Wenn man ein Kind groß ziehen kann, bis die Kontrolleure wieder vorbeikommen. Das Staatsversagen beim Arbeitsschutz geht weiter
Dossier
„… „2014 hat der Sachverständigen-Ausschuss zum ersten Mal festgestellt, dass Deutschland im Arbeitsschutz nicht mehr den vorgeschriebenen Standard erreicht. (…) Und damals wurde berichtet: »In allen Bundesländern – die für den Arbeitsschutz zuständig sind – wurden bei den Arbeitsschutzbehörden massiv Stellen abgebaut. Folge: Von Jahr zu Jahr finden weniger Betriebskontrollen statt. Seit Mitte der 1990er Jahre ging die Zahl um zwei Drittel zurück, obwohl es immer mehr Betriebe und Vorschriften gibt.« (…) Zahl der Arbeitsschutzkontrollen in Betrieben sinkt weiter. »Der Abstand bis zu einer erneuten Kontrolle eines Betriebs verlängerte sich im Schnitt von zuvor 22,5 Jahren auf 25 Jahre.« Bis dahin könnte man ein Kind aufziehen und aus dem Hotel Mama entlassen. (…) Am längsten ist der Abstand bis zum nächsten Kontrollbesuch im Saarland mit zuletzt durchschnittlich 47 Jahren.«…“ Beitrag von Stefan Sell vom 5. Mai 2020 auf seiner Homepage
, siehe auch:
- Gesetze ohne Biss: Warum der Arbeitsschutz in Deutschland versagt
„Deutschlands Arbeitsschutz krankt an staatlicher Durchsetzung. Trotz neuer Gesetze bleibt der Wandel aus – mit schlimmen Folgen. Das ist die Situation in Betrieben.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – das scheint hierzulande nicht das Motto der Arbeitsschutzbehörden zu sein. Denn Betriebsbesuche, um die Einhaltung der Gesetze zu prüfen, erfolgen selten. In der Öffentlichkeit spielt die Arbeit der Arbeitsschutzbehörden meist keine große Rolle. Eine Ausnahme war während der Pandemie der Fall Tönnies. In dem Großschlachthof herrschten für die Beschäftigten unhaltbare Zustände, gegen die die Behörden offenbar nie konsequent vorgegangen waren. (…)
Wie Behörden beim Arbeitsschutz versagen
Die gegenwärtige Situation kann als Behördenversagen bezeichnet werden. Erschreckende aktuelle Zahlenliefert der Gesundheitswissenschaftler Uwe Lenhardt. Die Zahl der jährlich von den Überwachungsbehörden aufgesuchten Betriebe sinkt von 2012 bis 2022 von rund 110.000 auf etwa 52.000 (-53 Prozent), die Zahl der dort durchgeführten Besichtigungen von über 160.000 auf 68.000 (-58 Prozent). Im ersten Pandemiejahr 2020 kam es zu einem besonders starken Einbruch der Kontrollen, da die Situation geradezu absurd erschien: Die Landesarbeitsminister und Arbeitsschutzbehörden lobten die Pandemiekonzepte der Betriebe, in denen weiter produziert wurde. Sie überprüften diese aber aus Sicherheitsgründen kaum vor Ort.
