Defizite in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Deckung statt solidarischer Gesundheitsversicherung

Dossier

Linksfraktion: Solidarische Bürgerversicherung Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur Deckung der erwarteten Defizite in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), darunter die Erhöhung der kassenindividuellen Zusatzbeiträge der Versicherten um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte, scharf. (…) Das reiche nicht einmal für den Ausgleich der absehbaren pandemiebedingten Mehrausgaben. „Der Bundeszuschuss muss signifikant höher sein als geplant, damit nicht die Versicherten die Zeche zahlen und allerletzte Reserven aufgezehrt werden.“ ver.di fordert, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird und die versicherungsfremden Leistungen vollständig refinanziert. Dazu gehöre die Sicherstellung kostendeckender Beiträge für ALG-II-Beziehende…“ Pressemitteilung vom 29.06.2022 externer Link (ver.di kritisiert Pläne zur Deckung der GKV-Defizite – Werneke: „Vorschläge nicht geeignet“), siehe dazu:

  • Strukturmängel des Gesundheitssystems: Warum die Beiträge der Krankenkassen steigen und untere/mittlere Einkommensgruppen deutlich stärker belasten New
    „Die Krankenkassenbeiträge werden im nächsten Jahr deutlich steigen. Dieser Kostensprung hat seine Wurzeln in Strukturmängeln des Gesundheitswesens, die Karl Lauterbach mit seinen Reformplänen vorerst kaum beseitigen kann. (…) Das Ankündigung Lauterbachs, er werde die GKV-Ausgaben eindämmen, ist zudem vor dem Hintergrund verlogen, dass er die Krankenkassen mit 25 Milliarden Euro für einen Transformationsfonds belastet, mit dem Krankenhausinvestitionen, verteilt auf zehn Jahre, finanziert werden sollen. Dafür gibt es keine rechtlich belastbare Grundlage, weil laut Krankenhausfinanzierungsgesetz die GKV nur für die Finanzierung der laufenden Betriebsausgaben der Krankenhäuser verantwortlich ist. Der Bund hat solche Zuschüsse zu den Investitionen der Länder allein zu finanzieren, wie er es schon bei der Sanierung der Krankenhäuser in den 1970er Jahren und in den neuen Ländern in den 1990er Jahren gemacht hat. (…) Der Bund könnte für einigermaßen stabile Krankenkassenbeiträge sorgen, wenn er seine Verpflichtungen wahrnehmen würde, anstatt sie auf die GKV abzuwälzen. Die auch von früheren Bundesregierungen praktizierte Verlagerung von Kosten aus dem Bundeshaushalt in das GKV-Budget ist keine belastungsneutrale „Verschiebebahnhofspolitik“ von einem Behördenkonto zum anderen. Sie trifft die unteren und mittleren Einkommensgruppen deutlich stärker als die höheren. Durch die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) von zurzeit etwa 5.300 Euro im Monat werden die Versicherten mit einem höheren Einkommen davon weniger belastet. Privat Versicherte werden überhaupt nicht an dem Transformationsfonds beteiligt. (…)Tatsächlich gibt es keinen empirischen Beleg für die Behauptung, ein reduziertes Leistungsangebot der Krankenversicherungen und private Zuzahlungen würden die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens erhöhen. Langzeituntersuchungen zeigen zwar, dass mit der Anhebung von Eigenbeteiligungen der Versicherten die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen sinkt. Aber sie belegen auch, dass dadurch medizinisch notwendige Behandlungen unterbleiben, sich die allgemeine Morbidität verschlechtert und die durchschnittlichen Fallkosten wachsen. Die Mängel des Gesundheitswesens werden nicht von einer herbeifantasierten Hängemattenmentalität der Krankenversicherten verursacht. Sie haben strukturelle Ursachen, die sich nicht nur in relativ hohen Kosten äußern, sondern auch in einer nicht sachgerechten Struktur der medizinischen Versorgung liegen. Es gibt