Tarifbindung in Deutschland – wo ist sie geblieben?
Die Löhne bleiben in Deutschland ohne Untergrenze – eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung als Ausweg?
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 29.10.2012
Für immer weniger ArbeitnehmerInnen in Deutschland gelten Tarifverträge. Viele Arbeitgeber haben sich aus der Tarifbindung verabschiedet und auch der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den Betrieben geht seit langem zurück. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/tarifbindung-in-deutschland-loehne-ohne-untergrenze,1472780,20706404.html ) Damit stellt die „Frankfurter Rundschau“ eine Studie zur allgemeinen Erosion des deutschen Tarifvertragssystems aus dem Wirtschafts und sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung vor. (Vgl. „Reform der Allgemeinverbindlich-Erklärung hilft bei der Stabilisierung“ des Flächentarifvertrages“: www.boeckler.de/14_41344.htm )
Die WSI-Tarifexperten Bispinck und Schulten schildern den Niedergang der Tarifbindung in den vergangenen 15 Jahren: In den westlichen Bundes-Ländern wurden 2011 nur mehr 54 Prozent der ArbeitnehmerInnen nach einem Flächen- oder Branchentarifvertrag entlohnt, im Osten waren es gerade noch 37 Prozent. (Vgl. auch das IAB: http://idw-online.de:80/de/news480824 ) Damit lagen die beiden Werte um 15 Prozentpunkte unter denen von 1998, als sich noch 69 und 52 Prozent der abhängig Beschäftigten einer Tarifvertragsbindung erfreuten. (Zu dem von der Politik angestrebten „Niedergang“ des deutschen Flächen-Tarifvertragssystems sowohl im „Vereinigungsprozess als auch noch weiter durch die sog. „Arbeitsmarktreformen“ mit der Schaffung eines „größten Niedriglohnsektors“ (Bundeskanzler Schröder) – nach Heiner Flassbeck einer der Erfolgsfaktoren des deutschen Wirtschaftsmodells – siehe noch einmal “ Endgültiges Ende einer sehr erfolgreichen Ära in Deutschland…..“ – dort die Seiten 1 bis 2: archiv.labournet.de/ diskussion/gewerkschaft /tarifpolitik/tarifeinh_bahl.html oder auch noch „umfassender“ im historischen Zusammenhang bis zurück in die realkapitalistische Ära der 50-er und 60-er Jahre der Bundesrepublik : „Trauer um den Gewerkschafter Georg Leber , als Trauer um „seine Zeit“ in einer anderen ökonomischen „Ära““ – dort vor allem die Seite 3: archiv.labournet.de/diskussion/wipo/ finanz/trauer_bahl.html)
Nachdem also von Seiten der Politik die Strukturen für den gewerkschaftlichen Tariferfolg „aufgelöst“ wurden, wird nun von den Gewerkschaftsexperten gefordert, dass nun – nach dem so offensichtlichen Scheitern der neoliberalen Ära – die Politik wieder aufgefordert ist, Strukturen zu schaffen, die den Beschäftigten wieder zu ordentlichen Tariflöhnen verhelfen. (www.jungewelt.de/ 2012/10-25/060.php )
Dies erscheint umso dringlicher, als der renommierte Eliteforscher von der Uni Darmstadt, Michael Hartmann, bei seiner Analyse von Arm und Reich in Deutschland zu dem Ergebnis kommt, dass neben der Steuersenkung für die Reichen auf der einen Seite, die Hartz-Gesetze auf der anderen Seite zu dieser inzwischen erreichten gewaltigen sozialen Spaltung in Deutschland geführt haben. (http://www.tele-akademie.de/begleit/video_ta121021.php )
Und so wurden die Reichen in Deutschland immer reicher – oder um es noch einmal mit Bertold Brecht zu sagen: „… da sprach der Arme zum Reichen, wär ich nicht arm, wärst du nicht reich“.
