Wird es endlich etwas mit der Finanztransaktionssteuer? Sie könnte wenigstens ein kleiner Schritt zur Regulierung der Finanzmärkte werden
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 27.10.2016
Natürlich ist dir diese Steuer ein Begriff – mit Stephan Schulmeister gab es dazu eine ausführliche Geschichte auch ihres – bisherigen – Scheiterns schon in der „Monde Diplomatique“ – diese Steuer auf „Finanztransaktionen“ als die „vernünftigste Steuer in diesen Zeiten“. (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/FTT_Diplo_12_14.pdf ) Einer ganzen Reihe von wohlmeinenden Menschen – wie z.B. von Attac u.a. – ist sie ein Herzensanliegen. (http://www.attac.de/index.php?id=7415 )
Aber bisher ging es mit ihr – wie Franziska Augstein es so schön plastisch erzählt -, wie mit dem „Ungeheuer von Loch Ness“: Immer wieder war von ihr die Rede (= „tauchte sie auf“), aber zu sehen bekommen haben wir sie – bisher nicht. Und siehe da, jetzt meldet sich zu den akuten Problemen dieser „Finanztransaktionen“ sogar die Bundesbank zu Wort: Ja, heutzutage hat die Bundesbank eben „andere“ – technikbedingte und durch Algorithmen mathematisch-gestützte (http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/leonardo/boersensoftware100.html ) – Probleme mit den Banken als in „unseren“ früheren Zeiten. Das jetzige nennt sich dann groß „Informationszeitalter“….. (= und wer mehr Geld hat, kassiert mit Hilfe dieser Technik besser ab!)
Gerade deshalb wird es wichtig,diese Studie der Bundesbank zum Hochfrequenzhandel „auf den Schirm“ zu bekommen. Sie ist im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank mit dem Titel „Bedeutung und Wirkung des Hochfrequenzhandels am deutschen Kapitalmarkt“ erschienen.
Bundesbank-Studie stützt die Einführung der Finanztransaktionssteuer, die im Dezember von 10 Staaten beschlossen werden soll.
Die Einigung von 10 europäischen Staaten auf die Finanztransaktionssteuer sah der Chefredakteur von Publik-Forum, Wolfgang Kessler, schon „als viel mehr als nichts“ an: In einer Zeit, in der an den Börsen in jeder Millisekunde 80 000 Finanzgeschäfte – im sogenannten Hochfrequenzhandel – getätigt werden, würde diese Steuer den Börsenbetrieb beruhigen. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/boersengeschaeft-viel-mehr-als-nichts,1472780,34875996.html )
Bei diesem Streit unter den verbleibenden 10 europäischen Staaten – Koalition der Willigen um Deutschland und Frankreich – ist jetzt ein löchriger Kompromiss rausgekommen: Doch auch der ist viel mehr als nichts. Klar: Der Handel mit Derivaten – den gefährlichsten und häufigsten dieser Finanzprodukte – wird mit nur 0,01 Prozent besteuert (statt 0,1 Prozent) und Staatsanleihen werden ausgenommen.
Andererseits können die Banken die Steuer nicht umgehen. Denn: Jede Bank muss die Finanztransaktionssteuer in dem Land bezahlen, wo sie ihren Sitz hat – egal, ob sie die Geschäfte in New York oder London tätigt. (http://www.taz.de/!5345456/ ) Und in dem Moment, wo die Steuer fließt – Deutschland rechnet mit 18 Milliarden Euro – oder mehr – pro Jahr – könnten doch noch andere Länder – mit klammen Etats – folgen.
Die Reichweite der Finanztransaktionssteuer: Sie ist jedoch noch keine ausreichende Finanzmarkt-Regulierung zur Sicherung vor weiteren Finanzkrisen.
(wie sie z.B. Franklin Roosevelt 1932 weitgehend erreichen konnte – vgl. die „Einleitung“ bei https://www.labournet.de/?p=105174) – der bessere Weg wäre: die Erhöhung der Eigenkapitalquote wieder auf 30 Prozent.
