Eine Ungleichheit wie vor hundert Jahren und die Gefahr, wie nach dem ersten Weltkrieg auf den Weg zu einem Faschismus getrieben zu werden?
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 1.1.2018
Es gibt immer historische Parallelen wie diese Feststellung, dass wir in unserer Gesellschaft wieder die gleiche soziale Ungleichheit erreicht haben wie vor 1914 (für die Zeit vor 1914 siehe auch Philipp Blom, „Der taumelnde Kontinent“: https://www.perlentaucher.de/buch/philipp-blom/der-taumelnde-kontinent.html und http://www.sueddeutsche.de/kultur/philipp-blom-der-taumelnde-kontinent-wir-taumelnden-1.394574 sowie noch ausführlicher https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-13952 ), aber solche Parallelen haben etwas Verführerisches, erklärt der Historiker Philipp Blom. Die gesamte Gemengelage ist zu einer anderen Zeit eigentlich immer eine andere. Jedoch mit der derart gestiegenen Ungleichheit wie vor hundert Jahren verknüpfen sich dennoch die Gefahren, die nach dem ersten Weltkrieg zum Faschismus führten. (http://www.fr.de/kultur/rechtspopulismus-alte-ideen-werden-wieder-salonfaehig-a-1413002,0 )
Die Gegenwart ist aber stärker globalisiert und dadurch volatiler geworden. Es gibt im Vergleich zu damals nun einmal nicht nur die Akteure in der westlichen Welt, sondern auch anderswo, die das Geschehen beeinflussen können. Denken wir an die Klimakatastrophe, die noch eine andere Dynamik hervorbringen kann. (Vgl. dazu auch Philipp Blom, „Was auf dem Spiel steht“: https://www.perlentaucher.de/buch/philipp-blom/was-auf-dem-spiel-steht.html – und weiter: Es steht einfach alles auf dem Spiel: https://www.swr.de/swr2/kultur-info/philipp-blom-was-auf-dem-spiel-steht/-/id=9597116/did=19972510/nid=9597116/1xblwri/index.html – sollten wir uns der Zukunft verweigern? http://www.deutschlandfunkkultur.de/philipp-blom-was-auf-dem-spiel-steht-die-verweigerung-der.1270.de.html?dram:article_id=392276 , http://www.ndr.de/kultur/Philipp-Blom-ueber-sein-Buch-Was-auf-dem-Spiel-steht,journal952.html )
Es ist inzwischen vernünftig und rational geworden, als Demokrat zu erklären, dieses gewandelte System hat das Grundversprechen der Demokratie gebrochen, denn dieses System – anders als nach 1945 – funktioniert nicht mehr für mich, sondern – im Gegenteil – nur noch ich muss für dieses System funktionieren (ergänze: allein zum Wohle der Reichen und Wohlhabenden)(Philipp Blom). (http://www.fr.de/kultur/rechtspopulismus-alte-ideen-werden-wieder-salonfaehig-a-1413002,0 )
Und so muss man bedauernd konstatieren, dass selbst große Gewerkschaften nicht mehr in der Lage sind, einen Weg aus dem Prekariat der Großkonzerne zu weisen – wie der Arbeitskampf von Verdi zu Weihnachten wieder gezeigt hatte. (https://www.facebook.com/taz.kommune/photos/a.207013419357734.51100.171844246207985/1654781234580938/?type=3 ) Und so werden dann auch gewerkschaftliche Arbeitskämpfe einfach aussichtslos – weil Konzerne das einfach aussitzen können. (http://www.taz.de/!5468827/ )
Sicher wäre es wünschenswert,zum Einstieg in diese Erzählung über die Ungleichheit an diesen 60 Seiten-Bericht zu 100 Jahre Gleichheit/ Ungleichheit in Deutschland der Charlotte Bartels (DIW) kommen ??? Der DGB nennt ihn als Quelle, aber verweist auch nicht genauer auf ihn (http://www.dgb.de/themen/++co++56bb5a86-e589-11e7-a76d-52540088cada )
So ist ja aktuell vielleicht jetzt kein schlechter Zeitpunkt, dass die Diskussion um die Ungleichheit – mit dieser Studie von Piketty & Co. auf eine klare und belastbare Grundlage gestellt werden kann. (https://www.isw-muenchen.de/2017/12/kluft-zwischen-arm-und-reich-in-deutschland-so-gross-wie-vor-100-jahren/ ) Dazu kommen dann noch die aktuellen und weiterführenden Ansätze für ein stabileres Europa!