Die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutz
Dabei wäre gerade bei einem wichtigen Bestandteil des Arbeitsschutzgesetzes eine regelmäßige Kontrolle wichtig: bei der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung im Betrieb. Diese soll Gefahren aus Sicht der Beschäftigten ermitteln. Das kann die Unfallverhütung sein, aber auch Stress am Arbeitsplatz. (…)
Die Rolle der Betriebsräte im Gesundheitsschutz
Gefordert sind dabei die Interessenvertretungen der Beschäftigten. Denn oft finden Gefährdungsbeurteilungen, die etwas verändern, nur auf Druck der Betriebsräte statt, wie eine aktuelle Umfrage der gewerkschaftlichen Stiftungergab. Die Aufsichtsbehörden halten sich zurück.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) fordert seit Jahren ein vorausschauendes Handeln…“ Beitrag von Marcus Schwarzbach vom 11. März 2024 in Telepolis - Unfallursache Kapitalismus. Im Schnitt zehn Tote wöchentlich während der Arbeit. Alle Jubeljahre eine Kontrolle. Zum Verhältnis von Profit, Konkurrenz und Arbeitsschutz
„… In den allermeisten Fällen ist die Todesursache auf die gesetzlich anerkannte Profitmacherei zurückzuführen, die allerdings nicht auf die Anklagebank kommt – im Unterschied zu einzelnen Vorgesetzten oder Unternehmen. Unternehmen gehen mit der Gesundheit ihrer Arbeitskräfte bekanntermaßen prinzipiell einsatzfreudig um. Das, was die Betriebe mit der gezahlten Lohnsumme an Leistung – extensiv wie intensiv – aus ihren Beschäftigten herausholen können, ist das entscheidende Mittel, die Spanne zwischen investiertem und hergestelltem Eigentum zu vergrößern; schon das liefert jedem Unternehmen die wesentlichen Gründe für den robusten Umgang mit der eigenen Belegschaft. Die harte Konkurrenz, über die einerseits alle lamentieren und die sie andererseits mit Vehemenz bestreiten, tut ein Übriges, dieses Verhalten noch anzustacheln. Arbeitsunfälle, unmittelbare Gefahren und systematische Gesundheitsgefährdungen für die Arbeitskräfte gehören insofern in der Marktwirtschaft ebenso zum Arbeitsalltag wie der systematische körperliche und mentale Verschleiß, der seine Spuren in Form chronischer Krankheiten hinterlässt.
Kurz: Unternehmen verschwenden Physis und Psyche ihrer Beschäftigten und sparen an Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Deshalb ist es kein Wunder, dass in jeder Woche durchschnittlich zehn Arbeiter auf Baustellen, in Stahlwerken, Chemiefabriken, Schlachthöfen sterben. In der Regel sind es Männer. Und oft Migranten, die unter besonders hohem Arbeitsdruck in besonders wenig gesicherten Bereichen arbeiten. Die Männer der eingangs erwähnten Hamburger Großbaustelle waren übrigens Albaner.
Arbeitsschutz ist in der kapitalistischen Produktion nichts, worauf ein Unternehmen von sich aus Wert legt. Schutzvorrichtungen bei der Bedienung von Maschinen, Lärmschutz, die Verwendung nicht schädlicher Stoffe, stabil gebaute Arbeitshallen, die nicht einsturzgefährdet sind und in denen der Brandschutz gewährleistet ist – all das verursacht Kosten und wird deshalb, wenn es allein nach dem Willen der Unternehmen geht, nur gemacht, wenn die entsprechenden Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu den anfallenden Kosten und den zu erwartenden »Betriebsausfällen durch Unfall« sich lohnen.
Die rücksichtslose Praxis seiner Unternehmer hat der deutsche Sozialstaat im Interesse an einer nachhaltigen Benutzbarkeit seiner Arbeitsbevölkerung durch eine ganze Reihe von Arbeitsschutzgesetzen eingeschränkt. Insofern gilt auch heute noch, was Karl Marx seinerzeit feststellte: »Was könnte die kapitalistische Produktionsweise besser charakterisieren als die Notwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staats wegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesundheitsvorrichtungen aufzuherrschen?« (…)
Die Beitragskosten sollen die Unternehmen im Idealfall motivieren, die Kosten der Unfallversicherung im Eigeninteresse durch freiwilligen Arbeitsschutz zu senken. Die Realität dieses Ideals besteht allerdings in einer betriebswirtschaftlichen Abwägung: Sind die entsprechenden Arbeitsschutzmaßnahmen teurer als der einzelbetriebliche Anteil an den Versicherungsbeiträgen, dann spricht aus Sicht des Betriebs »leider« nichts für die Schutzmaßnahmen. Das gilt um so mehr, als staatliche Kontrollen bei den Arbeitsschutzmaßnahmen sich auf Stichproben beschränken und nur alle Jubeljahre stattfinden, bei Betrieben unter 500 Beschäftigten heißt das im Klartext: alle 20 Jahre – Resultat dessen, dass das Personal bei der Gewerbeaufsicht zwischen 2005 und 2010 drastisch zusammengekürzt wurde. Und selbst, wenn Kontrollen stattfinden, bei denen Mängel festgestellt werden (wie in Hamburg zehn Tage vor dem tödlichen Unfall), ändert das am Prinzip erkenntlich nichts.