Gerade eben musste dies der Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung noch einmal deutlich feststellen. (Vgl. den Abschnitt „Und so werden die Reichen immer reicher..“ auf der Seite 2 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html )
Dabei steht bei dieser immer radikaleren Spaltung der Gesellschaft einiges auf dem Spiel – die soziale Grundlage einer stabilen Mittelschicht für eine tragfähige Demokratie. (Vgl. „Mit dem Ende der Mittelschichtsgesllschaft zur gänzlichen „Delegitimierung“ für diese finanzkapitalistische Wirtschaft“: archiv.labournet.de/diskussion/wipo/allg/kapkritik_bahl.html)
Mit der Unterstützung der Analysen des Wissenschaftlers Gerhard Bosch hat darum kürzlich auch die IG Metall für eine Neuordnung des Arbeitsmarktes wieder plädiert. (www.nachdenkseiten.de/ ?p=14642#h02 – sowie den Abschitt „Eine Neuregelung des deutschen Arbeitsmarktes“ auf der Seite 1 unten f. bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/ krise_bahl40.html)
Und es wurde folgerichtig der Schluss gezogen, dass sich mit diesem großen Niedriglohnsektor auch die Probleme im internationalen Wettbewerb verschärfen werden. Den internationalen Innovationswettbewerb wird Deutschland damit nicht bestehen können. (http://idw-online.de /de/news503071 ) Ganz abgesehen davon, dass diese Billigarbeit auch noch den Steuerzahler – vor allem in der nächsten Generation wegen der Armutsrenten – teuer zu stehen kommt.
Derselbe Gerhard Bosch musste daher auch mit Blick auf das kürzlich noch einmal „aufgeflammte“ Jobwunder in Deutschland feststellen: „Das Jobwunder ist nicht gerecht“ (www.nachdenkseiten.de /?p=11763#h03 )
Dabei hatte gerade der europäische Tarifbericht wieder einmal festgestellt, dass der Lohnsenkungswettbewerb in Europa – unter dem gemeinsamen Dach einer einheitlichen Währung – zu immer weiteren Lohnsenkungen geführt hat: Und so haben wir in diesem Lohndumping als neoliberales „Allheilmittel“ gegen die Krise es „erreicht“, dass in 16 Ländern Reallohnverluste eingetreten sind (www.nachdenkseiten.de/?p=14358#h03 und www.boeckler.de/ 38691_40868.htm ).
Gegen das europäische Spardiktat blieben dann auch alle gewerkschaftlichen Anstrengungen in den südlichen Ländern hilflos (vgl. den Abschnitt auf der Seite 1 f. ganz unten „Ökonomische Vernunft auf Seiten der „Massen“ bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl41)
Aber blicken wir einfach zurück auf das Jahr 2009, wo zum Beginn der Krise sich bei den Löhnen noch ein anderes Bild sich ergab: Deutschland verstärkt unter dem gemeinsamen Dach des Euro durch eine massive Lohndumpingstrategie als Exportweltmeister mit seinen Leistungsbilanzüberschüssen die ökonomischen Ungleichgewichte in Europa – und wie der Europäische Tarifbericht damals angab, hatte einzig Deutschland einen Reallohnverlust zu verzeichnen – während im gleichen Zeitraum die Reallöhne in Frankreich um 9,6 Prozent, in Schweden um 17,9 Prozent und in Großbritannien sogar um 26,1 Prozent gestiegen waren (vgl. die Seite 1 bei „Ökonomische Ungleichgewichte in der Krise eine besondere Belastung…“ www.nachdenkseiten.de/?p=3877 – oder auch die Seite 1 bei archiv.labournet.de/diskussion/ eu/sopo/bahl2.html).
