Mit stoischer Ruhe und völkischer Erregtheit in die nächste große Krise?

Bailout = bullshit„… Die 10 Jahre nach der letzten großen Finanz- und Wirtschaftskrise, sollten nicht nur Anlass sein gegen Rechts konsequent aufzutreten. Wichtig ist auch eine Antwort auf die anfänglich gestellte Frage: Was tun gegen die drohende Zerstörung durch die nächste, sicher noch katastrophalere Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems? Wegen der wirtschaftspolitischen Bedeutung sind hier besonders die Gewerkschaften gefordert – und zwar jetzt, vor der Krise. Hinterher neben bzw. statt der Rettung der Banken (und Konzerne), auch eine Rettung der Menschen zu fordern, solche verspätete Einsicht kann sogar tödlich sein, wie wir wissen. (…) Der Bedrohung durch eine neuerliche Wirtschafts- und Finanzkrise kann überhaupt nur durch internationalen Widerstand etwas entgegengesetzt werden, weshalb jeglicher Nationalismus weniger als die halbe Miete ist. Vor allem kann dies nur heißen: Der Widerstand muss politisch sein. Eine Begrenzung von Streiks auf Tarifverträge reicht deshalb nicht. (…) Die nächste große Wirtschafts- und Finanzkrise wird vermutlich zu einer ziemlich einschneidenden Erfahrung für das kapitalistische Privateigentum ebenso wie für deren Opfer. Eines scheint jedoch festzustehen: Es gibt kein Anzeichen dafür, dass die Profiteure der kapitalistischer Art des Wirtschaftens aus der Krise von 2008 viel gelernt hätten. Aber die Opfer solcher Krisen sollten daraus lernen und auch darüber nachdenken, wie die Machtverhältnisse im Sinne von Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, Frieden und menschengerechter Ökologie verändert werden können. Und das besser jetzt als später.“ Kommentar von Armin Kammrad vom 16. September 2018 – wir danken!

Mit stoischer Ruhe und völkischer Erregtheit in die nächste große Krise?

Kommentar von Armin Kammrad, 16. September 2018

Dass 10 Jahre nach der letzten, eine noch verheerende Finanz- und Wirtschaftskrise sich immer lautstarker ankündigt, ist für ein breites internationales Spektrum an kritischen Geistern mittlerweile ein offenes Geheimnis. Um das zu verhindern, werden jede Menge an mehr oder weniger brauchbaren Forderungen erhoben, in der Hoffnung, so die Kluft zwischen den reichen Gewinnern und massenhaften Verlierern erfolgreich zu händeln. Aber wie überhaupt eine Kurskorrektur durchsetzen?

Diese Frage stellt sich auch angesichts einer massenhaften Flucht in den rechten Mythos der Möglichkeit einer gemütlichen und (krisen-)sicheren Heimat (vgl. CSU-Wahlprogramm). Längst projiziert man teilweise existenzielle Bedrohungen in „die Fremden“, ohne zu merken, dass die einheimischen Mächtigen der Wirtschaft die eigentliche Gefahr darstellen. Wie ein Bericht der US-Militärregierung vom November 1946 enthüllte, nahm u.a. die Deutsche Bank schon einmal aus Profitgründe die unappetitlichen Nebeneffekte eines deutschen Faschismus in Kauf. Hatte der kroatische Philosoph und Mitbegründer von DiEM25, Srećko Horvat, also recht, als er vor ein paar Wochen erklärte: „Der Faschismus ist nie gestorben. (…) In Europa herrscht ein Bürgerkrieg mit Neoliberalen auf der einen und Rechtspopulisten auf der anderen Seite. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille“?

