Hintergrund zu – aktuellen – Regeln für die Finanzmärkte: Versagt Europa bei der Bankenregulierung?
Zuerst bei der Deregulierung radikal hinter den USA her – aber bei der Re-Regulierung schwächelnd und einfach „abwegig“?
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 30. August 2012
Am 30. August 2012 gab es einen ausführlichen Artikel in der Süddeutschen über die aktuellen Anstrengungen auf europäischer Ebene zur Regulierung der Banken unter der Überschrift: „Der letzte Wille der Banken“. Was geschieht, wenn ein großes Institut in der nächsten Krise wieder in Schieflage gerät? Zerschlagen fordern die einen. Lasst sie einen Plan schreiben, um sie leichter abwickeln zu können, fordern die anderen. Deutsche Banken bereiten bereits ihr Testament vor.
Dabei werden in diesem Bericht über die diesbezüglichen Planungen in Europa nicht wägend die Möglichkeiten ins Auge genommen, sondern es wird sich eindeutig gegen ein Trennbanken-System ausgesprochen, wie es z.B. Roosevelt mit dem Glass-Steagall-Act in der letzten Weltwirtschaftskrise 1933 in den USA durchgesetzt hatte. Dieses System der Trennung von Geschäftsbanken und „Investmentbanking“ hatte bis zur Aufhebung 1999 durch die Regierung Clinton noch eine relative Stabilität auf den Finanzmärkten bewirkt.
Eine Untersuchung des US-Repräsentantenhauses zu den Ursachen der jetzigen Finanzkrise kam daher zu dem Ergebnis, dass diese Aufhebung mit eine der Ursachen war, die zu der jetzigen Finanzkrise geführt habe.
Nun gibt es weder auf der deutschen Ebene (Bundestag) noch auf europäischer Ebene eine solche systematische Untersuchung von Seiten der Politik wie in den USA, um die Ursachen der Finanzkrise zu klären. Dies führt dazu, dass man wohl ziemlich einfach – sozusagen aus dem „Bauch heraus“ (oder in Abhängigkeit von der Finanzlobby?) – zu einer strikten Ablehnung dieser Trennung gelangen kann.
In den USA ist es „heutzutage“ gerade der frühere Präsident der US-Zentralbank Fed, Paul Volcker, der nicht an diese „chinese walls“ glaubt zwischen den beiden Geschäftsbereichen – und in den USA bemüht man sich daher um einen Kompromiss mit der sog. Volcker-Regel gegen das die europäischen Instanzen dann anscheinend wiederum – wohl im Interesse „ihres“ Finanzkapitals kämpfen. (vgl. dazu „Doch Finanzmärkte regulieren: „Volcker-Regel“ für die USA und die europäischen Regierungen kämpfen dagegen“ archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/volcker.html)
So bleibt deshalb auch hier nur der Verdacht, dass es bei der Ablehnung des Trennbankensystems für Europa mit den Argumenten analytisch doch nicht so weit her sein kann : „Einerseits kamen in der Vergangenheit auch auch im Trennbankensystem Krisen vor (natürlich ohne genauere Angaben) – und andererseits, weil es fraglich ist, wie leicht sich in der Praxis die Geschäfte tatsächlich sauber trennen lassen“ (oh, da hätte man ja nur in die 65-jährige Geschichte des Glass-Steagall-Actes in den USA gucken müssen – und wieso die Finanzlobby ihn 1999 endgültig beseitigt haben wollte).
Deshalb drängt sich auch hier wieder deutlich die Vermutung auf, dass hierzulande die Politik einfach weiter nur „fest im Griff der Finanzoligarchie“ bleibt (vgl. die Seite 2 beim letzten Link).
Dazu müsste in einem ersten Schritt auch einmal klar herausgestellt werden, dass – und im Zweifelsfalle welche? – produktive Funktion das Investmentbanking überhaupt für die Gesellschaft hat. Robert Misik kommt in seiner Analyse dazu, dass gerade das Investmentbanking – ganz überwiegend! – keine produktive Funktion für eine Volkswirtschaft – oder auch globale Ökonomie – hat. (www.gegenblende.de/16-2012/++co++ce95fcea-f03f-11e1-a496-52540066f352 ) Das im Raume stehende Diktum „Abschöpfung statt Wertschöpfung“ durch diese „Goldmänner“ ist nicht ausgeräumt.
Auf jeden Fall würde nach einer Regulierung die produktive Funktion des Finanzsystems erst wieder hergestellt.
