lücke und unten eine Menge handfester Probleme. Ein Lehrstück dafür, dass gut gemeint nicht immer auch gut gemacht werden kann
„Das aktuelle Gezerre um die nun anstehende gesetzgeberische Umsetzung der Grundrente legt den Finger auf eine ziemlich große offene Wunde, die man auch in vielen anderen sozialpolitischen Bereichen zur Kenntnis nehmen muss: eine zunehmende Diskrepanz zwischen dem, was man oben denkt und glaubt sowie dem, was man unten, im Maschinenraum des Sozialstaates, zu leisten imstande ist. Und das nicht, weil man nicht will, sondern weil sich die Anforderungen dessen, was von oben kommt, mit dem beißt, was unten möglich gemacht werden kann. Oftmals muss man den Eindruck bekommen, dass die Verantwortlichen tatsächlich glauben, man muss nur auf eine Tastatur drücken und auch komplizierte Berechnungen für Millionen Fälle werden gleichsam in Warp-Geschwindigkeit wie von Zauberhand geräuschlos ausgeführt. Und wären wir alle normierte, standardisierte Fälle, die man entsprechend aggregieren kann, dann würde das vielleicht sogar funktionieren – aber die Menschen sehen nicht nur sehr unterschiedlich aus, sie sind es auch hinsichtlich der Vielfalt ihrer Lebensumstände sowie ihrer gradlinigen oder aber gebrochen und zerstückelt daherkommenden Erwerbsbiografien. Und das bei vielen Menschen ziemlich oft und recht heftig schwankenden Einkommen aus zumeist mehreren Quellen muss dann auch noch in Rechnung gestellt werden. Und ob sie alleine, mit einem Ehepartner oder in „wilder Ehe“ zusammenlebend auftauchen. Man ahnt es schon, es wird kompliziert, vor allem dann, wenn man die Welt der Powerpoint-Folien und auch vieler gesetzlichen Bestimmungen verlassen und absteigen muss in die Niederungen der Umsetzungsrealität. (…) Und selbstverständlich hat man in Berlin auch die Deutsche Rentenversicherung Bund eingeladen, denn die soll ja nun in Zukunft die Grundrente administrieren. Wie die anderen auch (…) hat die Deutsche Rentenversicherung Bund eine schriftliche Stellungnahme im Vorfeld der Anhörung verfasst (…) Und dieses Papier hat jetzt für eine Menge Wirbel gesorgt, weil die Stellungnahme offensichtlich, folgt man der medialen Berichterstattung, weit über das Normalmaß hinausreicht: Rentenversicherung rebelliert gegen Heils Grundrentenpläne, so hat beispielsweise Gregor Waschinski im Handelsblatt seinen Artikel dazu überschrieben: »Die Rentenversicherung fällt ein vernichtendes Urteil zur Grundrente. Das Gesetz sei ein sozialpolitischer Irrweg mit teurem Bürokratieaufbau.« In dem Artikel findet man diese Hinweise: »Das Vorhaben stelle eine „noch nie da gewesene Zäsur“ dar, die Umsetzung werde die Rentenversicherung „außerordentlich stark belasten“…“ Beitrag von Stefan Sell vom 22. Januar 2020 auf seiner Homepage mit Link zum Original der Kritik der Rentenversicherung - Kranke nicht vergessen – Das Grundrenten-Konzept muss reformiert werden
„Es gibt viele Menschen, die wegen einer Krankheit Rente beziehen und nicht auf die nötigen 33 Grundrente-Jahre kommen. Sie gehen nach den aktuellen Plänen leer aus. (…) Es wird auch in Zukunft Rentnerinnen und Rentner geben, die trotz Grundrente Grundsicherung beantragen müssen. Denn von dem Grundrentenzuschlag werden wieder 12,5 Prozent abgezogen. Aus Sicht des VdK ist das nicht nachvollziehbar. Dagegen ist positiv, dass alle Grundsicherungsempfänger bis zu 212 Euro von ihrer Rente behalten dürfen, wenn sie die Voraussetzungen für die Grundrente erfüllen. Negativ jedoch auch hier: Dies gilt erst ab 33 „Grundrentenjahre“. Deshalb fordern wir, dass alle Rentner von einem solchen Freibetrag profitieren, egal wie lange sie einbezahlt haben. Denn es gibt viele Menschen, die wegen einer Krankheit eine Rente beziehen und gar nicht auf 33 Jahre kommen. Sie gehen nach den aktuellen Plänen wieder einmal leer aus. Deshalb ist unsere Botschaft an die Politik klar: Auch Zeiten der Erwerbsminderungsrente müssen bei der Grundrente berücksichtigt werden. Wenn jemand krankheitsbedingt nicht arbeiten kann, darf er im Alter nicht auch noch dafür bestraft werden…“ Gastbeitrag von Verena Bentele vom 21. Januar 2020 bei der Frankfurter Rundschau online - Die „Grundrente“ steht angeblich kurz vor der gesetzgeberischen Finalisierung. Aber die „unbürokratische“ Einkommensprüfung wird nicht wie geplant funktionieren können
„Was war das für ein medial mit großer punktueller Aufmerksamkeit begleitetes, aber zugleich parteipolitisch durchaus reales High Noon-Spektakel um die „Grundrente“ im nunmehr vergangenen Jahr, das mit dem Koalitionsbeschluss vom 10.11.2019 sein vorläufiges Ende gefunden hat. (…) [Wobei] für die eigentliche „Grundrente“, also das „Zuschlagsmodell“, zwei Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind: Zum einen die „umfassende Einkommensprüfung“, die als Kompromisslinie zwischen dem ursprünglichen Ansatz des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD) einer individuellen Aufstockung niedriger Renten ohne irgendeine Prüfung der „Bedürftigkeit“ der Rentenbezieher und der Forderung nach einer umfassenden „Bedürftigkeitsprüfung“ wie in der Sozialhilfe seitens der Unionsparteien zu verstehen ist. Zum anderen wurde eine „kurze Gleitzone“ in Aussicht gestellt, die als Kompromissangebot an alle diejenigen gewertet werden muss, die verständlicherweise kritisch auf den Fallbeilcharakter der erforderlichen 35 Beitragsjahre hinweisen und hier aufgrund der damit verbundenen harten Abbruchkanten erhebliche Gerechtigkeitsprobleme bis hin zu einer möglichen Verfassungswidrigkeit verortet haben. (…) Bezüglich der hier relevanten Einkommensprüfung kann man das aber auch konkretisieren: »Vor der Grundrente steht die Einkommensprüfung. Doch die dürfte nicht wie angekündigt funktionieren«, meint beispielsweise der Sozialrechtsexperte Martin Staiger in seinem Artikel Unausgereifte Grundrente. Er fokussiert seine Einwände auf den Tatbestand, dass die Rentenversicherung bei in Partnerschaft lebenden potenziellen Grundrentnern vom Finanzamt Informationen über das Partnereinkommen erhalten soll bzw. genauer: muss, um die vorgesehene Einkommensschwellenprüfung vornehmen zu können. Wenn die Summe der zu versteuernden Einkünfte von Partnerschaften bei über 1.950 Euro pro Monat liegt, soll grundsätzlich kein Anspruch auf eine Grundrente bestehen (es sei denn, auch für diese Einkommensschwelle wird wie für die Einkommensgrenze bei Alleinstehenden mit Bezug auf den neuen Entwurf aus dem BMAS berichtet eine Teil-Anrechnung des über dem Betrag liegenden Einkommens in das Gesetz geschrieben, was eigentlich logisch wäre, wenn man das für die Alleinstehenden plant). (…) Auf erhebliche grundsätzliche Probleme bei der angeblich unbürokratisch gestaltbaren Einkommensprüfung selbst bei Alleinstehenden hat der Finanzmathematiker Werner Siepe hingewiesen. (…) Wir dürfen wahrlich gespannt sein, wie man diese offenen Fragen zu beantworten gedenkt. Unabhängig davon wird es selbst bei einer Lösung dieser eben nicht nur kleinkarierten technischen Ausgestaltungsfragen zu einer massiven Enttäuschung vieler Menschen kommen, die sich heute noch allein schon aufgrund der vollmundigen Versprechungen, man würde nun die „Lebensleistung“ eines Teils der Menschen, die jahrelang gearbeitet haben, im Sinne einer im Vergleich zur Grundsicherung im Alter höheren Rente würdigen, große Hoffnungen machen. Denn für die meisten wird das alles ausgehen wie das Hornberger Schießen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 12. Januar 2020 auf seiner Homepage - Grundrente – Anerkennung für was?
