„Zerschlagt die Banken – jetzt doch!“
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 22. Oktober 2012
Vom Saulus zum Paulus werden? Ein Vergleich der politischen Kulturen in den USA und Deutschland
Manchmal gibt es in der Presse Fundstücke, die schon wie Edelsteine glänzen – und aus dem übrigen herausragen. Ein solches „Stück“ stand kürzlich (18. Oktober 2012) in der Süddeutschen an prominenter Stelle auf der Wirtschafts-Seite. Unter der Überschrift „US-Banken: Die Hybris der Banken“ war dort eine – nicht ganz unwichtige – Episode aus der Geschichte der Banken-De-Regulierung und jetzigen wieder Re-Regulierung von Moritz Koch zu lesen.
Jahrelang herrschte in den Banktürmen eine Kultur des Wegsehens
….“Erst jetzt vier Jahre nach dem Großen Crash, hat ( bei den Banken ) ein Wandel begonnen. Die Aktionäre werden aufmüpfig, die Verwaltungsräte beginnen, ihre Kontrollfunktion ernst zu nehmen. Die Ära der Selbstherrlichkeit der Spitzenbanker neigt sich ihrem Ende entgegen. Untrügliche Indizien für diesen Umbruch liefert ein Konzern, der wie kein anderer für die Megalomanie der Branche stand: die Citigroup.
Citi-Gründer Sanford Weill war besessen von der Idee, die größte Bank der Welt zu schaffen. Keine Übernahme war ihm zu teuer, kein Markt zu fern. Der Verwaltungsrat war keine Hürde, sondern ein Affirmationsorgan. Und wenn Gesetze dieser Expansion im Wege standen, wurden sie geändert – wozu hält man sich schließlich all die Freunde im Kongress und im Finanzministerium?
Die verhängngnisvolle Aufhebung des Glass-Steagall-Acts, der bis Ende der 90-er Jahre Geschäftsbanken, Investmentbanken und Versicherer voneinander trennte, (http://en.wikipedia.org/wiki/Glass%E2%80%93Steagall_Act – seine Aufhebung war „an important cause of the crisis“) war vor allem eine „Lex Citigroup“.
Den Stift, mit dem Präsident Bill Clinton diese Abschaffung des Trennbankensystems ratifizierte, hängte Weill sich – als Trophäe – ins Büro.
Weills Konstrukt war ein Monument der Willensstärke. Doch es stand auf einem brüchigen Fundament… Als die Finanzkrise die Wall Street erschütterte, traten die ganzen Bruchstellen hervor…
Und heute? Unter dem Strich sieht die Bilanz verheerend aus. Um 89 Prozent ist die Citiaktie unter seinem Nachfolger Pandit gefallen, der letzten Dienstag auch noch sein Amt hinschmiss. Es wird sich noch beweisen müssen, ob die neue Kontrollkultur – die er inzwischen etabliert hat – ausreicht, ausreicht, um die Interessen von Aktionären und Steuerzahlern besser zu schützen.
Und so schließt der Kommentator in der SZ: Die Frage, ob die Großbanken nicht doch aufgespalten werden müssen, bleibt somit aktuell. (Ein Problem, das in den USA wenigstens mit der sog. „Volcker-Regel“ angegangen wird – vgl. dazu „Doch Finanzmärkte regulieren: „Volcker-Regel“ für die USA und die europäischen Regierungen kämpfen dagegen“ (archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/volcker.html) – wobei ich im Detail nicht beurteilen kann, inwieweit Paul Volcker sich in dem Gesetzentwurf wirklich durchsetzen konnte – bzw. inwieweit die angestrebte „Volcker-Regel“ nicht doch wieder durch die Finanzlobby in den USA wieder in diesem Gesetzesvorhaben verwässert wurde. Aber in den USA gibt es doch diese Auseinandersetzung darüber, wie diese „Gefahr“ der Banken, Krisen hervorzubringen, begrenzt werden kann (vgl. auch noch den Abschnitt d ) auf der Seite 5 „Nur das „Goldene Kalb“ der Anleger als (politische) Referenz – bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html).
Und nun eine Kehrtwendung um 180 Grad: Vom Finanzkapital-Saulus zum Paulus
Dann schreibt Moritz Koch in seinem Kommentar weiter: „Zumindest Sanford Weill hat seine Antwort schon gefunden : „Was wir tun sollten, ist wohl das Investmentbanking vom Privatkundengeschäft zu trennen“, verkündete er kürzlich im Interview. Eine Abkehr vom eigenen Lebenswerk. Zur Nachahmung empfohlen“, schließt Koch.
Zwar hatte schon vorher die Krise bei JP Morgan die Notwendigkeit derartiger Reformen deutlich gemacht (vgl. „JP Morgan beweist, wie notwendig Regulierung ist“ archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/jpmorgan.html)
Also doch – zerschlagt die Banken!
Wenn man kürzlich noch schreiben konnte, dass es bei uns noch keinen Gedanken für solch ein kriseneinschränkendes Trennbanksystem gibt (vgl. den Absatz „…und kein Gedanke an eine Trennung …“ bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl4.html), so hat sich die Situation doch inzwischen geändert.
Nachdem bei uns in Deutschland der Protagonist eines derartigen Regulierungswerkes, Rudolf Hickel (vgl. zu seinem Buche den allerletzten Absatz bei archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/volcker.html) durch die Vorlage seines Buches diese Idee popularisiert hatte, findet man diese „Trennung“ – wenn auch noch unvollkommen – beim SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück wieder: Zwar sollen die Banken nicht wirklich aufgespalten werden, sondern Geschäfts- und Investmentbanken innerhalb einer Holding verbleiben. (Vgl. den 4. Absatz auf der Seite 7 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html)
Ob mein Urteil, dass Peer Steinbrück damit die große „Bekehrung“ vom Finanzmarkt-Saulus zum Paulus noch nicht vollzogen hat, voreilig gewesen sein könnte, wird uns die Krise wohl weiter lehren.
Beeindruckend finde ich jedoch, wie dieser Sanford Weill der mit allen Konsequenzen und auch aller Härte die Deregulierung der Banken im Interesse der radikalen Pläne für seine Bank „Citi-Group“ – sozusagen „an vorderster Front – vorangetrieben hat, mit der gleichen Konsequenz auch heute sagen kann, dieser Weg hat uns nicht weiter gebracht – wir müssen daher zurück zum alten – und wohl bewährten – Bankensystem!