Nur gleich am Anfang müssen angemessene Ausgangsbedingungen wieder hergestellt werden: In einer klaren Auseinandersetzung für die zukünftige Politik mit der die Gesellschaften zerstörenden Ungleichheit müsste jetzt auch der politische „Sündenfall“ der vergangenen Großen Koalition die Autobahnprivatisierung rückgängig machen!
Weiter: jetzt einen Weg aus der unerträglich werdenden Ungleichheit anpeilen. – Piketty & Co. liefern die Fakten – Und die Politik muss dringend gegensteuern!
Just in dem Ringen der SPD, ob sie es wagen soll zu regieren, legt eine Forschergruppe um den Ökonomen Thomas Piketty (http://wid.world/ , als Hinweis auf sein viel beachtetes Fundamentalwerk „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ siehe das Vorwort von Stephan Kaufmann und Ingo Stützle: https://www.heise.de/tp/features/Was-tun-die-Armen-dem-Kapitalismus-an-3368775.html – und jetzt noch Stephan Kaufmann zu diesen Ungleichheits-Report der über 100 Ökonomen: http://www.fr.de/wirtschaft/ungleichheit-die-grosse-spaltung-a-1408273 ) einen weltweiten Bericht zur gewachsenen Ungleichheit vor (http://wir2018.wid.world/files/download/wir2018-summary-german.pdf ) (= die Ungleichheit ist in Deutschland wieder so groß wie vor 100 Jahren! Das treibt natürlich auch den DGB um (http://www.dgb.de/themen/++co++56bb5a86-e589-11e7-a76d-52540088cada ).
Mehr als 100 Wissenschaftler (Für Deutschland analysierte die Ökonomin Charlotte Bartels vom DIW die Entwicklung seit 1873 auf 60 Seiten (https://www.diw.de/de/diw_01.c.100376.de/ueber_uns/menschen_am_diw_berlin/mitarbeiter/innen/mitarbeiter/innen.html?id=512423&sprache=de oder auch http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_02.c.299805.de&search-0=Bartels und noch eine Arbeit zur Einkommenskonzentration in Deutschland: https://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.523578.de ) trugen zum öffentlichen Portal „wid.world“ bei. (http://wir2018.wid.world/ )
Die Forscher rund um den Bestseller Autor Thomas Piketty warnen, dass die Kluft zwischen arm und reich überall auf der Welt größer wird. Das könnte zu politischen und sozialen Katastrophen führen. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gesellschaft-deutschland-ist-heute-so-ungleich-wie-1.3791665?reduced=true )
Alexander Hagelüken sieht daher für die Politik in Deutschland jetzt die dringende Notwendigkeit gegenzusteuern! (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-jetzt-gegensteuern-1.3791643?reduced=true )
Die Zeiten des Wirtschaftswunders in Deutschland mit einem „Wohlstand für alle“ bleiben nur Erinnerung – ohne Folgen für heute.
Es gab zwar nach dem zweiten Weltkrieg – diese keynesianische Phase mit „Wohlstand für alle“ – die Zeiten des „Wirtschaftswunders“, in denen die Bundesrepublik jahrzehntelang eine Annäherung der Schichten erleben konnte.
