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Die (un)soziale CO₂-Steuer, Klimageld und Klimapolitik
Dossier
„Mit der Sorge um die kleinen Leute begründen die Unionsparteien ihre Absage an die angeblich unsoziale CO2-Steuer. Wer genauer hinschaut, kann erkennen: Eine intelligente CO2-Bepreisung könnte Einkommensschwächeren zum Vorteil gereichen. (…) Die „Berechnung“ ist von offensichtlich bestechender Einfachheit: Auf den aktuellen Preis fürs Produkt oder die Dienstleistung wird entsprechend des jeweiligen CO2-Fußabdrucks die Steuer anteilig draufgepackt – als würde alles schon am morgigen Tag gelten (was nicht einmal die jungen Aktivisten verlangen). (…) Eine ähnliche Rigorosität sucht man bei anderen, viel stärker in die Verteilung eingreifenden Steuern wie bei denen auf Erbschaften und Vermögen vergebens. (…) Eine andere Idee wäre, Haushalten, die von Stromsperren bedroht oder betroffen sind, aus der CO2-Steuer einen Teil ihrer Stromrechnung zu finanzieren – und den Umstieg auf Ökostrom gleich mit. Wer könnte etwas dagegen haben?…“ Kommentar von Jörg Staude vom 6. Mai 2019 bei den Klimareportern und weitere Kommentare/Konzepte:
- CO₂-Bepreisung stärken, Klimageld einführen, Anpassungskosten verringern – Ökonomen für gerechtes Klimageld: Genug für Arme, nichts für Reiche
- Ökonomen für gerechtes Klimageld: Genug für Arme, nichts für Reiche
„Der CO2-Preis wird steigen. Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung fordern ein Klimageld als Ausgleich für steigende Energiekosten.
Kein Klimageld für Reiche – das ist die Botschaft einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Wenn der Staat einen finanziellen Ausgleich für steigende Energiekosten zahlt, dann sollte er sich auf untere Einkommensgruppen konzentrieren, so DIW-Ökonom:innen in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie. Mit Blick auf die hohen Belastungen durch steigende Energiekosten für Haushalte mit wenig Geld mahnen die Wissenschaftler:innen die Einführung eines Klimageldes an. Die einkommensstärksten 30 Prozent der Bürger:innen sollen es allerdings nicht bekommen. So sollen genug Mittel für diejenigen zur Verfügung stehen, bei denen steigende Energiekosten zu besonderen Härten führen und bei denen ein Klimageld die Mehrbelastung nicht ausgleicht.
Der Hintergrund: Ein zentrales Instrument der Klimapolitik ist der CO2-Preis. Er liegt zurzeit bei 45 Euro pro ausgestoßener Tonne Kohlendioxid. Die Bundesregierung hat beschlossen, den Preis 2025 auf 55 Euro anzuheben. 2026 soll er bei 65 Euro liegen. Dadurch werden die Kosten für fossile Energien steigen, Wärme und Sprit werden teurer. Ab 2027 soll der CO2-Preis auf europäischer Ebene festgelegt werden. Expert:innen erwarten dann einen sprunghaften Anstieg, der bei bis zu 200 Euro liegen könnte. „Ohne Entlastungen für die Bürger führt der steigende CO2-Preis zu einer ungleicheren Einkommensverteilung“, warnt DIW-Ökonom Stefan Bach. Denn Ärmere geben einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie und Mobilität aus. (…) Über solche Entlastungen – Klimageld oder Klimaprämie genannt – wird seit Jahren diskutiert. Es soll unbürokratisch ausgezahlt werden. „So würde es auch diejenigen erreichen, die Sozialleistungen nicht beantragen, obwohl sie Anspruch darauf haben“, sagt Bach. Das sind etwa die sogenannten „working poor“ – jene, die trotz Arbeit arm sind. Oder arme Rentnerinnen, die die Grundsicherung im Alter häufig nicht in Anspruch nehmen. Finanziert werden könnte das Klimageld aus den Einnahmen aus dem CO2-Preis. Die Ampel will es laut Koalitionsvertrag zwar einführen, stellt dafür aber bislang kein Geld bereit. (…)
Viele Modelle für ein Klimageld sehen einen Beitrag in gleicher Höhe für alle vor. Weil Gutverdienende aufgrund ihres höheren Konsums mehr Sprit und Wärme verbrauchen, bleibt bei denen mit wenig Geld mehr über, so die Idee. Aber: Der CO2-Preis trifft Arme und Reiche nicht gleich. „Haushalte mit gutem und sehr hohem Verdienst sind in Relation zu ihren Einkommen weniger stark von der CO2-Bepreisung betroffen“, sagt Bach. „Wer viel Geld hat, lässt sein Haus energetisch sanieren oder kauft ein Elektroauto, was ja auch noch üppig von Staat gefördert wird.“ Wer in einer unsanierten Mietwohnung lebt, kann kaum etwas dagegen unternehmen. Die meisten Besser- und Hochverdienenden brauchen deshalb kein Klimageld, sagt er. Gleichzeitig reicht es für manche Arme nicht, wenn die einen hohen Energieverbrauch haben. (…) In den einkommensschwächsten Gruppen gäbe es zahlreiche Härtefälle, die trotz Klimageld stark belastet würden. Gerade Bürger:innen mit wenig Geld können häufig an ihrem Energiebedarf nichts ändern, etwa weil sie sich neue energieeffiziente Elektrogeräte nicht leisten können. Würden nur Bürger:innen mit niedrigen und mittleren Einkommen das Klimageld bekommen, würden genug Mittel für gezielte Fördermaßnahmen für Härtemittel frei, so die Wissenschaftler:innen. Weil eine Einkommensprüfung bei der Auszahlung des Klimageldes zu aufwendig ist, schlagen die Ökonom:innen vor, dass der Staat sich den Betrag bei den Wohlhabenden über die Einkommenssteuer zurückholt…“ Artikel von Anja Krüger vom 16.10.2024 in der taz online zu: - Verkehrs- und Wärmewende: CO₂-Bepreisung stärken, Klimageld einführen, Anpassungskosten verringern
„Untersucht werden die Verteilungswirkungen von langfristig erhöhten Preisen fossiler Energieträger, einschließlich der CO₂-Bepreisung, bei privaten Haushalten; Hohe Energiepreise belasten ärmere Haushalte stärker, ein einheitliches Klimageld kann dem entgegenwirken; Für Härtefälle mit hohem Energieverbrauch sind besondere Hilfen notwendig; Anhebung des CO₂-Preises auf langfristig bis zu 150 Euro je Tonne könnte die CO₂-Emissionen der privaten Haushalte um bis zu 33 Prozent reduzieren; Verringerung der Anpassungskosten senkt die Belastung der Haushalte und stärkt die Emissionseinsparung…“ DIW Wochenbericht 23 /2023 von Stefan Bach, Hermann Buslei, Lars Felder und Peter Haan
- Ökonomen für gerechtes Klimageld: Genug für Arme, nichts für Reiche
- CO2-Preiserhöhung 2024: Kritik von allen Seiten
„… Die geplante Erhöhung des CO2-Preises ohne sozialen Ausgleich wird von Oppositionsparteien, Sozialverbänden, Wirtschaftsweisen und großen Teilen der Klimabewegung kritisiert. Auch aus zwei Nachwuchsorganisationen der Ampel-Parteien kommt Widerspruch. (…) Insgesamt würden sich die Mehrkosten für eine vierköpfige Familie allein für Gas auf 317 Euro belaufen. (…) „Menschen mit geringen und mittleren Einkommen werden draufzahlen“, kritisiert nicht nur Linkspartei-Chefin Janine Wissler. Ohne ein ausgleichendes Klimageld entstehe eine „soziale Unwucht“, sagte Juso-Chef Philipp Türmer am Freitagmorgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Geringverdienende würden dadurch im Verhältnis stärker belastet. (…) Ähnlich äußerte sich der Sozialverband VdK : Nur durch ein Klimageld könne verhindert werden, „dass durch eine immer weitere Erhöhung des CO2-Preises die Bekämpfung des Klimawandels auf dem Rücken der Menschen mit wenig Einkommen ausgetragen wird“, erklärte dessen Präsidentin Verena Bentele. Auch die deutsche Sektion des Klimaschutz-Netzwerks Fridays for Future stellte nach der Haushaltseinigung klar, dass die CO2-Bepreisung ohne Sozialausgleich nicht seinen Forderungen entspricht. Die ehemalige Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, stimmte mit ein. Noch schärfer fiel die Kritik in einer Stellungnahme der Klima-Initiative „Letzte Generation“ aus: „Lieber den CO2-Preis heben und das Leben für die Armen und die Mitte der Gesellschaft noch teurer machen, ohne dass die Reichen irgendwelche Konsequenzen zu spüren bekommen? Liebe Regierung, für wen macht ihr Politik?“ (…) Die rechte Opposition in Gestalt der AfD, die Klimaschutz generell für überflüssig hält, versucht derweil aus dem Frust über die Teuerungspläne der „Ampel-Versager“ Kapital zu schlagen und fordert Neuwahlen…“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 15. Dezember 2023 in Telepolis - Nachhaltigkeitsforscher über Klimapolitik: „Der CO₂-Preis kann kein Leitinstrument sein“
