[Buch] KlassenLos – Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den Teuerungsprotesten

Dossier

[Buch im Verlag Die Buchmacherei] KlassenLos – Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den TeuerungsprotestenHeißer Herbst“, soziale Wut, gar Aufruhr aufgrund von Verarmung – was für die einen ein Schreckgespenst ist, kann für jene, die eine soziale und radikale Änderung der Verhältnisse anstreben, nur wünschenswert sein. Der Sammelband liefert die Darstellung von 20 Jahren sozialen Widerstands gegen Verarmung. Vor der Hartz IV-Einführung 2004 brachten arme Menschen besonders im Osten ihre angestaute Wut auf die Straße. Die Erfahrungen aus dieser Zeit machen deutlich, was möglich wäre, wenn das individuelle Leiden an Armut in kollektiven Widerstand umschlägt. 20 Jahre später rollt eine Teuerungswelle über Deutschland, doch der „revolutionäre“ Funke zündet nicht. Arme Bevölkerungskreise, die am meisten unter Inflation und Preissteigerung leiden, halten sich zurück, fühlen sich weder von linken Protestformen inspiriert, noch von rechten Aufmärschen angesprochen. Es zeigt sich nicht zum ersten Mal, „dass die Krisensituation, die materielles Elend schafft, nicht an sich selber die Revolution produziert.“ (Hans-Jürgen Krahl)“ Klappentext des von Anne Seeck, Peter Nowak, Gerhard Hanloser und Harald Rein herausgegebenen Buches im Verlag Die Buchmacherei – siehe mehr Infos zum Buch und Bezug und als Leseprobe im LabourNet Germany das Vorwort samt dem Inhaltsverzeichnis und nun u.a. auch eine 2. Leseprobe:

  • KlassenLos – ein Aufruf zur Debatte! Warum an eine soziale Protestbewegung vor 20 Jahren erinnern? New
    In diesen Wochen jährt sich zum zwanzigsten Mal der Protest einer sozialen Bewegung, die zunächst ohne die Unterstützung von Parteien und Grossorganisationen über mehrere Wochen viele Menschen auf die Strasse brachte. Gemeint sind die Montagsdemonstrationen gegen die Einführung von Hartz IV. Den Startschuss lieferte der arbeitslose Kaufmann Andreas Ehrhold, der Ende Juli 2004 Zettel mit den handgeschriebenen Parolen „Schluss mit Hartz IV – denn heute wir, morgen ihr“ verbreitete. Anfangs waren es wenige Hundert Menschen, die sich in Magdeburg versammelten Doch an den darauffolgenden Monaten gingen immer mehr Menschen in immer mehr ostdeutschen Strassen gegen die Einführung von Hartz IV auf die Strasse. Höhepunkt war Montag, der 30 August, als bundesweit mindestens 200.000 Menschen auf die Strasse gingen. Es verwundert wenig, dass in einer Zeit, wo auch in der linken Politik Jahreszahlen eine grosse Rolle spielten, an diese selbstorganisierte Protestbewegung vor 20 Jahren kaum erinnert wird. (…)
    Gerade heute, wo die Debatte über das Bürgergeld zeigt, wie der Klassenkrieg gegen arme Menschen geführt wird, wäre es wichtig, sich anzuschauen, warum vor 20 Jahren so viele Menschen vor allem in Ostdeutschland gegen Hartz IV auf die Strasse gingen.
    Das Buch Klassenlos Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den Teuerungsprotesten hat sich dieser Aufgabe gestellt: Die Herausgeber*innen Anne Seeck, Gerhard Hanloser, Harald Rein und der Verfasser dieser Zeilen haben diesen Text als Aufruf zur Debatte gemeinsam verfasst…“  Artikel von Peter Nowak vom 13. August 2024 im untergrund-blättle.ch externer Link
  • KlassenLos! Ein Aufruf zur Debatte: Was hat das Klassenverhältnis mit dem Stand der kapitalistischen Vergesellschaftung zu tun – und warum muss es angegriffen werden?
