Tarifpolitik (nicht nur) im Corona-Spagat
„… Auch wenn man derzeit das Gefühl hat, dass wir seit einer unendlichen Zeit in der Corona-Schleife gefangen sind, muss man darauf hinweisen, dass noch bis in den März dieses Jahres die Lage und auch die Debatten ganz anders waren: Da wurde im Lichte einer über viele Jahre guten Arbeitsmarktentwicklung in Verbindung mit strukturellen Entwicklungen wie der demografisch bedingten Anspannung auf Seiten des Arbeitsangebots über einen zunehmenden Fachkräfte- und sogar Arbeitskräftemangel in zahlreichen Branchen diskutiert und auch die Lohnentwicklung war (zumindest in den tarifgebundenen Bereichen) positiv. (…)Als wir uns noch vor dem März 2020 in Sicherheit und der unendlichen Fortschreibung der „damaligen“ Realität wiegen durften, gab es bereits seit Jahren eine Debatte über die zunehmende Polarisierung auf den Arbeitsmärkten. Dabei wurde – bei allen Vermessungen in mittleren und vor allem höheren Einkommensbereichen – darauf hingewiesen, dass es vor allem im unteren Lohnbereich eine Abkoppelung von der in anderen Bereichen durchaus positiven Lohnentwicklung gegeben hat, die zu einer Zunahme der ungleichen Verdienststrukturen geführt hat. Es ist leider zu befürchten, dass die derzeit ablaufende und wie es aussieht noch lange nicht überwundene Corona-Krise zu einer weiteren Zunahme der Polarisierung führen kann und wird. (…) Und auch bei der Sicherungsfunktionalität des Kurzarbeitergeldes muss man das Auseinanderlaufen zwischen „oben“ und „unten“ zur Kenntnis nehmen. Denn viele Aufstockungsregelungen das Kurzarbeitergeld betreffend findet man nicht nur überdurchschnittlich in eher tarifgebundenen Branchen (zu denen die meisten Niedriglohnbranchen nicht gehören), sondern es sind auch in der Regel eher die im mittleren oder oberen Lohnbereich liegenden Arbeitnehmer, deren Kurzarbeitergeld aufgestockt wird… „ Beitrag von Stefan Sell vom 22. September 2020 auf seiner Homepage