Wirtschaftspolitisch betrachtet ist die Gefahr einer erneut drohende weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise nun zum brennendste Systemproblem des global agierenden Kapitalismus mit völlig offenen Grenzen für Ausbeutung und Umverteilung geworden. Grenzen zieht hier nur das global agierende System mit seiner Konkurrenz um möglichst profitablen Mehrwert, beim dem man allerdings als Gläubiger seinen Gewinn bisher auch deshalb erzielen konnte, weil sich Verluste problemlos sozialisieren oder „anschreiben“ ließen; selbst am Bankrott kann man gut verdienen, wenn man mit seiner Wette richtig lag. Aber solche „Freiheiten“ habe ihre Grenzen. Und die liegen im System, wie die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 zeigte. Schulden sind und bleiben immer ein rein juristischer Titel auf etwas, was noch gar nicht existiert. Es ist ein Versprechen, bei dessen Umsetzung man sich auf ein System verlässt, was funktioniert. Doch der Kapitalismus gehört nicht dazu. Alle seine Versprechung sind relativ, weshalb man sich nie darauf wirklich verlassen kann. Ein gravierendes Systemproblem des Kapitalismus ist: Man kann die Leere zwar schön verpacken, hinter imposante Zahlen verstecken. Irgendwann fällt jedoch der fehlende Inhalt auf, und es kann nichts übrig bleiben, wo nie etwas war. Es geht dann nur noch um Vernichtung oder Füllung, die letztlich auch nur Vernichtung ist – aber „der anderen“, der machtlosen und existenziell vom Verkauf ihrer Arbeitskraft abhängigen Bevölkerung. Abhängig genau von dem Teil der Weltbevölkerung, der nur spekuliert und die kapitalistischen Freiheiten für private Bereicherung nutzt und den man – z.B. durch Anlagen für private Vorsorge – Lohn- und Gehaltsbestandteile zur Spekulation sogar überlässt. Aber letztlich ist es eine Unfreiheit, bei der nur die Frage ist, wer sie hautnah erleben bzw. durchleben muss – falls er/sie überhaupt überlebt. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass Hannah Arendt 1963 Freiheit ursächlich mit Revolution verband (vgl. „Die Freiheit, frei zu sein“)

Es war Immanuel Wallerstein, der 1995 betonte, dass die kapitalistische Weltwirtschaft mit ihrer Ausbreitung „Menschen ausschließt, indem sie Menschen einbezieht“ (eine ähnliche Sichtweise findet man auch bei Noami Klein und Slavoj Žižek). Banker und Spekulanten nutzen und verteidigen das System jedoch nur, weil es ihnen persönlich Vorteile bringt. Carl von Ossietzky hatte schon 1929 darauf hingewiesen: „Der Kapitalismus handelt nur nach den Geboten kältester Zweckmäßigkeit“. Auch wenn George Soros, der wohl von Rassisten meistgehasste Jude, immer noch versucht die „offene Gesellschaft“ von Herrn Popper mit elementaren kapitalistischen Grundprinzipien zu vereinen, steuert nicht er oder eine (geheime) Elite die Entwicklung zu einer neuen Weltordnung. Ursache ist allein der sich ungebremst entwickelnde Kapitalismus, die zu wenig konsequenten Eingriffe in seine soziale und ökologische Zerstörungskraft, was uns in eine neue, neoliberale Weltordnung geführt hat. Die davon profitieren, werden nachvollziehbar nicht in den Lauf der Dinge eingreifen, und wenn, dann nur, damit es für sie noch besser läuft, zumindest wenigstens nicht schlechter als bisher. Deshalb kann man tatsächlich sagen: Der neoliberal ausgerichtete Kapitalismus hat keine Zukunft. Man lässt ihm nur seine Perspektivlosigkeit, weil er systembedingt nicht untätig ist, und – wie im Zuge der Digitalisierung – permanent Neues schafft, was man nun für oder gegen ihn nutzen kann. Das Problem ist nur: Man muss es irgendwie nutzen. Die aktuelle Debatte um Arbeit 4.0 macht diesen Zwang deutlich. Höhere Ausbeutungsraten oder weniger Arbeit bei gleicher Entlohnung? Das ist hier die Frage. Auch in sofern muss der Einschluss von Menschen, den Wallerstein hervorhebt, kein Nachteil für ein Agieren gegen das System sein. So entpuppte sich Migration für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft letztlich immer entweder als tragbar oder sogar als förderlich – natürlich auch für den Kapitalismus. Die Frage ist nur, was man daraus macht und wie man zur kapitalistischen Art des Wirtschaftens und dessen Opfer steht.

So hat nicht zufällig auch der Antisemitismus im letztes Jahr allein in Deutschland um 60 Prozent zugenommen, ersetzte er doch schon immer für manche Menschen gesellschaftliche Zusammenhänge durch – wenn auch nur eingebildete – menschliche Charaktereigenschaften, was eine Systemfrage scheinbar überflüssig macht. Ein verhängnisvoller Irrtum. Auf eine „böse“ Personengruppe reduzierte Erklärungsversuche (Banker, Juden, Muslime, Migranten usw.) verändern u.U. zwar etwas, aber in eine Richtung, die bekanntlich noch schlimmer sein kann, als eine weltweite Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Jeder darf sich zur Erklärung seiner Lebensumstände seine eigene Erklärung zusammen basteln. Aber diese Freiheit ist Resultat des Kapitalismus – also Unfreiheit.