„An den niedrigen Löhnen und der Rentenformel wollen die Politiker im Prinzip nichts ändern, so dass es auch in Zukunft reichlich Anwärter für die neue Grundrente geben wird (…) Offiziell anerkannt und gewürdigt wird mit der Grundrente (…) die Tatsache, dass hierzulande viele Menschen, vor allem Frauen, Löhne bekommen, die nicht zum Leben reichen. Es handelt sich um Einkommen, die es ihren Beziehern nicht erlauben, für das Alter vorzusorgen – wenn sie überhaupt dazu reichen, während des Arbeitslebens über die Runden zu kommen. Dass es solche Löhne gibt, dafür hat nicht zuletzt die Partei des Arbeitsministers gemeinsam mit den Grünen gesorgt. Das Stichwort lautet Agenda 2010 (Hartz IV etc.). Durch die damit auf den Weg gebrachten gesetzlichen Regelungen wurden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gezwungen, jede Arbeit anzunehmen, auch wenn sie davon nicht leben können. Das gilt als eine deutsche Erfolgsgeschichte. Bundeskanzler Schröder 2012: „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ Der Erfolg dieser Geschichte wird denen angeschrieben, die mit den Billiglöhnen seit Jahren ihren wirtschaftlichen Ertrag vergrößern, nämlich in Form von Renditen und Wachstumsraten, von denen jeder Sparer auf seiner Bank oder Arbeitnehmer in der Tarifrunde nur träumen kann. (…) Anerkannt wird mit der Grundrente die Tatsache, dass es viele Menschen gibt, die lebenslang brav ihre Leistung abliefern, auch dann, wenn es sich für sie nicht lohnt und nur andere reich macht. (…) Mit der Grundrente beweist die Politik ein weiteres Mal, dass die Sozialkassen keine Geschenke, sondern Töpfe sind, aus denen sie den Unterhalt derer finanziert, die Deutschland für sein Funktionieren braucht, die aber mit ihrer Einkommensquelle Lohnarbeit nicht über die Runden kommen – als Arbeitnehmer, als Ausgemusterte, als Mütter, die sich um ihre Kinder kümmern müssen und deshalb nur Teilzeit oder gar nicht arbeiten können und so von dem Einkommen ihres Partners abhängig sind, oder als pflegende Angehörige, die sich aus Zuneigung oder moralischer Verpflichtung um die pflegebedürftigen Alten kümmern und so dem Staat einiges an Kosten ersparen. Respekt! All dies wird nun mit der Grundrente anerkannt und honoriert. „Und plötzlich ist von einem ‚Meilenstein für den deutschen Sozialstaat‘ die Rede, von einer Belohnung für die Fleißigen im Lande. Für Fleißige, die am Ende nur eine winzige Rente erhielten.“ (SZ, 11.11.2019) Als Hohn empfindet dies offenbar niemand. Man könnte hier noch einmal den Volksmund zitieren: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen!“ Kommentar von Suitbert Cechura vom 21. November 2019 bei Telepolis
- Koalitionsbeschluss zur Grundrente: „Automatisierte umfassende Einkommensprüfung“ statt „Bedürftigkeitsprüfung“
„Die Große Koalition hat sich auf einen Kompromiss zur Grundrente verständigt (…) Eine „umfassende Einkommensprüfung“ soll SPD-Politikern zufolge weniger „bürokratisch“ sein als eine „Bedürftigkeitsprüfung“, weil sie automatisiert durch einen Datenabgleich der Finanzbehörden mit der Rentenversicherung erfolgt. Melden die Finanzbehörden ein Gesamteinkommen über monatlich 1.250 Euro bei Alleinstehenden (beziehungsweise 1.950 bei Ehepaaren) erhält ein sonst Anspruchsberechtigter keinen zehnprozentigen Aufschlag, auch wenn er alle anderen Bezugsvoraussetzungen erfüllt. (…) Diese anderen Bezugsvoraussetzungen sind eine mindestens 35-jährige Einzahlungsdauer in die Rentenversicherung (wobei Erziehungs-, Pflege- und Krankheitszeiten angerechnet werden) und eine „Beitragsleistung unter 80, aber über 30 Prozent des Durchschnittseinkommens“. Durch die 30-Prozent-Grenze sollen so genannte „Minijobber“ aus dem Kreis der Bezugsberechtigten herausgenommen werden. Dadurch (und durch die oben aufgeführten Gesamteinkommensgrenzen) verkleinert sich der Kreis der Aufschlagsbezieher von den vom SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil im Februar genannten drei auf 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen. Die voraussichtlichen Kosten für die Mehrauszahlungen an sie schätzte CSU-Chef Markus Söder gestern auf eine bis eineinhalb Milliarden Euro pro Jahr. Weniger Medienaufmerksamkeit bekam gestern und heute ein anderer Teil der Einigung: Bezieher einer Betriebsrenten sollen künftig nur mehr auf den Betrag ihrer Betriebsrente Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen, der über 155,75 Euro monatlich liegt. Unter der bisherigen Regelung, die sich die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder 2004 ausgedacht hatte, müssen Betriebsrentner ihre Rente nicht nur doppelt versteuern, sondern auch den doppelten Krankenkassenbeitrag dafür zahlen. Und zwar auf die gesamte Betriebsrente, wenn diese auch nur einen einzigen Cent höher als die Freigrenze ist. Zog ihr Arbeitgeber die Betriebsrente in Form einer Entgeltumwandlung ein, werden sie sogar drei Mal benachteiligt: Dann bekommen sie wegen eines formal niedrigeren Bruttoeinkommens nämlich auch noch eine niedrigere gesetzliche Rente…“ Kommentar von Peter Mühlbauer vom 11. November 2019 bei Telepolis , siehe zu den Details den Koalitionsbeschluss zur Grundrente vom 10. November 2019 und weitere Stellungnahmen:- Grundrente: Ergebnis mit Schwindsucht, aber gesteigerte Begeisterung
„Im Mai sah der Gesetzentwurf des Sozialministeriums noch vor, dass 2021 etwa 2,9 Millionen Menschen Grundrente erhalten könnten. Der „Kompromiss“ geht jetzt von 1,2 bis 1,5 Millionen aus. Die Kosten wurden von ursprünglich geplanten 3,8 Milliarden Euro auf 1,1 bis 1,5 Milliarden Euro fast auf ein Drittel gekürzt. „Keine Bedürftigkeitsprüfung“ wurde in Einkommensprüfung geändert. Dass die Ergebnisse dieser Kürzungsarie als große Reform gefeiert werden, die nun auch für die Rettung der Großen Koalition herhalten muss, ist überaus merkwürdig. (…) 35 Jahre Beitragszeiten sind erforderlich. Damit waren bis vor kurzem „langjährig Versicherte“ definiert. Jetzt werden für die Grundrente die Zeiten der Arbeitslosigkeit einfach gestrichen. 35 Beitragsjahre wurden von 33% aller Rentnerinnen und Rentner schon nach der alten Berechnung nicht erreicht – die Zahl wird noch einmal um einiges angestiegen sein (eine Statistik dazu fehlt noch). Was besonders auffällt: Über 60% der Rentnerinnen in den alten Bundesländern haben weniger als 35 Beitragsjahre. Diese Frauen können die Bewertung, dass vor allem Frauen von der Grundrente Gutes hätten, nur als Verhöhnung ansehen (…) Die zweite zentrale Voraussetzung ist: die Rente darf nicht weniger als 30% und nicht mehr als 80% von der Durchschnittsrente betragen. Aktuell beträgt die Durchschnittsrente bei 35 Beitragsjahren 1.157€. Davon 30% gerechnet ergeben 347€. Wer weniger als 347€ Rente bezieht, ist zu arm für die Grundrente! Und das, obwohl er/sie 35 Jahre eingezahlt hat. (…) Eine weitere Kompromiss-Gehässigkeit ist die unmittelbare Kürzung des Grundrentenzuschlags um 12,5% (…) Die LINKE beschränkt sich auf Detailkritik und versäumt es, das Konzept für eine Mindestrente als einzig richtige Alternative in die Diskussion zu bringen. Eine Mindestrente, die über der Armutsgefährdungsschwelle liegt, könnte aktuell und dauerhaft Altersarmut zurückdrängen. Aktuell wäre das eine Rente von ca. 1.100€ netto. Dass eine derartige Mindestrente möglich ist, zeigen die Mindestrenten in Österreich: Wer 15 Beitragsjahre nachweist bekommt mindestens 1.035€ Rente, wer es auf 30 Beitragsjahre bringt, erhält 1.145€ netto…“ Kommentar von Reiner Heyse vom 12. November 2019 beim Seniorenaufstand - Viele bleiben ausgeschlossen: Menschen mit sehr niedrigen Einkommen erhalten keine Grundrente
