EVG-Bahn-Tarifrunde 2025: Lohnsteigerung von 6,5% in drei Schritten trifft auf 33 Monate Laufzeit und umstrittene Boni nur für Mitglieder

Dossier

Spendenappell für "KLIMA-BAHN": Der FILMDie EVG und die Deutsche Bahn haben sich in der Nacht zum Sonntag auf einen neuen Tarifvertrag für die 192.000 Beschäftigten bei der DB AG verständigen können. „Wir haben eine Lohnsteigerung von 6,5 Prozent in drei Schritten, einschließlich des EVG-Zusatzgeld, für alle vereinbaren können, bei Schichtarbeitenden sind es sogar 9,1 Prozent mehr. Hinzu kommt eine Einmalzahlung von 200 Euro. Damit sind wir ganz nah an unserer Forderung“, erklärte EVG-Co-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay. (…) Weiterhin habe die EVG ihre Forderung nach einem Bonus nur für Mitglieder durchsetzen können. „Über die Laufzeit des Tarifvertrages werden insgesamt dreimal 156 Euro steuerfrei als EVG-Erholungsbeihilfe gezahlt. Es lohnt sich schon deshalb, in der richtigen Gewerkschaft zu sein“...“ EVG-Meldung vom 16.02.2025 externer Link („Tarifrunde DB AG: Bis zu 9,1 % mehr Geld einschließlich EVG-Zusatzgeld“) – siehe Kritik zuvor und danach:

