Grenzkonflikte zwischen zwei Welten: Soziologe Klaus Dörre analysiert die Streiks des vergangenen Jahres
„»Der (west)deutsche Sozialkapitalismus ist Geschichte.« Das stellt Professor Klaus Dörre von der Friedrich-Schiller-Universität Jena in einem Beitrag für die Fachzeitschrift Industrielle Beziehungen fest. Dörre zufolge findet die Regulation der Arbeitsbeziehungen heute in zwei Welten statt: Die »erste Welt« mit Flächen- oder Haustarifverträgen, in der sich »an der Institutionalisierung des Klassenkonflikts scheinbar wenig geändert hat«. Und eine »zweite Welt« von unsicherer, schlecht bezahlter, wenig anerkannter und deshalb prekärer Erwerbsarbeit. Konflikte und Bewegungen entstehen demnach vor allem an den Grenzen beider Welten. (…) Aus den allgemeinpolitischen Komponenten der Arbeitskämpfe und aus der Aufsplitterung von Arbeitsbeziehungen und Konflikten zieht Dörre den Schluss, dass sich die Gewerkschaften »wieder stärker als soziale Bewegungen verstehen« sollten. (…) Zugleich konstatiert Dörre einen »Funktionswandel von Streiks«. Statt Pilotabschlüsse in Verhandlungen über Flächentarifverträge zu erreichen, sind sie immer häufiger notwendig, um »überhaupt erst Bedingungen für ausgehandelte Konfliktregulierungen zu schaffen«, also um den Arbeitgeber an den Verhandlungstisch zu bringen. »Die Gewerkschaften können sich weniger denn je auf ihre institutionellen Machtressourcen verlassen«, so Dörres Schlussfolgerung. »Sie sind auf eine Fähigkeit zum Konflikt angewiesen, die sich auf Organisationsmacht gründet.«“ Beitrag von Daniel Behruzi bei der jungen Welt vom 22. November 2016 – der Beitrag bezieht sich auf einen Artikel von Klaus Dörre in „Industrielle Beziehungen – Zeitschrift für Arbeit, Organisation und Management. 3/2016″