Der Historiker Philipp Blom kann das so angemessen beschreiben: Die Gefahren in Richtung eines Faschismus wird durch die sozialen Strukturen bestimmt. In der Nachkriegszeit war es in Europa aus dem Trauma des Zweiten Weltkrieges heraus eine absolute Priorität, eine große soziale Ungleichheit zu vermeiden, relativ transparente und dynamische Gesellschaften zu schaffen, in denen man durch Bildung und Arbeit aufsteigen konnte, sich internationale zu vernetzen und sich nicht national zurückzusetzen. Frieden wurde immer als besser angesehen als Krieg. (http://www.fr.de/kultur/rechtspopulismus-alte-ideen-werden-wieder-salonfaehig-a-1413002,0 )
Jetzt – drei Generationen danach scheint dieses Trauma der Nachkriegszeit die Politik nicht mehr zu bestimmen, stellt Philipp Blom fest. – Aber nicht nur Philipp Blom kann sein ekklatantes Bedauern darüber ausdrücken, sondern auch der Schriftsteller Robert Menasse („Die Hauptstadt“): Das Problem der deutschen Kanzlerin ist ihre – diesbezüglich geschichtsvergessene – DDR-Sozialisation, für die vor allem das Erringen der Freiheit (Reisefreiheit) die wunderbare Errungenschaft war und die somit nicht mehr aus dem Trauma des Krieges heraus überhaupt denken und entsprechend handeln konnte. (http://www.fr.de/kultur/europapolitik-merkels-problem-ist-ihre-ddr-sozialisation-a-1352268,3 )
Das Ziel des Kanzlers Kohl war es, Europa einfach als Geschichtsziel zu verstehen,das war Merkels Sache nicht mehr. So „verkam“ es zur lediglich nationalen Interessenoptimierung.
Der Freiheit ging dabei die Gleichheit als gesellschaftliches Ziel auch für Europa verloren.
Doch seit den 80-er Jahren nehmen in Deutschland und anderen Indurtriestaaten die Unterschiede – und zwar gravierend – zu. (http://www.wn.de/Welt/Thema/3090278-Piketty-Studie-Einkommens-Ungleichheit-in-Deutschland-so-gross-wie-1913 )
So hat sich in Deutschland der Anteil der unteren Hälfte am Gesamteinkommen seit den 1960-er Jahren halbiert.
Und die Fakten zeigen, dass die Bundesrepbulik – auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen – ein Problem der Verteilung hat: 40 Prozent der Beschäftigten verdienen heute nach Inflation weniger als noch vor 20 Jahren. (https://www.isw-muenchen.de/2017/12/kluft-zwischen-arm-und-reich-in-deutschland-so-gross-wie-vor-100-jahren/ )
Viele aus der Mittel- und Unterschicht stagnieren finanziell. (vgl. dazu auch Stefan Bach und Michelle Harnisch „Steuerpolitik zwischen Jamaika und GroKo – Untere und mittlere Einkommen entlasten“ (https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.573546.de/diw_aktuell_6.pdf )
Kein Wunder, dass hier der Frust wächst – und die für Parolen von Rechtspopulisten wie Trump oder Politikern von der AfD empfänglicher werden. (http://www.fr.de/wirtschaft/ungleichheit-die-grosse-spaltung-a-1408273 . Und wer noch einmal die Diskussion um dieses Standardwerk von Thomas Piketty aufgreifen will, der kann es hiermit tun: https://www.labournet.de/?p=57990)
In der Verteilungs-Debatte gibt es ein neues Argument: Die ausufernde Privatisierung durch die Politik zugunsten der gewaltigen Kapitalmassen beraubt die Staaten ihrer Möglichkeit zur Bekämpfung der wachsenden Ungleichheit. – Mit einer neuen Regierung die Autobahnprivatisierung rückgängig machen! –
Seit 1980 sind in den Industrie- genauso wie in den Schwellenländern riesige Mengen an Staatsvermögern in private Hände transferiert worden. Während sich die privaten Vermögen nach Abzug der Schulden auf 400 bis 700 Prozent des nationaleinkommens verdoppelt hätten, habe der Staat selbst kaum noch Vermögen.Oder mit den Worten der Autoren der Studie: „In den vergangenen Jahrzehnten sind die Länder reicher geworden, aber die Regierungen sind verarmt.
Aber darüber darf die gewaltige Steuerflucht der Reichen und Konzerne in Europa nicht vergessen werden.