„Selbst CO2-Preise bis 100 Euro je Tonne haben bisher kaum Investitionen ausgelöst und die Energiewende vorangetrieben, kritisiert Johan Lilliestam, Energieexperte am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung IASS in Potsdam. Entscheidend ist für ihn ein gezielter Policy-Mix, der auch „weiche“ Faktoren berücksichtigt. (…) Ab einem bestimmten Preis ändert sich die Reihenfolge: Bei niedrigen CO2-Preisen ist Kohlestrom billiger als Gasstrom. Irgendwann aber kommt der Punkt, an dem sich das umdreht. Das ist in den letzten Jahren im europäischen Stromsektor vermutlich passiert und erklärt zu einem Teil den Niedergang der Kohlekraft, zum Beispiel in Großbritannien und Deutschland. Der Vorgang zeigt, dass CO2-Preise einen wichtigen Effekt auslösen können: Sie können helfen, nicht mehr gewünschte CO2-intensive Technologien aus dem System zu drängen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine Alternative bereitsteht, um die Lücke zu füllen. Im Stromsektor war und ist das der Fall: Der wegfallende Kohlestrom wird durch Strom aus Erneuerbaren und aus Gas von bestehenden Anlagen ersetzt. Unsere Untersuchung konnte aber nicht bestätigen, dass CO2-Preise Investitionen in CO2-freie Technologien auslösen. (…) Es gibt keine empirischen Belege, dass ein CO2-Preis allein oder, wie oft vorgeschlagen, als „Leitinstrument“ das Problem lösen kann. Stattdessen muss ein sektorspezifischer Mix von Maßnahmen her, der gezielt auf die tatsächlichen Hindernisse gerichtet ist. Oft stehen andere Barrieren als Kosten dem Systemwandel im Wege. Im Mobilitätssektor zum Beispiel behindern nicht allein die Kosten von E-Autos die Verkehrswende, sondern auch der Mangel an Ladestationen. Dem kann durch eine CO2-Steuer nicht abgeholfen werden, wohl aber durch Einnahmen aus der CO2-Steuer, wenn diese richtig investiert werden. Gerade im Autosektor haben Preise, wie wir wissen, eine begrenzte Wirkung: Ein SUV ist bestimmt nicht das kostengünstigste Transportmittel – dennoch wächst dieses Segment stark…“ Interview von Jörg Staude vom 22. Januar 2021 bei Klimareportern - Die Nebenwirkungen der CO2-Bepreisung
„Seit dem 01. Januar 2021 gilt ein zusätzlicher Preis auf fossile Heiz- und Kraftstoffe. Die zusätzlichen Kosten verschärfen den Druck aufs Portemonnaie, ohne dass mehr Investitionen folgen. Hier muss nachgebessert werden. (…). Schon 2019 hatte der DGB darauf hingewiesen, dass ein sozialer Ausgleich bei höherem CO2-Preis zu beachten ist. Auch hat sich der DGB für ein massives Investitionsprogramm ausgesprochen, um die notwendigen klimafreundlichen Alternativen zu schaffen. Denn alle marktorientierten Anreize und regulatorischen Maßnahmen werden ihre Lenkungswirkung verfehlen, wenn keine klimafreundlichen Alternativen zur Verfügung stehen. Ob Alternativen geschaffen werden, hängt zumeist nicht vom einzelnen Verbraucher ab. Mieterinnen und Mieter beispielsweise haben keinen Einfluss darauf, welche Heizungsanlage in ihrem Haus bzw. in ihrer Wohnung installiert ist und ob energetische Gebäudesanierungsmaßnahmen durchgeführt werden oder nicht. Die Mehrkosten durch den CO2-Preis müssen sie dennoch zahlen. Hier wirkt der CO2-Preis unmittelbar auf kleine und mittlere Einkommen und verschärft die Problematik um bezahlbare Wohnungen. Zwar hat die Bundesregierung eine Erhöhung des Wohngeldes beschlossen, um soziale Härten durch die gestiegenen Heizkosten auszugleichen. Jedoch profitieren davon nur rund drei Prozent der Mieterhaushalte. Eine mögliche Entlastung für Mieterinnen und Mieter könnte darin bestehen, dass Vermieterinnen und Vermieter die Zusatzkosten tragen bzw. im großen Umfang daran beteiligt werden. Damit würden die Kosten bei denen ankommen, die die Investitionsentscheidung für klimafreundliche Alternativen treffen. Obwohl der CO2-Preis schon eingeführt ist, hat die Politik noch kein Konzept beschlossen, um die Mieter und Mieterinnen vor zusätzlichen Belastungen zu schützen. Stefan Körzell vom DGB sagt dazu: „Die Mietkosten sind in den letzten Jahren explodiert, ohne dass entsprechende Lohnzuwächse dies hätten kompensieren können. Die zusätzlichen Heiz- und Fahrtkosten verschärfen den Druck aufs Portemonnaie, ohne dass mehr Investitionen folgen. Nur wenige Beschäftigte mit geringem oder mittlerem Einkommen werden ausreichend entlastet. So hilft die CO2-Abgabe weder dem Klima, noch schafft sie Vertrauen in eine gerechte Gestaltung der Transformation.“ DGB-Kritik vom 21. Januar 2021 - Die CO2-Bepreisung wird erweitert – und das ist nicht nur eine klimapolitische Angelegenheit, sondern auch eine verteilungspolitische Frage
„»Privatleute und Firmen zahlen 2021 insgesamt rund 6 Milliarden Euro mehr für Benzin, Gas und Heizöl. Gerecht verteilt werden die Kosten nicht«, meint Hannes Koch in seinem Artikel Heizen und tanken werden teurer. Die genannten 6 Mrd. Euro sind der ungefähre Preis, den die Privathaushalte und Unternehmen demnächst pro Jahr zusätzlich für Klimaschutz bezahlen werden – denn Deutschland startet am 1. Januar 2021 seinen Emissionshandel für das Verkehrswesen und die Heizenergie. Anfangs „wird jede Tonne Kohlendioxid aus Automotoren und Gebäudeheizungen 25 Euro kosten“, erklärte Christoph Kühleis, kommissarischer Abteilungsleiter beim Umweltbundesamt, der den neuen Handel mit seinen Mitarbeitern in die Praxis umsetzt. Zu diesem Preis müssen Mineralölkonzerne und andere Energiehändler Verschmutzungszertifikate kaufen, deren Kosten sie an ihre Kunden weiterreichen dürften. (…) Allerdings: Die entstehenden Kosten den Verbrauchen und Betrieben aufzubrummen, war eine politische Entscheidung von Union und SPD. Man muss wissen: Andere Modelle, bei denen die Bürger die Mehrkosten zurückerhalten hätten, »verwarf die Koalition bei den Verhandlungen über das Klimapaket vor einem Jahr. Vorschläge, besonders Leute mit niedrigen Einkommen zu entlasten, wurden ebenfalls ignoriert.« (…) Es gibt aber nicht nur generell eine höhere Belastung: Bestimmte „Bevölkerungsgruppen und auch individuelle Verbraucher können profitieren“. Wie das? »Einerseits macht sich die höhere Entfernungspauschale bemerkbar, die die Steuerlast senkt. Andererseits lässt sich der Emissionshandelsaufschlag beispielsweise auf die Benzinkosten vermeiden, indem ein E-Auto erworben wird. Eine weitere Variante: „Fährt man mit öffentlichen Verkehrsmitteln, kann man die Pendlerpauschale trotzdem in Anspruch nehmen und bekommt mehr raus, als man zahlt“.« (…) »Trotzdem kommt die soziale Komponente zu kurz. Leute mit niedrigen Einkommen werden oft draufzahlen, weil sie etwa nicht genug Geld besitzen, den alten Diesel durch ein teures E-Auto zu ersetzen«, so Hannes Koch in seinem Artikel. Und das muss nicht so sein, denn: Grundsätzlich lässt sich die soziale Schieflage mildern oder beseitigen, indem die Einnahmen des Emissionshandels so zurückerstattet werden, dass alle Bürger dieselbe Summe erhalten. Folge einer solchen Ausgestaltung: Dann würden wohlhabende Vielverbraucher draufzahlen, während ärmere Wenigverbraucher profitieren. Ein solches Modell hatte der Ökonom Ottmar Edenhofer vorgeschlagen, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Seine Berechnungen zeigten, dass es möglich ist, Kleinverdiener und Mittelschichtsfamilien zu entlasten, während Wohlhabende unter dem Strich höhere Energiekosten zu tragen hätten. Aber das wollte die Große Koalition nicht. (…) Angesichts der nicht nur generellen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes existenziellen Bedeutung des Wohnens ist dann dieser abschließende Passus von besonderem Interesse: Bei den Heizkosten ist die Kostenüberwälzung jedoch umstritten. »Die SPD-geführten Bundesministerien für Finanzen, Umwelt und Justiz haben vorgeschlagen, die zusätzlichen Heizkosten zu gleichen Teilen zwischen Mietern und Vermietern aufzuteilen. Der Deutsche Mieterbund fordert, dass der CO2-Preis vollständig von den Vermietern getragen wird.«“ Beitrag von Stefan Sell vom 3. Januar 2021 auf seiner Homepage - Dreckiger Kompromiss: Bund und Länder einigen sich auf Details zu CO2-Steuer – DGB: „Sozialen Ausgleich bei höherem CO2-Preis beachten“
„Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat wurde in der Nacht zum Montag ein Kompromiss zur CO2-Steuer erzielt. Diese ist im Klimapaket der Bundesregierung enthalten, das der Bundestag Mitte November mit den Stimmen der Koalition gegen jene der Opposition beschlossen hatte. Allerdings enthält das Paket auch steuerpolitische Maßnahmen, bei denen die Länder ein Mitspracherecht haben. Diese wiederum waren vor allem mit der vorgesehenen Verteilung der Steuereinnahmen nicht einverstanden – und aktivierten den Vermittlungsausschuss. Die erreichte Einigung zur aus politischen Gründen CO2-Preis genannten CO2-Steuer sieht vor, dass der Ausstoß einer Tonne des Treibhausgases ab 2021 nicht zehn, sondern 25 Euro extra kosten soll. Bis 2025 soll der Preis auf 55 Euro steigen statt, wie bisher geplant, auf 35. Im Gegenzug sollen die höheren Einnahmen genutzt werden, die EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energieträger stärker abzusenken als bisher geplant. Und die Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer soll um acht statt um fünf Cent steigen. Diese Maßnahmen dürften sich bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Erderwärmung weitestgehend neutralisieren. (…) das Preiskonzept der Bundesregierung spielt ökologische und soziale Belange gegeneinander aus. Ein niedriger Preis ist ökologisch nutzlos, da er das Verhalten der Verbraucher nicht ändert. Ein hoher Preis ist sozial ungerecht, weil etwa Pendler, die sich das Wohnen in der Stadt nicht leisten können, oder Mieter in schlecht isolierten Altbauten besonders stark zur Kasse gebeten werden. Als jedoch Die Linke im Rahmen der Verhandlungen im Bundestag im November beantragte, den CO2-Preis durch einen Mix aus Fördermaßnahmen und Ordnungsrecht zu ersetzen, stimmte auch die SPD dagegen. Dabei könnte sogar ein CO2-Preis so ausgestaltet werden, dass er die soziale Spaltung nicht weiter vertieft. Das legen drei von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Auftrag gegebene und im Juli vorgestellte Gutachten nahe. Eine geeignete Maßnahme bestünde etwa darin, den Preis mit einer Pro-Kopf-Klimaprämie zu kombinieren. Da reiche Haushalte durchschnittlich mehr CO2 in die Luft blasen, würde bei ihnen der CO2-Preis die Prämie übersteigen, so dass sie draufzahlen würden. Ärmere Haushalte blieben hingegen verschont und würden sogar finanziell begünstigt, wenn sie ihren Schadstoffausstoß drosseln. Derartige Ideen wurden jedoch bereits bei den Verhandlungen innerhalb der Koalition rasch vom Tisch genommen…“ Kommentar von Steffen Stierle in der jungen Welt vom 17.12.2019 – siehe dazu den DGB:- DGB zum Klimapaket: „Sozialen Ausgleich bei höherem CO2-Preis beachten“
„Bund und Länder haben sich im Vermittlungsausschuss auf Änderungen am Klimapaket geeinigt – unter anderem auf einen höheren Einstiegspreis beim CO2-Emissionshandel. Diese Pläne erfordern einen „stärkeren sozialen Ausgleich“, sagt DGB-Vorstand Stefan Körzell. „Die Pläne für einen höheren Einstiegspreis beim CO2-Emissionshandel erfordern aber einen stärkeren sozialen Ausgleich“, so Körzell. „Die Politik hat die Verantwortung, für eine gerechte Verteilung der Kosten für den Klimaschutz zu sorgen. Damit der Emissionshandel seine Lenkungswirkung entfalten kann, muss die öffentliche Hand deutlich mehr Geld aus dem Bundeshaushalt in klimafreundliche Alternativen investieren. Die bislang zugesagten Mittel reichen bei Weitem nicht aus.“ Der Vermittlungsausschuss habe Klarheit über die Senkung der Mehrwertsteuer bei Bahnfahrten und die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung geschaffen – das sei „ein gutes Ergebnis“, so Körzell weiter. „Damit wird nicht nur die Bahn als umweltfreundliche Alternative zur Straße deutlich attraktiver. Die Einigung ist auch ein guter Impuls, um die Sanierungsquote zu steigern.„“ Pressemitteilung vom 16.12.2019
- DGB zum Klimapaket: „Sozialen Ausgleich bei höherem CO2-Preis beachten“
- Die blinden Flecken der CO2-Steuer
„Die politischen Kämpfe um die CO2-Steuer verstellen den Blick auf die wesentlichen Fragen. Bei der Bekämpfung der Klimakrise geht es nicht vorrangig um die Höhe einer CO2-Steuer, sondern um die notwendigen Anpassungsinvestitionen in ökologische Alternativen – öffentlich wie privat. Im Rahmen eines umfassenden Maßnahmenpakets wird man sich auch mit einer gezielten CO2-Bepreisung beschäftigen müssen. Wegen der verteilungspolitischen Probleme ist es aber fraglich, ob die CO2-Steuer hier die optimale Lösung darstellt. Effizienter erscheinen zielgerichtete Bepreisungsmaßnahmen wie ein Öffi-Bonus für PendlerInnen. Die Anreizeffekte können mit einer CO2-Steuer mithalten, die sozialen Verwerfungen aber sind gleich null. (…) Die wissenschaftliche Diskussion über die Lenkungseffekte einer CO2-Steuer auf Heiz- und Treibstoffe erfolgt in einer simplizistischen Lehrbuch-Ökonomie, in der der Kapitalstock konstant ist und die AkteurInnen nur auf die Preise reagieren. In dieser Modellwelt reicht es, den CO2-Preis zu erhöhen, schon sinken die Emissionen. In der realen Welt sind aber (die in den Modellen vernachlässigten) Investitionen entscheidend für die Lenkungswirkung. Denn ohne Investitionen keine Alternativen, und ohne Alternativen keine Lenkungseffekte. Die Lenkungswirkung einer CO2-Steuer kommt ja nicht davon, dass die Familien plötzlich aufhören, das Kinderzimmer zu heizen, sondern davon, dass sie ein neues, CO2-effizienteres Heizsystem einbauen. Die Lenkungswirkung kommt auch nicht davon, dass die PendlerInnen das Auto auf halber Strecke stehen lassen, sondern davon, dass sie sich entscheiden, künftig mit dem öffentlichen Verkehr (ÖV) zu pendeln usw. Die Wissenschaft schummelt sich um diese Fragen gerne herum, weswegen wir über die Lenkungseffekte einer CO2-Steuer wenig Genaues sagen können. (…) Politisch entscheidend sind die Verteilungseffekte. Das Gelbwesten-Desaster von Macron hat hier tiefe Spuren hinterlassen. Und so bemühen sich die BefürworterInnen der CO2-Steuer stets, die soziale Ausgewogenheit der Maßnahme zu betonen. Auch hier dominiert die statische Lehrbuch-Perspektive. Man betrachtet die Verteilungseffekte für einen gegebenen CO2-Ausstoß. Entscheidend ist der sogenannte Öko-Bonus, eine (teilweise) Rückerstattung der Steuereinnahmen an die Bevölkerung. Wie jede Verbrauchssteuer wirkt die CO2-Steuer an sich regressiv. Kleine und mittlere Einkommen werden relativ stärker belastet, weil sie einen größeren Teil ihres Einkommens für den Konsum aufwenden. Der Öko-Bonus soll das ausgleichen und damit sicherstellen, dass die CO2-Steuer nicht nur ökologisch wirksam, sondern auch sozial gerecht ist. (…) Besonders deutlich wird die verteilungspolitische Misere bei einer dynamischen Betrachtung, also unter Berücksichtigung der notwendigen Anpassungsinvestitionen. Es ist relativ klar, dass die BesserverdienerInnen die notwendigen Anpassungsinvestitionen einfacher und schneller finanzieren können als die Gering- und MittelverdienerInnen. (…) Die politischen Kämpfe um die „CO2-Steuer“ oder die „ökosoziale Steuerreform“ verstellen den Blick auf die wesentlichen Fragen. Bei der Bekämpfung der Klimakrise geht es nicht vorrangig um die Höhe des Steuersatzes einer CO2-Steuer, das Volumen einer ökosozialen Steuerreform oder wie diese Steuereinnahmen verwendet werden. Es geht darum, Problembereiche zu definieren und zielgerichtete Lösungen zu entwickeln…“ Beitrag von Dominik Bernhofer vom 6. Dezember 2019 beim A&W-Blog - Experten: Klimapaket benachteiligt Geringverdiener
