Auf dem Weg in den nächsten Finanzkrisen-Kladderadatsch: Die „finanzielle Massenvernichtungswaffe“ CDS ist wieder da
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 1.9.2017
Rechtzeitig zu Stephan Schulmeister`s 70. Geburtstag am 26. August – der mit seinem Kampf für die Finanztransaktionssteuer auch viel zur Aufklärung dieses Finanz-„Giftes“ geleistet hat (vgl. z.B. (http://archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/fts_bahl.html) – sind diese Finanzkrisenbeschleuniger CDS (Kreditausfallversicherungen) wieder da.
Sie wurden von dem Starinvestor Warren Buffet als „finanzielle Massenvernichtungswaffe“ bezeichnet, was das Gefährdungspotential dieser Derivate deutlich macht. Ja, schon 2016 kündigte sich das wieder an (https://www.welt.de/newsticker/bloomberg/article152294598/Credit-Default-Swap-ist-wieder-da-Deutsche-Bank-ein-Beispiel.html ). Vor zehn Jahren haben sie die Finanzkrise ausgelöst. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zehn-jahre-nach-der-krise-rueckkehr-der-zockerprodukte-1.3638830?reduced=true )
Es gibt keinen geregelten Börsenhandel dieser Derivate. Es ist stets ein Geschäft zwischen zwei Vertragspartnern, sowohl beim Abschluss als auch beim Weiterverkauf. Denn oft werden diese CDS – mal tranchiert, mal vollständig – an andere Investoren weitergereicht. Für die Aufsichtsbehörden ist das ein Alptraum, denn sie wissen überhaupt nicht, welchen Weg diese Produkte nehmen, wer die Policen gerade hält und dafür im „Ernstfall“ geradestehen muss. Es ist wie ein Dominospiel, bei dem der letzte Stein nicht umkippen darf. Er muss finanziell stark genug sein, um im Versicherungsfall wirklich zehlen zu können. (Nun das wird wohl tunlichst vermieden werden) Wenn dieser letzte nicht zahlen kann, dann kippt alles. Können das Hedgefonds überhaupt, wird zur spannenden Frage?
Dazu erklärt die Finanzmarktexpertin der Deutschen Bundesbank Claudia Buch, es gibt kaum differenzierte Informationen dazu, wer die Gegenpartei für diese Kreditausfallversicherung ist. (Ich schätze, das soll auch so sein)
Eigentlich wollte man nach der Finanzkrise mehr Transparenz auf diesem Markt dieser Derivate schaffen, doch diese Bemühungen sind größtenteils versandet (warum wohl?) Dabei gab es nach der Pleite von Lehman-Brothers schlimme Erfahrungen: Diese US-Bank war 2008 ein großer Spieler im CDS-Markt, dessen Volumen damals auf mehr als 60 Milliarden Dollar geschätzt wurde. Mit dem Bankrott dieser Bank waren die Kreditausfallversicherungen von Lehman praktisch wertlos. Dieser Umstand wirkte wie ein Brandbeschleuniger für die Finanzkrise, weil sich plötzlich alle an den Finanzmärkten gegenseitig misstrauten. Damals gab man auf Kreditausfallversicherungen gar nichts mehr.
Und nun sind sie wieder da. Und ob diese im Ernstfall bedient werden, sieht man ohnehin nur im „Ernstfall“… Und in den USA sollen unter Präsident Trump ohnehin die Schleusen für die Finanzinvestoren weiter geöffnet werden. (Siehe „Trump entfesselt die Banken wieder….“ bei https://www.labournet.de/?p=111327)
So ist 10 Jahre nach der Finanzkrise die Schamfrist offenbar jetzt vorbei, schreibt Andrea Rexer. Und die bisherigen Regulierungen der Finanzmärkte waren „für die Katz“ (http://www.sueddeutsche.de/politik/finanzmaerkte-einfache-regeln-1.3639657?reduced=true )
Zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise hantieren Hedgefonds und Banken wieder mit diesen Kreditausfallversicherungen, die der bekannte amerikanische Starinvestor Warren Buffet einst als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet hatte. Sie haben damals die Krise enorm verstärkt…
Dass diese Art von Wertpapieren ein solches Comeback feiern können, zeigt, wie wenig die Regulierungsbemühungen in den vergangenen Jahren erreicht haben: Zwar wurden auf der ganzen Welt Tausende Seiten – mit Hilfe der Finanzindustrie – mit Gesetzestexten gefüllt, doch an der Geschäftspraxis hat das kaum etwas geändert. (Das war wohl auch der „tiefere Sinn“ dieser Beteiligung der Finanzindustrie an diesen Regulierungsvorhaben.)
Dazu kommt noch eine weithin „herrschende“ oder einfach zur „herrschenden“ gemachte Wirtschaftswissenschaft, die diese Praktiken meist mehr ignoriert als aufhebt und gar überwindet. (Vgl. z. B. auch „Der Wirtschaftsnobelpreis als Kampfinstrument…“ bei https://www.labournet.de/?p=120418)
Die Lobby der Banken hat die Regulierung so „verwässert“, dass die Banken jeden Spielraum für Finanz-Aktivitäten haben. Die nächste Krise lässt schon „grüßen“
Die Banklobbyisten, die als Sachverständige an dieser Gesetzgebung mitwirken konnten, haben zu viele Ausnahmen und Sonderbestimmungen durchgesetzt – nicht nur bei diesen Wertpapieren, sondern in allen Bereichen des Finanzmarktes, meint Andrea Rexer in der „Süddeutschen“.