Die gewaltige Steuervermeidung in der „Steueroase Deutschland“ trug auch noch das das Ihre zu der öffentlichen Armut bei (http://www.fabio-de-masi.de/de/article/1801.deutschland-gangsta-s-paradise.html ). Dadurch haben die Regierungen weniger Spielraum zur Regulierung der Wirtschaft, zur Umverteilung von Einkommen und zur Bekämpfung der wachsenden Ungleichheit.
Für eine neue Große Koalition hieße das auch, dass zunächst die Autobahnprivatisierung zugunsten der Reichen (https://www.labournet.de/?p=114243) „auf der Stelle“ wieder rückgängig gemacht werden müsste – was im übrigen Martin Schulz schon versprochen hatte.
Diese die soziale Spaltung verschärfende Umgestaltung zur marktkonformen Demokratie – als Fass ohne Boden für den Steuerzahler – (https://www.labournet.de/?p=121775) durch eine Autobahnprivatisierung – müsste für eine weitere GroKo als nicht zukunftsfähig „abgeräumt“ werden.
Dennoch: In Europa tut sich etwas!
Einiges lässt sich z.B. über Portugal und den portugiesischen Finanzminister Centeno in der Eurokrise sagen? (Vgl. das „Sozialistische Wirtschaftswunder in Portugal“: http://www.tagesspiegel.de/politik/erfolgreicher-sparkurs-von-costa-das-sozialistische-wirtschaftswunder-in-portugal/19861936.html )
Wie auch immer du in deiner eigenen Wahrnehmung drinhängst – aber in Europa tut sich etwas – auch ohne ein bisher politisch handlungsfähiges Deutschland: „Wir können unsere Arbeit in der Kommission nicht einstellen, weil in einem Land gewählt wird und in einem anderen Land versucht wird,eine Regierungskoalition zu bilden.“ (Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis)
Und nicht nur Bofinger (siehe weiter unten) erkennt die Chancen gerade jetzt für Europa einiges wieder voranzubringen, sondern EU-Kommissions-Präsident Juncker hat mit der EU-Kommission jetzt wohl mit seinen Zukunftsplanungen „zugelangt“ – und wie Alexander Mühlauer in der Süddeutschen (2. / 3. Dezember / Wirtschaftsteil – Seite 27) es vorträgt, auch gleich den ganzen Konfliktstoff in diesen „Euro-Rettungsfonds“ mit einem Notfall-Instrument reingepackt – ohne den Extra-Haushalt für die Euro-Zone mit einem Euro-Finanzminister und seinen möglichen Kompetenzen zu vergessen. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/reform-der-euro-zone-eu-kommission-plant-zusaetzlichen-notfall-fonds-1.3773978 )
Und Mühlauer stellt dazu noch fest, der Zeitpunkt jetzt ist für die Währungsunion günstig. Die Wirtschaft im Euro-Raum hat sich erholt – und politisch gibt es bis zu den Europawahlen im Jahr 2019 ein seltenes Zeitfenster, das die Staats- und Regierungschefs nutzen wollen. Thorsten Knuf in der Frankfurter Rundschau betrachtet diese Pläne zur Reform der Währungsunion, die am Mittwoch, den 6.Dezember (Nikolaus) von der Kommission vorgestellt wurden, als drei Baustellen:
Erste Baustelle: Es geht darum, ein Budget für die Eurozone zu schaffen. Das ist ein Anliegen auch des französischen Staatspräsidenten Macron, für das er wirbt. Gegenüber den Plänen von Macron ist die Kommission zurückhaltender.
So spricht der EU-Währungskommissar Pierre Moscovici davon, dass Solidarität in Europa nicht nur durch Zuschüsse, sondern auch durch Kredite geübt werden könne. Diese Kredite müssten ja zurückgezahlt werden und wären ganz etwas anderes als Geldtransfers, gegen die in Deutschland während der Jamaika-Sondierungen die FDP so Stimmung machte. (= regieren die also jetzt „indirekt“ auch mit?)