  • Tarifrunde EVG/DB AG: „Alles gegeben – für den Konzern“ und weitere erste Kommentare zum vorzeitigen Abschluss New
    • Tarifrunde EVG / DB AG: Alles gegeben – für den Konzern
      „„Wie kann man nur so was abschließen?“, „33 Jahre Laufzeit; ach ne, doch nur 33 Monate…“, „Wie kann man in dem Laden noch drin sein?“, „Hab’ von denen nichts anderes erwartet.“ Die Stimmen auf der Arbeit einen Tag nach dem Abschluss der EVG bewegen sich zwischen Kopfschütteln, Zynismus und der Gleichgültigkeit bis Überlegenheit eines Es-schon-vorher-gewusst-Habens. Die Tarifrunde zwischen der Deutschen Bahn AG und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ist vorbei, bevor sie richtig angefangen hat. (…) Aber nicht nur Streiks und jegliche Öffentlichkeit haben gefehlt. Die Bürokratie hat die Waffen vor dem Konzern gestreckt, ohne sie eingesetzt zu haben. Und das aus einem guten Grund – aus Sicht des EVG-Vorstands. 2023 hat sich dieser eine schallende Backpfeife von der Mitgliedschaft gefangen, als in der Urabstimmung gerade mal knapp über 50 % das Schlichtungsergebnis annahmen. Die Streiklaune war hoch gewesen, nachdem das Frankfurter Landesarbeitsgericht den 50-Stunden-Streik angegriffen und untersagt hatte (und worauf die EVG-Spitze nicht vorbereitet war). Der Vorstand sah sich damals zu Manövern und unterschiedlichen Veranstaltungen für die Mitgliedschaft gezwungen, um Wut ins versandete gewerkschaftliche Getriebe laufen zu lassen. Es war schon damals klar, dass die Bürokratie hieraus lernen wird – und zwar nicht, wie sie einen demokratischen, eskalativen und die Basis einbeziehenden Arbeitskampf führt, der auch vor dem LAG Frankfurt nicht einknickt, sondern – wie sie die Kontrolle behält. (…)
      Abschluss vor dem Anfang eines Kampfs
      Was als Allererstes ins Auge springt, ist die lange Laufzeit von 33 Monaten – also fast 3 Jahren! Das ist selbst für die zahme EVG beeindruckend lang. In diesen 33 Monaten wird es eine Lohnerhöhung um 4,5 % geben in zwei Schritten (2 % ab Juli 2025, 2,5 % ab Juli 2026) – das ist gerade so am Rande der Zielinflation und damit eine Nullrunde, für 2027 sogar ein Reallohnverlust. Gefordert waren 5 % in einem Jahr, fehlen also 3 %-Punkte. Nicht anders zu erwarten, dennoch ein Schlag ins Gesicht aller, die sich tagtäglich im DB-Konzern abarbeiten, regelmäßig ihre Ruhezeiten entzogen bekommen und hunderte Überstunden im Jahr durch ihr Leben rangieren. Die jährliche Einmalzahlung für Schichtarbeitende von 2,6 % des Jahreseinkommens ab 2026 macht das Ganze auch nicht viel besser.
      Das einzig Gute scheint die „Beschäftigungssicherung“, also ein Kündigungsschutz über die gesamte Laufzeit des Tarifvertrages, zu sein – dies stellen zumindest die EVG und die DB einträchtig als den großen Gewinn dar. Die EVG macht das natürlich, damit die sehr bittere Pille Laufzeit den Eisenbahner:innen nicht völlig im Rachen stecken bleibt. Doch auch davon verspricht man sich mehr als dahintersteckt, dank einer Öffnungsklausel bei DB-Cargo, mit der Abweichungen vom Tarifvertrag möglich sind, wenn es für die „Restrukturierungspläne“ nötig ist. Die Forderungen für Nachwuchskräfte (bspw. kostenloses Deutschlandticket) sind fast allesamt ausverkauft worden
      …“ Beitrag von Lia Malinovski und Leo Drais vom 18. Februar 2025 bei arbeiterinnenmacht.de externer Link
    • EVG-Führung verhindert Streik: Neuverhandlungen jetzt!
      Ohne einen einzigen Streiktag hat sich die Tarifkommission der EVG mit dem DB-Vorstand auf einen miserablen Abschluss geeinigt und damit jede Legitimität verloren. Es braucht Versammlungen der Beschäftigten, um die Verhandlungen wieder aufzunehmen…“ Beitrag von Luis Linden vom 18.02.2025 bei Klasse gegen Klasse externer Link