Auch existenzielle Sicherheit für alle kennt der Kapitalismus nicht und wenn, nur als seltene und zeitlich oder örtlich begrenzte Ausnahme. In sofern schützt die exekutive Staatsgewalt (vgl. neue Polizeigesetze) uns ebenso wenig, wie der Verfassungsschutz das Grundgesetz. Sie schützen das System und werden ausgebaut, wenn man dessen Bedrohung befürchtet. Vertrauen ist für die Vertreter des Kapitalismus gut, Kontrolle durch mehr Überwachung ist für sie besser. In der Theorie ist Marktwirtschaft immer frei. In der Praxis muss die existenzielle Sicherheit des überwiegenden Teils der Weltbevölkerung erkämpft werden. Hier kann sich das Verhältnis von völkischem Nationalismus, wie Franz Neumann in seinem „Behemoth“ bei der Wirtschaft des nationalsozialistischen Deutschlands feststellte, in eine Monopol- und eine Befehlswirtschaft transformieren. „Sie ist eine privatkapitalistische Ökonomie, die durch einen totalitären Staat reglementiert wird“, schrieb Neumann 1944. Das Monopol haben wir bereits zur Genüge. Die Befehlswirtschaft hat mit dem Druck der Deutschen Bank durch Herrn Ackermann 2008 auf die Bundesregierung zur Bankenrettung, ihren ersten, noch zaghaften Ausdruck gefunden. Da die nächste Krise jedoch droht noch katastrophaler zu werden als die immer noch nicht verdaute letzte, wird es wohl so liberal nicht mehr weitergehen. Aber man hat hier im Land schon 1968 vorgebaut und vorsorglich die Notstandsgesetze geschaffen.

Gerade angesichts der Erfindung einer „Flüchtlingskrise“ in Europa – die wohl eher eine Krise für die Flüchtlinge ist – wäre es wichtig, auf die auch hier im Land existenzbedrohliche neoliberale „Invasion“ hinzuweisen und zu registrieren, dass die „besorgten Bürger*innen“ von Chemnitz faktisch nur für den weiteren, möglichst ungestörten Weg in eine neue globale Finanz- und Wirtschaftskrise, marschieren, also für eine so oder so katastrophale Zukunft. Angesichts einer neuen gigantischen drohenden Systemkrise trifft man mit den Tritt nach unten schon deshalb die Falschen, weil den Profiteuren des Kapitalismus gar nichts Besseres passieren kann, als wenn das, was sie verursachen, ihren Opfern (Hartz IV-Abhängige, Niedriglöhner, Migranten – aber auch einer zu liberalen Einstellung in der breiten Bevölkerung) angelastet wird. Das Problem solcher Krisen wie 2008 besteht ja gerade darin, dass – wie Slavoj Žižek wiederholt hervorhob – die Profiteure des kapitalistischen Systems, „ihr“ System nicht mehr beherrschen. „Der Kapitalismus ist entzaubert und bringt uns das größte Faschismusproblem seit den Dreißigern“ zog Yanis Varoufakis im September die bittere Bilanz. Bitter auch deshalb, weil sich der Kapitalismus – eigentlich nicht verwunderlich – in Raum und Zeit entfaltet. Es hat zwar oft auch etwas Tröstliches, wenn man nicht mehr dorthin zurück muss, wo man schon einmal war. Aber was den „guten, alten“ Kapitalismus ohne Agenda 2010 betrifft, ist eine Zeitumkehr leider ebenfalls nicht möglich. Doch es muss nicht wieder im Faschismus enden, wenn dieser wegen der Irreversibilität auch nicht der alte sein kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der großen Gefahr, die mit der Bedrohung durch eine Weltwirtschaftskrise einher geht, rechtzeitig etwas entgegengesetzt wird. Die 10 Jahre nach der letzten großen Finanz- und Wirtschaftskrise, sollten nicht nur Anlass sein gegen Rechts konsequent aufzutreten. Wichtig ist auch eine Antwort auf die anfänglich gestellte Frage: Was tun gegen die drohende Zerstörung durch die nächste, sicher noch katastrophalere Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems?

