Verein Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) und PCR-Tests: Ein Lehrstück über Lobbyismus
„Die Labormediziner haben die Gesetze über PCR-Tests beeinflusst – und während der Pandemie Milliarden verdient. WDR, NDR und SZ haben mehr als tausend Seiten interner Ministeriumsunterlagen ausgewertet. Ein Lehrstück über Lobbyismus in der Pandemie. Der Verein Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) ist der Club der Labore in Deutschland. Im Vorstand sitzen die Chefs der Labor-Riesen Sonic, Limbach, Amedes und Synlab. Die Namen kennt zwar fast niemand, doch jedes Jahr werten diese Firmen viele Millionen medizinischer Proben aus, von Hepatitis, Influenza oder Norovirus bis hin zum Coronavirus. In den vergangenen Jahren herrschte Dank der Pandemie Goldgräberstimmung in der Branche. Die Gewinne explodierten im vergangenen Geschäftsjahr förmlich, wie etwa bei der Firma Sonic Healthcare, die ihren Gewinn vom Juli 2020 bis Juni 2021 von 82 Millionen auf 274 Millionen Euro mehr als verdreifachen konnte. Verantwortlich seien unter anderem die PCR-Corona-Tests, schreibt Sonic in seinem Jahresbericht…“ Recherche von Daniel Drepper, Markus Grill und Sarah Wippermann vom 8. Januar 2023 bei tagesschau.de
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- Weiter aus der Recherche von Daniel Drepper, Markus Grill und Sarah Wippermann vom 8. Januar 2023 bei tagesschau.de
: „(…) Hinter mehreren dieser Branchenriesen stehen Finanzinvestoren. So hat mitten in der Pandemie der US-Finanzkonzern Goldman Sachs zusammen mit zwei weiteren Investoren für 1,5 Milliarden Euro die Laborfirma Amedes mit Sitz in Göttingen übernommen. (…) Während der Test auf Influenza und ähnliche Erreger mit knapp 20 Euro vergütet wird, erhielten die Labore für den Corona-PCR-Test anfangs 59 Euro von den Krankenkassen. (…) Die Unterlagen zeigen, wie der Lobbyverband ALM etwa erfolgreich daran gearbeitet hat, die Preise möglichst lange hoch zu halten. Auch versuchten sie Tiermediziner, Zahnärzte und Apotheker vom Testen auszuschließen. Und die Dokumente zeigen, wie der ALM mit seiner Lobbyarbeit offenbar dazu beigetragen hat, dass Bundesregierung und Krankenkassen bei der Vergütung von PCR-Tests in den vergangenen drei Jahren möglicherweise Milliarden verschwendet haben. Bevor das Gesundheitsministerium in der Pandemie neue Gesetze oder Verordnungen erlässt, ist es üblich, dass die Verbände gehört werden, deren Geschäft von den Regelungen betroffen ist – so auch bei den Corona-Tests, für die eigens Testverordnungen erlassen wurden. Auch der ALM als Verband der Laborärzte erhielt alle Referentenentwürfe neuer Testverordnungen vorab. Häufig schickte der ALM-Vorsitzende Michael Müller innerhalb weniger Stunden Änderungswünsche ans Ministerium zurück. (…) Dass seine Schreiben häufig den Minister persönlich erreichten, sieht man etwa an handschriftlichen Notizen von Jens Spahn auf Müllers Schreiben, die WDR, NDR und SZ vorliegen. „Bitte im August Videokonferenz organisieren mit ALM“, heißt es da etwa. Auf Fragen zum Einfluss der Labor-Lobby auf seine Politik lässt Spahn ausrichten, er habe „keinen Zugang mehr zu Akten, Vorlagen oder Rücksprachen, um die von Ihnen aufgeführten Punkte in der nötigen Detailtiefe nachzuvollziehen oder zu bewerten.“ (…) ALM-Chef Müller hatte in seinen Schreiben mehrfach gedroht, dass eine Absenkung der Testpreise das „Risiko“ erhöhe, „dass medizinische Labore die Sars-CoV2-PCR-Testung einstellen.“ Eine Drohkulisse mitten in einer Pandemie. Doch als die Vergütung tatsächlich reduziert wurde, stiegen anschließend beides mal die Kapazitäten – offenbar war das Testen auch nach der Absenkung weiterhin lukrativ.“
Siehe zum Thema auch:
- [LabourNet-Herbst-Interview] Arbeit in Impf- und Testzentren: Rückblick und Ausblick auf die „Apokalypse-Industrie“
- Mies bezahlter Test-Stress: Im größten Laborbetrieb Berlins arbeiten Hunderte Beschäftigte ohne Tarifvertrag an den Coronavirus-Tests
- Union Busting in Frankfurter Corona Testzentrum der Medicorum TAM GmbH