große Mängel in der Koordination von ambulanter und stationärer Versorgung sowie unter den Arztpraxen und den Gesundheitsberufen, mit buchstäblich fatalen Folgen. Die OECD-Indikatoren zum Vergleich von Gesundheitssystemen stellen Deutschland bei den durch bessere Behandlungsabläufe vermeidbaren Todesfällen kein gutes Zeugnis aus. Hier stehen wir mit 66 Fällen pro 100.000 Einwohnern deutlich schlechter da als vergleichbare Länder wie die Niederlande (48), Frankreich (51), Schweden (53 oder Kanada (58). Mit bloßen Kostenverlagerungen zwischen den öffentlichen Haushalten oder einer weiteren Privatisierung der Gesundheitsausgaben löst man keine Strukturprobleme, sondern verschärft sie…“ Beitrag von Hartmut Reiners vom 18. Oktober 2024 bei Makroskop externer Link („Warum die Beiträge der Krankenkassen steigen“)
  • Umfrage: Mehrheit für Abschaffung der privaten Krankenversicherung 
    „… Haben wir in Deutschland eine Zwei-Klassen-Medizin? Die große Mehrheit einer aktuellen #NDRfragt-Umfrage empfindet das derzeitige System mit gesetzlicher und privater Krankenkasse als ungerecht. Selbst die privat Versicherten halten das System mehrheitlich für nicht fair (57 Prozent) – bei den gesetzlich Versicherten ist das Urteil noch deutlicher (82 Prozent). Ähnlich viele Befragte mit gesetzlicher Krankenversicherung plädieren sogar für die Abschaffung des Systems zugunsten einer einheitlichen Kasse. Bei den privat Versicherten fordern das deutlich weniger (48 Prozent). Über 19.000 Menschen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen haben an der Befragung teilgenommen. (…) Eine schnellere, bessere, ausführlichere Behandlung – das verbinden viele mit der privaten Krankenversicherung. Bei der Frage nach den Vorteilen der Privaten wurde besonders häufig die schnellere Terminvergabe angeführt: 72 Prozent aller Befragten sehen hier einen Pluspunkt. Die zweithäufigste Antwort bei allen ist die größere Auswahl an Ärztinnen und Ärzten und damit einhergehend eine leichtere Neuaufnahme in Praxen (53 Prozent). Die Plätze drei, vier und fünf belegen eine geringere Wartezeit in Praxen (37 Prozent), umfangreichere Leistungen (36 Prozent) sowie eine höhere Behandlungsqualität (26 Prozent). Insgesamt 72 Prozent aller Befragten sprechen sich für die Abschaffung der privaten Krankenversicherungen aus und damit für die Einrichtung einer einzigen gesetzlichen Krankenversicherung für alle Menschen – ganz gleich, ob arm oder reich, verbeamtet, selbstständig, angestellt oder arbeitslos. Unter den gesetzlich Versicherten sind 84 Prozent für diesen Systemwechsel. Unter den privat Versicherten sind es mit 48 Prozent deutlich weniger…“ Beitrag von Kathrin Bädermann vom 4. September 2024 beim NDR externer Link mit Link zur allen Ergebnisse der nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage
  • Unfair: Zwei-Klassen-System bei der Krankenversicherung. VdK pocht auf gerechte Kostenverteilung durch einheitliche solidarische Krankenversicherung
    • VdK pocht auf gerechte Kostenverteilung: VdK-Präsidentin: „Unterfinanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung für die Versorgung von Bürgergeldempfängerinnen und -empfängern beenden“
      „… Der Betrag, den der Bund für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlt, reicht laut GKV nicht aus, um die Ausgaben für diese Gruppe zu decken. Dazu sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Die Kosten für die Gesundheitsversorgung müssen gerecht verteilt werden. Es ist Aufgabe des Sozialstaates, die medizinische Versorgung im Bürgergeldbezug abzusichern. Diese gesellschaftliche Aufgabe darf nicht auf die Betragszahler abgewälzt werden. Der Staat muss endlich seinem Finanzierungsauftrag nachkommen und für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger