Missglückte Partnerschaften: Trotz durchgehend schlechter Erfahrungen hält die Politik an öffentlich-privaten Partnerschaften fest

StopPP„… Man nennt sie entweder deutsch »öffentlich-private Partnerschaften« (ÖPP) oder englisch »public-private partnerships« (PPP). Gemeint ist dasselbe, nämlich Zweckgesellschaften, an denen Staat und private Unternehmen gemeinsam beteiligt sind. Im Rahmen einer ÖPP lässt der Staat einen Autobahnabschnitt, eine Schule oder ein anderes öffentliches Objekt von einem Privatunternehmen bauen, sanieren oder modernisieren. Danach darf das Unternehmen es lange Zeit betreiben oder an den Staat vermieten, üblicherweise 25 bis 30 Jahre. In dieser Zeit kassiert der private Betreiber alle Einnahmen. Neben dem Bundesverkehrsministerium sind es vor allem klamme Kommunen, die ÖPP eingehen…“ Artikel von Peter Samol in der Jungle World vom 22. Dezember 2022 externer Link und mehr daraus:

  • Weiter im Artikel von Peter Samol in der Jungle World vom 22. Dezember 2022 externer Link: „… Früher galt einmal das Prinzip, dass der Staat seine Infrastruktur komplett aus eigener Tasche finanziert und größtenteils kostenlos zur Verfügung stellt. Mit den entsprechenden Straßen, Schulen und Krankenhäusern ermöglicht er unter anderem die Wertschöpfung privaten Kapitals und holt sich das zuvor ausgegebene Geld durch Steuern und Gebühren wieder zurück. Seit den achtziger Jahren läuft dieses Arrangement jedoch nicht mehr reibungslos. Der Staat senkte im Laufe der letzten vier Jahrzehnte erheblich die Steuern und Abgaben, um die Unternehmen zu entlasten. Das führte aber zu einer wachsenden Staatsverschuldung und zu mangelnden Investitionen in die Infrastruktur. (…) 2016 strebte der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sogar eine weitgehende Privatisierung der Autobahnen an. (…) Dabei waren die vorangegangenen Erfahrungen mit ÖPP-Autobahnprojekten fast durchgehend schlecht. Immer wieder kam es zu Kostensteigerungen, Verzögerungen und eklatanten Qualitätsmängeln. 2019 musste das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage der Fraktion der Linkspartei einräumen, dass zwölf von 15 ÖPP-Autobahnprojekten den veranschlagten Ausgabenrahmen überschritten hatten. Schlechte Erfahrungen gab es auch in anderen Bereichen. In Berlin wurde die Wasserversorgung 1999 im Rahmen einer ÖPP privatisiert. Daraufhin verteuerte sich das Wasser der Hauptstadt um ein Drittel, gleichzeitig wurden 2 000 Arbeitsplätze abgebaut. Viele Städte ließen Schulgebäude im Rahmen von ÖPP renovieren; anschließend müssen sie die Schulen so lange vom privaten Partner mieten, bis die Kosten samt Zinsen erstattet sind. Berlin ließ gleichzeitig mit ÖPP-finanzierten auch rein öffentlich finanzierte Schulen renovieren. Im direkten Vergleich stellte sich heraus, dass die Einbindung privater Firmen die Kosten mehr als verdoppelte. Ähnliche Erfahrungen gibt es mit Schwimmbädern, Stadtbibliotheken oder städtebaulichen Großprojekten. Dass die Kosten aus dem Ruder laufen, ist dabei die Regel. (…) ÖPP sind also Goldgruben für private Investoren, für den Staat dagegen oft belastende Zuschussgeschäfte. (…) Es wäre wirtschaftlich rationaler, die Investitionen über staatliche Kredite zu finanzieren, aber lange Zeit galt das neoliberale Dogma, wonach private Unternehmen effektiver wirtschaften. Mittlerweile ist der Unsinn dieser Behauptung offenkundig geworden, aber jetzt verbaut die »Schuldenbremse« den Weg zur eigenen Schuldenaufnahme. Auf der anderen Seite sucht das private Kapital angesichts mauer Finanzmarktrenditen nach Anlagemöglichkeiten. Die findet es bei den ÖPP, die sichere und langfristige Renditen bieten, allerdings auf Kosten des Staates und damit der Allgemeinheit. Langfristig drohen die staatlichen Institutionen außerdem ihre Kenntnisse über den Betrieb der betreffenden Infrastruktur zu verlieren. Dann wären sie erst recht auf private Betreiber angewiesen.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=207537
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