    „Die Rechte auf dem Vormarsch, eine zersplitterte Linke in der Krise: destruktive gesellschaftliche Entwicklungen, prekäre Alltagserfahrungen und mannigfaltige Überwältigungen wie Kriege, Corona und Klimakatastrophe tragen nicht zur Stärkung linker Bewegungen bei – im Gegenteil. (…) In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Widerstandsfähigkeit armer Leute. Die Bewegungen auf der Straße der letzten Jahre waren schließlich nicht von armen Leuten geprägt. Kann es sein, dass ab einem gewissen Grad von Armut sich die ganze Existenzsituation der meist Vereinzelten in Richtung Apathie entwickelt? (…) Wir wünschen uns eine umfassendere Debatte darüber, wie Leiden an Armut und staatlicher Bevormundung, sowie der Lohnarbeit umschlagen kann in eine kollektive Praxis grundlegender Gesellschaftsveränderung. Dazu einige Überlegungen von uns: Die aktuellen Massendemonstrationen gegen Rechts und für Demokratie brandmarken auf der einen Seite rechtsextremistische Auswüchse, verdecken aber auf der anderen Seite eine gesellschaftliche Entwicklung hin zu verstärktem staatlichen Autoritarismus. So wurde dort kaum auf die Angriffe gegen Bürgergeldbezieher*innen reagiert, stattdessen überboteten sich ein Großteil der Parteien an Hetze gegen Bezieher*innen von Grundsicherung. Es ist Joachim Hirsch zuzustimmen, wenn er die herrschende Politik als demokratiebedrohend kennzeichnet. (…) Des Weiteren fällt die Abwesenheit einer linken Debatte auf, wie der aktuellen Hetze gegen Erwerbslose (Bürgergeld als »leistungsloses Einkommen«) und Flüchtlinge (Bezahlkarte, Leistungskürzungen) begegnet werden kann. (…) Wir wissen wenig darüber, wie arme Leute jenseits ihrer eigenen proletarischen Existenzsituation weltpolitische Lagen einschätzen und verarbeiten. Die gesellschaftliche Linke zieht als Reaktion auf die Zunahme von Krisen ihre eigenen Kreise immer enger. Selbst für ein großes Bündnisthema wie Frieden und Antimilitarismus will man zuweilen nur die eigene Szene mobilisieren. Gerade arme Menschen sind in einem Klima von Kriegstüchtigkeit und Remilitarisierung besonders betroffen: Werbekampagnen der Armee könnten sie als Rekrutierungsmilieu ausmachen, und generell: »Kanonen statt Butter« trifft immer die unteren Klassen. (…) In diesem Zusammenhang wären auch Kampagnen überlegenswert, wie zum Beispiel in Form eines massenweisen Aufrufes an Einkommensarmen die ihnen zustehenden Sozialleistungen zu beantragen, denn 60 Prozent aller Rentnerinnen und Rentner realisieren ihren Anspruch auf Grundsicherung im Alter nicht, mehr als ein Drittel aller Anspruchsberechtigten verzichten auf Bürgergeld und beim Kinderzuschlag sind es sogar zwei Drittel. Ort der Realisierung dieser Vorschläge können bestehende oder zu gründende Sozial-/Workerzentren sein, die neben der Beratung, der politischen Initiativen auch ein niedrigschwelliger Anlaufpunkt für Betroffene aus der jeweiligen Stadt darstellen. Erste Erfahrungen hierzu gibt es bereits!“ Beitrag von Anne Seeck, Gerhard Hanloser, Peter Nowak, Harald Rein und Thilo Broschell vom 17. Mai 2024 in Neues Deutschland online externer Link

    • Buch-Mitautorin Mag Wompel dazu:
      Die darin angedachten Kampagnen wie zum Beispiel in Form eines massenweisen Aufrufes an Einkommensarme, die ihnen zustehenden Sozialleistungen zu beantragen, könnten m.E. ein gutes Mittel sein, um der Stigmatisierung der BezieherInnen von Sozialleistungen durch ihre Verbreitung entgegen zu treten. Eine solche Kampagne setzt aber auch Maßnahmen zur Reduktion der amtlichen Repressionen voraus, die (u.a.) diese Menschen vom Leistungsbezug abschrecken. Und hier schließt sich für mich der Kreis zu den Protesten vor 20 Jahren, bei denen ich mich gegen Großdemos und für die Bildung von kommunalen Selbsthilfe- und Unterstützungsstrukturen ausgesprochen hatte. Erwerbslosengruppen gibt es nun aber kaum noch und damit ein Aufruf, wie z.B. „Keiner geht allein zum Amt“ heute kaum möglich. Für den flächendeckenden Aufbau der ebenfalls angesprochenen Sozial-/Workerzentren als Treffpunkt aller prekär lebenden Menschen kann es gerade in Zeiten der Kommerzialisierung öffentlicher Räume (und des Rückzugs der Gewerkschaften aus diesen) nie zu spät sein.