Die Beschäftigten sehen sich – gerade angesichts ständig steigender Leistungsanforderungen im Arbeitsprozess – dem Widerspruch ausgesetzt, dass Vorschriften bzw. Vorrichtungen vielfach zu einer Behinderung ihrer Arbeitsleistung führen, also Lohn oder Zeit kosten. So kommt es zu dem bekannten Phänomen, dass Arbeitnehmer die Schutzvorschriften – gegen ihr eigenes Schutzinteresse! – missachten, Maschinen bei laufendem Betrieb reparieren, Schutzvorrichtungen, weil störend, abmontieren usw. usf. (…) So wird versucht, die Verantwortung abzuwälzen: Nicht der auf Profit orientierte Betrieb mit seiner Organisation der Arbeit ist schuld, sondern derjenige, der für sich am Arbeitsplatz »zu viel« rausholen wollte. Es ist also ein ziemlich hartes Verhältnis zur fremden wie eigenen Gesundheit, wozu die marktwirtschaftliche Konkurrenz ihre Subjekte nötigt.“ Artikel von Renate Dillmann in der jungen Welt vom 16.11.2023- Siehe aus aktuellen Anlaß unser Dossier: „Kontrolle light“ beim Arbeitsschutz und die unverändert dramatische Bilanz der (tödlichen) Arbeitsunfälle auf dem Bau
- und das Dossier: Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle in Deutschland auf hohem Stand: 2021 starben dabei 585 Menschen
- Ein Kontrolleur für 23 085 Beschäftigte: Überwachungdefizit und Personalknappheit gefährden Gesundheit der Beschäftigten
„Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sieht beim staatlichen Arbeitsschutz in Deutschland eklatante Überwachungslücken: In den Bundesländern gebe es deutlich zu wenig Personal, um den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Beschäftigten wirksam zu überwachen, kritisiert die Gewerkschaft. Die IG BAU verweist dabei auf die Zahlen des neusten Arbeitsschutzberichts der Bundesregierung, der jetzt dem Bundestag vorgelegt wurde. In ihm wird die Personalsituation der Arbeitsschutzbehörden in den Bundesländern aufgelistet: Danach sind für die Einhaltung der betrieblichen Sicherheitsvorschriften bundesweit 1 468 Aufsichtsbeamte verantwortlich. Rein rechnerisch sei damit, so die IG BAU, ein Kontrolleur für 23 085 Beschäftigte zuständig. Und das, obwohl die Internationale Arbeitsorganisation der Europäischen Union (Ilo) eigentlich eine Quote von einem Kontrolleur für maximal 10 000 Beschäftige fordere. Laut dem aktuellen Bericht „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ stehen bei den Arbeitsschutzbehörden in Nordrhein-Westfalen 345, in Niedersachsen 225, in Berlin 64 und in Hamburg 48 Aufsichtsbeamte für die Kontrolle der betrieblichen Arbeitsschutzvorschriften zur Verfügung. In Thüringen sind es lediglich 43. Für Carsten Burckhardt, IG BAU-Bundesvorstandsmitglied und zuständig für den Arbeitsschutz, sind die Zahlen eine Ernüchterung: „Wir haben beim staatlichen Arbeitsschutz in den Bundesländern seit Jahren ein eklatantes Überwachungsdefizit, das sich jetzt noch einmal verschärft hat. So weist der aktuelle Bericht gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 1,5 Prozent beim Kontrollpersonal in den Bundesländern auf.“ Das Personal reiche vorne und hinten nicht aus. Es gebe hier einen enormen Nachholbedarf. Niemand könne ernsthaft glauben, dass bei der derzeitigen Quote eine wirkungsvolle und effektive Überwachung des Arbeitsschutzes in Deutschland möglich sei. (…) In diesem Zusammenhang fordert Burckhardt perspektivisch die Einrichtung einer Arbeitsinspektion: „Wir brauchen eine übergeordnete Behörde, die Kontrollen bündelt. Sie muss die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten und Sozialvorschriften sicherstellen. Dazu gehört dann auch die Kontrolle des Arbeitsschutzes. Auch Verstöße gegen die Mindestlöhne oder das Arbeitszeitgesetz muss sie verfolgen.“ Eine solche „Arbeitskontrolle aus einer Hand“ habe sich etwa in Frankreich und Spanien bewährt. Entscheidend sei hierbei, die Tarifpartner zu beteiligen: „Wenn Hinweise an die Arbeitsinspektion geben werden, muss dies zu Ermittlungen gegen die Firmen führen“, so Burckhardt. Wenn der Staat dies nicht leisten könne, müsste diese Aufgabe eben an die Gewerkschaft übertragen werden.“ Pressemitteilung der IG BAU vom 9. März 2023(„Eklatante Lücken beim staatlichen Arbeitsschutz“) – auch wenn der Schluss in die richtige Richtung geht, müsste gewerkschaftliches Ziel auch die Einbeziehung der letztlich vom mangelnden Arbeitschutz Betroffenen sein. Dieser unbürokratische Selbstschutz könnte z.B. ein Recht auf Arbeitsverweigerung ohne Gefahr einer Kündigung beinhalten, falls der AG seinen Schutzpflichten nicht nachkommt (inkl. Beweislastumkehr natürlich).