Wegen der wirtschaftspolitischen Bedeutung sind hier besonders die Gewerkschaften gefordert – und zwar jetzt, vor der Krise. Hinterher neben bzw. statt der Rettung der Banken (und Konzerne), auch eine Rettung der Menschen zu fordern, solche verspätete Einsicht kann sogar tödlich sein, wie wir wissen. So war es 1933 im „deutschen Reich“ zu spät, um das nachzuholen, was man davor versäumt hatte. Betrachtet man umgekehrt Krisen als Chance, wird es allerdings auch nicht besser, wenn man im Fall des Falles nicht so recht weiß, was nun fundamental anders laufen soll, damit „so etwas nicht nochmals“ passiert. So lag das Ahlener Wirtschaftsprogramm der CDU vom Februar 1947 mit der Feststellung zwar richtig: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden“. Ein „deutsches Volk“, was sich heute allerdings über „Ausländer“ mehr aufregt als über das kapitalistische Wirtschaftssystem, zeigt leider nur, dass es nicht das sein kann, von dem selbst die CDU mal sprach. Aber „das Volk“, ob nun als Objekt oder Subjekt, ist sowie so eine knifflige Angelegenheit. Immerhin scheint heute, dank der Arbeiten von Benedict Anderson und Eric J. Hobsbawm, klar zu sein, dass die Idee der Gemeinschaft als Nation deren Konstituierung immer vorausging (mit Ausnahme der kolonialen Zwangsbildungen von Nationen allerdings). 2017 erinnerte Judith Butler daran, dass dann, „wenn zum Beispiel 2 % der Bevölkerung den Großteil des Reichtums besitzen und eine zunehmende Anzahl von Menschen ihr Heim und Arbeit verliert, dann ist das Volk eindeutig in Klassen gespalten“. Ohne Klassenbewusstsein ist deshalb auch jedes „Wir sind das Volk“ völkisch-nationalistisch und kein Ausdruck dessen, was nach dem Grundgesetz unter „Volk“ zu verstehen wäre. Das Abstammungsprinzip von Art. 116 Grundgesetz führt da in die Irre und ist „vorbehaltlich anderweitiger Regelung“ (Art. 116 Abs. 1) nur aus der speziellen Situation nach der deutschen Niederlage adäquat zu begreifen. Denn auch wer die kapitalistischen Machtverhältnisse hier maßgeblich verteidigt, kann im Sinne des Gesetzes „Deutscher“ sein, muss aber nicht, wie auch das Beispiel Ackermann zeigt. Ein antikapitalistisches „deutsches Volk“ gibt es nicht, wie bereits die vielen von völkischer Ideologie Ausgegrenzten und die Gewöhnung an ein Leben im Kapitalismus zeigen. Auch die Befürworter eines multikulturellen Deutschlands sind Deutsche „im Sinne des Grundgesetzes“. Die Frage ist nur, wie groß deren Bevölkerungsanteil ist – bzw. aktueller – sein darf. Aber um das eigentliche Thema hier nicht aus den Augen zu verlieren: Der Bedrohung durch eine neuerliche Wirtschafts- und Finanzkrise kann überhaupt nur durch internationalen Widerstand etwas entgegengesetzt werden, weshalb jeglicher Nationalismus weniger als die halbe Miete ist. Vor allem kann dies nur heißen: Der Widerstand muss politisch sein.

Eine Begrenzung von Streiks auf Tarifverträge reicht deshalb nicht. Allerdings nennt Art. 9 Grundgesetz ausdrücklich das „Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ gewerkschaftlichen Widerstand zu leisten, also zumindest wörtlich das, was durch eine neue Wirtschafts- und Finanzkrise extrem gefährdet wäre. Und es ist nun einmal der Gesetzgeber, der maßgeblich auch für die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verantwortlich ist bzw. sein soll, so soll er den Sozialstaat verteidigen und ihn nicht für den Weiterbestand des Kapitalismus in Frage stellen. Der Arbeitsrechtlicher Wolfgang Däubler unterscheidet zwar zwischen politischem Demonstrations- und Erzwingungsstreik. Aber zumindest könnten die Gewerkschaften durch Streik zunächst einmal überhaupt demonstrieren, dass sie mit einem Weiter-So anlässlich der drohenden Krisengefahr nicht einverstanden sind (auch sonst gab und gibt es, wegen dem gestaltenden Einfluss der herrschenden Politik, genügend Gründe für politische Streiks). Auch in Deutschland gab es übrigens durchaus politische Streiks: Nach dem Krieg besonders der zur Erhaltung der Montanmitbestimmung 1955, 1972 anlässlich des Misstrauensvotums gegen Willy Brandt. Aber auch für „Fünf Minuten für den Frieden“ Oktober 1983 rief (legal) der DGB zur fünfminütigen Arbeitsniederlegung auf. Das ist natürlich alles noch etwas mickrig.