Und eine Beruhigung der Finanzmärkte durch die Finanztransaktionssteuer haben sie „glorreich“ (für die Finanzbranche) immer wieder zu verhindern gewusst. (https://www.labournet.de/?p=106262)
Nach dem Scheitern der Regulierung erklärt die EU-Kommission die Finanzkrise für beendet
Und just nach diesem ganzen Scheitern einer politischen Regulierung der Finanzmärkte erklärte auch noch die EUropäische Kommission, um dem ganzen – so offensichtlichen – politischen Versagen für eine zukünftige die Krisen verhindernden Finanzmarkt-Regulierung noch eine besondere Note zu verpassen, „die Krise ist beendet“ (https://www.labournet.de/?p=120135). Jedoch um dieser ganzen „Unübersichtlichkeit“ zugunsten der Finanzindustrie noch die Krone aufzusetzen, erlaube ich mir einmal eine andere Entscheidung der Kommission – obwohl auf schwankender regulatorischer Grundlage – dennoch der Situation für angemessen zu halten : nicht der falsche Vollzug der Regeln der Bankenunion ist das Problem, sondern wohl die Regeln selbst sind „unvollkommen“… – deshalb nun Dir einen kleinen Zwischenruf zur Finanzkrise – mit Blick auf Italien…
Die weitere Bankenkrise bringt es an den Tag: Das Flickwerk der europäischen Bankenunion tritt in Italien zu Tage.
Die Bankenkrise frisst sich weiter rein – dank des regulalatorischen Flickwerks „Bankenunion“ der EU – mit Hilfe von Deutschland. So zeigt die Rettung der italienischen Bank Monte dei Paschi noch einmal dieses Elend der bisherigen so unvollkommenen Regulierungsanstrengungen der Europäischen Union. (https://www.euractiv.de/section/finanzdienstleist/news/fall-italienischer-banken-zeigt-grenzen-der-eu-richtlinien-zur-bankenabwicklung-auf/ )
Sven Giegold prangert daher diese jetzige staatliche Rettung in Italien als eindeutigen Bruch der – bisherigen – Regeln an (http://www.sven-giegold.de/2017/eu-kommission-genehmigt-rettung-der-monte-dei-paschi/ ).
Aber der Ex-Notenbanker Philipp Hildebrand meinte, jetzt rollt die zweite Welle – neun Jahre nach der Finanzkrise – auf Europa zu. Europa hat es eben in dieser Zeit verpasst, das Bankensystem zu stabilisieren. Er sieht das als einen riesigen Fehler an. Das schlug zuerst sich dann als Verunsicherung der Finanzmärkte in Italiens Banken nieder. (Vgl. dazu den Abschnitt „Endlich ein Ende oder nur die Fortsetzung des alten Narrativs?“ auf der Seite 1 bei https://www.labournet.de/?p=101242)
Hildebrand meint deshalb – und verweist auf seine Erfahrung als Notenbanker, der solche Krisen hautnah miterlebt habe -, die Italiener brechen keine Regeln – und das ist sehr wichtig zu betonen -, denn wenn die Finanzstabilität gefährdet ist, wenn also eine Systemkrise droht, dann darf ein Eurostaat seinen Bankensektor mit frischem Geld ausstatten. Dazu muss die EU-Kommission feststellen, dass es dieses Finanzstabilitätsrisiko gibt.
Der Steuerzahler muss zwar wieder „bluten“, aber das geschieht doch nur deshalb, weil das Problem – der stabilen Banken endlich auch in Europa – nicht gelöst wurde. Dagegen wenn man jetzt eine italienische Großbank Pleite gehen ließe, dann erzeugt man eine Ansteckung in ganz Europa (das Beispiel Lehman-Brothers in den USA steht ihm wohl vor Augen…) Und das könnte viel teurer werden, betont der Ex-Notenbanker Hildebrand.
Und Regeln zur angemessenen Eigenkapitalausstattung verhindert gerade die deutsche Bundesregierung
Dies wohl vor Augen rügten die Wissenschaftler im Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums noch im Dezember 2016 die laxe Haltung der Bundesregierung gegenüber den Banken: Damals rang die Bankenaufsicht mit der Kreditwirtschaft um strengere Eigenkapitalvorschriften. (https://www.labournet.de/?p=109061)
Diese Verhinderung von einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung für die Banken – gerade auch von Deutschland! – so als verlängerter Arm der Banken – erhöhte natürlich wieder das Risiko, dass wieder der Steuerzahler – wie jetzt zunächst in Italien – geradestehen muss.
Dabei haben die Italiener noch das Glück, dass sie bisher vor schwererem Schaden in dieser Finanzmisere noch die EZB gerettet hatte – und in gewisser Hinsicht vielleicht auch noch das verlorene Referendum in Italien des Ministerpräsidenten Renzi, was auch wieder Scheinlösungen verhinderte – , denn bis jetzt war ansonsten die EZB noch der Garant gegen den Staatsschulden-Crash in Italien. (Vgl. dazu den entsprechenden Abschnitt auf der Seite 3 unten bei https://www.labournet.de/?p=107443)