Aber auch bei einer Stabilisierung der Arbeitslosenversicherung werden in Deutschland Pawlowsche Reflexe ausgelöst (ein EU-Diplomat)(Zur Frage einer Europäischen Arbeitslosenversicherung siehe z.B. „Jetzt: Eine Europäische Arbeitslosenversicherung für die soziale Dimension von Europa, aber auch um assymetrische Krisen-Schocks zu dämpfen“ bei https://www.labournet.de/?p=109359)
Zweite Baustelle: Die Kommission befürwortet einen Finanzminister für die ganze Eurozone. (Hier könnten sich auch neue europäische Konstellationen abzeichnen (http://www.tagesspiegel.de/politik/erfolgreicher-sparkurs-von-costa-das-sozialistische-wirtschaftswunder-in-portugal/19861936.html )da die europäischen Finanzminister jetzt gerade am Montag den portugiesischen Finanzminister Mario Centeno als Nachfolger des Niederländers Dijsselbloem zum Präsidenten der Euro-Gruppe (= die Finanzminister der Eurozone) gewählt haben. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nachfolger-von-dijsselbloem-portugiese-centeno-wird-neuer-eurogruppen-chef-1.3777963 )
Mario Centeno hatte nicht nur als Unabhängier bei den Sozialisten das Wahlprogramm für die Regierung Costa mitverfasst, sondern er wurde auch gleich in der Linksregierung, die Sozialisten-Chef Costa bildete, portugiesischer Wirtschaftsminister. (http://www.taz.de/!5467510/ )
Und die neue Costa-Regierung weichte nicht nur die vorherige Sparpolitik auf, sondern sie hatte damit auch wirtschaftspolitisch Erfolg. Das zweite Jahr in Folge wird Portugal unter der drei Prozent-Hürde für das Defizit bleiben, trotz steigender Sozialausgaben und teilweiser Rücknahme der Sparpolitik der konservativen Vorgänger-Regierung.
Schäuble war davon anfangs alles andere als begeistert. Er prophezeite Portugal gar den Staatsbankrott und die Notwendigkeit eines weiteren Rettungspaketes – und lag damit falsch. (http://www.taz.de/!5467510/ )
Dritte Baustelle: Der Euro-Rettungsmechanismus soll zu einem Europäischen Währungsfonds weiterentwickelt werden. (Vgl. dazu schon 2012 Stephan Schulmeister „The European Monetary Fund“: http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/OFCE_Schulmeister.pdf )
Und Alexander Mühlbauer bemerkt dazu noch: Sollten sich die Mitgliedstaaten auf solch ein Konzept einigen, wäre nicht einmal eine Änderung der EU-Verträge nötig. Eine solche gilt derzeit als nicht durchsetzbar. (Volksabstimmungen erforderlich)
Diese Ideen der Kommission, die am Mittwoch in Brüssel von der Kommission vorgestellt werden, dürften in Deutschland einigen Wirbel auslösen – und auch die möglichen Gespräche zur Regierungsbildung zwischen Union und SPD beeinflussen.
Martin Schulz hat ambitionierte EU-Reformen bereits zur Bedingung für eine Zusammenarbeit mit der Union erklärt, dennoch liefert Juncker jetzt erst einmal wieder mehr Merkel als Macron.
Und dieses Engagement für eine stärkere gemeinsame Europäische Union wird wohl bitter nötig werden, denn bei aller Anstrengung der Kommission bei ihren jetzigen Vorschlägen hat sie sich keineswegs aus den so den Süden vom Norden spaltenden Engführungen, für die bisher Deutschland die Ursache war, gelöst, und wie die TAZ bedauernd feststellt „mehr Merkel als Macron“ geliefert. (http://www.taz.de/!5464884/ )
Deshalb meint Kai Schöneberg: Noch gibt es gegen dieses Nikolauspaket der Kommission zwei – gar nicht so kleine – Hoffnungen: Erstens: Die EU-Staaten machen bei diesem „Nikolausplan“ nicht mit, bei dem sich der EU-Kommissionspräsident nach alter Gewohnheit wie ein Schoßhündchen an der langen Leine von Berlin verhalten hat. Zweitens: Die mögliche CDU-Koalitionärin in Berlin, die SPD, macht bestimmt nicht mit. (http://www.taz.de/!5464884/ )
Im Juni 2018 soll es konkrete Entscheidungen geben. Dann auch wieder mit einer handlungsfähigen Bundesregierung. (falls diese europapolitisch einen zukunftsweisenden Konsens – auch in Richtung Frankreich – gefunden hat.)