„Mehrere Studien zum Klimapaket kommen zum Ergebnis, dass das Klimapaket untere Einkommensgruppen stärker belastet als Besserverdiener. Eine CO₂-Bepreisung wäre demnach sowohl besser fürs Klima als auch fairer für Geringverdienende…“ Artikel von Michael Bauchmüller und Christian Endt vom 7. November 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online
- Die Groko hinterlässt uns 1 Billionen € Klimaschulden. 5 Gründe, warum der Co2-Preis des Klimapakets ein schlechter Witz ist
„Die Bundesregierung hat ihr Klimapaket vorgestellt und einen Co2-Preis von 10€ pro Tonne über einen Zertifikatenhandel ab 2021. Es wird nahezu wirkungslos sein und hinterläßt bis 2050 circa 1 Billionen (!) € Klimaschulden für unsere Generation zurück. Hier fünf Fakten, die aufzeigen, warum dieser Co2-Preis sinnlos ist. (…) Ein Zertifikatehandel, der ohnehin schon viel länger braucht als eine Co2-Abgabe, um Wirkung zu zeigen, der erst 2021 beginnt und dann auch nur bei 10€/Tonne ansetzt, ist faktisch wirkungslos. Anfangs führt dieser nur zu einer Verteuerung von 3 Cent pro Liter Benzin, am Ende gerade einmal 9 Cent. Das sind Schwankungen, die von Tag zu Tag und von Tankstelle zu Tankstelle bemerkbar sind. Einsparungen dürften davon keine zu merken sein. Expert*innen fordern zum Einstieg mindestens einen Co2-Preis von 35€-50€. Und im Vergleich zu dem Co2-Preis, den das Bundesumweltamt fordert – 180€/Tonne – ist 10€ ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist auch der Preis, den FridaysForFuture fordern. Selbst die US-Ölindustrie fordert einen Preis von 36€. Auch die meisten EU-Länder haben schon seit Jahren deutlich höhere Co2-Preise und planen teilweise, diese weiter zu erhöhen. (…) Bei der eigentlich notwendigen, jährlichen Reduktion um 6% dürften wir theoretisch ab 2035 nichts mehr emittieren. Das Bundesumweltministerium hat diese Rechnung übrigens bestätigt. (Quelle) Je später wir mit der Reduktion anfangen, umso teurer wird die Reduktion für die Zukunft. Es ist ein gigantischer Schuldenberg, der der nächsten Generation überlassen wird. Und die Folgen für Klima, Wetter, Wirtschaft und Landwirtschaft sind dort noch nicht einmal eingerechnet…“ Analyse von Thomas Laschyk vom 21. September 2019 beim Volksverpetzer – und es wird noch schlimmer:- Gesetzentwurf: Regierung schwächt Klimaschutzziele ab
„Die Bundesregierung will bereits am kommenden Mittwoch ihr Klimaschutzgesetz verabschieden. Ein Entwurf, der dem SPIEGEL vorliegt, fällt deutlich hinter die bisherigen Pläne zurück. (…) In dem Papier, das dem SPIEGEL vorliegt, wird für das Jahr 2040, anders als zunächst vorgesehen, kein nationales Ziel zur CO2-Einsparung mehr definiert. Auch das Versprechen, dass die Bundesrepublik bis 2050 Treibhausneutralität erreicht, wurde abgeschwächt; dieses Ziel solle nun nur noch „verfolgt“ werden, heißt es deutlich unverbindlicher in dem Entwurf. Übrig geblieben ist lediglich das Ziel, Deutschlands CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Auch die Kontrollmechanismen für die Einhaltung der Klimaziele wurden abgeschwächt: Der sogenannte Klimarat, ein von der Regierung eingesetztes Expertengremium, soll, anders als zunächst geplant, kein jährliches Hauptgutachten mehr erstellen, in dem die Wirksamkeit der geplanten Maßnahmen zum Klimaschutz überprüft werden. Er soll auch keine Vorschläge mehr machen dürfen, wie die zuständigen Ministerien nachjustieren können, wenn CO2-Einsparungsziele in einzelnen Wirtschaftssektoren verfehlt zu werden drohen…“ Beitrag von Stefan Schultz vom 6. Oktober 2019 beim Spiegel online
- Gesetzentwurf: Regierung schwächt Klimaschutzziele ab
- Lizenz zum Klima-Killen. Warum der Glaube an die CO2-Steuer illusionär ist und es keine „ökologische Marktwirtschaft“ geben kann
„Von der CO2-Steuer zu sagen, sie erziele nicht die versprochenen Wirkungen, ist eine Verharmlosung. Aufs Ganze betrachtet, wird sie weder eine nennenswerte Reduktion der klimaschädlichen Emissionen bewirken, noch gar eine „ökologische Transformation“ der Marktwirtschaft einleiten, sondern ist vielmehr ein Freibrief, den sich die Gesellschaft ausstellt, um genauso weitermachen zu können wie bisher. Um das zu verstehen, braucht es nicht viel Phantasie. Ein wenig Erfahrungswissen genügt. Selbst wenn die Steuer hier und dort gewisse Einspareffekte beim CO2-Ausstoß bewirken mag, ist doch völlig absehbar, dass diese durch einen gesteigerten Ressourcenverschleiß an anderer Stelle konterkariert werden. Dieser Mechanismus ist längst bekannt und wurde in der Postwachstums-Literatur breit diskutiert. So werden etwa relative Einsparungen beim Energieerbrauch (z.B. effizientere Motoren) durch eine Ausdehnung des absoluten Verbrauchs überkompensiert (z.B. größere Autos und höhere Stückzahlen). Das ist der sogenannte materielle Rebound-Effekt. Des Weiteren liefern politische Maßnahmen mit einem ökologischen Anstrich die Legitimation dafür, die bestehende Produktions- und Lebensweise aufrechtzuerhalten und das Wirtschaftswachstum weiter anzukurbeln; denn schließlich wurde ja vorgeblich bereits ein relevanter Beitrag zur Erhaltung von Natur und Umwelt geleistet. Man spricht hier von dem politischen Rebound-Effekt. Typisches Beispiel dafür war die Einführung der Abgaskatalysatoren in den 1980er-Jahren, welche die PKWs „umweltfreundlich“ machen sollte, tatsächlich aber lediglich das Alibi dafür lieferte, den Autoverkehr weiter auszubauen (seitdem hat er sich in Deutschland verdoppelt). Und schließlich gibt es auch noch den psychologischen Rebound-Effekt, der darin besteht, den Konsumenten ein gutes Gewissen zu verschaffen, damit sie weiterhin ungehemmt den massenhaft produzierten Warenschrott kaufen. Bedürfte es irgendwelcher Belege, dass die CO2-Steuer genau auf diese Weise wirken wird, die laufende Debatte liefert sie frei Haus. Alle politisch Verantwortlichen quer durch das gesamte Parteienspektrum überschlagen sich förmlich in der Anpreisung der erwarteten Einspareffekte, um dann sogleich hinterherzuschieben, die Steuer dürfe selbstverständlich die Gesellschaft nicht über Gebühr belasten. Am absurdesten sind die Vorschläge, die Einnahmen aus der neuen Steuer sogleich wieder an die Bevölkerung auszuschütten. (…) Sollte die CO2-Steuer tatsächlich ökologisch einen nennenswerten Effekt haben, müsste sie hoch genug sein, um den Konsum aller energieintensiven Waren und Dienstleistungen massiv einzuschränken. Das beträfe dann allerdings fast die gesamte Palette des Konsums, angefangen beim Autoverkehr und der Heizung, über den Flugverkehr bis hin zu den meisten Industrie- und Agrarprodukten. Natürlich wird das nicht geschehen. Und zwar nicht einfach deshalb, weil die Interessenverbände der Industrie und der Wirtschaft das mit allen Mitteln zu verhindern suchen (das tun sie selbstverständlich). Sondern weil keine relevante politische Partei sich an der inneren Logik eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems versündigen wird, das seinem Wesen nach auf dem Imperativ des endlosen ökonomischen Wachstums beruht. (…) Ein