- Arbeitsschutz: Noch immer zu wenig Kontrollen
„… Vor allem eine Maßnahme sollte für bessere Arbeitsbedingungen in ganz Deutschland sorgen: Die sogenannte „Mindestbesichtigungsquote“, eine Gesetzesänderung, mit der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Länder dazu verpflichtet hat, alle Betriebe in Deutschland häufiger zu überprüfen. Bis 2026 sollen jedes Jahr fünf Prozent aller Betriebe in Deutschland kontrolliert werden. Bisher liegt die Quote nur knapp über zwei Prozent, Betriebe bekommen im Schnitt also nur alle 40 bis 50 Jahre Besuch von den Behörden. Das 2021 erlassene Gesetz des Bundesarbeitsministers sollte eine Art Befreiungsschlag werden. (…) Eine Umfrage von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung zeigt jedoch: Während in einigen Bundesländern bereits deutliche Maßnahmen ergriffen wurden, bleibt die Zahl der Kontrollen in anderen weiterhin sehr niedrig. Bislang stellten eine Reihe von Bundesländern zwar zusätzliche Kontrolleure ein, allerdings nur sehr wenige. Das Bundesarbeitsministerium will den Fortschritt der Maßnahmen überhaupt erst in vier Jahren zum ersten Mal überprüfen. (…) Zuletzt hatte 2017 eine wichtige europäische Prüfung, der sogenannte SLIC-Report, Deutschland ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. In allen Bundesländern gebe es zu wenig Personal, um die internationalen Vorgaben zu erfüllen. In neun Bundesländern werde vor allem reagiert und kaum proaktiv überwacht, insgesamt würden viel zu wenige Unternehmen für ihre Fehler auch bestraft – stattdessen bleibe es meistens bei Verwarnungen: Die Arbeitsschützer sähen sich als Berater, nicht als Polizei. (…) Die Zurückhaltung des Bundesarbeitsministeriums erstaunt – auch weil es durchaus rechtliche Möglichkeiten gäbe, den Ländern schon früher auf die Finger zu schauen. Das schreibt zumindest der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem aktuellen Gutachten, das die Linken-Bundestagsabgeordnete Susanne Ferschl beauftragt hat. In dem Gutachten heißt es, wenn sich schon jetzt der Verdacht ergebe, dass ein Land seiner „Verpflichtung zur Steigerung der derzeitigen Besichtigungsquote nicht nachkommt, kann die Bundesregierung Auskunft, Berichte oder auch die Vorlage von Akten verlangen.“…“ Beitrag von Daniel Drepper vom 13. Juno 2022 bei tagesschau.de - Diesseits der Versprechungen und verloren im abgemagerten föderalen Durcheinander: Ein Update zum Staatsversagen beim Arbeitsschutz
„… »In manchen Bundesländern werden die Arbeitsbedingungen im Schnitt nur alle 100 Jahre geprüft«, behauptet Daniel Drepper in diesem Beitrag: Viel zu wenig Kontrollen: »Arbeitsschutzkontrollen werden in Deutschland schon seit vielen Jahren immer seltener. Etliche Firmen bekommen zwei, drei, teilweise vier Generationen lang keinen einzigen Besuch von ihrer Arbeitsschutzbehörde – in manchen Bundesländern werden die Arbeitsbedingungen im Schnitt nur alle 100 Jahre geprüft.« (…) Und wieder einmal werden wir Zeugen, wie eine sicher gut gemeinte Absicht unter die Räder des Föderalismus gepaart mit Unterausstattung gerät: »Zwar hat die Bundesregierung eine neue Bundesfachstelle „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ geschaffen, mit fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 1,6 Millionen Euro. Doch diese wird sich in den ersten vier Jahren vor allem damit beschäftigen, die Daten der Länder zu vereinheitlichen, ehe sie 2026 erstmals offiziell berechnen wird, wer die vorgeschriebene Mindestquote erfüllt – und wer nicht. Bisher steht noch nicht einmal fest, wie genau eine Kontrolle aussehen muss, um am Ende für die Quote gezählt zu werden. Die Länder und der Bund beraten noch über eine entsprechende Verwaltungsvorschrift.