Derweilen hat das Europarlament auch einen Schritt voran beim Klimaschutz gemacht – durch eine Reform des Emmissionshandels. (http://www.joleinen.de/Pressedetail.24.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=1548&cHash=0a419259925be5e58384ac033b049b14 )
Dazu ist es dann auch erhellend, wie nachhaltig die Bundesrepublik Deutschland selber ist (https://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_131_2017.pdf ).
Again: It`s the economy, stupid! GroKo könnte zur Sternstunde für Europa werden (Peter Bofinger)
Während sich die Diskussion über die Große Koalition (SPD – CDU/CSU) noch im emotionalen „Klein-Klein“ der jeweiligen Befindlichkeiten verläuft, – z.B. Klaus Staeck (http://www.fr.de/politik/meinung/kolumnen/spd-respekt-vor-martin-schulz-a-1397777 ) – schreibt der von den Gewerkschaften nominierte Wirtschaftsweise, Peter Bofinger, der die aktuelle Geschichte mehr in den langfristigen großen Dimensionen zu verstehen versucht, von der Möglichkeit einer GroKo als einer Sternstunde für Europa. (http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-scheitern-als-chance-1.3770732 )
Das Scheitern einer Jamaika-Koalition, die nichts gutes für die Zukunft Europas bedeutet hätte, (vgl. z.B. „Kann Europa (der Euro) eine Jamaika-Koalition in Deutschland überstehen?“ (https://www.labournet.de/?p=123213 – dort insbesondere ab dem Abschnitt: „Mit Jamaika also eine Rückkehr zur Schuldenkrise mit einer existentiellen Bedrohung der europäischen Währungsunion?“ (= Seite 3 unten ff.) sowie weiter „Kein Finanzministerium für die FDP. Der Spread innerhalb der Staatsanleihen in Europa wird ohne Ausgleich dieses Europa preisgeben“ (Seite 7 f.)) betrachtet Bofinger nun als einen Verdienst von Christian Lindner – man muss die Leute ja loben, wie es ihnen gebührt -, anstelle von Partnern hätten die Jamaika-Koalitionäre sich gegenseitig paralysiert.
Auch die Kritik am Anleihe-Programm der EZB erweist sich wohl als zu kurz gegriffene Schimäre: Denn bei einem frühzeitigen Ausstieg der EZB würde das Wachstum in Europa eingeschränkt: wie das DIW gerade noch einmal vorgerechnet hatte: Der frühzeitige Ausstieg der Europäischen Zentralbank aus dem Anleihekaufprogramm dürfte Wachstum und Inflation bremsen (https://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.572682.de )
Auch wenn die Wähler es anders sehen, so war die Große Koalition doch wirtschaftspolitisch erfolgreich. Die Einführung des Mindeslohns hat sich trotz vielseitiger Kassandra-Rufe – marktfixierter – deutscher Ökonomen auch ökonomisch bewährt. (Zum Thema „Armut und Reichtum“ siehe noch aktuell: https://www.boeckler.de/pdf/p_imk_pb_6_2017.pdf )
Dennoch ergeben sich nach den neuesten Befragungen der Beschäftigten auch noch deutliche Lücken bei der Durchsetzung des Mindestlohnes in Deutschland, die die von der Bundesregierung eingesetzte Mindestlohnkommission einfach „systematisch“ übersieht. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mindestlohn-arbeitgeber-tricksen-beim-mindestlohn-1.3779502 ) Das hat das DIW durch die direkte Befragung der Beschäftigten noch aufdecken können (http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.572667.de ). Was den DGB natürlich veranlasst gleich nachzuhaken. (http://www.dgb.de/presse/++co++89c2e1b8-d9d8-11e7-a8a6-52540088cada )
Und was ist mit der Rente, bei der die Probleme größer werden – auch durch die falsche „System“-Entscheidung zur kapitalgedeckte Rente?