In den USA war jedenfalls der Fall von JP Morgan, wo sich diese Bank gewaltig verspekuliert hatte (am Schluss wurden es wohl rund 10 Milliarden Dollar Verlust noch) doch noch der Beweis dafür, wie richtig die Regierung Obamas bei der Regulierung mit der „Volcker-Regel“ lag. (archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/jpmorgan.html)
Und wie die Gefechtslage in den USA ist, zeigt die Tatsache, dass der Gegenkandidat Mitt Romney angekündigt hat, dieses Gesetz – falls er gewählt wird wieder zu kippen.
Und nun scheint doch Europa auf der gleichen Welle schwimmen zu wollen – und das obwohl es den „Libor-Skandal“ mit den Banken auszubaden hatte. archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/barclaysknall.html)
Jedenfalls muss unterstellt werden, dass bei einer Trennung der Banken diese gewaltige Manipulation von Seiten der Banken (Investmentbanken! ) dieser Skandal wesentlich leichter – auch strafrechtlich – zu ahnden gewesen wäre.
Zu Recht macht der DGB-Vorsitzende Michael Sommer auf die Erpressungsmacht der Finanzwelt aufmerksam, die die Politik wohl erst zu beseitigen hat, bevor sie zur Gestaltung kommen kann. (http://www.dgb.de/themen/++co++40aa33e8-f025-11e1-a757-00188b4dc422 )
Es wäre daher sauberer gewesen – ohne den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel mit seiner Forderung nach einer „Zerschlagung der Banken“ einfach ins politische „Abseits“ zu schieben, sich angesichts dieser viel differenzierteren Diskussion in den USA etwas „seriöser“ damit auseinanderzusetzen – anstatt einfach „bloß“ zu konstatieren, dass diese Forderung höchst „umstritten“ ist – ja zwischen dem US-Präsidenten Obama und dem politischen Gegner und „Finanzhai“ Mitt Romney!
Der Sozialwissenschaftler Wolfgang Streeck hatte es – zugegebenermaßen etwas verschwörungstheoretisch zugespitzt – so formuliert, „Abschöpfung statt Wertschöpfung“: Die Goldmänner – Die Kapitalversteher (archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/bahl_sowi4.html)
Soweit noch einmal ein Einstieg in die soziologische Krisenerzählung mit diesen „Goldmänner-Kapitalverstehern“
Und die Angst dieser „Experten“ ist groß, dass die „Massen“ beginnen sich zu weigern, diese Abschöpfung weiter mitzumachen – meist mit dem schrägen Schlagwort von der „Systemrelevanz“ einer Bank.
Angesichts dieser so wichtigen und nicht übersehbaren Verkürzung der Analyse über die Banken als Krisenursache in Europa erscheint es interessant, wenn die Feststellung getroffen wird, dass von der EU-Kommission im Juni als Ansatz zur Lösung der Krisenanfälligkeit der Banken ein Richtlinien-Entwurf vorgelegt wurde, der die Abwicklung von Banken auf eine einheitlich Grundlage stellen soll.
„Ein sehr sensibler Punkt für eine mögliche Abwicklung einer Bank ist das Derivatebuch einer Bank. Denn hier verbergen sich die Querverbindungen zu anderen Finanzinstituten (auf den Caymans?). Durch Angabe ihrer wichtigsten Kontrahenten lässt sich das Ausmaß des Ansteckungsrisikos beurteilen, das von der Abwicklung einer Bank ausgeht.“ (SZ) – Und das sollte für den Teil des Investmentbankings auch durchaus weiter ins Auge gefasst werden.
Ich muss gestehen, das erscheint mir alles sehr blauäugig, wenn es bei dem organisatorischen Zusammenwirken – ganz ohne eine klare Trennung der Bereiche – bleiben soll – schon angesichts der vorliegenden Skandale. Die Skepsis von Paul Volcker, dem alten Spezialisten, gegenüber den sog. „chinese walls“ zwischen den Geschäftsbereichen der Bankenbereiche erscheinen mir viel triftiger als diese „irrationale“ Unterstellung der Herstellung einer solchen Rationalität bei den spekulierenden Banken – durch solche „Testamente“ zu ihrer Abwicklung.
Sind die Europäer – insbesondere die Deutschen – bei der Deregulierung der Finanzmärkte zügig den USA hinterher geeilt, so sollten sie jetzt auch bei der Regulierung gegenüber den Anstrengungen in den USA mehr analytische Aufmerksamkeit widmen. Sonst kann die Vermutung nicht von der Hand gewiesen werden, dass das „politische System gegenüber der notwendigen Aufsicht über die Banken einfach weiter versagt – wie es der DGB ausgedrückt hatte.