« Das lässt nicht viel bis gar nichts erwarten – außer ein oft erlebtes am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Deutliche Kritik kommt von Arbeitsschutz-Experten: »Schon jetzt sei „eine sofortige Korrektur der Personalplanung“ nötig, meint Wolfhard Kohte, Forschungsdirektor am Zentrum für Sozialforschung Halle. Doch diese sei „in der Mehrzahl der Bundesländer noch nicht eingeleitet worden; sie bedarf auch der Korrektur der Haushaltspläne und der finanziellen und digitalen Ausstattung der Behörden“. Zudem müsse der Bund handeln und dürfe „diesen Defiziten nicht tatenlos zusehen“.«…“ Beitrag von Stefan Sell vom 14. Juni 2022 auf seiner Homepage - Gefährliche Arbeitsplätze werden in der Corona-Krise extrem selten kontrolliert: „Alle haben die Hosen gestrichen voll. Die haben Angst, dass die Unternehmen auf die Barrikaden gehen.“
„Für Pflegekräfte, Kassierer*innen und Schlachthof-Mitarbeiter*innen ist der Arbeitsplatz gerade so gefährlich wie vielleicht niemals zuvor. Trotzdem werden ihre Arbeitsplätze so selten kontrolliert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das zeigen Recherchen von BuzzFeed News Deutschland. Die für den Arbeitsschutz zuständigen Bundesländer haben über Jahre Fachpersonal abgebaut oder notwendige Neueinstellungen verpasst. Mittlerweile werden Betriebe im Schnitt nur noch alle 25 Jahre kontrolliert. In der Corona-Krise machen die Arbeitsschützer nun sogar noch weniger überraschende Kontrollen und werden zudem häufig für andere Aufgaben abgezogen. Wenn Supermärkte keinen Spuckschutz an der Kasse anbringen, wenn Abstände nicht eingehalten werden oder Mitarbeiter*innen keinen Mundschutz bekommen, dann wäre es eigentlich Aufgabe der Arbeitsschützer, diese Missstände zu erkennen und Sanktionen anzuordnen. Arbeitsschützer können Bußgelder verhängen und im Extremfall Betriebe sogar schließen. Doch das findet derzeit nur selten statt. „Um den Erfordernissen des Shutdown zu entsprechen, wurden die Betriebsbesichtigungen zunächst auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt“, schreiben die Bundesländer in einer gemeinsamen Antwort auf Anfrage von BuzzFeed News. (…) „Einer großen Zahl von Kolleginnen und Kollegen sind während der Corona-Krise andere Aufgaben übertragen worden“, schreiben die Länder (hier gibt es alle Fragen und Antworten im Original). So würden die Kolleg*innen nun Schutzausrüstungen besorgen oder Anfragen aus der Öffentlichkeit, von den Betrieben und Beschäftigten beantworten. Insbesondere seit weitere Lockerungen angekündigt wurden, seien die Arbeitsschützer mit einer Vielzahl von Anfragen und Koordinierungsaufgaben konfrontiert. Mehrere leitende Mitarbeiter aus Behörden in drei Bundesländern sagten BuzzFeed News in den vergangenen Wochen, dass die Anzahl der Kontrollen in den vergangenen Wochen massiv zurückgegangen sei. (…) Sein Ministerium habe sich keine Proteste von den ohnehin unter Druck stehenden Betrieben einhandeln wollen, sagt der Beamte „Alle haben die Hosen gestrichen voll. Die haben Angst, dass die Unternehmen auf die Barrikaden gehen.“ Die vergangenen Wochen „waren der härteste politische Kampf, den ich hier jemals hatte“, sagt der Beamte über Schutzmaßnahmen, die er wegen des Coronavirus durchsetzen wollte…“ Artikel von Daniel Drepper vom 12. Mai 2020 in BuzzFeed Deutschland