Nur: es wäre jetzt eine Illussion zu glauben, dass mit diesem „Einstieg“ in eine Verkleinerung des Krisenrisikos der Banken schon eine ausreichende Regulierung der Finanzmärkte – nach der großen allgemeinen Deregulierungsphase vor gut zehn Jahren – wieder erreicht werden könnte. Ernüchternd schreibt die Finanzmarkt-Expertin Andrea Rexer in der „Süddeutschen“ eher sehr skeptisch zu dieser Finanztransaktionssteuer „Große Idee – Kleines Ergebnis“ (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-grosse-idee-kleines-ergebnis-1.3201793 )
Von der Idee her wäre eine Finanztransaktionssteuer allemal begrüßenswert – nur: Die Idee lebt davon, dass sie in möglichst vielen Ländern umgesetzt wird. Natürlich ist eine globale Allianz utopisch – und auch nicht notwendig. Aber zumindest eines der großen Finanzhandelszentren müsste dabei sein, um Wirkung zu entfalten. Jedoch liegt in den teilnehmenden Ländern nicht einer der großen Finanzumschlagsplätze der Welt: nicht New York, nicht Singapur, nicht einmal London. Und damit kann die Steuer kaum die angemessene Wirkung entfachen. Denn so ist der Lenkungseffekt maximal ein geografischer: Spekulanten wählen andere Standorte um ihre Geschäfte zu tätigen. (Anmerkung: na ja, die Deutsche Bank kann wegen des Residenzprinzips wohl nicht einfach ausweichen – höchsten über „Schattenbanken“ deren Regulierung auch vollkommen fehlt)
Andrea Rexer meint dagegen, das Geschäftsgebaren der Finanzakteure zu beeinflussen, hätte es einen leichteren – und besseren Weg gegeben: über höhere Eigenkapitalquoten. In der Krise wurde die Chance verpasst, ohne Ausnahmen und Sonderregelungen wirklich harte Regelungen für alle Finanzakteure durchzusetzen – und zwar weltweit!
Sinnvoller wäre es daher gewesen, als um eine Transaktionssteuer für wenige Länder zu kämpfen, sich für höhere und konsequentere Eigenkapitalquoten einzusetzen, meint deshalb Andrea Rexer.
Dabei darf daran erinnert werden, dass eine 30-prozentige Eigenkapitalquote vor der Finanzmarkt-Deregulierung auch bei uns gang und gebe war. (Vgl. dazu Suleika Reiners in dem Abschnitt „Eigentlich ist es gut, dass die Menschen unser Bank- und Währungssystem nicht verstehen (Henry Ford)….. “ auf der Seite 5 bei https://www.labournet.de/?p=98387) Eine solche Eigenkapitalquote hat auch der Ökonom Martin Hellwig jetzt wieder gefordert (vgl. vor allem den Abschnitt „30 Prozent Eigenkapitalquote für eine stabile Bankenwelt – wie früher “ auf der Seite 1 unten bei https://www.labournet.de/?p=102275)
Wie der DGB feststellt, bleiben auf diese Art und Weise die bisherigen Bankenregulierung viel zu lax und ermöglichen den Banken weiterhin die Aufnahme hoher Risiken. (http://www.dgb.de/themen/++co++7d24da38-96a9-11e6-94d8-525400e5a74a )
Die Finanzmärkte wirksam zu regulieren muss also auf der Tagesordnung bleiben.
Bankenunion kann die Erwartungen nicht erfüllen: – Die unvollendete Regulierung –
Die Bankenunion sollte die Finanzbranche in der EU sicherer machen – nie wieder sollten marode Kreditinstitute Staaten in die Enge treiben können. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bankenunion-die-unvollendete-1.3214445 )
Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, schreibt Catherine Hoffmann: Wichtigstes Ziel der Bankenunion ist es, die Staaten und deren Steuerzahler sollten nie mehr einspringen müssen, wenn Banken Probleme haben. (Bail-In-Regel) Bezahlen sollen im Ernstfall die Eigentümer und Gläubiger der Institute – und wenn das nicht reicht, die ganze Branche. „Nie wieder!“, das war die Losung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und 2009. Und jetzt wird dieses Versprechen aus der Krise schon wieder zur Frage!