„… Die Große Koalition macht bislang wohlweislich keine genauen Angaben zu den voraussichtlichen Kosten der Grundrente für Geringverdiener. Man gehe zunächst von Mehrkosten in Höhe von jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro aus, hieß es am Sonntagabend. Die Unsicherheit rührt auch daher, dass es unterschiedliche Schätzungen gibt, wie viele Menschen, die eigentlich Anspruch auf Grundsicherung im Alter hätten, darauf verzichten. Lange gingen Experten davon aus, dass die Sozialleistung, die vom Umfang her dem Arbeitslosengeld II entspricht, von etwa der Hälfte der eigentlich Berechtigten beantragt wird. Doch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht in einer Mitte September veröffentlichten Studie davon aus, dass derzeit nur jeder dritte Berechtigte sie in Anspruch nimmt. Gerade unter jenen, die darauf verzichten, dürften etliche sein, die jahrzehntelang gearbeitet und sich damit einen Rentenanspruch erworben haben. Dass sie, wenn dieser sehr gering ist, Grundsicherung beantragen können, wissen viele von ihnen gar nicht. Oder sie wollen sich nicht der entwürdigen Prozedur des »sich Nacktmachens« aussetzen. Viele fürchten auch, am Ende der Antragsprüfung könnte die Forderung an die eigenen Kinder stehen, Mutter oder Vater zu unterstützen. Laut DIW-Studie hätten aktuell bereits neun Prozent der Ruheständler Anspruch auf Grundsicherung und damit mehr als 1,6 Millionen Menschen. Ende 2017 bezogen aber nur 3,16 Prozent bzw. 544 000 Altersrentner entsprechende Leistungen. In der Studie, in der die Auswirkungen verschiedener Rentenreformszenarien auf die Entwicklung der Altersarmut untersucht wurden, wird betont, dass die ursprünglich im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vorgesehene Grundrente den Anstieg der Zahl armer Rentner nur minimal abbremsen würde. (…) Die ebenfalls am Sonntag beschlossene Aufstockung der Zuschüsse für Betriebsrenten ist indes im Verhältnis zu den für die Grundrente bereitgestellten Mitteln erheblich. Sie sollen bei Geringverdienern mit einem Monatseinkommen bis 2200 Euro brutto von maximal 144 Euro auf 288 Euro verdoppelt werden. Diese Maßnahme kommt einmal mehr vor allem der Versicherungswirtschaft zugute. Betriebsrentner sollen zudem in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden Euro bei den Krankenkassenbeiträgen entlastet werden. Außerdem soll der Steuerfreibetrag für Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen zur Vermögensbildung von 360 Euro auf 720 Euro pro Jahr angehoben werden.“ Kommentar von Jana Frielinghaus vom 11. November 2019 bei neues Deutschland online - DGB-Vorstand Annelie Buntenbach zur Grundrenten-Einigung
„… Zur Einigung über die Grundrente sagte Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, am Sonntag in Berlin: „Der DGB begrüßt, dass Union und SPD sich nach langem und zähen Verhandeln auf eine Grundrente geeinigt haben. Die Koalition zeigt damit, dass sie handlungsfähig ist und anerkennt die Lebensleistung von nahezu 1,5 Millionen Beschäftigten, die jahrzehntelang aus niedrigem Einkommen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt haben. Die meisten von ihnen sind Frauen.“ (…) „Die vorgesehene Aufwertung der eigenen Rente durch die Grundrente und der höhere Freibetrag beim Wohngeld werden in den allermeisten Fällen den Gang zum Sozialamt überflüssig machen“, so Buntenbach weiter. (…) „Auf die von der Union geforderte und durchgesetzte Einkommensprüfung hätte man getrost verzichten können“, sagte Buntenbach. „Hier wäre weniger mehr gewesen – vor allem für verheiratete Frauen.“ (…)“Völlig unsinnig ist es in diesem Zusammenhang allerdings, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag abzusenken“, so Buntenbach. „Gerade jetzt, wo sich eine konjunkturelle Eintrübung abzeichnet, die Zahl der Arbeitslosen im Bereich des SGB III zunimmt und die Bundesagentur für Arbeit neue Aufgaben bei der Weiterbildung und Absicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern übernehmen muss, ist diese Beitragssenkung absolut kontraproduktiv.“ Standpunkt des DGB-Vorstands vom 10. November 2019 - [ver.di] Grundrente: Wichtiger Schritt für mehr Fairness im Rentensystem
„Der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Werneke, hat die Lösung des Konflikts um die Grundrente als „einen wichtigen Schritt der Koalition zur Anerkennung der Lebensleistung vieler tausend Menschen und für mehr Fairness im Rentensystem“ gewürdigt. „Wer jahrzehntelang mit niedrigem Einkommen hart gearbeitet hat, kann nun eine Rente bekommen, die oberhalb der Grundsicherung liegt. Allerdings hätten es hätten mehr als die jetzt absehbaren 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen richtigerweise verdient, von der Grundrente zu profitieren“, erklärte Werneke. (…) Kritisch wertete der Gewerkschaftsvorsitzende, dass die Einkünfte von Ehepaaren für den Anspruch auf eine Grundrente zusammengerechnet werden sollen: „Das ist Ausdruck eines antiquierten Frauenbildes – dieses wollen konservative Politiker offenbar verfestigen. Zu Recht kommt ja auch niemand vor der Auszahlung der normalen Altersrente auf die Idee, die Zahlungen von dem Einkommen des Ehepartners abhängig zu machen“, so Werneke.“ ver.di-Pressemitteilung vom 11. November 2019
- Grundrente: Ergebnis mit Schwindsucht, aber gesteigerte Begeisterung
- Grundrenten-Diskussion in der Regierung: Für wen der Rubel rollt
„Bei der Bedürftigkeitsprüfung für die Grundrente dreht die Große Koalition jeden Cent um. Prämien für E-Autos vergibt sie dagegen sehr großzügig. (…) Man muss den VerfechterInnen der Bedürftigkeitsprüfung fast dankbar sein, dass ihnen zum Thema Grundrente kein intelligenteres Beispiel einfällt als die Frau, die scheinbar zweckbefreit Teil dieser Gesellschaft ist und dennoch Geld erhalten soll. Die Realität ist bekanntlich eine andere – und sie orientiert sich sicher nicht an Problemen eines Narrativs, das seinen Ursprung in der westdeutschen Versorgerehe des 20. Jahrhunderts hat. Bei der Grundrente handelt es sich um einen Zuschlag von maximal 10 Prozent auf die Grundsicherung im Alter. Es geht um Menschen, die trotz mindestens 35 Jahren Berufstätigkeit eine Rente unterhalb der Grundsicherung erhalten würden. Für Alleinstehende liegt diese aktuell bei 424 Euro pro Monat, plus Mietkosten. Schlimm genug, dass so etwas wie die Grundrente überhaupt nötig ist. Die ganze Neiddebatte über die Gattin mit Perlenkette und Golf-Cabrio aber beschämt jene, die nach einem langen Arbeitsleben auf Unterstützung angewiesen sind. Es geht hier um Geld für die neue Brille, eine Waschmaschine oder Weihnachtsgeschenke für die Enkel – um nicht mehr als insgesamt 2 Milliarden Euro im Jahr. Für eine andere Gruppe hingegen, für die AutofahrerInnen, entscheidet die Große Koalition gerade schnell und unbürokratisch. Über einen Zeitraum von sechs Jahren sollen die Kaufprämien für Elektroautos kräftig erhöht werden: Statt 4.000 Euro wie bisher gibt es nun 6.000 Euro vom Staat für ein neues E-Auto; 4.500 für Plug-in-Hybride. Selbst für Autos, die teurer als 40.000 Euro sind, wird die Prämie erhöht: von 4.000 auf 5.000 Euro. Da rollt der Rubel…“ Kommentar von Anja Maier vom 4.11.2019 in der taz online
- Grundrente: „Das unwürdige Geschacher muss endlich ein Ende haben“. Grundrente gegen Steuergeschenke für Unternehmen?