den vollen Krankenkassenbeitrag zahlen. Die Ampel wollte das Problem der Unterfinanzierung endlich aus der Welt schaffen. Das hat sie im Koalitionsvertrag vereinbart. Passiert ist bisher aber nichts. Besonders ungerecht ist, dass der Staat für jeden privat versicherten Bürgergeldempfänger 421,77 Euro in die private Krankenversicherung einzahlt. Bei den gesetzlich Versicherten sind es momentan nur 109,48 Euro, die die Kosten aber bei weitem nicht decken. Um die Finanznot in der gesetzlichen Krankenversicherung zu lindern, muss die Politik verstärkt die Einnahmeseite in den Blick nehmen. Der VdK fordert eine einheitliche solidarische Krankenversicherung, in die alle – auch privat Versicherte – einzahlen. SPD und Grüne haben die Bürgerversicherung bereits beschlossen. Hier muss die FDP ihre Blockadehaltung aufgeben. Zudem muss die Beitragsbemessungsgrenze wie in der gesetzlichen Rentenversicherung auf mindestens 7550 Euro monatlich beziehungsweise 90600 Euro jährlich angehoben werden. Pflichtversicherte oder freiwillig versicherte Mitglieder zahlen nur bis 5175 Euro monatlich oder 62100 Euro jährlich Beiträge in die Krankenversicherung. Wer mehr verdient, zahlt dafür keine Beiträge. Das ist ungerecht und nicht solidarisch.“ VdK-Pressemitteilung vom 2. Juni 2024 externer Link, siehe dazu auch:
    • VdK-Video „Unfair: Zwei-Klassen-System bei der Krankenversicherung – Klipp und Klar“
      „Fair ist die derzeitige Form der Krankenversicherung in Deutschland nicht. Die gesetzlich Versicherten unterstützen mit ihren Beiträgen zum Beispiel auch Kinder und pflegende Angehörige. In der Privatversicherung zahlt jeder nur für sich. (…) Aber auch Privatversicherten kann dieses System zum Verhängnis werden, wenn sie älter werden, die Beiträge steigen und sie diese nicht mehr finanzieren können. Die Lösung für alle diese Probleme ist einfach. Wie sie aussieht, erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele in diesem Video.“ VdK-Video vom 20. Juni 2024 externer Link (Länge: ca. 2 Min.)
  • GKV-Finanzstabilisierung: Ein Gesetzentwurf mit schwerwiegenden Folgen
    „Seit Karl Lauterbach Ende Juni seine Eckpunkte für eine Reform der GKV-Finanzierung vorgestellt hat, wird der Entwurf in der Fachpresse fast täglich scharf kritisiert – und das von fast allen Seiten. (…) Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verdient seinen Namen nicht, denn das anvisierte Ziel, eine nachhaltige Stabilisierung der GKV-Finanzen wird durch die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht erreicht werden können. Schlimmer noch: Es destabilisiert die GKV-Finanzen gleich von zwei Seiten. Zunächst würde durch die Erhöhung des Zusatzbeitrages von durchschnittlich mindestens 0,3% der Wettbewerb unter den Kassen weiter angeheizt werden. Das kostet zusätzlich Geld, baut Druck auf und sorgt somit dafür, dass die gesetzlichen Krankenkassen in der Bereitstellung einer adäquaten und fairen Gesundheitsversorgung weiter eingeschränkt werden. Zusätzlich wird durch den vorgeschlagenen Rückgriff auf die Finanz- und Liquiditätsreserven der Krankenkassen deren finanzielle Resilienz nachhaltig geschädigt. Und das in ohnehin wirtschaftlich sehr schwierigen und ungewissen Zeiten, da durch steigende Energiepreise und Inflation die Ausgaben der Kassen weiter steigen werden. Eine der wenigen substanziellen Änderungen in der Kabinettsfassung gegenüber den vorgestellten Eckpunkten war die Streichung einer Solidaritätsabgabe für pharmazeutische Unternehmer in Höhe von einer Mrd. €. Es ist ein klarer Schritt in die falsche Richtung, die finanziellen Belastungen nicht auf mehr Schultern zu verteilen. (…) Sowohl von der Ausgaben-, als auch von der Einnahmenseite bleiben wichtige Strukturreformen aus, sodass