Das Bild des Alterns als Horrorgemälde
„… Der Umstand, dass die Bevölkerung massiv gealtert ist und weniger Kinder geboren wurden, erzwang im letzten Jahrhundert (…) mitnichten einen Abbau sozialer Leistungen oder die heute oft geforderten längeren Arbeitszeiten. (…) Erstens ist die Bevölkerungszahl in Deutschland seit 1970 von 78,1 Millionen auf 82,9 Millionen Ende 2018 gestiegen – das Land trotz geringerer Kinderzahl also nicht ausgestorben. Zweitens hat sich in dieser Zeit das Bruttoinlandsprodukt um 156 Prozent real gesteigert. Das reale Wirtschaftsprodukt ist also heute mehr als zweieinhalb Mal so groß wie 1970. Das Geld für soziale Maßnahmen war und ist somit da, trotz der beklagten geringen Geburtenzahl. (…) Schauen wir auf einfache volkswirtschaftliche Fakten, so zeigt sich, dass Alterung und wachsender Wohlstand auch gemeinsam gehen und Demografie nicht zu Sozialabbau führen muss. (…) Die Wirtschaft ist bis 2018 gegenüber 1991 um gut 45% real gewachsen, der zu verteilende volkswirtschaftliche Kuchen ist heute also deutlich größer. Und das wurde mit nur minimal [gut 3,5%] steigendem Arbeitsvolumen, gemessen in Arbeitsstunden, realisiert. Dabei waren die Jahre ökonomisch nicht durchgehend erfolgreich, wie der Blick auf den Beginn nach 1990 und auf die frühen 2000er Jahre zeigt. Dazu dann noch die Wirkungen der Finanz- und Bankenkrise 2008/2009. Offensichtlich bewirkt die Produktivität immer noch „Wunder“ und schlägt weiterhin die Alterung um Meilen. Immerhin ist in den Jahren 1991 bis 2018 parallel die Lebenserwartung um mehr als 5 Jahre gestiegen; der Anteil von 65+ stieg massiv von 15 % auf über 21,5%, der Anteil der unter 20-Jährigen fiel um fast 15%. Der Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt, dass wirtschaftliche Probleme auch bei größerer Alterung zu bewältigen sind. Das Hauptproblem war nicht die Demografie, sondern die Verteilung des deutlich gewachsenen Reichtums. (…) Es fehlt nur der Wille zu einer gerechten Verteilung. Bei der Finanzierung der gesetzlichen Rente stehen trotz schöner Worte die Interessen von Arbeitgebern und Versicherern im Vordergrund und nicht die Interessen der Arbeitnehmer…“ Beitrag von Gerd Bosbach und Klaus Bingler vom 23. März 2020 bei Makroskop