„Entscheidung über die Grundrente erneut verschieben, gleichzeitig Entlastungen für Unternehmen diskutieren: „Die Union nimmt ohne Skrupel zwei Millionen Rentnerinnen und Rentner, die von einer einkommensgeprüften Grundrente profitieren könnten, in Geiselhaft, um der SPD ein Absenken der sowieso schon zu niedrigen Körperschaftsteuer abzupressen“, kritisiert DGB-Vorstand Annelie Buntenbach…“ DGB-Beitrag vom 04.11.2019
- Millionen hätten Anspruch – Gewerkschaften fordern Ergebnisse in Grundrentendebatte
„… Im Auftrag des DGB haben Tanja Schmidt und Verena Tobsch vom Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES) in Berlin untersucht, wie viele Menschen Anspruch auf die Grundrente hätten und ob diese wirklich ein wirksames Instrument gegen die grassierenden Altersarmut ist. Laut der Studie auf Basis der Daten des soziooekonomischen Panels (SOEP) 2017 wären rund 3,7 Millionen Menschen anspruchsberechtigt für die ursprünglich von Bundesarbeits- und sozialminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagenen Grundrente. Rund 3,7 Millionen Menschen, die trotz 35-jähriger oder noch längerer Erwerbstätigkeit eine gesetzliche Rente von unter 880 Euro im Monat haben. Rund 72 Prozent davon (2,7 Millionen) sind Frauen. Das liegt daran, dass Frauen überwiegend oft geringfügig beschäftigt, in Teilzeit oder zu niedrigeren Löhnen arbeiten als ihre Kollegen. „Dem Prinzip der Aufwertung der individuellen Lebensleistung bei langjähriger Erwerbsarbeit und nur geringen Rentenanwartschaften kann die Grundrente somit durchaus gerecht werden“, schreiben Schmidt und Tobsch in ihrem kürzlich veröffentlichten Papier. Obwohl die Grundrente beim Punkt Geschlechtergerechtigkeit einen wichtigen Ausgleich zur Unwucht auf dem Arbeitsmarkt schaffen kann, trifft sie längst nicht alle, die potenziell von einer Niedrigrente betroffen sind. Rentnerinnen und Rentner, die weniger als 35 Jahre Erwerbserfahrung haben, machen rund zwei Drittel aller Rentenbeziehenden aus, heißt es in dem Papier weiter. Das Ziel der allgemeinen Armutsvermeidung erreicht die Grundrente also nur bedingt, auch wenn die Armutsquote durch die Einführung um drei Prozent sinken könnte. Trotzdem würden nach den Schätzungen der Forscherinnen mehrheitlich Menschen profitieren, deren Haushaltsnettoeinkommen in den unteren Einkommensbereichen liegen. Das betreffe 55 Prozent der anspruchsberechtigten 3,7 Millionen Menschen Singlehaushalten und 65 Prozent in Paarhaushalten, die effektiv vor Altersarmut geschützt würden. Dass auch rund 330.000 Personen mit der Grundrente ein „mehr als auskömmliches Haushaltsnettoeinkommen“ hätten, würde durch die Steuerprogression wieder teilweise ausgleichen. Heißt: Auf Renten müssen Steuern gezahlt werden. Wer mehr Rente bekommt, zahlt mehr Steuern. Damit würde der „durch die Grundrente erhaltene Differenzbetrag deutlich abschmelzen“. (…) Da es bei der Rente um eine Versicherungsleistung gehe, sei eine Bedürftigkeitsprüfung nicht akzeptabel, „weil sie bei der normalen Altersrente natürlich auch nicht durchgeführt wird“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Überdies würden mit der Bedürftigkeitsprüfung nur noch 150.000 Anspruchsberechtigte übrig bleiben, das große Vorhaben Grundrente würde Makulatur.“ Beitrag von Jörg Meyer vom 18. Oktober 2019 beim DGB online
- Interview mit Hans-Jürgen Urban: „Die Grundrente muss jetzt kommen“
„Die Koalition streitet noch immer über die Grundrente für Menschen, die 35 oder mehr Jahre gearbeitet haben. Die IG Metall fordert seit langem eine Aufstockung niedriger Renten und unterstützt das Vorhaben ausdrücklich, sagt Hans-Jürgen Urban, im IG Metall-Vorstand für Sozialpolitik zuständig. (…) Wir haben gerade erst bei unserem Gewerkschaftstag in Nürnberg eine intensive Debatte über die Zukunft der Alterssicherung geführt. Die knapp 500 Delegierten haben über die 110 Anträge zum Thema Alterssicherung beraten und die programmatischen Eckpunkte der IG Metall für die nächsten Jahre beschlossen. Das Thema hat also einen großen Stellenwert für uns und wir werden unsere Kampagne für eine solidarische Neuausrichtung der Alterssicherung mit erhöhtem Einsatz fortsetzen. (…) Auskömmliche Renten müssen wieder das entscheidende Sicherungsziel werden und nicht möglichst niedrige Beiträge. Hierzu bedarf es einer deutlichen Anhebung des Rentenniveaus und der Einführung einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung. Wir brauchen Verbesserungen bei den Zugangskriterien zur Erwerbsminderungsrente, die an die realen Bedingungen des Arbeitsmarktes angepasst werden müssen. Und allen Versuchen, das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen, erteilen wir eine klare Absage. Vielmehr brauchen wir flexible Ausstiegsoptionen vor der heutigen Regelaltersgrenze…“ Interview vom 18.10.2019 bei der IG Metall
- Bedürftigkeitsprüfung: Fünf Euro für die Grundrente
Wissenschaftler Tim Köhler-Rama erklärt im Gespräch mit Alina Leimbach bei neues Deutschland online vom 23. Juni 2019 , warum die Rente finanzierbar und eine Bedürftigkeitsprüfung unfair ist (…) So wie wir einen Mindestlohn benötigen, ist auch eine Mindestsicherung im Alter notwendig. Und überhaupt: Wir sind einer der wenigen Industriestaaten, die niedrige Einkommen von langjährig Beschäftigten bei der Rentenberechnung nicht aufstocken. (…) Eine Grundrente mit vorheriger Überprüfung der Einkommens- und Lebensverhältnisse wäre keine Grundrente. Denn im Rentensystem ist grundsätzlich keine Bedürftigkeitsprüfung vorgesehen. Wenn die SPD hier einknickt und die Bedürftigkeitsprüfung zulässt, wäre dies das Ende der ganzen Idee. Es bliebe dann nur noch eine »Grundsicherung plus«. Auch ein Kompromiss, bei dem erst einmal nur das Einkommen des Antragstellers geprüft würde, wäre der falsche Weg. (…) Wenn der oder die Versicherte das Pech hatte, lange Zeit im Niedriglohnbereich zu arbeiten, muss dies das Rentensystem mit einer sozialen Ausgleichsmaßnahme berücksichtigen. Eine Bedürftigkeitsprüfung im Rentensystem wäre falsch, weil sie dazu führen würde, dass das Sozialamt und die Rentenversicherung miteinander vermengt würden. (…) Es ist nicht zu teuer, wenn man die Zielsetzung erreichen will. Nämlich dass langjährige Versicherte, die nie oder nur zu einem winzigen Bruchteil ihres Lebens von der Sozialhilfe gelebt haben, auch im Alter nicht ins Grundsicherungssystem fallen. Dass kann nur sichergestellt werden, wenn die Rentenansprüche von Menschen mit geringen Einkommen hochgewertet werden. (…) Die beste Art, das zu finanzieren, wäre über die Rentenbeiträge. Mit 18,6 Prozent liegt der Rentenbeitragssatz derzeit so niedrig wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Die langfristig benötigten vier bis fünf Milliarden Euro würden den Beitragssatz um rund 0,3 Punkte auf 18,9 Prozent erhöhen. Bei einem Durchschnittsverdiener, der derzeit rund 3300 Euro Brutto verdient, wären das weniger als fünf Euro mehr an Beitragsaufwand für den Versicherten im Monat…“
- Grundrente: Placebo oder All(heil)mittel?
