Katharina Pistor: Der Code des Kapitalismus wird von Anwälten geschrieben – wer den heutigen Kapitalismus verstehen will, muss die juristischen Tricks der großen Anwaltskanzleien kennen

"Der Code des Kapitals - Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft", Buch von Katharina PistorIm Gespräch von Linus Westheuser und Gabriel Schimmeroth am 18. Januar 2021 bei Jacobin.de zeigt die Juristin Katharina Pistor externer Link, wie das Recht Ungleichheit schafft: „… Es gibt oft diese Vorstellung, dass der Staat durch Gesetze das Recht macht und dann alle innerhalb dieser Rahmenbedingungen agieren müssen, als wären sie statisch. Die Ökonomen haben dagegen schon lange verstanden, dass Verträge immer unvollständig sind. (…) Private Akteure schaffen und gestalten so de facto das Recht. Im anglo-amerikanischen Recht sind Gerichtsurteile selbst rechtsschaffende Präzedenzfälle. Aber auch in Zivilrechtssystemen wie dem deutschen reagieren die Gerichte auf vollendete Tatsachen, die bereits in der Privatwirtschaft geschaffen wurden. (…) Der Staat in Europa hat lange eine größere Handhabe behalten, indem er die private Rechtsgestaltung durch Regulierung domestiziert hat. Aber auch das ist zum großen Teil unterhöhlt worden (…) Diese Möglichkeit versierter Akteure, sich den für sie günstigsten rechtlichen Rahmen für die Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen herauszupicken, ist ganz kritisch. Sie hebelt die nationalstaatliche Domestizierung des Privatrechts weitgehend aus. (…) Ich weise in meinem Buch stattdessen auf einige rechtliche Lücken hin, die geschlossen werden müssen. Wir könnten die Eigenständigkeit einer juristischen Person (wie einer AG oder GmbH) einfach aberkennen, wenn deren einziger Zweck ist, Steuern zu umgehen. Auch müsste das Rechtsinstrument der Durchgriffshaftung angewendet werden, wenn ein Unternehmen nur zum Zweck der Vermögensverschiebung besteht…“ Siehe weitere Infos:

  • „Der Code des Kapitals – Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft“, Buch von Katharina Pistor in deutscher Übersetzung erschien 2020 bei Suhrkamp externer Link zum Preis von 32 Euro (446 Seiten)
  • Anmerkung: Zwar ist ihr Kapitalbegriff etwas einseitig, dafür erklärt Pistor jedoch sehr detailliert wichtige zivilrechtliche Zusammenhänge und wie z.B. die Kapitalanleger wirklich gepackt werden können (inkl. auch BlackRock, wo zwar viel entlarvt und beklagt wird, aber die rechtlichen Kernpunkte, also dort, wo die Anleger packen kann, nicht vorkommen). Ein aktuell sehr lehrreiches Beispiel wäre besonders für linke Brexit-Befürworter, dass deren Ablehnung der EU genau zu dem geführt hat, was Pistor betont: Die Rechtsbeziehung zwischen EU und GB gestaltet nun ein Schiedsgericht anstelle einer Gerichtsbarkeit, die wenigsten etwas, wie beim EuGH, von unten mitgeprägt werden könnte…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=185339
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