Dabei können wir Großbritannien als nicht zur Eurozone gehörig weglassen – und können auch festhalten, dass es einige Volkswirtschaften gab, die die von der EZB festgelegte „Zielmarke“ von ca. 2 Prozent Inflation überschritten hatten (Heiner Flassbeck) – und einfach zu hohe Löhne für eine „Wettbewerbsfähigkeit“ erreichten – aber für Frankreich war dann das Lohndumping besonders schmerzlich, weil just dort die Lohnerhöhungen sich in diesem „Zielraum“ bewegten – und gerade Frankreich bei der Binnennachfrage auch bessere Erfolge vorweisen konnte, wie das IMK in einer Studie klar aufzeigen musste. Gerade Frankreich „protestierte“ daher auch mit guten ökonomischen Gründen gegen den Lohndumpingkurs aus Deutschland (vgl. die Intervention der damaligen französischen Wirtschaftsministerin Christine Lagarde beim Ecofin-Rat).
Aber Deutschland verletzte diese Ziel immer in der umgekehrten Richtung durch Abweichungen nach unten – und heizte so das Lohndumping dauerhaft an.
So kann der europäische Tarifbericht heute feststellen, dass dieser von Deutschland angetriebene Lohnsenkungswettbewerb über diesen „autoritären Neoliberalismus“ zu einer Zerstörung des Flächentarifvertrages geführt habe (www.nachdenkseiten.de/?p=14787#h05 )
Allgemeinverbindlichkeitserklärung statt Mindestlohn?
In Deutschland und für die deutschen Gewerkschaften muss sich also etwas ändern, damit sie autonome Gestaltungsmacht bei der Lohnfindung wieder zurückgewinnen. Nur inwieweit können Allgemeinverbindlichkeitserklärungen dazu beitragen (noch einmal das WSI: http://www.boeckler. de/2877_41344.htm )
K. Schmid hatte schon in einem Beitrag darauf hingewiesen, dass eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung einfach ein viel schwächere Möglichkeit für die Abstützung des Lohnniveaus von unten sein kann (archiv.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/kombilohn/ ersatz.html). Somit wären die Gewerkschaften gut beraten, weiterhin doch den „Kampf“ um Mindestlöhne in den Vordergrund zu stellen. (Vgl. den Überblick bei archiv.labournet.de/diskussion/ arbeit/realpolitik/kombilohn/mindestlohn-gew.html)
Bedeutet doch schon der Mindestlohn – als Folge der Hartz-Reformen – einen klaren Paradigmenwechsel in der Absicherung des Lohn-Niveaus bei Verlust des Arbeitsplatzes durch die Arbeitsverwaltung: Während in dem System vor den Schröder`schen Arbeitsmarktreformen das tarifliche Lohnsystem dadurch mitabgestützt wurde, dass über den Schutz der Qualifikation das rasche Abgleiten der Löhne verhindert hatte, wird mit dem Mindestlohn nur noch für die Lohnhöhe eine nominale Untergrenze fixiert. Ein allgemeines und rasches Abgleiten wird dadurch nicht mehr aufgehalten. – Aber diese „Flexibiltät“ war ja auch Ziel dieser „Arbeitsmarkt-Reformen“.
Jetzt soll mit dem Mindestlohn also nur noch das Absinken in eine „totale“ Armut abgebremst werden. (Vgl. zu dem Mindestlohn-Vorschlägen archiv.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/ kombilohn/mindestlohn.html)
Man könnte auch sagen, wenn jetzt die Gewerkschaften sich auch noch zu schwach fühlen, Mindestlöhne durchzusetzen, könnten sie schlicht zum Bettelverein degenerieren.
Wie hatte das Bundesarbeitsgericht doch einmal festgestellt, rein rechtlich gesehen, sind das keine Gewerkschaften mehr, die nicht die Fähigkeit besitzen, zu streiken – weil sie damit zum Betteln verdammt sind.