  • ratlos und reaktiv: Von Hartz IV zu den Teuerungsprotesten
    Corona, Krieg, Klimakrise und zunehmende Verarmung wirken in unterschiedlicher Form auf die hiesige Bevölkerung ein. Während die einen von den vielfältigen Krisen profitieren, gerät ein anderer, größerer Teil in eine materielle Abwärtsspirale. (…) Ich möchte im Weiteren einige Hinweise darauf geben, woran es vielleicht gelegen hat, dass besonders betroffene Menschen auch in Krisenzeiten nicht sofort auf die Straße gehen, welche Rolle dabei linke Gruppen spielen und weshalb die Hartz IV-Proteste zwar ein positives Beispiel darstellen, aber mit der heutigen Situation nur schwer vergleichbar sind. (…) Parolen der linken Bewegung wie „Genug ist genug“ oder „Wir werden die Kosten der Krise nicht tragen“ sprechen die Armutsbevölkerung nicht an, da diese sowieso tagtäglich dafür zahlen muss. Gegen wen sollen Arme in der jetzigen Krise aufstehen? Wo ist die kritische Struktur, an der sie teilnehmen könnten? Forderungen, die sich etwa gegen das Bürgergeld richten, sind in den großen Bündnissen nicht präsent, eine gesellschaftspolitisch nachvollziehbare Perspektive, in denen sich auch Arme wiederfinden, ist nicht vorhanden. Erfahrungsgemäß ist für sie eher das individuelle Durchwurschteln erfolgversprechender als der öffentliche Protest…“ Artikel von Harald Rein aus dem Buch „KlassenLos – Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den Teuerungsprotesten“ – wir danken und empfehlen das gesamte Buch! Siehe auch:

    • [Aus dem Buch „KlassenLos“] In neuem Gewand: Hartz IV heißt seit Beginn des Jahres Bürgergeld. An der sozialstaatlichen Verarmungspolitik ändert das wenig 
      „… Im November 2022 verabschiedete der Bundestag das neue Bürgergeldgesetz. Arbeitsminister Heil sprach von der »größte(n) Sozialstaatsreform seit 20 Jahren«. Sie solle es Menschen ermöglichen, auch nach langer Zeit der Arbeitslosigkeit wieder eine berufliche Perspektive zu finden. Es sei hier bereits darauf hingewiesen, dass das Sozialgesetzbuch II, also das System »Hartz IV«, nicht abgeschafft wurde, sondern nur an einigen Stellen »reformiert« und die Namen der Leistungen des SGB II (ALG II und Sozialgeld) in den Namen »Bürgergeld« geändert wurden. (…) Auffallend ist, dass trotz umfangreich organisierter staatlicher Hilfen Armut und soziale Ungleichheit merklich zunehmen. Alle bisherigen sozialen Unterstützungen haben keinen grundlegenden Wandel in der Armutsfrage bewirkt. Tatsächlich hat dies etwas mit der kapitalistischen Lebens- und Produktionsweise zu tun, in der Reichtum ohne Armut nicht denkbar ist. (…) Der »moderne« Sozialstaat entledigt sich so bestimmter Bedeutungsweisen, die an die Ursprünge der staatlichen Fürsorge erinnern. Mit einem historischen Blick betrachtet wird erkennbar, dass »eine Trennung von einem helfenden Sozialstaat und einem strafenden Rechtsstaat« nicht existiert und die Entstehungsgeschichte der Fürsorge in der bürgerlichen Gesellschaft als Armenpolizei beschrieben werden kann. Hintergrund dieser Entwicklungen waren die von Karl Marx beschriebene »ursprüngliche Akkumulation« sowie die Angst vor unkontrollierten revolutionären Umtrieben der in die Armut gestoßenen Menschen. »Die Einführung der Kapitalismus in Deutschland beginnt insofern mit der Zerstörung der hergebrachten Subsistenzgrundlagen auf dem Lande und mit der Ruinierung des Handwerks in den Städten.