„… Das Konzept der Grundrente von Arbeitsminister Hubertus Heil geht in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht. Eine armutsfeste Rente in Deutschland müsste sich an der aktuellen Pfändungsfreigrenze von 1139 Euro orientieren. Bei 10 Prozent Sozialabgaben wären das 1025 Euro netto. DIE LINKE fordert seit Jahren eine Mindestrente von 1050 Euro. Das Rentenkonzept der LINKEN und der SPD soll steuerfinanziert werden. Dies ist nur allzu folgerichtig, wenn man bedenkt, dass dem Staat jährlich eine zweistellige Milliardensumme durch legale und vor allem illegale Steuervermeidung entgeht. Aber auch eine steuerfinanzierte Mindestrente schafft langfristig in einer immer älter werdenden Gesellschaft Altersarmut nicht ab. Dazu muss sie mit einer Reihe anderer Maßnahmen und Instrumente kombiniert werden. Der gesetzliche Mindestlohn bei Vollzeitarbeit müsste von aktuell 9,19 Euro auf 12,63 Euro steigen. Dies ergeben interne Berechnungen, die das Bundesarbeitsministerium auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag im Mai vergangenen Jahres angestellt hat. Darüber hinaus müsste die Zweiklassenalterssicherung nicht nur auf den Prüfstand gestellt, sondern gänzlich abgeschafft werden – zugunsten einer Rentenkasse für alle, in die auch Freiberufler und Beamte einzahlen. Wie man diese Kasse nennt, ist völlig zweitrangig. Viele Kommunen bzw. kreisfreie Städte würden dadurch entlastet werden, da sie jährlich Millionenbeträge für ehemalige städtische Beamte zurückstellen müssen. Das Geld fehlt dann im laufenden Finanzhaushalt für andere Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge! Die unter der Schröder-Regierung wiedereingeführte Bruttolohnanpassung im Jahr 2001 müsste rückgängig gemacht werden und der Nettolohn als Maßstab für die Berechnung der Rente gelten. Mit der Bruttolohnanpassung hat die damalige «rot-grüne» Bundesregierung mit Erfolg Reallohnverluste und Inflation elegant weggerechnet… Zusammengenommen ließe sich mit diesen Ansätzen und Instrumenten locker wieder ein Rentenniveau von 53 Prozent erreichen – wie zu Zeiten des letzten sozialdemokratischen Bundeskanzlers Helmut Kohl.“ Kommentar von Mirko Düsterdieck in der SoZ 03/2019
- DGB-Online-Petition: „Grundrente jetzt! Lebensleistung verdient Respekt.“ – Wie wäre es mit respektvollen Tarifabschlüssen?
„Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert: Grundrente jetzt! Und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung. Unterstützen Sie jetzt unsere Online-Petition an CDU, CSU und SPD im Deutschen Bundestag. Wir fordern die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf, sich noch im ersten Halbjahr 2019 auf die Einführung einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung zu einigen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nur geringe Rentenansprüche haben, obwohl sie jahrzehntelang in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, muss die Rente aufgewertet werden. Nur so kann verhindert werden, dass sie im Alter in die Grundsicherung fallen. Eine Bedürftigkeitsprüfung lehnen wir ab: Es geht darum, die Lebensleistung der Menschen zu würdigen und sie vor Altersarmut zu schützen – nach einem langen Arbeitsleben muss ihnen der Gang zum Grundsicherungsamt erspart bleiben. Mit einer Grundrente wird das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung gestärkt – und die Lebensleistung der arbeitenden, erziehenden und pflegenden Menschen endlich wieder anerkannt…“ Online-Petition vom 19.03.2019 von und beim DGB – wir können uns nur wiederholen (s.u.): Viel Gerede vom Respekt, aber nur für die, die 35 Jahre und länger in die Rentenversicherung eingezahlt haben! Wie wäre es mit respektvollen Tarifabschlüssen?
- DGB: Mehr Wertschätzung der Lebensleistung von Frauen! [die 35 Jahre und länger in die Rentenversicherung eingezahlt haben!]
„Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund die Koalition auf, die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung umgehend auf den Weg zu bringen. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack sagte am Donnerstag in Berlin: „Vor allem Frauen profitieren von der Grundrente. Denn sie sind am Arbeitsmarkt oft strukturell benachteiligt und werden schlechter bezahlt als Männer. Im Alter haben sie das Nachsehen – zum sogenannten Gender Pay Gap kommt dann das Renten Gap hinzu: Nach einem Erwerbsleben mit oft nur geringem Einkommen droht vielen Frauen Altersarmut. Die Bundesregierung ist aufgefordert, dieses Thema endlich abzuräumen. Für Beschäftigte mit niedrigen Rentenansprüchen, die jahrzehntelang in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, muss die Rente aufgewertet werden. Wer 35 Jahre und länger in die Rentenversicherung eingezahlt hat, soll am Ende auch etwas herausbekommen, das für ein menschenwürdiges Leben reicht. Gerade für Frauen wäre dies eine echte Wertschätzung und eine Würdigung ihrer Lebensleistung.““ DGB-PM vom 07.03.2019
- Grundrente: VdK will Freibetrag für Rentner in der Grundsicherung
„… Neuer Vorstoß im Kampf gegen Altersarmut: Zusätzlich zu der geplanten Grundrente fordert der Sozialverband VdK Deutschland einen Freibetrag für Rentner in der Grundsicherung. Davon würden nach einer Studie des Prognos-Instituts insgesamt 1,8 Millionen Menschen mit geringen Renten profitieren, meldet die „Neue Osnabrücker Zeitung“. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte der Zeitung, sie begrüße es, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plane, bei den Zugangsvoraussetzungen für die Grundrente von 35 Beitragsjahren nachzubessern. „So können auch Arbeitnehmer von der Grundrente profitieren, die beispielsweise nur 34 Jahre in die Rentenkasse einbezahlt haben.“ Zugleich betonte Bentele: „Im Kampf gegen Altersarmut braucht es darüber hinaus weitere Maßnahmen für Arbeitnehmer, die längere Zeit arbeitslos waren oder krankheitsbedingt jahrelang nicht arbeiten konnten.“ Für diese Menschen, die nur sehr geringe Rentenansprüche erworben hätten und deshalb im Alter auf Grundsicherung angewiesen seien, müsse etwas getan werden. Aktuell werde deren Rente zu 100 Prozent mit der Grundsicherung verrechnet. Bentele: „Das ist nicht gerecht. Deshalb braucht es einen Freibetrag für die gesetzliche Rente in der Grundsicherung in Höhe von 212 Euro, wie es ihn derzeit schon für die betriebliche und private Altersvorsorge gibt.“…“ Meldung vom 6. März 2019 bei ‚Ihre Vorsorge‘