… und zusätzlich die Diskussion um eine bessere Streikfähigkeit in Deutschland
Vielleicht sollten die Gewerkschaften – um zukunftsfähig zu bleiben – sich doch eher weiter Sorgen um ihre „allseitige“ Streikfähigkeit machen – als im ängstlichen Verharren von „aus Gnaden“ der Politik „gewährten“ Strukturen – mit dem Ziel eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu erreichen. (Vgl. dazu „Exportüberschuss und ein Politischer Streik für Deutschland – dringend erforderlich.“: archiv.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/erfahrung/polstreik_bahl.html)
Wer für solch eine Zukunft sich schon jetzt zu schwach weiß, der hat zu befürchten, dass schon zum weiteren Rückschritt mit einer Agenda 2020 wieder geblasen wird. (Vgl. „Agenda 2020: Das Schüren von Ängsten als Mittel, die Agenda 2010 voranzutreiben“: www.nachdenkseiten.de/ ?p=14262 )
Wie die Weichen im nächsten Bundestag 2013 gestellt werden, haben ja auch ein wenig die Gewerkschaften selbst in der Hand – ob weiter einfach die Angst in der Politik das „vorherrschende“ Mittel bleibt oder vielleicht doch nicht (vgl. „Die Angst in der Politik“: http://www. gazette.de/Archiv2/Gazette35/Peukert.pdf ).
So muss eben nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa klar werden, dass das – ja sogar weitere – Absenken der Löhne kein Weg aus der Krise werden kann. (www.nachdenkseiten.de/ ?p=14811#h05 )
Und erst in diesem größeren Rahmen mit Blick auf Europa gewinnt dann – auch weitergehend – der Einwurf eines IG-Metall-Bezirksleiters: Mehr Eigeninitiative statt Mindestlohn – ihren Sinn. (archiv.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/kombilohn/bahl.html)
Eine nicht „führende“, jedoch wichtige Rolle der Gewerkschaften auf dem Weg aus der Krise – beim Brechen der „Herrschaft“ der Finanzmärkte
Bei den „außerparlamentarischen“ Kräften haben im gesellschaftlichen Diskurs der Krisenlösungen die Gewerkschaften eine wichtige Rolle – interessanterweise jedoch weniger bei der „angemessenen“ Lohngestaltung.
Bei den Krisenlösungstrategien sind sie ein wichtiger gesellschaftspolitischer Faktor, denn im Parlament, dem Deutschen Bundestag, mit seiner ganz großen Koalition zur „Stärkung des Finanzplatzes Deutschland“ (www.nachdenkseiten.de/?p=3692 und www.nachdenkseiten.de /?p=4130 ) hat diese „Finanzmarkt-Koalition“ ihren Fortbestand noch einmal mit der so „einmütigen“ Spardiktat-Fiskalpakt-Entscheidung – außer der Linken – jetzt gerade wieder bestätigt – und so gibt es keine so bedeutende politische Kraft für eine Krisenüberwindung jenseits des neoliberalen Dogmas wie eben die Gewerkschaften. (Vgl. z.B. „Eine 11. Frage zur Eurokrise: Ein Ende für die Politik des Zeitkaufens?“ (erg.: gegenüber den Finanzmärkten): archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl37.html)
Die Herrschaft der Finanzmärkte wird so bruchlos von dieser „Den-Finanzplatz-Deutschland-stärken-Koalition“ in der Politik weiter anerkannt, dass es – bisher – recht schlecht aussieht, für einen Weg aus der Krise. Dabei wird gerade die „Rückbesinnung“ auf den gravierenden Fehler, die Staatsschulden im Jahre 2010 nun auch noch – um die „krisenleidenden“ Finanzmärkte zu stützen – der Spekulation auf den Finanzmärkten „zum Frass vorzuwerfen“ zum entscheidenden Kriterium für eine Wende aus dieser Eurokrise heraus. (Vgl. noch einmal den Hinweis bei a) „das hochgetriebene Zins-Niveau“ – auf der Seite 3 in archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/ krise_bahl40.html)
War das Projekt Euro einmal gerade gegen die (Währungs-)Spekulation ins Leben gerufen worden, so hat die deutsche Bundeskanzlerin in ihrer ideologischen Verblendung (ach ja, die „disziplinierende Wirkung“ der hochspekulierten Zinsen für die „ach-so-schlampigen Südländer“) den Euro insgesamt nun zum Abschuss freigegeben.