Die Angst ist jedenfalls groß. Das lässt sich mühelos an den Kursen der europäischen Bankaktien ablesen, die so billig sind wie auf dsem Tiefpunkt der Krise 2009. (Vgl. dazu z.B. den Abschnitt „Trifft der Börsenwert den Buchwert einer Bank? Wie konkret die Spekulationen Werte (in Geld) vernichten“ auf der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=105174)
Die Bankenunion konnte es also bisher nicht erreichen, die Finanzmärkte sicherer zu machen. Sie war eben mit einem „Dachschaden“ schon konstruiert, wie der Bundestagsabgeordnete der Linken Axel Troost schon in seiner Rede 2014 vor dem Bundestag betonte. (http://www.axel-troost.de/article/8051.bankenunion-ein-haus-mit-dachschaden.html )
Der Ökonom Martin Hellwig, (https://www.coll.mpg.de/team/page/martin_hellwig ) ,der auch zu der Anhörung im Bundestag zu dieser Bankenunion (https://www.bundestag.de/presse/hib/2014_09/-/332696 ) für eine Stellungnahme geladen war, findet auch, dass mit der Bankunion die Banken zwar sicherer geworden sind, aber wirklich sicher eben doch noch nicht („Trotz neuer Regeln ist das Bankensystem in Europa nicht sicher“: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/06/24/trotz-neuer-regeln-das-banken-system-in-europa-ist-nicht-sicher/ ). Seine ausführliche Stellungnahme macht auch noch einmal die Defizite im besonderen deutlich: „Eine systemschonende Abwicklung von – den großen Banken wie – Barcays, BNP Paribas oder Deutsche Bank ist illussorisch – dennoch will Professor Hellwig seine Kitik nicht am Vorhaben einer Bankenunion verstanden wissen, sondern seine Kritik geht dahin, dass diese Bankenunion in der jetzigen Form entweder nicht praktikabel ist oder nicht weit genug geht. (http://www.coll.mpg.de/sites/www/files/text/BRRD.pdf )
So sehr die Bail-In-Regel den Verhältnissen nach den massiven Rettungen durch den Staat in der Finanzkrise 2007 f. geschuldet war (zum Testen durch die Spekulanten, wie „hart“ diese Bail-In-Regel ist, vgl. auch noch den Abschnitt „Spekulationsattacke auf die Deutsche Bank, um die Regierung in Berlin zu testen, die strikt gegen staatliche Hilfe ist…“ auf der Seite 4 in der Mitte bei https://www.labournet.de/?p=105174), so wenig will sie dann auch wieder Axel Troost gleich als neue „Religion“ verstanden wissen (http://www.axel-troost.de/article/9142.italien-bail-in-darf-nicht-zur-neuen-religion-werden.html ).
Nur Deutschland wird wohl zunächst bis zur Bundestagswahl 2017 auf jeden Fall noch an dieser Regel festhalten wollen – so meine Einschätzung.
Wie Professor Hellwig hält auch Professor Rudolf Hickel grundsätzlich die Schaffung einer umfassenden Bankenunion für dringend erforderlich, insoweit zollt auch er dem Vorschlg für eine Bankenunion grundsätzlich Anerkennung… Aber: Oftmals wird übersehen: Die geplanten Ziele, Strukturen und Instrumente dieser Bankenunion sind zwar eine wichtige Vorausetzung. Sie reichen jedoch nicht aus, um die Finanzmärkte zu stabilisieren. Voraussetzung dafür wäre erst einmal eine risikodifferenzierte, wirksame Vorsorge mt Eigenkapital (= wie bei Hellwig). Diese ist allerdings durch Basel III nur unzureichend geregelt. (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/die-europaeische-bankenunion-kommt–kritischer-blick/ )
Aber: Die Deutsche Bundesbank stützt jetzt erst einmal argumentativ die Notwendigkeit diesen „Turbohandel“ (Hochfrequenzhandel) einzuschränken
In einer Studie der Deutschen Bundesbank, die im Monatsbericht der Bundesbank veröffentlicht wurde (https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichtsaufsaetze/2016/2016_10_hochfrequenzhandel.pdf?__blob=publicationFile ), blickt skeptisch auf diesen ultraschnellen computergesteuerten Handel, wie Ulrike Herrmann am 25.10 in der TAZ berichtete. Danach fordert die Bundesbank, dass geprüft werden muss, wie sich dieser Turbohandel verlangsamen lässt. Diese Studie der Bundesbank hat Millionen Daten aus zwei Handels-Wochen an der Terminbörse Eurex im Jahr 2014 analysiert ist und sie ist die erste genaue Untersuchung über den Hochfrequenzhandel in Deutschland.