bereits im nächsten Jahr ein Wachstum des Defizits um weitere ca. vier Milliarden Euro befürchtet werden muss – so schätzt es zumindest das IGES-Institut. (…) Zwar wurde auf Wirken der FDP die Einführung einer einheitlichen Bürgerversicherung nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen, doch solidarische Maßnahmen wie die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze auf 130.000€ und einer anschließenden Anhebung Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung bleiben gewerkschaftliche Kernforderungen. Zusätzlich müssen Bund, Länder und Gemeinden endlich ihrer finanziellen Verantwortung gerecht werden und dürfen nicht die finanzielle Hauptlast den Beitragszahlenden aufbürden, die durch die Anhebung des Zusatzbeitrages knapp 70% der Gesamtkosten der Maßnahmen tragen würden. (…) Das kann nicht die Lösung sein. Der Bund muss daher endlich höhere Beiträge für ALG-II-Bezieher*innen zahlen, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, und konsequent die Kosten für sachfremde Leistungen tragen. Die Länder müssen zudem Investitionen in die Krankenhäuser endlich auskömmlich finanzieren. Zusätzlich muss für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel als Teil des Grundbedarfs der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent Anwendung finden, so wie dies bereits in vielen europäischen Ländern der Fall ist. (…) Im Hinblick auf die bisherige Untätigkeit der Regierung, auf die berechtigte und notwendige Kritik zu reagieren, sind umfassende Änderungen am Gesetzentwurf derzeit nicht zu erwarten…“ Kritik vom 23. September 2022 bei der DGB-Gegenblende externer Link
  • »Argumentationshilfen« von der falschen Seite. Die Pharmalobby hat den Gesetzentwurf zur Stabilisierung der Krankenkassen-Finanzen mitbestimmt 
    „Auf dem Weg hin zum Bundeskabinett nahm sich Karl Lauterbach (SPD) das »Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung« noch einmal vor. »Eine der auffälligen Änderungen betrifft die Pharmaindustrie: Die im Referentenentwurf noch vorgesehene Solidaritätsabgabe von zwei Milliarden Euro über zwei Jahre ist verschwunden«, fiel dem Online-Portal der »Deutschen Apotheker Zeitung« auf. Dabei sind die Pillen-Riesen alles andere als unbeteiligt an dem 17-Milliarden-Defizit der Krankenkassen. Trotz aller Eingriffe der Politik schaffen sie es immer wieder, die Arznei-Budgets von DAK & Co. über Gebühr zu strapazieren. So stiegen die Ausgaben für Medikamente im vergangenen Jahr um 7,8 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro. Besonders die neuen teuren Krebs-Präparate wie etwa Bayers Nubeqa belasten die Etats, während sie gleichzeitig die Kassen der Konzerne klingeln lassen. »Der Umsatz mit rezeptpflichtigen Medikamenten (Pharmaceuticals) stieg (…) um 2,1 Prozent auf 4,818 Milliarden Euro. Die Markteinführung neuer Produkte, vor allem Nubeqa und Kerendia, verlief weiter erfolgreich«, erklärte der Leverkusener Multi am 4. August bei der Vorstellung seiner Halbjahres-Bilanz. (…) Den größten Anteil am Stopfen des Finanzlochs bürdet der Gesetzgeber nun den Versicherten auf. Ihr Zusatz-Beitrag erhöht sich von 1,3 auf 1,6 Prozent. Außerdem müssen die Kassen die Reserven auflösen, die sie dank der Zahlungen ihrer Mitglieder anzulegen vermochten. »Es bleibt dabei: Auch mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzes-Entwurf tragen die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der GVK weiterhin einseitig die Belastungen«, sagt deshalb Jürgen Hohnl vom Verband der Innungskrankenkassen. Den Rest steuern Finanzmittel und ein Darlehen des Bundes, eine Begrenzung des Honorar-Zuwachses für Zahnärzte und andere kleinere Maßnahmen bei. Eine nachhaltige Sanierung der Krankenkassen-Kassen erreicht die Ampel-Koalition dadurch jedoch nicht. Eine Bürger-Versicherung, die auch Besserverdienende in das staatliche System einbezieht, wäre hier das Mittel der Wahl, aber das ist mit der FDP nicht zu machen. Und auch Lauterbach scheint zu der Idee auf Distanz zu gehen. Stattdessen droht er eine Krankenhaus-Reform an.“ Artikel von Jan Pehrke vom 16. August 2022 in neues Deutschland online externer Link