    • Das Personal der Bahn hat Besseres verdient
      Der Konzern und die Gewerkschaft EVG schließen rasch einen neuen Tarifvertrag. Der aber nützt vor allem dem Konzern, nicht den Mitarbeitern – die zu Recht sauer sind…“ Kommentar von Vivien Timmler vom 17. Februar 2025 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link – leider hinter paywall
  • [Gewerkschafter:innen gegen Krieg zum Bahn-Tarifabschluss mit 33 Monate Laufzeit] Tarifierter Burgfrieden bei der Bahn – NEIN! zu Friedenspflicht in Kriegszeiten
    Jenseits der tarifierten Reallohnverluste für die Brotkrumen nicht durchsetzbaren Kündigungsschutzes (VW, ThyssenKrupp und andere ´Zukunftssicherungsvereinbarungen´ lassen bitter grüßen!) ist aus friedenspolitischer Perspektive der gestrige Tarifabschluss der DB mit der EVG eine Katastrophe!
     33 Monate Laufzeit bedeuten mehr als zweieinhalb Jahre ´Friedenspflicht´, also ARBEITSKAMPFVERBOT bzw. – VERZICHT. Einerseits ist eine solche Laufzeit – schlimm genug! – der tarifvertraglich vereinbarte Tod jeder betrieblichen gewerkschaftlichen und betrieblichen Basisbewegung. Andererseits bedeutet das angesichts der im Grünbuch Zivil Militärische Zusammenarbeit 4.0 externer Link (GB ZMZ) identifizierten Bedeutung der DB als Kritische Infrastruktur (KRITIS) für den ganz aktuell in Vorbereitung befindlichen Krieg, die präventive ´Aufstandsbekämpfung´ gegen die im Grünbuch befürchteten antimilitaristische Aktionen und Streiks gegebenenfalls doch noch vorhandener klassenautonom handelnder Belegschaftsteile und/oder Betriebsräte, die dort bereits als ´Teil der hybriden Kriegsführungsstrategie´ eines potentiellen Kriegsgegners (unverhohlen erkennbar Russland!) identifiziert und kriminalisiert werden.
    Nachzulesen auf Seite 48 des GB ZMZ: „Polizeimaßnahmen und resultierende Handlungsnotwendigkeiten
    Die Truppentransporte, verbunden mit dem einhergehenden Logistikaufwand, werden dazu führen, dass das zivile Leben stark beeinflusst werden wird. Daraus ergeben sich Einschrän­kungen/Beschränkungen für den Öffentlichen Verkehr und die Mobilität der Bevölkerung. Dies kann auch dazu führen, dass die Versorgung nur eingeschränkt oder verzögert aufrecht­erhalten werden kann. Das führt dazu, dass ganz gesteigerte Anforderungen an die Auf­rechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Land zu stellen sind. Die ´Unruhen´ könnten forciert und angestachelt werden, um zu einem Zustand allgemeiner Unruhe zu ge­langen (politische Destabilisierung).“
    Wer da konkret gemeint ist?
    – Streik des Straßenunterhaltungspersonals (S. 45)
    – Streik des Bahnpersonals (S.45)
    – Streik des Hafen-/Flughafenpersonals (S. 46) (…)
    Diesem weiteren dreisten Angriff auf das Streikrecht muss DRINGEND der Widerstand an der Gewerkschaftsbasis und in den Betrieben der Kampf angesagt werden! auch auf Mitgliederversammlungen, Vertrauenskörperversammlungen und Betriebsversammlungen.
    Statt Friedenspflicht in den Betrieben bedarf es des aktiven gewerkschaftlichen Widerstandes in der Öffentlichkeit und den Betrieben gegen die immer schnellere und dreistere Kriegsvorbereitung! Wir weigern uns Teil der Kriegsmaschine zu werden! Verweigert Euch –  Sagt NEIN!
    Stellungnahme vom 17.2.2025 bei der Patition auf change.org externer Link der gewerkschaftliche Basisinitiative SAGT NEIN! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden externer Link

