Wie aus dem Thema Kindergeld die nächste Hass-, Hetz- und Neidkampagne gemacht wird: Von Bild, AfD und CDU. Und SPD. Und…
„Müll der sich »bergeweise türmt«, »Sozialbetrug«, »Schlepperbanden«, eine Verschärfung des »Rattenproblems« – mit diesen Worten beschwerte sich Duisburgs sozialdemokratischer Oberbürgermeister Sören Link über Zuwanderer aus Südosteuropa, die in seiner Stadt leben und Kindergeld erhalten. Die Menschen könnten auf dem Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen und kämen nur, »um Sozialleistungen zu beziehen«. Link fordert, die Bundesregierung müsse etwas gegen die Armutsmigration in Europa tun. Dabei hat er auch das Kindergeld im Visier. 268.000 Kinder, die außerhalb der Bundesrepublik leben, empfangen das deutsche Kindergeld. Die Zahl ist seit dem vergangenen Jahr um rund zehn Prozent gestiegen. Darüber ist in Deutschland eine Debatte entbrannt, an deren Spitze sich Sören Link gesetzt hat. Es ist nicht das erste Mal, dass Link sich abfällig über Zuwanderer aus Südosteuropa äußert. Im Herbst 2015 erklärte er: »Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.« Später entschuldigte sich Link zwar, sprach davon, »in einer emotionalen Debatte nicht die richtigen Worte« gefunden zu haben, und sagte, dass er »niemanden persönlich« habe treffen wollen. Schon damals kritisierte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, Links Äußerungen seien »rassistisch« und dazu geeignet, »pauschalen Hass gegen Flüchtlinge aus den Westbalkanstaaten« zu schüren…“ – aus dem Beitrag „Eine rassistische Debatte“ von Sebastian Weiermann am 12. August 2018 in neues deutschland über die neueste „Abzocker-Kampagne“ der Rechten, die parteiübergreifend Neid schüren… Siehe dazu drei weitere aktuelle Beiträge:
- „Bigotterie der Mittelschicht“ von Barbara Dribusch am 10. August 2018 in der taz über die Neidhammel: „Wer wissen will, wie sich eine Hetzdebatte im Internet entwickeln kann, sollte sich den Streit um das Kindergeld für EU-Ausländer anschauen. Duisburgs SPD-Oberbürgermeister Sören Link warnte vor kriminellen Schleppern, die gezielt Sinti und Roma dazu anstiften würden, mit gefälschten Dokumenten Kindergeld zu ergattern. Nun fordern mehrere Politiker – darunter Ralph Brinkhaus, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag – Kürzungen beim Kindergeld für EU-Ausländer, wenn der Nachwuchs nicht in Deutschland lebt. Von „Betrugsmaschen“, „Armutsflüchtlingen“ ist in den Medien die Rede. Die Bigotterie der deutschen Mittelschicht ist auffällig: Wenn es um billige Pflegerinnen, um günstige Handwerker geht, dann kommen osteuropäische Arbeitskräfte gerade recht. Aber bei Sozialleistungen wird schnell Betrug unterstellt…“
- „Rechte Agendasetzung bei der Debatte um Kindergeld-Betrug durch Nichtdeutsche“ von Peter Nowak am 10. August 2018 bei telepolis unterstreicht zu den transnationalen Zusammenhängen der aktuellen Hetzkampagne: „Da suggerieren Ruhrgebietsoberbürgermeister überwiegend mit SPD-Parteibuch, der soziale Friede sei in Deutschland durch die Kindergeldzahlungen ins Ausland gefährdet. Hat man schon mal irgendwo gelesen, dass der soziale Friede durch die horrenden Beträge für Stuttgart 21, den immer noch im Bau befindlichen Berliner Flughafen oder andere deutsche Pleiteprojekte gefährdet ist? Der Zentralrat der Sinti und Roma kritisierte den Duisburger SPD-Oberbürgermeister Link, weil er die Diskussion um die Kindergeldzahlungen mit rassistischen Angriffen gegen Roma und Sinti garniert habe…(…) Die Visegradstaaten hingegen wollen mit ihrem harten Gesicht der Abschreckung das Signal aussenden, dass möglichst keine außereuropäischen Migranten die Festung Europa erreichen. Sie sieht sie als Konkurrenz um die Arbeitsplätze in den EU-Kernländern. Denn aus diesen Länder, besonders Ungarn, Rumänien, Bulgarien, suchen viele Menschen Lohnarbeit in Deutschland. Diese Menschen sind es, die nun im Fokus der aktuellen Debatte um die Kindergeldzahlungen stehen. Dabei handelt es sich allerdings keinesfalls um eine Einwanderung in das deutsche Sozialsystem, wie die populistische Erklärung nicht nur in Deutschland lautet. Denn beim Kindergeld handelt es sich gar nicht um Sozialleistungen, sondern um Steuerrecht. Menschen, die den gleichen Steuersatz zahlen, würden, wenn es nach den Plänen einer großen Koalition von deutschen Politikern geht, beim Kindergeld benachteiligt, da sie nach ihrer Auffassung nur einen Bruchteil bekommen sollen…“
- „„Bild“ verunsachlicht Kindergeld-Debatte mit falschen Zahlen“ von Moritz Tschermak am 10. August 2018 beim Bild-Blog zum Wirken des (Er)Stürmers jeder journalistischen Niederung – wie immer, zusammen geleimt aus angeblichen persönlichen Geschichten: „Erstmal: Wenn Ricky heute 20 ist und vor acht Jahren nach Dortmund kam, dürfte es ausgesprochen unwahrscheinlich sein, dass er als 12-Jähriger auf die Idee kam, sich aufgrund deutscher Sozialleistungen nach Deutschland aufzumachen, wie Bild.de in der Überschrift behauptet. Die Initiative dürfte wohl eher von Rickys Eltern ausgegangen sein. Dann: Wenn Ricky zwei Jahre als Koch gearbeitet hat, wird er vermutlich in die Sozialkassen eingezahlt haben. Dass er daraus nun Arbeitslosengeld bekommt, ist erstmal nur fair. Aber vor allem: Leider hat Ricky keine besonders große Ahnung von den Sozialleistungen in Bulgarien. Und leider hat „Bild“-Chefreporter Peter Hell kein besonders großes Interesse an Fakten. „7 bis 8 Euro Kindergeld und 15 Euro Arbeitslosengeld pro Monat“ in Bulgarien — da wird selbst der letzte Stammtischler sagen: „Ist ja klar, dass die zu uns kommen und hier was abstauben wollen!“ Nur sind die Zahlen falsch…“