Dei Finanzmarktkrise hatte mssive Auswirkungen auf kapitalgedeckte Renten. Zwar folgte auf den Crash eine Erholung, aber die Fragilität der Finanzmärkte bleibt ein erhebliches Risiko.
Vor diesem Hintergrund und angesichts des anhaltenden Niedrigzinsniveaus entpuppt sich die Verlagerung der Rente auf die Kapitaldeckung als langfristig problematisch. (http://library.fes.de/pdf-files/wiso/13775.pdf )
Soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Dynamik widersprechen sich nicht
Trotz dieser noch vorhandenen Defizite beim Mindestlohn stiegen Wachstum und Beschäftigung stärker als vorher – von 1991 bis 2013.
Und viele Ökonomen haben eben nicht erkannt, dass sich mehr soziale Gerechtigkeit und wirtschaftsliche Dynamik nicht widersprechen müssen – was übrigens schon Ludwig Erhard mit seinem Konzept „Wohlstand für alle“ berücksichtigte. Und dafür steht auch der neue Euro-Gruppen-Vorsitzende Centeno aus Portugal. (http://www.taz.de/!5467510/ ) Und diese Entscheidung ist auch von hohem Symbolwert, wie Reiner Wandler in der TAZ schreibt.
Für die neue Legislaturperiode sollte es dann vor allem darum gehen, deutlich mehr Mittel für die Bildung einzusetzen. Und weiter sind jetzt insbesonders für die Zukunft Investitionen – vor allem in den sozialen Wohnungsbau erforderlich.
Und dafür wäre die Streichung des Solidaritätszuschlags – auch so ein ein Lieblingsprojekt von FDP-Lindner – ökonomisch kontraproduktiv (https://makronom.de/solidaritaetszuschlag-steuern-warum-der-soli-auf-keinen-fall-ersatzlos-gestrichen-werden-sollte-23792 ) und ein gerechter Lohnsteuertarif ohne Soli (https://www.boeckler.de/pdf/p_imk_pb_5_2017.pdf )(Siehe dazu auch Bach / Harnisch „Steuerpolitik zwischen Jamaika und Groko – Untere und mittlere Einkommen entlasten“: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.573546.de/diw_aktuell_6.pdf )
Dadurch würden gerade die Bezieher hoher Einkommen am stärksten entlastet, deren Steuerbelastung schon jetzt niedriger ist, als in der ganzen Phase von 1949 bis 2003. Abgabensenkungen sollte es deshalb nur für Geringverdiener geben. (http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-scheitern-als-chance-1.3770732 )
Und gerade für Europa hat eine GroKo sehr viel mehr zu bieten als Jamaika.
Mit dem bloß marktliberalen Konzept der Lindner-FDP wären kaum nennenswerte Schritte in Richtung einer Stärkung Europas durch eine wirtschaftspolitische Integration möglich gewesen. (Vgl. auch „Der schreckliche Alptraum im Elysee von Frankreich: Radikaler als alle Eurogegner könnte eine CDU-FDP-Koalition die gemeinsame Währung – den Euro – längerfristig zerstören“ – auf der Seite 2 bei https://www.labournet.de/?p=123213)
Nun aber sind weiter die Wege offen gegen ein Sozial- und Steuerdumping in Europa (Entsende-Richtlinie und Untergrenzen für Unternehmens-Steuern) – und nicht zuletzt für eine aktive Industriepolitik (Stichwort: China) wie sie auch Macron vorschwebt.
Zur gedanklich so produktiven Rolle von Peter Bofinger innerhalb der deutschen Ökonomen muss man dann nur die Diskussion im letzten SVR-Gutachten betrachten, wo Ulrike Herrmann dann feststellen musste, dass Ideologie die statistische Faktenlage ersetze – um weiter eine Expertise für Reiche hervorbringen zu können. (Vgl. dazu https://www.labournet.de/?p=123749) – insbesonders auch den Link am Schluss zur Sendung der Anstalt „Wie der Neoliberalismus an die Macht kam – und blieb“!)
- Siehe zum Hintergrund unser Dossier: Debatte um Ungleichheit und Umverteilung