  • GKV-Finanzstabilisierung: Umverteilung würde helfen. vdää schlägt vor, Beitragsbemessungsgrenze abzuschaffen, ver.di für Anhebung der Versicherungspflichtgrenze
    • GKV-Finanzstabilisierung: Umverteilung würde helfen. vdää schlägt vor: Beitragsbemessungsgrenze abschaffen
      Wie zu erwarten war, fehlen den Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) Milliarden Euro. 2023 sollen die Zusatzbeiträge in der GKV um 0,3 Prozent-Punkte steigen. Angesichts der vielen anderen Kostensteigerungen und der zu erwartenden Steigerungen bei den Heizkosten wird dies für Menschen mit geringem Einkommen eine zusätzliche Belastung darstellen. Statt Menschen mit Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze von 4.837,50 Euro pro Monat mehr zu belasten, schlagen wir vom vdää* vor, alle Einkommen über dieser Grenze für die Beiträge der Gesetzlichen Krankenkassen heranzuziehen, genauso wie andere Einkommensarten (Kapitaleinkünfte etc.): Kurzum: Wir fordern die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze. Wenn das Wort sozial für einen sozialdemokratischen Gesundheitsminister noch etwas bedeutet, sollte er nicht nur Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen belasten. Die absolute Untergrenze für einen Reformvorschlag muss also lauten: deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Damit man die Menschen aber nicht in die Arme der Privaten Krankenversicherung treibt, muss auch die Versicherungspflichtgrenze abgeschafft werden, die es lohnabhängig Beschäftigten mit einem Brutto-Einkommen über 5.362,50 Euro ermöglicht, in die PKV zu wechseln. Es liegt auf der Hand, dass dies alles Schritte in Richtung einer solidarischen Bürger*innenversicherung sind...“ Pressemitteilung vom 12. Juli 2022 externer Link
    • ver.di kritisiert GKV-Stabilisierungsgesetz und fordert nachhaltige Lösungen zur Sicherung der gesetzlichen Krankenversicherung
      Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert deutliche Nachbesserungen am Referentenentwurf für ein Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). „Der Bund entzieht sich seiner Verantwortung“, kritisierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler anlässlich der für Mittwoch angesetzten Bundestagsanhörung zum Referentenentwurf. „Statt die dringend erforderlichen strukturellen Finanzprobleme durch grundlegende Reformen anzugehen, soll das Defizit kurzfristig unter anderem durch das Abschmelzen der Rücklagen und die Erhöhung der Zusatzbeiträge aufgefangen werden. Diese mutlose Politik auf Kosten der Versicherten und der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung lehnen wir entschieden ab.“ Bühler verwies auf die Koalitionsvereinbarung, wonach SPD, Grüne und FDP den Bundeszuschuss zur GKV dynamisieren und die Finanzierung der Versicherung von ALG-II-Beziehenden verbessern wollen. Beides fehle im Referentenentwurf (…) „Gerade in diesen Zeiten müssen starke Schultern mehr stemmen als schwache. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, das solidarische System der GKV auf gesunde Füße zu stellen. Um besserverdienende Beschäftigte bei der gesetzlichen Krankenversicherung zu halten, muss in einem ersten Schritt die Versicherungspflichtgrenze angehoben werden“, forderte Bühler.“ Pressemitteilung vom 13.07.2022 externer Link
  • DGB zu Lauterbachs Eckpunkten der GKV-Finanzierung: Wer zahlt hier für wen? 
    Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat seine Eckpunkte für eine Reform der GKV-Finanzierung vorgestellt. Herausgekommen ist ein kurzfristiges Maßnahmenpaket auf Kosten der Beitragszahlenden. Der Bund drückt sich noch immer davor, seiner finanziellen Verantwortung gegenüber den Kassen gerecht zu werden – und hat die Stärkung des Solidarprinzips bei der Beitragsfinanzierung sträflich aus den Augen verloren. Leistungskürzungen bleiben weiterhin ausgeschlossen. Viel mehr positive Nachrichten gab es kaum, als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am 28.06.2022 mündlich seine Eckpunkte für eine Reform der GKV-Finanzen vorstellte. Im Ergebnis wird jedoch schnell klar, dass die Eckpunkte angesichts des strukturellen Charakters des zunehmend wachsenden GKV-Defizits allenfalls ein kurzfristiges Maßnahmenpaket statt eine wirkliche Reform sind. Ein kurzer Blick auf die Eckpunkte zeigt bereits, dass die Beitragszahlenden den größten Anteil zur Schließung des Defizits von 17 Milliarden Euro im Jahr 2023 selbst zahlen sollen.
    Denn zumindest 12,2 Milliarden Euro der Gesamtsumme werden letztlich den Beitragszahlenden angelastet. Die Summe setzt erstens aus den Rücklagen der Beitragszahlenden bei den Krankenkassen in Höhe von 4 Milliarden Euro und in den Rücklagen der Beitragszahlenden beim Gesundheitsfonds in Höhe von 2,4 Milliarden Euro zusammen. Durch den weiteren Zugriff auf die Rücklagen, der so nur mit einer erneuten Reduktion der Mindestrücklage möglich ist, wird das Sicherheitspolster für ökonomisch schwierige Zeiten weiter massiv beschnitten – während zugleich die großen wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs immer deutlicher werden. Zweitens soll der Zusatzbeitrag um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte angehoben werden, um zusätzliche Einnahmen in Höhe von 4,8 bis 5 Milliarden Euro zu generieren. Für die Beitragszahlenden kommt diese zusätzliche Belastung nicht zuletzt aufgrund der grassierenden Inflation zur Unzeit. Dadurch, dass sich die Bundesregierung zudem vor einer Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes drückt und stattdessen die Kassen zur Anhebung der Zusatzbeiträge drängt, wird zudem auch noch der Preiswettbewerb zwischen den Kassen deutlich befeuert. Die Konsequenz könnten hier massive Verwerfungen im GKV-System sein. Schließlich sollen die Kassen drittens ein Darlehen des Bundes in Höhe von einer Milliarde Euro erhalten. Diese Finanztrickserei verschiebt lediglich die Belastung der Beitragszahlenden in die Zukunft und führt nebenbei die Verschuldung der Krankenkassen als Finanzierungsmodell ein. (…) Der skizzierten Last der Beitragszahlenden in Höhe von 12,2 bis 12,4 Milliarden Euro stehen die Hebung von Effizienzreserven in Höhe von 3 Milliarden Euro sowie ein ergänzender Steuerzuschuss in Höhe von 2 Milliarden Euro gegenüber. Während noch offen ist, in welchem Umfang und in welcher Form neben der einmaligen, umsatzabhängigen Solidarabgabe in Höhe von einer Milliarde  Steuerzuschuss in Höhe von zwei Milliarden Euro gleich eine doppelte Farce. Denn die bestehende Finanzierungslücke wurde bundespolitisch verursacht, indem mit teuren Gesetzen zugunsten von Leistungserbringenden das Ausgabenwachstum befeuert wurde, ohne zugleich für eine Gegenfinanzierung oder eine Stärkung des Einnahmenwachstums zu sorgen. Auch wenn Lauterbach zurecht auf die verheerenden Folgen der Hinterlassenschaften seines Vorgängers hinweist, sollte er nicht vergessen, dass auch seine Partei seit 2013 als Koalitionspartner mitverantwortlich war.