konsequenter und zeitnaher Umbruch der energetischen Basis wäre ein so gravierender Einschnitt, dass er sich insbesondere in den kapitalistischen Zentren gar nicht ohne schwerste ökonomische, soziale und politische Verwerfungen durchsetzen ließe. (…) Wenn also die Gegner der CO2-Steuer diese als „unsozial“ brandmarken, dann haben sie durchaus starke Argumente auf ihrer Seite. Natürlich sind das ganz überwiegend Leute, denen die „soziale Frage“ sonst vollkommen egal ist und die sie hier nur aus durchsichtigen politischen und ideologischen Motiven instrumentalisieren. Dennoch verweisen sie auf ein durchaus ernst zu nehmendes Problem. Die ohnehin bestehenden sozialen und regionalen Disparitäten würden sich zweifellos deutlich vergrößern, und damit verschärften sich auch die gesellschaftlichen Verteilungskonflikte, wie jetzt schon an den Protesten der Gelbwesten deutlich wurde. Hinzu kommt noch, dass der Streit um die Klimapolitik längst schon ideologisch und identitätspolitisch aufgeladen ist und die Gesellschaft polarisiert. Die Leugnung oder totale Relativierung des Klimawandels gehört nicht zufällig zum Kernbestand der rechtspopulistischen Ideologie. Denn diese stellt wesentlich eine regressive Reaktionsform auf die Erfahrung dar, dass die westlich-weiße Vorherrschaft auf der Welt an ihre Grenzen stößt. Deshalb hasst die rechtspopulistische Gefolgschaft mit besonderer Inbrunst alle jene, die sie an den Verlust ihrer vermeintlich selbstverständlichen Privilegien erinnern. Neben den Flüchtlingen sind das nicht zuletzt die Klimaschützer*innen, die sich dagegen wenden, die Kosten des Lebensstils in den kapitalistischen Zentren auf die übrige Welt und die kommenden Generationen abzuwälzen lassen. Aus dieser angespannten politischen und gesellschaftlichen Situation erklärt sich, weshalb der politische Diskurs unter dem Druck der Fridays for Future-Bewegung die Forderung nach einer CO2-Steuer zwar aufgegriffen hat, aber nur, um sie sogleich wieder auf ein homöopathisches Maß herunter zu dimensionieren. (…) Wenn überhaupt, sind es innerhalb der kapitalistischen Logik immer nur solche direkten staatlichen Vorgaben, die eine gewisse Wirkung erzielen können. Dagegen bedeutet der Versuch, beim Preismechanismus anzusetzen, immer nur einen Umweg zu nehmen, der bestenfalls minimale Wirkungen und immer negative Nebenwirkungen erzeugt. Das gilt für die CO2-Steuer und die Emissionszertifikate genauso wie für die Vorstellung, die Produktionsweise ließe sich durch eine mit moralischem Druck bewirkte Veränderung des individuellen Konsumverhaltens verändern. (…) Grundsätzlich ist die Vorstellung einer „ökologischen Marktwirtschaft“ nichts anderes als eine Seifenblase. (…) Befinden wir uns also in einer Sackgasse? Ist die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen unvermeidlich? Ja, aber nur, wenn wir die Logik des kapitalistischen Systems als unumstößlich akzeptieren…“ Artikel von Norbert Trenkle vom 01.09.2019 bei krisis
- Umweltschutz – ja! Massensteuer – nein!
„Ein Kommentar zur Diskussion um die Einführung neuer „grüner Umweltsteuern“. In wessen Interesse sind diese, und warum müssen wir entschieden dagegen opponieren? Sowohl die Diskussion um eine CO²-Steuer als auch um eine sogenannte Fleischsteuer, mit denen unser Konsumverhalten staatlich gesteuert werden soll, sind Nebelkerzen, die die Regierung wirft, um von den wahren Verantwortlichen der Umweltzerstörung abzulenken. (…) Die PolitikerInnen von Grünen bis CDU jedoch versuchen mit Diskussionen über die Einführung neuer „grüner Massensteuern“, den Fokus bei der Suche nach den Verantwortlichen auf uns als KonsumentInnen zu lenken. Eine CO²-Steuer nämlich würde nur bedeuten, dass wir ArbeiterInnen mehr für praktisch Alles zahlen müssten, während die größten Unternehmen Mehrkosten durch eine solche Steuer leicht verschmerzen, beziehungsweise sie an uns als EndkonsumentInnen weitergeben könnten. Gleiches gilt für eine sogenannte höhere Fleischsteuer, also die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19% für Fleisch-Produkte. Wieder würden die Ärmsten getroffen. Gleichzeitig spricht nichts dafür, dass eine solche Steuer wirklich zu einer geringeren Fleischproduktion führen würde – schon jetzt wird in Deutschland weit mehr Fleisch produziert als hier konsumiert wird. Große Teile der Produktion werden in die ganze Welt exportiert. (…) Die Umwelt wird nicht in erster Linie durch unseren Konsum zerstört, sondern durch die kapitalistische Produktionsweise. Hier müssen effektive Maßnahmen für die Rettung der Umwelt ansetzen. Dies geht jedoch faktisch nur, wenn der Kampf um den Erhalt der Umwelt verbunden wird mit dem Kampf gegen den Kapitalismus als ausbeuterisches und zerstörerisches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem…“ Kommentar von Clara Bunke vom 24. August 2019 bei Perspektive Online
- [gestaffelte Mehrwertsteuer] CO2-Steuer? Steuer auf Fleisch? Eine flexibler Lösungsvorschlag
„… Wie soll die CO2-Steuer also realisiert werden? (…) Das Ziel ist und bleibt, mit einer Steuer die Energiewirtschaft und den Konsum so zu steuern, dass die Erdatmosphäre und die Umwelt besser weg kommen und dass die Erzeuger und Verbraucher sich bewusster und disziplinierter verhalten, weil sie finanziell belastet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es aber ein besseres Modell: Eine Steuer, die nicht erst neu zu schaffen und schwierig zu definieren ist. Wie wäre es mit einer Steuer, die bereits existiert und dann die Erzeugung und Emission von CO2 als Sonderfall enthält. Im Klartext: Man kann die erprobte Mehrwertsteuer als eine generelle Verbrauchssteuer so erweitern, dass sie eine gesonderte CO2-Steuer überflüssig macht und die gewünschten Ziele im Umweltschutz nicht nur durch Belastung von CO2, sondern auf sehr vielfältige Weise erreicht. Diese flexibilisierte Verbrauchssteuer ist eine gestaffelte Mehrwertsteuer. (…) Einfacher als eine neu zu konstruierende CO2-Steuer wäre es also, die Besteuerung von CO2 als Sonderfall in die Mehrwertsteuer zu integrieren. Das ist möglich durch eine Staffelung, so dass die MWSt für verschiedene Produkte, die mehr oder weniger CO2-Ausstoß bewirken, höher oder niedriger ausfällt. (…) Die gestaffelte Mehrwertsteuer ist ein flexibles Werkzeug, ähnlich wie eine Flex. Das kann auch Nachteile haben. So eine Flex kann Unheil anrichten, wenn sie in falsche Hände gerät. Die gestaffelte Mehrwertsteuer kann in Händen der falschen Politiker dazu verleiten, das Steueraufkommen beliebig zu erhöhen und, was besonders nachteilig ist, schon die Idee kann dazu führen, dass Politikerinnen und Politiker sich in Debatten über Waren, Warengruppen und Dienstleistungen verheddern, so dass ein Beschluss für die Staffelung der MWSt erst gar nicht zustande kommt. Das ist im heutigen Politbetrieb leider der Normalfall, insbesondere dann, wenn Experten aus der Wirtschaft (Lobbyisten) hinzugezogen werden, etwa die Hersteller von Sozial unverträglichen Vehikeln (SUVs) aus der Automobilindustrie. Dieses letztere Problem wird aber die CO2-Steuer, die jetzt in vieler Munde ist, in gleichem Maße treffen. Die angepeilte CO2-Steuer muss je nach Menge des CO2-Gases, das für ein Produkt freigesetzt wird, ja auch irgendwie gestaffelt sein und möglichst gerecht auf die Endkunden (nicht nur auf die Verbraucher!) verteilt werden. Mit einem klaren und transparenten System aus einfachen Zahlen ist dies besonders einfach und übersichtlich…“ Beitrag von Rob Kenius vom 9. August 2019 bei Telepolis – Das Prinzip der gestaffelten MWSt entstammt dem Taschenbuch „Leben im Geldüberfluss. Umwelt und Politik im Griff der Finanzwelt“ von Rob Kenius (192 Seiten, Preis 9,99 Euro).