« Der daran anschließende industrielle Fortschritt ist von Massenarmut geprägt, da der produzierte Reichtum aufgrund der Eigentumsverhältnisse in Händen weniger Personen bleibt. (…) Von ihren Gegnern wurden die revoltierenden Armen als Pöbel verschrien. (…) Dieses Prinzip der Buße des Einzelnen, als Verschulder seiner misslichen Situation, gegenüber der Gesellschaft durchdrang die damalige Epoche und spielt auch in der neueren Zeit eine wesentliche Rolle. Damals wie heute wird in Politik und Teilen der Öffentlichkeit zwischen »würdigen« und »unwürdigen« Armen unterschieden. Erstere galten, aufgrund von Alter, Krankheit, Invalidität etc., als nicht arbeitsfähig, ihr Anliegen gilt als unterstützenswert, während arbeitsfähige Menschen, ohne Einkommen und Arbeit, als unwürdig galten, um soziale Hilfen zu erhalten. Sie landeten früher im Zucht- bzw. Arbeitshaus (erst 1969 in der BRD abgeschafft!), während sie heute zu »unwürdiger« Arbeit in Form von Arbeitsgelegenheiten oder Niedriglohnarbeiten gezwungen werden.  In einem Interview mit dem Vorwärts im November 2022 sprach Arbeitsminister Hubertus Heil im Zusammenhang mit dem kommenden Bürgergeld von einem »echten Paradigmenwechsel«. Dass daran erhebliche Zweifel anzumelden sind, zeigt sich bereits beim Vergleich mit den zentralen Kritikpunkten an Hartz IV: Einschränkung sozialer Rechte, Sanktionspraxis, Regelsatzhöhe und Zumutbarkeit von Arbeit. (…) Auch wenn die Leistungen des 2. Sozialgesetzbuches nun Bürgergeld heißen, so bleiben die sozialen Rechte doch weiterhin eingeschränkt. Das Recht auf freie Wohnungswahl und das Recht auf freie Berufswahl sind beschnitten. Die Zumutbarkeit, jede erdenkliche Arbeit annehmen zu müssen, wurde nicht angetastet, die Sanktionsregelungen wirken weiter, und an der Art und Weise der Bestimmung der Regelsatzhöhe hat sich nichts verändert. Das Bürgergeld ist damit Teil einer sozialstaatlich beeinflussten Verarmungsstrategie.“ Artikel von Harald Rein in der jungen Welt vom 28. September 2023 externer Link – es ist der leicht gekürzte Beitrag aus dem Buch, verlinkt in unseremDossier: Erst habt ihr uns den Begriff “Reform” versaut, jetzt wollt ihr eure Scheisse (bisschen) reformieren? Weg mit den Hartz-Gesetzen statt „Bürgergeld“!
  • KlassenLos – Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den Teuerungsprotesten
  • Vorwort
    Krisen sind Begleitmomente des Kapitalismus, können aber auch Ausgangspunkt für Veränderungen sein. Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und der darauffolgenden Sanktionspolitik europäischer Länder schnellte die Inflation, nicht nur in Deutschland, in die Höhe. Fulminante Preissteigerungen, insbesondere bei Lebensmitteln, und ein Anstieg der Energiekosten waren die Folge. Mitte des Jahres 2023 liegt die Inflationsrate zwischen sieben und neun Prozent, während die Energiekosten regional unterschiedlich anstiegen, je nachdem wie einzelne Energieunternehmen zusätzlich aus ihrer Monopolstellung Profite generieren.