Und ob der Kanzlerkandidat der SPD mit wiederum seinen Bankenregulierungsplänen diesem Treiben unter der Dominanz der Finanzmärkte wirklich schon einen wirkungsvollen Riegel vorschieben will (und kann) und damit zu einer Alternative werden kann , muss erst einmal bezweifelt werden und damit offen bleiben. (Vgl. die Seiten 6 ff. sowie 11 ff. bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html)
Die zuletzt angepeilte – oder doch verschobene – Bankenunion auf europäischer Ebene jedenfalls bringt noch keinen Durchbruch, wie Rudolf Hickel signalisiert (http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/notfalls-in-die-pleite-schicken – vgl. auch http://www.presseurop.eu/de/content/article/ 2905051-die-bankenaufsicht-ein-scheinerfolg?xtor=RSS-18 ). Ja, die deutsche Kanzlerin hat wieder einmal gebremst – im Interesse des Finanzkapitals.
Die nationale (nationalistische) „Hetze“ der Politiker in Deutschland nimmt derweilen in (fast) allen Lagern zu – und es geht doch weiter – auch mit Deutschland – in der Krise bergab.
Dazu schreibt das IMK: Die Regierungen beschränken sich – trotz einiger Fortschritte – auf eine Minimalstrategie, die sich zu stark auf einen konjunkturschädlichen Sparkurs konzentriert. Deshalb: Ist die Krise im Euroraum noch nicht bewältigt. Die wirtschaftliche Entwicklung in den Krisenländern ist als Folge der Austeritätspolitik desaströs und belastet zunehmend den ganzen Währungsraum. Die wesentliche Ursache der Krise, die dauerhafte und immer gleichgerichtete Verletzung des Inflationszieles auf der Ebene der Nationalstaaten, wird vielfach nicht erkannt, und die Maßnahmen werden daher einseitig – nur auf die Überwindung der Staatsverschuldung verengt. (Vgl. „Quo vadis Krise?“: www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_75_2012.pdf sowie eine Kurzfassung bei „idw“: „Vier Schritte zur Lösung der Krise im Euroraum“: http://idw-online.de/de/news502244 ) Der IMK-Konjunkturindikator signalisiert derweilen die Warnstufe gelb. (www.boeckler.de/imk_38710.htm )
Und so stellt auch der DGB-Vorsitzende Sommer – angesichts der fundamentalen Gerechtigkeits-Defizite in der Eurozone – nur skeptisch fest: „Das sind klassische Agenda-Maßnahmen“ – man möchte hinzufügen, angetrieben durch einen zunehmenden national(istisch)en Populismus – jedoch „paradoxerweise“ – wenn man auf das Ende hin blickt – auf einer für alle gemeinsamen Spirale nach unten. (http://www.boeckler.de/40891_40918.htm )
Aber der DGB hat schon einmal seine Anforderungen „Politikwechsel für die ArbeitnehmerInnen“ an die Bundestagsparteien – ohne diese hier schon im Einzelnen bewerten zu können – vorgebracht (www.dgb.de/themen/++co++df35e974-0e13-11e2-b041-00188b4dc422 ). Die Finanzmärkte dagegen sollen weiter bestimmen (Vgl. noch die Ziff. 5 b) zur Eurokrise (www.nachdenkseiten.de/?p=14775#h05 ).
Aber jetzt haben wir die Finanzmärkte fest ins Auge genommen – jenes „Finanzmarkt-Narrativ“ der Krise also (vgl. zu diesen m.E. zwei Krisen-Narrativen – dem speziell europäischen „Euro-Narrativ“ und dem allgemeineren „Finanzmarkt-Narrativ“ – noch einmal die Seite 1 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html). So scheint es, dass wir bei den Gewerkschaften jetzt mit ihrer zentralen Funktion, die „Lohngestaltung“ sozial angemessen durchzusetzen, uns irgendwie „aus den Angeln gehoben“ vorkommen müssen.