- Die gefährlichen Verteilungswirkungen der Klimapolitik
„Auch die geplante Rückzahlung von CO²-Steuern durch eine Klimaprämie wird zu sozialen Verwerfungen führen. Deutschland droht damit eine Klimarevolte wie in den Nachbarländern, von der vor allem die AfD profitieren wird. Für linke Parteien stellt die soziale und politische Polarisierung durch die geplante Intensivierung des Klimaschutzes mittels CO²-Verteuerung ein großes Problem dar. Während die Grünen sehr gut damit leben können, die sozioökonomisch oder in Bezug auf formale Bildung besser gestellten Bevölkerungsgruppen hinter ihrer Position zu versammeln, werden SPD und Linkspartei belastet durch den Konflikt zwischen ihren akademisch geprägten Funktionärskreisen mit einer starken Präferenz für einen entschiedeneren Kampf gegen den Klimawandel einerseits und ihrem klassischen Wählerpotential von Arbeitern und unterer Mittelschicht andererseits. Letztere stehen einem deutlich intensivierten Kampf gegen den Klimawandel über CO²-Steuern oder Klimazertifikate skeptisch gegenüber und haben sehr gut begriffen, dass mit großer Wahrscheinlichkeit sie diejenigen sein werden, die überproportional durch diese Maßnahmen belastet werden. (…) Der Politikwissenschaftler René Cuperus spricht am Beispiel der letzten Wahlen in den Niederlanden sogar von einer „Klimarevolte“ der unteren Schichten, die sich vor allem in der Wahl einer neuen rechtspopulistischen Partei (Forum für Demokratie) äußerte und für Sozialdemokraten und insbesondere Sozialisten sehr ungünstige Folgen mit sich brachte. Eine solche Revolte ist auch in Deutschland gut vorstellbar – wenn sie nicht schon begonnen hat.“ Beitrag Andreas Nölke vom 6. August 2019 bei Makroskop – Deshalb keine Klimapolitik, weil das die Rechten stärkt??? Nicht die Klimapolitik hat eine gefährliche Verteilungswirkung (wie die Überschrift suggeriert), sondern der fehlende Kampf gegen die globale kapitalistische Wertverteidigung hat wesentlich erst zur Notwendigkeit einer deutlich anderen Klimapolitik geführt. Andreas Nölkes „linker“ Nationalismus mag damit Probleme haben. Aber vielleicht sollte er da eher mal seinen Nationalismus überprüfen. Eine linke Klimapolitik ist nicht zufällig etwas, was für Nölke offensichtlich undenkbar ist. „Begonnen hat“ vor allem eine andere Revolte: Der Klimastreik – siehe unser Dossier: “Fridays for Future”: Schulstreiks für mehr Klimaschutz
- Die CO2-Steuer erlöst uns nicht – Eine Abgabe als Rettung vor dem bösen Klimawandel? So wird die Umweltkrise als Feind von außen inszeniert. Dabei ruft unser System sie hervor
„… Jetzt beschränkt sich die klimapolitische Debatte weitgehend auf die Forderung nach einer CO₂-Steuer – die wird zum Allheilmittel aufgeblasen. Sie soll klimaschädliches Produzieren und Konsumieren teuer machen und dafür sorgen, dass Industrie und Bürger von selber Kohlendioxid reduzieren, während Verbote von Kurzstreckenflügen oder SUVs, der radikale Umbau des Verkehrs- und Energiesektors oder der Landwirtschaft als nicht verhandelbar gelten. Darüber hinaus soll die CO₂-Steuer als Umverteilungmechanismus wirken: Während die Vermögen und Privilegien der Reichen unangetastet bleiben, sollen Ärmere durch eine Art Trickle-down-Effekt von der CO2-Steuer profitieren, indem die Abgabe wieder ausbezahlt wird. Eine seltsame Vorstellung von Gerechtigkeit, schließlich beträgt der CO2-Fußabdruck der Reichen mehr als 130 Tonnen pro Kopf und Jahr. Zehn Mal mehr als der Durchschnittsdeutsche und so viel wie 400 Bangladescher pro Jahr ausstoßen. Die Beschränkung auf das Marktinstrument CO2-Steuer setzt am Ende einer langen Kette der Zerstörung an und ist Teil einer Entpolitisierung, wie ihn der belgische Geograf Erik Swyngedouw beschreibt: Der Klimawandel würde als ein Feind von außen inszeniert, der den Kapitalismus bedrohe. „Die Probleme erscheinen deswegen nicht als Ergebnis des Systems, eines Ungleichgewichts von Macht, einflussreichen Netzwerken der Kontrolle, zügelloser Ungerechtigkeit oder von fatalen Fehlern, die diesem System eingeschrieben sind – stattdessen wird ein Außenseiter verantwortlich gemacht.“ Dieser Eindringling könne nur von innen heraus, mit den Mitteln des Kapitalismus, bekämpft werden. „Mit anderen Worten: Wir müssen uns radikal ändern, aber im Rahmen der bestehenden Umstände, sodass sich nichts wirklich ändern muss“, schreibt Swyngedouw…“ Beitrag von Kathrin Hartmann vom 17. Juli 2019 aus der Freitag 26/2019
- CO2-Bepreisung: Feigenblatt oder Allheilmittel im Kampf gegen den Klimawandel?