- BMAS: Eckpunkte der Grundrente – und Kommentare
„Kernbotschaften: Lebensleistung verdient Respekt: Wer ein Leben lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, muss im Alter mehr haben als die Grundsicherung. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass Arbeit sich lohnt − auch in der Rente. (…) Zentraler Baustein ist die neue Grundrente: Die Rente wird um einen Zuschlag erhöht, wenn die Versicherten mindestens 35 Jahre „Grundrentenzeiten“ vorweisen können – das sind Pflichtbeitragszeiten vor allem aus Beschäftigung, Kindererziehung und Pflegetätigkeit. Grundlage der Berechnung sind die in den „Grundrentenzeiten“ erworbenen Entgeltpunkte. Die Grundrente wird ohne Bedürftigkeitsprüfung ermittelt. Davon werden 3 bis 4 Millionen Menschen profitieren können, ein großer Anteil davon sind Frauen. Da bei der Anerkennung von Lebensleistung nicht zwischen heutigen und künftigen Rentnerinnen und Rentnern unterschieden werden kann, gelten die Regelungen für alle. (…) Verbesserungen beim Wohngeld: Bereits heute stellen Rentnerhaushalte die Hälfte der Haushalte, die Wohngeld beziehen. Rentnerinnen und Rentnern, die mindestens 35 Jahre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben, soll künftig ein pauschaler Freibetrag gewährt werden. In der Höhe sollte sich der Freibetrag an dem bereits für schwerbehinderte Menschen existierenden Freibetrag von 125 Euro orientieren. Da das Wohngeld bisher − anders als die Rente − nicht dynamisch, sondern starr ist, können Rentnerinnen und Rentner durch steigende Renten im Zuge der jährlichen Rentenanpassungen unter Umständen ihren Anspruch auf Wohngeld verlieren. Daher ist es außerdem wichtig, dass die Miet- bzw. Einkommensgrenzen zum Wohngeld regelmäßig angepasst werden, um Rentnerhaushalte mit Wohngeldbezug wirklich zu unterstützen…“ Aus dem BMAS-Eckpunktepapier vom Februar 2019 beim Portal Sozialpolitik – siehe dazu (meist „leistungsgerechte“) Kommentare:- Der Grundrenten-Rechner
„Würden Sie von der geplanten Grundrente profitieren? Und wenn ja: Wieviel höher würde ihre Rente unterm Strich ausfallen? Rechnen Sie es aus mit unserem Grundrenten-Rechner…“ Grundrenten-Rechner seit 07.03.2019 beim DGB - Debatte Grundrente und Altersarmut: Leistungsdenken scheitert
„… In der von Arbeitsminister Hubertus Heil angestoßenen Debatte über die Rente ist Gerechtigkeit ein zentraler Begriff. Das ist gewagt. Denn gerade bei der Rente zeigt sich die enorme Spaltung der Gesellschaft: Jemand, der 40 Jahre zum Mindestlohn Vollzeit arbeitet hat, bekommt etwas mehr als 500 Euro Rente im Monat. Topmanager wie der frühere VW-Chef Winterkorn erhalten dank zusätzlicher Betriebsrente im Ruhestand mehr als sechsmal so viel – am Tag. Der Staat, als Anteilseigner von VW aber vor allem als Steuergesetzgeber, muss für Balance sorgen. (…) In einem sind sich Heil, seine Widersacher aus dem konservativ-liberalen und seine VerteidigerInnen aus Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften fatalerweise einig: „Jemand, der jahrzehntelang hart gearbeitet hat, hat das Recht, deutlich mehr zu bekommen als jemand, der nicht gearbeitet hat“, lautet das Credo. Das gilt als gerecht. Aber wieso eigentlich? Wer so argumentiert, verkennt: Arbeit zu haben ist hier und heute ein Privileg. Ja, die Wirtschaft boomt. Unternehmen suchen händeringend Fachkräfte – aber nur bestimmte. Die Leute müssen jung und gesund, passend gebildet, flexibel und mobil sein. Wer einen Makel hat, hat Pech – und den hat jedeR spätestens mit 50. Dann sind es noch 17 Jahre bis Rentenbeginn. Ein „Makel“ ist häufig schon die Existenz eines Kindes – von chronischen Krankheiten oder anderen Kalamitäten gar nicht erst zu reden. Unternehmen zahlen lieber „Ausgleichsabgaben“, als einen Schwerbehinderten einzustellen. Früher gab es in Unternehmen sogenannte Schonarbeitsplätze. Die waren für jene, die sich für den Betrieb kaputtgeschuftet hatten und die Zeit bis zur Rente überbrücken mussten. Heute gibt es für diese Leute Hartz IV – und später eine mickrige Rente. Sie gehören zu den Millionen Arbeitslosen, die abgeschrieben werden und von denen etliche nicht einmal mehr in der Statistik auftauchen. Wo bleibt der Respekt vor diesen Menschen? In Deutschland gibt es kein Rechtsanspruch auf Erwerbsarbeit. Der Markt entscheidet, ob man seine Arbeitskraft gegen Ansprüche auf die Rente eintauschen kann, nicht der oder die Einzelne. Dabei zeigt die Explosion der Jobs im Niedriglohnsektor, dass viele sich lieber unter Wert verkaufen als arbeitslos zu sein. (…) Das richtige Mittel gegen Altersarmut ist eine staatliche, deutlich über der Armutsgrenze liegende Mindestrente für alle, auch für die, die keine langen Versicherungszeiten haben. Jede Grenze, jede Zugangsbarriere muss dem als Willkür erscheinen, der nicht darüber kommt. Und: Die Lebensleistung eines Menschen spiegelt sich nicht in seinen Rentenansprüchen.“ Beitrag von Anja Krüger vom 18. Februar 2019 bei taz online - Grundrente – Ein Trippelschritt in die richtige Richtung?