Wenn wir also jetzt dazu kommen, dass die Löhne in Deutschland sich „in Zukunft“ genau an der Marke von 2 Prozent Inflation orientieren, so dürfte die „verlorene“ Wettbewerbsfähigkeit bei den Partnern – können sie das eigentlich angesichts der zerstörerischen Aggressivität wieder einmal aus Deutschland noch sein? – nicht mehr so einfach wiederherzustellen sein. (Vgl. dazu den Kommentar von Heiner Flassbeck: www.wirtschaftundgesellschaft.de/?p=6157 – und weiter allgemein zu den Lohnstückkosten noch www.wirtschaftundgesellschaft.de/?tag=lohnstuckkosten )
Heiner Flassbeck kommt daher inzwischen auch zu der sehr resignativen Einstellung: „Trennt euch wieder in der Eurozone“, weil er die Hoffnung auf die wirtschaftspolitische Vernunft der deutschen Seite – inzwischen – verloren hat. (www.nachdenkseiten.de/?p=14227 )
Nur – soweit die Eurozone erst einmal zusammenbleibt – habe ich dann die Ansicht, dass wir, um aus der Krise rauszukommen, nicht auf die aktuell vorhandene „Gestaltungskraft“ der deutschen Gewerkschaften bei der Lohnentwicklung setzen können. Dazu bedarf es wohl erst eines langfristigen Prozesses, um diese ökonomischen Ungleichgewichte – die von Anfang der gemeinsamen Währung vorhanden waren – wieder gegenseitig einigermaßen ins Lot zu bringen und anzugleichen – und damit auch die europäische Idee mit einem gemeinsamen Europa zum Tragen kommen zu lassen.
Schon die Spannbreite der deutschen gewerkschaftlichen Diskussion für eine bessere „Performance“ bei den Löhnen von einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung über den Mindestlohn bis hin zum politischen Streik zeigt, wie bescheiden das wohl erst einmal angegangen werden kann, um die Löhne in Deutschland aus dieser bisherigen Lohndumping“sohle“ herauszuführen.
Deshalb teile ich die Auffassung des Ökonomen Stephan Schulmeister, dass ich mit der Lohnpolitik allein nicht wirklich starke Impulse geben kann,- um aus der Krise herauszukommen – denn die Unternehmen werden kräftige Lohnsteigerungen nur dann schlucken, wenn die wirtschaftliche Dynamik insgesamt hoch ist. (Vgl. das Interview mit Stephan Schulmeister auf der Seite 13 bei www.wirtschaftundgesellschaft.de/?p=4942 )
Und angesichts der Aussicht, dass Deutschland – mit dem Euroraum – in eine Rezession schlittert (vgl. noch einmal oben das IMK), können auch für die Zukunft keine hohen Lohnforderungen durchgesetzt werden, um die ökonomische Situation mittelfristig zu stabilisieren.
Es muss daher vielmehr der Focus auch auf die „Änderung der Spielanordnung“ (Stephan Schulmeister) – weg von der Konstellation „Finanzkapitalismus“ („Lassen wir das Geld für uns arbeiten“) hin wieder zur „realkapitalistischen Spielanordnung“ – gelegt werden. In prägnanter kurzer Form hat dieses Anliegen Schulmeister gerade erst vor der Attac-Gruppe Wiener Neustadt vorgetragen http://youtu.be/fl2blvPOwr8 ).
Und das Ziel im „Finanzkapital-Narrativ“ ist – was sich wohl nach der Regulierung der entfesselten Finanzmärkte wieder ergibt, wenn die Banken auf ihre dienende Funktion wieder „zurückgefahren“ werden -, dass die Zinsrate wieder dauerhaft unter die Wachstumsrate zu liegen kommt – und wir somit wieder in eine „Ära“ des Realkapitalismus eintreten können.