Rentensteuer „weit entfernt von jeder Vorstellung von Gerechtigkeit“

DGB-Rentenkampagne 2017„… Mitte der Nullerjahre hinterließ die rot-grüne Bundesregierung von Gerhard Schröder ein Gesetz, dessen Auswirkungen erst nach und nach spürbar werden: Eine Steuerpflicht auf Renten, die 15 Jahre später etwa fünf Millionen alte Menschen betrifft. 2020 müssen nämlich bereits 80 Prozent der Rente versteuert werden – und der Anteil steigt weiter. Im November offenbarte Egmont Kulosa, der für „Alterseinkünfte und -vorsorge“ zuständige Richter am Bundesfinanzhof (BFH), dass er diese Besteuerung für „evident verfassungswidrig“ hält (vgl. Hält die deutsche Rentenbesteuerung?). Seiner Ansicht nach werden dadurch nämlich viele Rentner doppelt besteuert, weil sie die für die Rente aufgewendeten Vorsorgeleistungen nur sehr begrenzt von der Steuer absetzen durften und dürfen. (…) Nun ist beim Bundesfinanzhof in München die erste Klage gegen diese Rentenbesteuerung anhängig. Eingelegt hat sie ein früher einmal angestellter Mediziner. Das Steuerproblem gegen das er klagt, betrifft aber bei weitem nicht nur Ärzte, wie Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, im Handelsblatt vorrechnet, weil auch Personen „mit einer Rente unterhalb der Armutsschwelle Einkommensteuer zahlen müssen“. (…) Das, so Bentele, sei nicht nur „weit entfernt von jeder Vorstellung von Gerechtigkeit“, sondern auch „existenzgefährdend“. Sie fordert deshalb eine Erhöhung des aktuell bei 9.408 Euro liegenden steuerlichen Grundfreibetrages auf wenigstens 12.600 Euro jährlich. (…) Bürgern, die angesichts solcher Probleme versuchen, sich auf dem Finanzmarkt für das Alter abzusichern, dürfen Verluste nach dem Inkrafttreten einer kurz vor Weihnachten verabschiedeten Änderung des Einkommensteuergesetzes nur noch in Höhe von 10.000 Euro steuerlich mit Gewinnen verrechnen. Der Finanzmarktexperten Jan Kellerhoff kritisiert das als „Abkehr vom Netto-Prinzip und der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit“: „Während auf der einen Seite durch die BaFin die Nachschusspflicht für Privatpersonen verboten wurde, zum Schutz dieser“, bewirke „die kommende Regelung des EStG eben genau diese gegenüber dem Staat […]“, der „Risiken unkalkulierbar“ mache, indem er „eine enorme Steuerlast auch bei Verlusten“ erlaubt.“ Beitrag von Peter Mühlbauer vom 17. Januar 2020 bei Telepolis externer Link und dazu:

  • Doppelbesteuerung von Renten: Politik muss endlich handeln New
    „Zur heutigen Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur sogenannten Doppelbesteuerung von Renten sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Montag in Berlin: „Unabhängig von der Lage der Einzelfälle, über die der Bundesfinanzhof zu urteilen hatte, zeigen die Urteile deutlich: Die Politik muss endlich handeln. Sie darf nicht abwarten, bis weitere höchstrichterliche Urteile sie dazu zwingen werden. Viele Betroffene haben bereits ein hohes Alter erreicht. Sie sind sofort auf eine gerechte Behandlung angewiesen, nicht erst in Jahren. Aus Sicht des DGB ist es offenkundig, dass Rentnerinnen und Rentner teilweise doppelt besteuert werden: Der bis 2040 schrittweise auf 100 Prozent ansteigende steuerpflichtige Teil der ausgezahlten Rente berücksichtigt die Besteuerung in der Einzahlungsphase nicht hinreichend. Angesichts dessen, dass Beitragszahlungen zur Rentenversicherung noch bis 2025 teilweise besteuert werden, sollte viel länger als derzeit vorgesehen ein Teil der Rentenleistung nicht besteuert werden. So könnte eine doppelte Besteuerung ausgeschlossen werden. (…) Grundsätzlich brauchen Rentnerinnen und Rentner Erleichterungen und Unterstützung bei der Erstellung der Steuererklärung: Wir fordern bundesweit vereinfachte Steuererklärungen für Rentnerinnen und Rentner und ausreichend Beschäftigte in den Finanzämtern, die bei Nachfragen Hilfestellung geben können. Die Automatisierung des Informationsaustausches zwischen Fiskus und Rentenversicherungsträgern muss weiter beschleunigt und auch zur Umsetzung eines anteiligen monatlichen Steuerabzugs durch den jeweiligen Rentenversicherungsträger genutzt werden. Steuerpflichtige, die das ablehnen, sollten diesem Verfahren widersprechen können.“ DGB-Pressemitteilung 032 vom 31. Mai 2021 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=161251
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