„Das Heil´sche Versprechen mit seiner Grundrente würde eine „Anerkennung der Lebensleistung und ein wirksamer Schutz vor Altersarmut erreicht“, findet große Zustimmung in der Bevölkerung. Bei genauerer Betrachtung stellen sich erhebliche Zweifel ein. Vorweg: Das große Plus des Grundrentenkonzepts von Hubertus Heil ist, dass die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung erfolgen soll. Die zweifelhaften Elemente liegen in der zu geringen Höhe, in den Voraussetzungen zur Grundrente und in der unübersichtlichen Komplexität. (…) Demnach haben 60% der Rentnerinnen in den alten Bundesländern keinen Anspruch auf Grundrente, weil sie weniger als 35 Jahre Rentenzeiten nachweisen können. Betrachtet man alle Rentnerinnen und Rentner in Deutschland sind es 33% ohne einen gesetzlichen Anspruch. (…) Vorprogrammiert ist vor allem eines: die Heil´sche Grundrente wird nicht kommen. Sie wird so wenig kommen wie die Lebensleistungsrente von Andrea Nahles in der letzten Legislaturperiode, die in der Substanz sogar deutlich schlechter war. Der Koalitionspartner wird weiter blockieren. Vor allem der Verzicht auf die Bedürftigkeitsprüfung werden CDU/CSU in keinem Fall mittragen. Im Koalitionsvertrag steht Bedürftigkeitsprüfung und damit basta! Aber das weiß Hubertus Heil doch auch. Warum dann doch dieser Vorstoß? Soll das der Lackmus-Test für die Große Koalition werden? Die Sollbruchstelle, von Heil und der SPD gesetzt? Das wäre zu begrüßen. Zu befürchten ist aber, dass es sich eher um ein Scheinprojekt handelt, mit dem Wählerstimmen eingefangen werden sollen…“ Beitrag von Reiner Heyse vom 10. Februar 2019 beim Seniorenaufstand - Staatliche Subvention des Niedriglohnsektors, genannt Grundrente – nach den Lohnaufstockern nun die Rentenaufstocker
„… Auf dem Rücken der Beschäftigten werden den Unternehmen die Personalkosten erspart und skandalös ist, dass diese Lohndrückerei vom Staat auch noch subventioniert wird. Ähnliches soll nun bei den Renten passieren. Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass die neue „Grundrente“ ein Alterseinkommen, zehn Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs, garantieren soll. (…) Das scheint eine große Mogelpackung zu werden, bei der der Niedriglohnsektor weiter festgeschrieben und mit staatlichen Subventionen gefüttert wird, anstelle den Mindestlohn und die Grundsicherung kräftig anzuheben. (…) Strittig ist noch, ob das alles ohne eine Bedürftigkeitsprüfung bei den alten Menschen gehen soll d.h. ob man nach weiteren Alterseinkünften forscht und auch Freibeträge einführt. Ebenso unklar ist auch, ob man nicht die niedrigen Löhne aus den 1990ern und 2000er-Jahren, durch eine Höherwertung der Mindestentgeltpunkte so stellt, als ob es diese Niedriglohnphase nicht gegeben hätte. Angemerkt wird auch, dass in der Realität von dem vorgeschlagenen Brutto-Renten-Betrag von 896 Euro nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge gerade mal 798 Euro übrigbleiben, das entspricht in etwa gerade dem jetzigen durchschnittlichen Betrag der Grundsicherung im Alter. Also eine Mogelpackung?…“ Beitrag vom 5. Februar 2019 beim Gewerkschaftsforum Dortmund mit richtigen Gegenvorschlägen. Sehr richtig auch: „… Wie die vorgebliche Notwendigkeit der Lohn- und Rentenaufstockung durch öffentliche Mittel zeigt, ist die Lohnpolitik der letzten Jahrzehnte für die Beschäftigten und Rentenbezieher vor die Wand gefahren worden, als Preis für die Exportweltmeisterschaft und Vermögenbildung bei den Reichen…“ - [IG Metall] Renten-Vorschläge von Arbeitsminister Heil: Warum die Grundrente wichtig und richtig ist
„Wer jahrzehntelange gearbeitet hat darf im Alter nicht aufs Sozialamt angewiesen sein – das ist der Kern der Grundrente von Arbeitsminister Hubertus Heil. Die IG Metall unterstützt den Vorschlag, weil er einen gesellschaftlichen Skandal bekämpfen würde. Ob Friseurinnen oder Krankenpfleger in Teilzeit: Vielen Menschen in Deutschland droht im Alter der Gang zum Sozialamt. Sie haben oft jahrzehntelang hart gearbeitet aber nur wenig verdient – entsprechend gering fielen ihre Rentenbeiträge aus. Ergebnis: eine Minirente, von der man nicht leben kann. Helfen muss dann die staatliche Grundsicherung. (…) der Erste Vorsitzende der IG Metall Jörg Hofmann: „Hiermit wird dem gesellschaftlichen Skandal entgegengetreten, dass jahrzehntelange Leistung nicht zu Renten über der Grundsicherung führt.“ Zugleich fordert Hofmann, die eigentliche Ursache niedriger Renten zu beseitigen: niedrige Löhne. „Es gibt weiterhin einen ausufernden Niedriglohnsektor mit prekären Beschäftigungsverhältnissen für Millionen von Menschen. Dies ist eine zentrale Ursache von Altersarmut und muss daher dringend bekämpft werden.“…“ Meldung vom 04.02.2019 - DGB unterstützt Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. Statement von Reiner Hoffmann in den ARD Tagesthemen vom 04.02.2019
- IG BAU begrüßt Pläne des Bundesarbeitsministers für Grundrente
„Die IG BAU begrüßt die Pläne von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, die Rente gerechter zu gestalten und Altersarmut zu bekämpfen. „Die Pläne für eine Grundrente sind richtig. Mit den vorgestellten Schritten wird die Rente für viele Menschen mit geringem Einkommen deutlich armutsfester gestaltet. Davon profitieren insbesondere Beschäftigte in von der IG BAU vertretenen Branchen wie der Gebäudereinigung oder der Floristik. Das sind keine Geschenke, sondern Leistungen aus einer Versicherung“, sagte der IG BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger…“ Stellungnahme der IG Bau vom 4. Februar 2019 - Zuschlag für »Tüchtige«, vielleicht – Grundrentenkonzept von Sozialminister Heil: Ablehnung von Kanzlerin und Unionsfraktion
„Ein PR-Coup, wie er im Buche steht: Im Interview mit »Bild am Sonntag« schilderte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sein Konzept für eine Grundrente. Die soll allen zugutekommen, die mindestens 35 Jahre versicherungspflichtig beschäftigt waren. Auch Zeiten der Kindererziehung und der Pflege Angehöriger sollen angerechnet werden. Es gehe ihm um die »Fleißigen und Tüchtigen«, betonte Heil. (…) Heil möchte, dass die Aufstockung ohne Bedürftigkeitsprüfung gewährt wird. Denn es gehe »nicht um Almosen, sondern um Lebensleistung«, betonte der Minister im Interview. Genau dieser Punkt wird von Vertretern der Unionsparteien angegriffen. Denn im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist zwar die »Anerkennung von Lebensleistungen« in Form eines Aufschlags von zehn Prozent auf die Grundsicherung im Alter (die dem Regelsatz von Hartz IV entspricht), für langjährig Erwerbstätige mit Armutsrente vereinbart. Doch den soll nur bekommen, wer das Geld nötig hat. Ersparnisse oder Einkünfte aus privater Zusatzversicherung sollen angerechnet werden. Der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg stellte gegenüber »Bild« (Montag) klar, Steuererhöhungen und neue Schulden zur Finanzierung der Grundrente kämen nicht infrage. Der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß hatte bereits am Sonntag betont, zusätzliche Leistungen würden aus der Rentenversicherung und nicht, wie von Heil beabsichtigt, aus Steuermitteln finanziert.(…) SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach kritisierte die ablehnende Haltung der Union. Er erinnerte daran, dass CDU und CSU »mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlages die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung mit zehn Milliarden Euro beschenken« wollen…“ Beitrag von Jana Frielinghaus bei neues Deutschland vom 4. Februar 2019 - Die Grundrente ist gerecht und gut
„Hubertus Heil verspricht den Rentnern nicht das Paradies. Er verwandelt kleine Renten auch nicht in stattliche Pensionen. Aber er verspricht den kleinen Rentnern eine Rente, von der sie einigermaßen leben können. Zu diesem Zweck will er sehr niedrige Renten aus Steuermitteln aufstocken. Das ist ein richtiges, ein wichtiges, ein sozialstaatliches, also ein wunderbares Vorhaben; es ist ein Vorhaben, das den Debatten über soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit einen neuen Schub gibt. Aber es ist, so sagen die Kritiker, ein systemwidriges Vorhaben. Sie haben recht. Das System, dem die Heil’sche Grundrente widerspricht, ist das System der gesetzlichen Rentenversicherung. Renten werden aus Beiträgen finanziert, nicht aus Steuern, wie Heil das für den Rentenzuschlag will. Weil die Renten bisher beitragsfinanziert sind, sind sie auch verfassungsrechtlich von der Eigentumsgarantie geschützt. Eine Steuerfinanzierung eines Teils der Rente würde diese Garantie beschädigen. (..)Es ist konsequent, wenn Heil für seine Grundrente auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichtet. Mit einer Bedürftigkeitsprüfung würden Millionen von Rentnern zu Fürsorgeempfängern. Die Schwierigkeiten, mit denen die Jobcenter im Rahmen der Leistungen von Hartz IV zu kämpfen haben, all die elende und zum Teil diskriminierende Prüferei, würde künftig nicht nur bei der Gewährung von Arbeitslosengeld, sondern auch bei der Gewährung von Rente stattfinden. Der bürokratische Aufwand wäre ungeheuer. Der Feststellungsaufwand wäre von der Rentenversicherung kaum zu leisten, sie hat ja schon mit der Feststellung der Rentenversicherungszeiten genügend zu tun. Eine Bedürftigkeitsprüfung würde den Grundansatz von Hubertus Heil diskreditieren: Es geht ihm zu Recht um Respekt vor der Lebensleistung der Rentner, nicht um Schnüffelei im Leben der Rentner…“ Kommentar von Heribert Prantl vom 4. Februar 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online - Wie gerecht ist Heils „Respekt-Rente“?