„… Spricht man mit Volkswirten über den Klimawandel, fällt mit Sicherheit innerhalb weniger Minuten der Begriff »Externalität«. Als Externalitäten werden Kosten (oder Nutzen) bezeichnet, die nicht bei den Produzenten und Konsumenten eines bestimmten Guts anfallen, sondern bei Außenstehenden. Wenn ein Chemieunternehmen zum Beispiel seine giftigen Abfälle kostengünstig im nächsten Badesee entsorgt, kann es seine Produkte billiger anbieten und sowohl das Unternehmen als auch seine Kunden freuen sich. Die Kosten werden von den Badenden am See getragen, die nun beim Schwimmen Gesundheitsschäden riskieren. Da das Chemieunternehmen jene jedoch nicht entschädigen muss, spielt das in seinen kaufmännischen Entscheidungen keine Rolle. Eine Art, Externalitäten (die man nicht komplett verbieten will) zu reduzieren, ist sie mit einem Preis zu versehen: So könnte man zum Beispiel von dem Chemieunternehmen verlangen, für die Reinigung des Sees aufzukommen. Damit würde die Beseitigung des negativen Nebeneffekts (des verschmutzten Seewassers) Teil der kaufmännischen Kalkulation des Chemieunternehmens. Die Kosten wären internalisiert. Wie viele klassische volkswirtschaftliche Ideen ist die »Internalisierung von Externalitäten« ein in der Theorie bestechend elegantes Konzept: CO2-Bepreisung könnte den sonst auf altruistischem Verzicht basierenden Klimaschutz individuell rational machen. Soziale Kontrolle oder staatliche Eingriffe in die Konsumentscheidungen des Einzelnen wären unnötig. Gleichzeitig garantiert ein einheitlicher Preis für CO2, dass Einsparungen dort stattfinden, wo sie am wenigsten kosten. (…) Politisch bleibt das Thema allerdings problematisch: selbst wenn eine Reform der CO2-Bepreisung in Summe zu keiner Mehrbelastung der Bürger führt, wird es unvermeidlich sein, dass einzelne Haushalte durch sie besser oder schlechter gestellt werden. Dabei ist bereits das aktuelle System der expliziten und impliziten CO2-Bepreisung kaum sozial gerecht: Flug-Fernreisen, die zweifelsohne eher von wohlhabenden Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden, unterliegen keiner impliziten CO2-Besteuerung, die Deutsche Bahn dagegen schon. Wer sich ein modernes Auto oder eine neue Heizung leisten kann, zahlt weniger, als diejenigen, die ihre alte Heizung immer wieder reparieren lassen, da das Kapital für die Ersatzinvestition fehlt. Eine durchdachte Reform der CO2-Bepreisung in Deutschland setzt daher nicht kontextlos bei Klimafragen an, sondern bezieht die weiteren Zielsetzungen unserer ökonomischen Ordnung mit ein… „ Beitrag von Johanna Schiele und Hanns Koenig vom 18. Juli 2019 bei Blickpunkt WiSo
- Mieterbund: „CO2-Bepreisung nicht auf Mieter umlegen“
„… Nach der Empfehlung der Wirtschaftsweisen, mit einer CO2-Bepreisung das Heizen in Gebäuden zu verteuern, warnt der deutsche Mieterbund vor höheren Belastungen für Mieter. Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die dadurch entstehenden Kosten dürften nicht auf die Mieter umgelegt werden. Mieter hätten „keinen Einfluss darauf, wie ihre Wohnung geheizt wird“. Das entschieden die Vermieter, weshalb diese auch die zusätzlichen Kosten einer CO2-Steuer im Heizungsbereich zahlen sollten. Um Wohnungseigentümer dazu zu bewegen, auf klimafreundliche Heizungen umsteigen, schlug Siebenkotten „substanzielle Investitionskostenzuschüsse“ vor. (…) Eine steuerliche Förderung für energiesparende Gebäudesanierungen forderte auch der Eigentümerverband Haus und Grund. Ohne Beteiligung der Mieter könnten die Kosten der Energiewende aber nicht finanziert werden, so Verbandspräsident Kai Warnecke. „Hier eine Lösung mit Augenmaß zu finden, wird das Entscheidende sein, wenn die CO2-Bepreisung kommt.“ Sicher sei, dass im Falle einer CO2-Bepreisung das Wohnen in Deutschland teurer werde. Der Chef des Bundesverbandes Verbraucherzentrale, Klaus Müller, betonte, für Verbraucher sei die soziale Ausgestaltung der CO2-Bepreisung wichtig. „Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung müssen vollständig an die Gruppe der privaten Haushalte zurückfließen“, sagte er der „Rheinischen Post“…“ Meldung vom 13. Juli 2019 bei tagesschau.de
- Die radikale Preiswahrheit – Dank Klimaprämie ist eine soziale und faire CO2-Bepreisung möglich, sagt DIW-Ökonomin Claudia Kemfert
“ …[Der] Klimaschutz kostet uns gar nicht mehr. Im Gegenteil. Wir brauchen nur dringend die bereits genannte radikale Preiswahrheit – und eine faire Belastung der wahren Verursacher. Die Wahrheit? Klimaschäden kosten nicht erst, wenn wir einen CO2-Preis erheben. Der Klimawandel hat schon immer gekostet. Permanent geben wir Millionen an Steuergeld aus, weil wir uns nicht vom Haupttreiber des Klimawandels, den fossilen Energien, verabschieden. (…) Doch bis heute weigern sich die Verantwortlichen, diese Wahrheit auszusprechen; sie ist nämlich verdammt unbequem. Denn den Preis bezahlen ausgerechnet die, die am wenigsten zum Klimaschaden beitragen. Menschen mit geringem Einkommen, egal ob Pflegekraft, Friseur oder Rentnerin, haben nämlich in der Regel einen vergleichsweise kleinen CO2-Fußabdruck. Und trotzdem zahlen sie für die Emissionen, ohne es zu wissen. Mit ihren Steuern werden ausgerechnet die belohnt, die einen völlig anderen Lebensstil pflegen: die Besserverdienenden mit großzügig bemessenem Einfamilienhaus, mit Erst- und Zweitwagen und mit Urlaubsreisen in ferne Länder. Man stelle sich vor, alle Menschen müssen fortan den Schaden bezahlen, den sie anrichten. Man stelle sich vor, man würde die derzeit oft steuerbefreiten Klimaschädlinge wie Kerosin, Diesel, Benzin und Heizöl an den verursachten Klimawandel-Folgekosten realistisch beteiligen. Und am selben Tag würde man damit beginnen, den Menschen das Geld, das ihnen jahrzehntelang heimlich aus den Taschen gezogen wurde, zurückzugeben – als Klimabonus oder Klimaprämie! Was würde dann passieren? Ja, genau: Arme Menschen hätte plötzlich mehr Geld in der Tasche. Die Reichen dagegen müssten für ihr rücksichtsloses Flug-, Fahr – und Heizverhalten in Zukunft deutlich mehr bezahlen oder sich einen anderen Lebensstil zulegen…“ Beitrag von Claudia Kemfert bei neues Deutschland vom 10. Juli 2019
- Schulterschluss mit den Schülerdemos. Die CO2-Steuer wäre eine gemeinsame Forderung, wenn sie hoch genug ausfällt
„Bekommt der Ausstoß von CO2 endlich einen Preis? Eine Tonne des mit Abstand wichtigsten Treibhausgases aus menschlicher Aktivität verursacht Schäden in Höhe von 180 Euro, schätzt das Umweltbundesamt. Die Schülerbewegung Fridays for Future mit ihren inzwischen rund 500 Ortsgruppen im ganzen Land fordert die Besteuerung der Emissionen, wobei die Höhe der CO2-Steuer schrittweise, aber rasch auf 180 Euro pro Tonne angehoben werden soll. Neu ist die Diskussion nicht. Schon seit den 1980er Jahren wird sie international geführt und eine entsprechende Steuer von einem Teil der Ökonomen sowie der Umweltbewegung gefordert. Zuletzt hat selbst der Internationale Währungsfonds eine weltweite Besteuerung der Klimagase angemahnt. Einige Länder wie Dänemark, Großbritannien, Australien, Südafrika oder Schweden haben sie bereits in der einen oder anderen Form eingeführt, allerdings keines auch nur annähernd in der genannten Höhe. In Deutschland ist sie seit den 80er Jahren umstritten und derzeit, wie Meinungsumfragen zeigen, nicht besonders populär. Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt sie ab, offenbar aufgrund eines tiefen und alles andere als unberechtigten Misstrauens gegenüber der Regierung. Ansonsten wird die CO2-Steuer nicht zuletzt vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bekämpft. Mitte der 90er Jahre brachte der Verband die seinerzeitige schwarz-gelbe Regierung unter Helmut Kohl dazu, ein bereits vorbereitetes Gesetzesverfahren zu stoppen. Der BDI argumentiert mit den Energiekosten und fürchtete damals wie heute um seinen Wettbewerbsvorteil vor der ausländischen Konkurrenz, der den deutschen Konzernen seit Jahrzehnten satte Handelsbilanzüberschüsse und Profite im Exportgeschäft beschert. Entsprechend ist die Union zerrissen. (…) In der Tat könnte eine CO2-Steuer in Höhe von 180 Euro pro Tonne nämlich nicht nur unter den gegebenen marktwirtschaftlichen Verhältnissen – die wir nicht mögen, aber nicht so bald los werden – einen wichtigen Beitrag zur Verdrängung der Kohle und des motorisierten Individualverkehrs leisten, sie könnte auch ein Instrument der dringend nötigen Umverteilung von oben nach unten sein. Wie das? In dem die jährlich 144 Milliarden Euro, die sie, konsequent umgesetzt, zunächst einbringen würde, einerseits zu etwa der Hälfte von der Industrie aufgebracht werden müssten und andererseits so eingesetzt werden könnten, dass sie vor allem den weniger gut gestellten Teilen der Gesellschaft zugute kommen…“ Artikel von Wolfgang Pomrehn in der Soz Nr. 06/2019
