Ökonom Heiner Flassbeck: „Das Steuersystem muss völlig neu justiert werden“
„Mittlere Einkommen schröpft der Staat mehr denn je. Die höchsten schont er, relativ betrachtet. So klagen viele. Aber was tun: Steuern senken oder Steuern erhöhen? Sowohl als auch, meint der Wirtschaftswissenschaftler“ Heiner Flassbeck im Interview von Annette Riedel beim Deutschlandfunk am 1. Februar 2020
: „… Es ist auf jeden Fall falsch, dass der Staat Überschüsse macht. Das muss man zunächst mal feststellen. Denn wir haben ja auf der anderen Seite ein gewaltiges Problem gegenüber dem Rest der Welt, weil die Deutschen insgesamt sozusagen zu viel sparen, was der falsche Ausdruck ist, aber wir haben riesige Leistungsbilanzüberschüsse. (…) Wenn es keinen Sinn macht, dass er Überschüsse macht, dann muss er diese Überschüsse verwenden. Und da ist natürlich Steuersenkung eine Möglichkeit – sinnvollerweise nicht Unternehmenssteuersenkung, über die jetzt alle gerne reden. Denn die Unternehmen tun genau das nicht, was sie tun sollten: nämlich investieren. (…) Aber auch unabhängig von Links oder Rechts ist Ungleichheit ein ganz großes Problem. Wir sehen es ja, wie unzufrieden die ungleich Behandelten am unteren Ende sind und wie sie inzwischen in vielen Ländern wählen. (…) Aber es gäbe Maßnahmen, die sicher noch weiter unten viel besser greifen würden. Ich denke zum Beispiel an eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze. Warum redet man darüber nicht mal? Das würde wirklich ganz vielen Leuten, ein paar Millionen in Deutschland, unmittelbar zugutekommen. Das ist ein absolutes Tabu. Man redet gern über Steuersenkung, aber darüber, dass man zum Beispiel ein vernünftiges Grundeinkommen den Menschen gibt – nicht bedingungslos, aber ein vernünftiges bedingtes Grundeinkommen denen, die Pech hatten oder die am unteren Ende sind. Darüber redet man praktisch nicht…“ (Audiolänge: ca. 30 Min., hörbar bis zum 19. Januar 2038)