„… Wahr ist: Es gibt in der Sozialpolitik keine perfekten Lösungen – jedes Konzept hat Vor- und Nachteile. Wie diese gewichtet werden, hängt stark von der politischen Weltsicht ab. Klar ist allerdings, dass Heils Vorstoß auch für Experten eine Überraschung ist. Denn er unterscheidet sich stark von bisher diskutierten Modellen. (…) Viele Fachleute wie der langjährige Chef der Rentenversicherung, Franz Ruland, oder der frühere Caritas-Generalsekretär Georg Cremer plädieren für einen Freibetrag in der Sozialhilfe. Ein Freibetrag bedeutet, dass man zusätzlich zur Sozialhilfe noch einen Teil der Rente behalten darf. So etwas gibt es in der Grundsicherung im Alter bereits – allerdings nur für die, die privat vorsorgen konnten: Von einer Riester- oder Betriebsrente darf man die ersten 100 Euro voll behalten, von jedem Euro darüber immerhin 30 Cent bis zu einer Höchstgrenze von derzeit 212 Euro. Diese Regelung könnte auch auf gesetzliche Renten erweitert werden. (…) So elegant und gerecht die Lösung in der Theorie ist – in der Praxis hat sie einen großen Nachteil: Sie greift nur für Rentner, die auch tatsächlich Grundsicherung beantragen. Das tun aber bei weitem nicht alle, die Anspruch darauf hätten – entweder aus Unwissenheit oder aus Scham. Experten schätzen, dass gerade bei Älteren die sogenannte verdeckte Armut sehr hoch ist. Dennoch würden immerhin mehr als 400.000 Menschen davon profitieren, die derzeit eine Altersrente und gleichzeitig die Grundsicherung beziehen. (…) Wer Grundsicherung bezieht und 35 Jahre lang Beiträge in die Rentenversicherung angesammelt hat, soll einen Zuschlag von zehn Prozent des Grundsicherungsbedarfs bekommen. Der Bedarf besteht nicht nur aus dem Regelsatz von 424 Euro für Singles, sondern auch aus den Wohnkosten und eventuell Zuschläge etwa für spezielles Essen bei Krankheiten. (…) Der Nachteil: Viele langjährige bedürftige Beitragszahler gingen leer aus – nur etwa 130.000 der rund 500.000 Rentner in der Grundsicherung hätten einen Anspruch. Grund ist die starre Grenze von 35 Beitragsjahren. Wer 34 Beitragsjahre in Vollzeit angesammelt hat, bekommt nichts – wohl aber der mit 35 Beitragsjahren mit nur 15 Stunden in der Woche. Zudem beträgt der Zuschlag immer zehn Prozent – egal wie hoch die Rente jeweils ist. (…) Ein Freibetrag in der Grundsicherung soll greifen, wenn auch Grundrente plus Wohngeld nicht reichen. Konkret sollen 25 Prozent der Rente bis zu einer Höchstgrenze von derzeit 106 Euro behalten werden dürfen. Allerdings greift diese Rückfalllösung – anders als im eigentlichen Freibetrags-Modell – nur für Rentner mit mindestens 35 Beitragsjahren, das sind derzeit rund 130.000. Für rund 300.000 Rentner in der Grundsicherung bliebe es so, wie es jetzt schon ist: Sie bekämen keinen Cent mehr als jene, die gar keine Rentenbeiträge gezahlt haben.“ Artikel von Florian Diekmann vom 3. Februar 2019 beim Spiegel online
- Der Grundrenten-Rechner
- Die »Grundrente« im Koalitionsvertrag – Ein Interpretationsversuch
„… Der Vertragstext sieht eine »Grundrente« (nur) für »bestehende und zukünftige Grundsicherungsbezieher« vor. Der Anspruch auf »Grundrente« setzt also explizit Fürsorgeabhängigkeit voraus und führt damit formal nicht zu deren Überwindung. Dies legt die Überlegung nahe, dass die »Grundrente« in Gestalt einer Ergänzungsleistung umgesetzt werden könnte, die ihrerseits bei der Grundsicherung von der Einkommensanrechnung freizustellen wäre. Ein möglicher Verfahrensablauf: Der Träger der Grundsicherung stellt im Einzelfall den Bruttobedarf fest und teilt, sofern eine Altersrente als Einkommen anzurechnen ist, die festgelegte Bedarfshöhe dem Träger der Rentenversicherung mit; dieser prüft das Wartezeiterfordernis. Bei erfüllter Wartezeit überweist er zehn Prozent des Bruttobedarfs als »Grundrente« an den Berechtigten. Im Ergebnis erhöht eine solche Ergänzungsleistung das verfügbare Einkommen um zehn Prozent des Grundsicherungsbedarfs, sie erhöht aber nicht den Fürsogebedarf selbst und ist damit »statistikneutral«: Der Empfängerkreis von Grundsicherung im Alter wird alleine durch die neue Leistung nicht größer. Hier könnte die »Grundrente« der Gestaltungslogik des Bildungs- und Teilhabepakets (SGB II etc.) folgen, das auch leistungs-, nicht aber bedarfserhöhend angelegt ist und dessen Leistungen nicht als Einkommen oder Sachleistung bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Nur bei einer solchen Ausgestaltung erscheint es überhaupt praktikabel, die »Grundrente« über die Rentenversicherung abzuwickeln und den Begünstigten »den Gang zum Sozialamt zu ersparen«, wie im Vorfeld immer wieder betont wurde. Wer am Ende die Kosten trägt – Beitrags- und/oder Steuerzahler – ist dabei noch völlig offen. Denn bei der Ergänzungsleistung handelt es sich nicht um Grundsicherung aber auch nicht um Rente; wäre es anders, würden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fällig, was aber nicht gewollt sein dürfte. (…) Summa summarum verwundert es daher nicht, dass die »Grundrente« – anders als etwa die »Mütterrente II« – im Vertragstext ausdrücklich nicht als »wichtiger Baustein zur Bekämpfung von Altersarmut« qualifiziert wird. – Dies alles ist, wie erwähnt, nur ein erster Interpretationsversuch der Koalitionsvereinbarung.“ Beitrag von Johannes Steffen vom 8. Februar 2018 beim Portal Sozialpolitik
- Kein Mittel gegen Altersarmut: Die bei den Sondierungsgesprächen vereinbarte „Grundrente“ ist der falsche Weg. Das Modell wird scheitern
„Bei den Sondierungsgesprächen hat man sich auf den Vorschlag der SPD geeinigt, eine „Solidarrente“ einzuführen. Sie soll nun „Grundrente“ heißen. Urheber der Idee ist die frühere Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die als Erste eine „Lebensleistungsrente“ gefordert hat. Allerdings haben sich ihre Vorschläge nicht umsetzen lassen. Auch das jetzt vereinbarte Modell wird scheitern. Es benachteiligt diejenigen, die eine gesetzliche Rente beziehen, gegenüber denjenigen, die eine betriebliche oder private Rente erhalten. Das darf nicht sein…“ Kommentar von Franz Ruland vom 21. Januar 2018 bei der Süddeutschen Zeitung online
Grundinfos
- Grundrente-Referentenentwurf vom 16.01.2020
- die Kurzexpertise Nr. 1/2018 des Paritätischen vom 19. Januar 2018 „„Grundrente“ und Rentenniveau in den Sondierungsergebnissen von CDU, CSU und SPD“