  • Deutsche Bahn: Gewerkschafter in der Zwickmühle
    Die aktuelle Tarifauseinandersetzung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dürfte interessant werden. Vor allem die Forderung nach einem exklusiven »EVG-Zusatzgeld« (500 Euro Bonuszahlung nur für die eigenen Mitglieder) ist aus gewerkschaftlicher Sicht problematisch. Zudem ist es nach den Grundregeln der strategischen Konfliktführung ein Kardinalfehler, sich mit der Bundestagswahl am 23. Februar selbst eine Deadline zu setzen. Das Management der Deutschen Bahn (DB) braucht momentan nur zu verzögern oder sich zu verweigern. Angesichts eines drohenden CDU-Wahlsiegs »bat die EVG um vorgezogene Verhandlungen«. Denn mit einer Regierung unter Führung der Union droht die Aufspaltung der DB in Schiene und Transportverkehr, was die EVG im Gegensatz zur konkurrierenden Lokführergewerkschaft GDL vehement ablehnt…“ Artikel von Elmar Wigand vom 29.01.2025 in ND online externer Link und darin besonders interessant:

    • „… Die Zulässigkeit der diskriminierenden Exklusivzahlungen, wie sie die EVG fordert, war lange Zeit sogar juristisch umstritten. Das ist sie jetzt nicht mehr. Sie waren eine Randnotiz, bis die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) im vergangenen Jahr mit einem ersten Flächentarifvertrag die Schleusen öffnete. Um in den Genuss solcher Boni zu kommen, müssen die Beschäftigten ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft gegenüber dem Unternehmen offenlegen. Das untergräbt nicht nur die Koalitionsfreiheit. Es ist zudem ein Grundrecht, dass ich meinem Arbeitgeber nicht mitteilen muss, wie und wo ich organsiert bin. Im Streikfall ist es von Vorteil, wenn das Unternehmen über die tatsächliche Verankerung der Gewerkschaft im Unklaren ist. Und die Geschichte lehrt: Bei Entlassungswellen werden Mitglieder kampfbereiter Gewerkschaften als Erste gefeuert…“
    • Siehe auch erste Infos zur Tarifrunde im Dossier Bahn (erneut) auf Privatisierungs- und Zerschlagungskurs?
  • EVG-Tarifrunden: Schluss mit dem Trauerspiel!
    Die Erwartungen in die Tarifrunde der EVG bei den nichtbundeseigenen NE-Bahnen waren gering gewesen, aber der Tarifabschluss haut einen dann doch aus den Socken.
    Gerade mal 2 Prozent mehr Gehalt ab dem 01. November 2025 (Azubis: +50 €) und nochmal 2 Prozent obendrauf ab dem 01. November 2026 (Azubis: +50 €) bei einer Tarifvertragslaufzeit von 25 Monaten wurden erreicht. Und das verkauft uns die EVG-Führung auch noch als Erfolg! Insgesamt 6,1 Prozent sollen erreicht worden sein, wenn man das neu eingeführte EVG-Zusatzgeld (EVG-ZUG) dazu rechnet. Dieses gilt aber erst ab 2026 und beinhaltet eine jährliche Einmalzahlung mit dem April-Gehalt von zusätzlich 25 Prozent des persönlichen Monatsentgelts. Als besonderer Erfolg wird uns auch noch verkauft, dass Wechselschichtarbeitende, Eltern mit Kindern unter 12 Jahren sowie pflegende Angehörige (Pflegegrad 2 oder höher) ab 2027 einen Teil des EVG-Zusatzgeldes in zwei Tage zusätzliche Freizeit umwandeln können. Dabei brauchen gerade diese Kolleginnen und Kollegen jeden Cent, aber auch eine Entlastung. Sie dürfen sich nun entscheiden, was ihnen wichtiger ist: mehr Zeit für ihre Angehörigen oder mehr Geld für die Familienkasse. (…) Ab dem 01. Januar 2026 können außerdem alle wählen, ob sie 38, 39 oder 40 Stunden pro Woche arbeiten möchten, natürlich bei entsprechenden Lohnverlust. Angesichts der weiter steigenden Lebenshaltungskosten werden sich die wenigsten Kolleginnen und Kollegen eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverlust leisten können. Da außerdem nicht vereinbart wurde, gleichzeitig mehr Leute einzustellen, ist eine Arbeitsverdichtung für alle zu erwarten. Und wer trotzdem eine kürzere Arbeitszeit wählt, wird erfahrungsgemäß mit Überstunden “belohnt” werden. (…) Bereits diese Forderungen waren viel zu gering angesetzt gewesen. Im Vorfeld waren die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben nach ihren Schwerpunkten zur Tarifrunde befragt worden und hatten laut EVG mehr Geld gefordert. Es gab also keine demokratische Diskussion in Betriebsversammlungen oder bei Veranstaltungen zur Forderungsfindung. Die konkreten Forderungen entschieden dann auch nicht die Kolleginnen und Kollegen, sondern die Tarifkommission. Wie sollen diese mit einer solchen Vorgehensweise für Arbeitskampfmaßnahmen zur Durchsetzung der Tarifforderungen mobilisiert werden? Diese hatte die EVG-Führung großspurig ab dem 01. Dezember 2024 angekündigt, nachdem sich drei Viertel der Befragten für Streiks ausgesprochen hatten. Passiert ist: nix. Gerade mal eine mickrige Kundgebung wurde zu Beginn der zweiten Verhandlungsrunde vor dem Tagungshotel in Kassel-Wilhelmshöhe organisiert. Das lässt darauf schließen, dass die EVG-Führung die Tarifrunde möglichst schnell und kampflos über die Bühne bringen wollte! Dieser Tarifabschluss lässt Böses für die anstehende Tarifrunde bei der Deutschen Bahn (DB) erwarten…“ Bahnvernetzung am 18.1.2025 externer Link

Siehe auch unser Dossier: Paywall für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder? Boni für Gewerkschaftsmitglieder?

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=226268
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