- Die CO2-Steuer – ein unzureichendes Lenkungsinstrument für den Klimaschutz
„Der Gedanke einer Steuer auf alle Treibhausgasemissionen, oder vereinfacht: eine CO2-Steuer, wird intensiv diskutiert. Ein bestechender Gedanke: Wir wollen die klimaschädigenden Emissionen reduzieren, also verteuern wir einfach alle Aktivitäten, die solche Emissionen erzeugen, durch einen Kostenaufschlag. Die Preise sagen dann die „ökologische Wahrheit“, ein Lieblingsschlagwort der Grünen. Und schon erscheint das marktwirtschaftliche Spiel von Angebot und Nachfrage als der Weg der Wunscherfüllung von Emissionsreduzierung. Wird ein Gut teurer, wird weniger davon nachgefragt und infolgedessen dann auch weniger davon produziert. Für die eingefleischten Markttheoretiker, die an Effizienz, Optimalität, Stabilität der Märkte glauben wie der Papst an die leibhaftige Himmelfahrt Mariens, ist das der beste und kostengünstigste Weg zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen (neben Emissionszertifikaten). Mehr noch: Es darf in der Marktwirtschaft nur der einzig mögliche Weg sein, denn alle anderen denkbaren Wege bestehen aus Verboten und Geboten bei Produktion und Verbrauch, sind also der klare Bruch marktwirtschaftlicher Regeln. Nur das freie Spiel der Preise darf die Mengen bestimmen. Nun muss ich sagen, dass es für einen Besorgten wohl ziemlich selbstverständlich ist, in einem Wirtschaftssystem, in dem wirtschaftliche Aktivitäten ausschließlich nur dann durchgeführt bzw. unterlassen werden, wenn sie privat rentabel bzw. unrentabel sind, verheerend schädliche Aktivitäten richtig teuer zu machen. Die Frage ist aber: Reicht das zur Abwehr der Klimazerstörung? Kann man dann die Hände ruhig in den Schoß legen und dem Markt zuschauen? Ist alles Weitere neben der CO2-Steuer nur zweitrangiges Beiwerk? (…) Wie urteilte der bekannte Klimaökonom Nicholas Stern: Die Klimaänderung ist das größte Marktversagen aller Zeiten. Und Albert Einstein: Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Beitrag von Franz Garnreiter vom 24. Mai 2019 beim isw München
- CO2-Steuer: Wichtig, aber nicht ausreichend
„Eines ist schon jetzt klar. Deutschland wird die Klimaschutzziele für das Jahr 2020 verfehlen. Ohne weitere Maßnahmen gilt das auch für die Ziele für 2030, zu denen sich Deutschland gegenüber der EU verpflichtet hat. In den kommenden Jahren drohen daher milliardenschwere Strafzahlungen. Selbst der im Januar vorgelegte Kompromiss zum Kohleausstieg reicht nicht aus, um die Lücke zu schließen und den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens gerecht zu werden. Nach zehn Jahren am Rande der politischen Aufmerksamkeit scheint sich nun jedoch eine Chance für eine neue und verschärfte Klimapolitik in Deutschland zu eröffnen. Die Frage ist, mit welchen Maßnahmen Deutschland kurzfristig die Emissionen senken kann. Langfristig müssen nicht nur die Stromwirtschaft, sondern alle Sektoren inklusive Verkehr, Gebäudewirtschaft und Industrie dekarbonisiert werden – also keinen Kohlenstoffausstoß mehr produzieren. Ein flächendeckender CO2-Preis gilt seit vielen Jahren als ein essenzieller Baustein der Klimapolitik, war bisher jedoch offensichtlich politisch nicht mehrheitsfähig. Dies scheint sich nun zu ändern. (…) Ein Großteil der Probleme liegt jedoch dort, wo Akteure nur in sehr begrenztem Rahmen auf Kostenoptimierung achten oder vor sonstigen Hürden stehen. Dies ist zum Beispiel im Gebäudebereich der Fall. (…) Ein CO2-Preis allein wird daher wenig Einfluss darauf haben, wie viele Gebäude in Deutschland jedes Jahr energetisch saniert werden. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, muss die Renovierungsrate jedoch deutlich steigen – von etwa einem Prozent pro Jahr im Jahr 2015 auf jährlich mindestens drei Prozent in den nächsten Jahrzehnten. (…) Im Verkehrsbereich ist die Preissensibilität gering. Gleichzeitig sind die Vermeidungskosten besonders hoch. Viele Wege mit dem Auto lassen sich kurzfristig nicht verhindern – etwa der Weg zur Arbeit. Wo Menschen auf das eigene Fahrzeug angewiesen sind, müssen sie zwar die höheren Kosten tragen, haben aber nur wenig Möglichkeiten, ihr Fahrverhalten anzupassen. (…) Für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors reicht es aber nicht nur aus, die Fahrzeugemissionen zu senken und ansonsten mit einer auf motorisierten Individualverkehr ausgerichteten Verkehrspolitik weiterzumachen. Mindestens ebenso wichtig wäre es, sich auf die Vermeidung von Verkehr und die Verlagerung auf klimafreundliche Verkehrsmittel wie den öffentlichen Nahverkehr zu fokussieren. (…) Eine mutige CO2-Bepreisung ist ohne Zweifel überfällig. Sie ist aber nicht das ultimative Instrument der Klimapolitik. Das Pariser Klimaabkommen gibt das Ziel vor: Alle Sektoren müssen Beiträge leisten und umgehend auf einen Pfad zur vollständigen Dekarbonisierung einschwenken. Um die Potenziale zu erschließen und einen entsprechenden Handlungsdruck zu erzeugen, braucht es verbindliche Zielsetzungen in allen Bereichen…“ Gastbeitrag von Lukas Hermwille, Manfred Fischedick und Johannes Thema vom 7. Mai 2019 bei Zeit online
- Noch eine Verbrauchssteuer? Die seltsame Einheitsfront pro CO2-Steuer
„… Ein konkretes CO2-Steuer-Modell gibt es bislang nicht. Das macht die Debatte zweifellos schwierig. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, erklärte, Kohlendioxid „muss einen Preis bekommen, den diejenigen zahlen müssen, die CO2 freisetzen.“ Zu fragen ist, ob es sich nicht deutlich anders verhält. Diesen Preis müssen dann diejenigen zahlen, die Dienstleistungen in Anspruch nehmen (müssen) und Produkte konsumieren (müssen), die CO2 enthalten. Diejenigen, die CO2-intensive Dienstleistungen anbieten und die CO2-intensive Produkte erstellen, werden mit einer solchen „Oben-drauf-Steuer“ gut leben können. Am CO2-Output wird sich grundsätzlich nichts oder viel zu wenig ändern. Vielmehr wird dieser CO2-intensiven Wirtschaftsweise ein neues grünes Mäntelchen umgehängt. Pikant dabei ist: Vor genau zwei Jahrzehnten gab es eine maßgeblich von den Grünen angeführte „Ökosteuer“-Debatte. Und es wurde im März 1999 das „Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform“ beschlossen. Dies erfolgte unter der SPD-Grünen-Regierung. Das Gesetz wurde, nicht zuletzt von den Grünen, gepriesen als eine wirksame Maßnahme gegen den CO2-Emissionen und die Klimaerwärmung. Tatsächlich sind auch die Einnahmen aus dieser Steuer enorm. Damit sind auch die Belastungen für die Verbraucher beträchtlich. Doch die Wirkung erwies sich als höchst begrenzt. Die CO2-Emissionen sind seither weiter gestiegen. Die Wirkung dieser Ökosteuer ist sogar derart bescheiden, dass sie in den aktuellen Debatten nicht einmal erwähnt wird. Stattdessen wird vorgeschlagen … so ziemlich genau dasselbe zu machen wie vor zwei Jahrzehnten. Unter den gegebenen Bedingungen erscheint trotz der größtmöglichen CO-2-Steuer-Koalition (und auch wegen derselben) die Forderung nach einer allgemeinen CO2-Steuer bei Beibehaltung der gegebenen Besteuerungen, Subventionierungen und Regulierungen ausgesprochen problematisch. (…) Wer die Klimakatastrophe aufhalten, wer für „all days for future“ kämpfen will, der muss letzten Endes den Wachstumszwang und die Profitmaximierung der bestehenden Wirtschaftsweise in Frage stellen. Also system change. Wer kleinere Brötchen backen und nicht gleich DGB – Die Ganze Bäckerei – erkämpfen will (oder es nicht für opportun hält, eine solche aus meiner Sicht heute absolut berechtigte, wenn nicht erforderliche „Maximalforderung“ zu stellen), der sollte für sinnvolle Sofort- und Minimalforderungen eintreten…“ Beitrag von Winfried Wolf vom 5. Mai 2019 bei den NachDenkSeiten
Siehe auch die Homepage von CO2 Abgabe e.V.