Dieser Hochfrequenzhandel versucht, Kursdifferenzen auszunutzen, indem innerhalb von Bruchteilen von Sekunden möglichst viele Geschäfte abgeschlossen werden. (http://www.taz.de/!a69/ )
Und das Volumen dieses die riskanten Trends verstärkenden Hochfrequenzhandels an den Börsen umfasst inzwischen schon die Hälfte aller spekulativen Geschäfte an den Finanzmärkten. – Man erinnert sich, dass bei der Suche nach den Ursachen der Finanzkrise 2008 f. immer wieder Finanz-Manager erklärten, sie wüssten auch nicht wie das „funktioniert“. (http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/leonardo/boersensoftware100.html )
Dabei ist dieser Hochfrequenzhandel – auf der Basis von Algorithmen – ökonomisch völlig sinnlos, aber lukrativ für jene Banken und Investmenthäuser, die sich diese modernste Technik leisten zu können, schreibt Ulrike Herrmann in ihrem Kommentar zu dieser Bundesbankstudie, in dem sie auch noch einmal auf den Bestseller „Flash Boys“ von dem Finanzjournalisten Michael Lewis von 2014 verweist. (Zu Michael Lewis und seinem Buch „Flash Boys“, auf dessen Grundlage dann der Film „The Big Short“ gedreht wurde, vgl. auch noch den Absatz „Zur Überleitung zu einem neuen Krisen-Narrativ nun eben mit den Banken im „Zentrum“: Der Film „The Big Short“ “ – auf der Seite 1 bei https://www.labournet.de/?p=91849, zu der Berichterstattung zu dieser Studie der Bundesbank siehe weiter noch: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/hochfrequenzhandel-an-der-boerse-bundesbank-will-tempo-zocker-ausbremsen/14731704.html und noch http://www.spiegel.de/wirtschaft/bundesbank-will-hochfrequenzhandel-einbremsen-a-1117998.html )
Die Einigung der 10 Länder
Na, so wurde Franziska Augstein ja ein wenig – die Sache vorausnehmend – schon zur „Prophetin“ für die – dann – endlich doch erreichte „FTS“! (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/augsteins-welt-die-vernuenftige-steuer-1.3193093 ) Und der Spiegel meldete die Finanztransaktionssteuer war noch nie so nahe (http://www.spiegel.de/wirtschaft/eu-finanztransaktionssteuer-war-noch-nie-so-nahe-a-1116172.html ).
So wird dieses „Ungeheuer von Loch Ness“ (Franziska Augstein), das immer wieder nur „auftaucht“, aber keiner kann es richtig zu sehen bekommen, doch noch sichtbar werden,um den computergesteuerten Wahnsinn der Spekulation einzuhegen – siehe die Bundesbank-Studie „Bedeutung und Wirkung des Hochfrequenzhandels am deutschen Kapitalmarkt“ (https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichtsaufsaetze/2016/2016_10_hochfrequenzhandel.pdf?__blob=publicationFile ).
Jedenfalls das Bündnis „Steuer gegen Armut“ – die zivilgesellschaftliche Lobby für diese Steuer – begrüßt diese Grundsatzeinigung auch schon einmal (http://www.zeit.de/news/2016-10/11/deutschland-sozialbuendnis-steuer-gegen-armut-begruesst-einigung-zu-finanztransaktionssteuer-11173004 )
So besteht die große Hoffnung, dass nach dieser Grundsatzeinigung doch noch etwas – wenigstens bei diesen 10 Ländern in Europa – daraus wird. (http://www.zeit.de/news/2016-10/11/eu-zehn-eu-laender-einig-ueber-finanztransaktionssteuer-11162805 )
ANHANG:
- Einigung auf das Grundgerüst der Finanztransaktionssteuer
Einigung auf das Grundgerüst der Steuer / Abschluss für Dezember geplant. Die Kampagne „Steuer gegen Armut“ begrüßt die Einigung der zehn Finanzminister auf ein Grundgerüst der Finanztransaktionssteuer (FTT). attac-Pressemitteilung vom 11.10.2016
- Top-Ökonom_innen fordern Finanztransaktionssteuer.Offener Brief an die Regierungen in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Österreich, Griechenland, Slowenien, Belgien, Portugal und der Slowakei
„Mehr als 250 renommierte Wirtschaftswissenschaftler_innen fordern die Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTS). Wenige Tage vor dem entscheidenden Treffen der europäischen Finanzminister_innen am 10. Oktober appellieren sie in einem offenen Brief an die beteiligten Regierungen, die Steuer nach jahrelangen Verhandlungen endlich zu beschließen. Der Brief wird auch von deutschen Top-Ökonom_innen mitgezeichnet, darunter Rudolf Hickel, Gustav Horn, Achim Truger, Lorenz Jarass, Karl-Georg Zinn, Frank Hechtner und Dorothea Schäfer...“ attac-Meldung und der Brief vom 10.10.2016