    Zudem stehen den zwei Milliarden Euro Zuschussmitteln erhebliche Finanzvolumen entgegen, in deren Höhe der Bund seinen Haushalt zulasten der Krankenkassen entlastet. Um nur zwei Punkte zu nennen: Die Beiträge, die der Bund für die Versicherung von ALG-II-Beziehenden an die Krankenkassen bezahlt, unterschreiten die Kostendeckung um circa 10 Milliarden Euro jährlich, und das nicht erst seit diesem Jahr. (…)
    Deshalb sind und bleiben nachhaltige Reformen alternativlos. Ausgabenseitig müssen die überfälligen Strukturreformen in der Versorgung angegangen werden, um Effizienzreserven bei gleichzeitiger Verbesserung der Versorgungsqualität heben zu können. Die Kostentreiber Privatisierung und Profitorientierung müssen dabei deutlich zurückgedrängt werden. Einnahmenseitig muss der Bund endlich seiner finanziellen Verantwortung nachkommen und deutlich höhere Beiträge für ALG-II-Beziehende zahlen. Auch die genannte Wertung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln als Grundbedarf würde deutliche Entlastung bringen. Letztlich bleibt es aber unverzichtbar, die GKV als beitragsfinanziertes Solidarsystem zu stärken. Auch wenn die FDP bei der Bürgerversicherung prinzipiell blockiert, hat sich damit die Frage einer graduellen Stärkung solidarischer Finanzierungsformen längst nicht erledigt…“ DGB-Stellungnahme vom 07.07.2022 externer Link
  • Kriegsfinanzierung durch Sozialkürzungen: Krankenkassenbeiträge steigen auf Rekordhöhe 
    „Ein Defizit der Krankenkassen von mindestens 17 Milliarden Euro will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im nächsten Jahr durch Beitragserhöhungen und die Plünderung der Kassenrücklagen auffangen, nicht jedoch durch eine Fortsetzung der staatlichen Zuschüsse. Ausdrücklich bezog sich der Minister dabei auf den Ukrainekrieg. Vor zwei Monaten hatte die WSWS den Bundeshaushalt eine „Kriegserklärung an die Bevölkerung“ genannt, als das Kabinett Scholz beschlossen hatte, die Bundeswehr mit einem „Sondervermögen“ über 100 Milliarden Euro auszustatten und insgesamt die Ausgaben fürs Militär zu verdreifachen. Wir schrieben: „Die Kosten für die Aufrüstung wird in jeder Hinsicht die Arbeiterklasse tragen.“ Das betätigt sich jetzt. Lauterbach will das Defizit nicht länger durch einen staatlichen Zuschuss ausgleichen, wie das bisher geschah. Stattdessen sollen vor allem die Beiträge der großen Bevölkerungsmehrheit steigen, die sich keine private Kasse leisten können. Dabei beruft sich der Gesundheitsminister ausdrücklich auf das gemeinsame Ziel der Ampel-Koalition, im Bundeshaushalt 2023 die Schuldenbremse einzuhalten. Als Lauterbach am Dienstag, 28. Juni, vor die Presse trat, bedankte er sich bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) ausdrücklich und mehrfach für „die gute Zusammenarbeit und das einvernehmliche Ergebnis“. Er berichtete, der Finanzminister habe darauf geachtet, „dass wir nicht zu Vorschlägen kommen, die die Schuldenbremse verletzen, die Steuererhöhungen notwendig machen oder einen Nachtragshaushalt benötigen würden (…) Ich teile alle drei Ziele des Bundesfinanzministers ausdrücklich.“ (…) Um das Finanzloch bei den Krankenkassen zu stopfen, sollen die Beitragserhöhungen bei Arbeitern und Angestellten fünf Milliarden Euro aufbringen. Auch werden die Rücklagen geplündert. Lauterbach erklärte, die Krankenkassen und ihr gemeinsamer Gesundheitsfonds hätten zusammen 6,4 Milliarden an eigenen Reserven, die zur Deckung des Defizits herhalten könnten. „Wir sind im Ukrainekrieg“, betonte der Minister. „Alle Reserven in den Kassen müssen herangezogen werden.“ (…) Lauterbachs Resümee: „Es wird ein schwerer Herbst werden. Pandemiebedingt. Wir werden mit dem Ukrainekrieg kämpfen müssen. Wir werden Schwierigkeiten haben, die Steuermittel zur Verfügung zu stellen, die wir in anderen Bereichen benötigen.“ Auf eine Journalistenfrage, ob es wohl bei dieser Beitragserhöhung bleiben werde, oder ob da noch mehr Kürzungen kämen, sagte Lauterbach: „Es wird sehr viel davon abhängen, wie der Ukrainekrieg weitergeht.“…“ Beitrag von Marianne Arens vom 2. Juli 2022 bei wsws.org externer Link

Siehe zum Hintergrund

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=202372
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