Zugegeben – ein Kampf gegen die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung stellt etwas ganz Neues dar (zumindest hier im Land). Aber es handelt sich auch um ein völlig neues Problem, was vom als friedlich unterstellten Miteinander von Kapital und Arbeit deutlich abweicht, es handelt sich um eine Art drohenden wirtschaftspolitischen „Notstand“, der Kapitalismus „kann nicht mehr“. Wenn die Banken tatsächlich so „systemrelevant“ sein sollen, wie immer wieder behauptet wird, lässt sich sogar ein Widerstandsrecht aus Art. 20 Abs.4 Grundgesetz ableiten, sofern zur Rettung der Demokratie vor den Machenschaften der Banken, „andere (rein juristische) Abhilfe nicht möglich“ ist. Es nutzt zumindest nicht viel, nur über den nächsten großen Crash zu philosophieren, ohne darüber zu diskutieren, wie er verhindert werden kann. Und Mahnungen, welche der Gesetzgeber ignoriert oder wegen dem wirtschaftspolitischen Druck vielleicht auch ignorieren muss, bringen uns nicht weiter. Wenn die Herrschenden unfähig werden, ihre Herrschaft ohne massenhafte Opfer noch auszuüben, müssen die Herrschaftsverhältnisse eben verändert werden. Das ist spätestens dann legal, wenn Kapitalismus und Demokratie selbst bei bester Absicht sich nicht mehr friedlich vereinbaren lassen. Nach 10 Jahre Finanz- und Wirtschaftskrise ist es überfällig, nicht mehr nur auf die Schlange zu starren, sondern sie zu bändigen. Gerade wenn von rechts permanenter „Notstand“ (wenn auch eher geistiger) proklamiert wird, sollte links nicht beschwichtigen, vor allem wenn sich rechte Demokratiefeindlichkeit mit der des Kapitals zu verbinden droht. Für einen Erfolg zentral ist letztlich die Aktion und nicht die Analyse, obwohl unbestritten geklärt werden sollte, wie es nach erfolgreicher Veränderung in den kapitalistischen Machtverhältnissen weitergehen soll (Žižeks „Lieblingskritik“ an Revolten wie beim Arabischen Frühling). Allerdings: Nur dadurch, dass man vor der nächsten Finanzkrise eindringlich warnt, wird man diese noch nicht verhindern können. Hierzu stimmen die Machtverhältnisse einfach nicht, weil die kapitalistische Art des Wirtschaftens seit über 200 Jahren keine anderen Machtverhältnis zuließ (den sog. „Realsozialismus“ lasse ich hier mal weg). Es gab jede Menge an Versuchen – besonders in Südamerika – nicht den kapitalistischen Systemvorgaben zu folgen. Eine Globalisierung des Widerstands erfolgte jedoch nicht, es blieb bei der unversöhnlichen und weitgehend gescheiterten Spaltung in „Ost und West“ und in „Nord und Süd“. Auch blieb die Nato spätestens seit den Pariser Verträgen vom Oktober 1954 bis heute die militärische Option des globalen Kapitalismus – auch zur Krisenabwehr.

Dabei ist ohne Frage Frieden und Liberalismus auch für das Kapital der angenehmste Zustand. Dagegen ist Faschismus zwar eine ziemlich unangenehme Angelegenheit, aber wie der liberale Ludwig von Mises bereits 1927 behauptete: „Es kann nicht geleugnet werden, daß der Faszismus und alle ähnlichen Diktaturbestrebungen voll von den besten Absichten sind und daß ihr Eingreifen für den Augenblick die europäische Gesittung gerettet hat. (…) Der Faszismus war ein Notbehelf des Augenblicks; ihn als mehr anzusehen, wäre ein verhängnisvoller Irrtum.“ (er bezog sich wohl vor allem auf den von Mussolini). Augusto Pinochet stürzte in Chile am 11. September 1973 mit Unterstützung der USA Salvador Allende und eröffnete Milton Friedmans Chicago Boys damit tatsächlich ein neoliberales Experimentierfeld. Doch ist der Neoliberalismus – wie schon von Mises erkannte – nicht ursächlich vom Faschismus abhängig; es war viel mehr nur ein Einstieg. Er kann jedoch zum letzten Rettungsanker auch des Neoliberalismus werden, obwohl ihm kein dauerhaftes Überleben beschieden sein wird. Doch was kommt danach? Wie endete die scheinbar unendliche Geschichte kapitalistischer Vorherrschaft?

Die nächste große Wirtschafts- und Finanzkrise wird vermutlich zu einer ziemlich einschneidenden Erfahrung für das kapitalistische Privateigentum ebenso wie für deren Opfer. Eines scheint jedoch festzustehen: Es gibt kein Anzeichen dafür, dass die Profiteure der kapitalistischer Art des Wirtschaftens aus der Krise von 2008 viel gelernt hätten. Aber die Opfer solcher Krisen sollten daraus lernen und auch darüber nachdenken, wie die Machtverhältnisse im Sinne von Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, Frieden und menschengerechter Ökologie verändert werden können. Und das besser jetzt als später.

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