    Die sich daraus ergebenden existenziellen Unsicherheiten bei großen Teilen der Bevölkerung könnten, so die Vermutung vieler linker Gruppen und die Befürchtung konservativer Politik, möglicherweise zu Unzufriedenheit und Aufbegehren führen. Ein „heißer Herbst“ wurde prognostiziert und linke wie auch rechte Initiativen riefen zu Protestversammlungen und Demonstrationen auf. In einem Aufruf der Interventionistischen Linken „Winter Is Coming: Zeit, Feuer zu machen!“ (September 2022) wurde ausgehend von der Behauptung, „dass aktuell viele Menschen für antikapitalistische Botschaften empfänglich“ seien, geschlussfolgert, dass deshalb für „alle Bewegungen und alle Spektren der gesellschaftlichen Linken ein unmittelbarer Handlungszwang“ bestünde. Einige Monate später kann festgestellt werden, dass diese Einschätzung falsch war und Versuche, über das Thema Teuerungen Mobilisierungskraft zu entwickeln, gescheitert sind. Während im Westen nur eine Art der „Selbstorganisierung“ linker Gruppen mit geringer Wirksamkeit nach außen zu erkennen war, erreichten im Osten Teile des Mittelstandes und der Selbständigen, nicht selten zusammen mit Rechtsextremen, eine gewisse Mobilisierungskraft, deren Höhepunkt aber schon wieder überschritten ist.
    Warum lagen die Prognosen vieler linker Gruppen so daneben, weshalb klappte die Mobilisierung im Osten Deutschlands zumindest teilweise besser und warum wehrten sich nicht diejenigen Bevölkerungsteile, die am meisten unter vielerlei Teuerungen zu leiden haben? Diesen und weiteren Fragen wollen wir im vorliegenden Sammelband nachgehen. (…)
    Der Sammelband beschreibt nicht nur den Widerstand gegen Hartz IV sowie die Teuerungsproteste, sondern versucht auch die Gründe für das Scheitern des Aufbegehrens der Erwerbslosen und für das schmale Opponieren gegen die aktuellen Preissteigerungen zu formulieren. Darüber hinaus beschäftigen sich verschiedene Autor*innen mit Perspektivfragen, die über die augenblickliche linke Tristesse hinausweisen. Ziel des Sammelbandes ist es, die eher seltenen Proteste von Armutsbetroffenen darzustellen, ihre Bedeutung einzuordnen und eine eher ratlose linke Perspektive zu kritisieren. (…)
    Die Reaktion vieler Gruppen und schnell entstandener linker Bündnissen auf die Preisverschärfungen im Herbst 2022 waren von der Angst geprägt, rechte Gruppierungen könnten schneller die Straße dominieren. Ob die insgesamt geringe Beteiligung an den Protesten etwas mit den Entlastungspaketen der Bundesregierung und deren frühzeitigen Versuchen, die Proteste in Richtung einer angeblichen Querfront zu diffamieren zu tun hatte, ist nicht sicher. Und ob das Einbinden der Friedensfrage in die Sozialproteste mehr Menschen mobilisiert hätte, ist ebenfalls unklar. Sicherlich kann aber festgestellt werden, dass es den meisten linken Bündnissen an glaubwürdigen sozialen Perspektiven mangelte („Preise runter“ – und was dann?), von einer emanzipatorischen Vision nichts zu spüren war, Kritik am gerade verabschiedeten Bürgergeld keine Rolle spielte, der Sozialstaat keiner kritischen Analyse unterzogen wurde und es keinen Bezug auf die spezifischen Formen des Widerstandes armer Leute gab. Dennoch gibt es auch Lichtblicke (…)
    Wenn die Linke es nicht schafft, Zugang zu den immensen Leiden in und außerhalb des Arbeitsprozesses zu finden und mit den spezifischen Lebens- und Ausdrucksformen der Arbeiter*innen und Unterklassen nichts anfangen kann, wird sie weiter in die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der Sammelband möchte mit seinen Beiträgen genau das verhindern!…“ Siehe das gesamte Vorwort samt dem Inhaltsverzeichnis  – wir danken dem Verlag!
  • Übrigens ist das LabourNet im Buch ebenfalls vertreten und zwar mit:
    Kalte Wut macht keinen warmen Winter. Wie schon die Hartz-Proteste die „leistungskonforme Sozialpolitik“ nicht verhindern konnten
    Artikel von Mag Wompel vom 23. August 2022

Siehe zu dem aktuellen Hintergrund unser Dossier: Startet mit #SyltEntern und ähnlichen Aktionen eine heiße Phase der Proteste gegen Preissteigerungen und Verarmung?

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=215055
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