Talfahrt der deutschen Löhne
Real sind die Verdienste von 1995 bis 2012 gesunken. Gleichzeitig wurden die Flächentarifverträge löchriger und es kam zu einem Machtverlust der Gewerkschaften. Artikel von Eva Roth in der Frankfurter Rundschau vom 15. September 2014
Aus dem Text: „(…) Ab Mitte der 1990er-Jahre werden die Gehaltszuwächse immer geringer. Real, also nach Abzug der Inflation, sinken die Stundenlöhne von Millionen Beschäftigten sogar, und zwar über viele Jahre. Das belegt eine Analyse, die das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Uni Duisburg-Essen erstellt hat und die dieser Zeitung vorliegt. (…) Gleichzeitig wurden die Flächentarifverträge löchriger. Angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage in Ostdeutschland akzeptierten Gewerkschaften zunächst dort Öffnungsklauseln in Tarifverträgen. Dieses Modell wurde später im Westen übernommen. Von Tarifstandards abzuweichen wurde normal: Eine Betriebsräte-Umfrage von 2005 ergab, dass 75 Prozent aller Firmen bereits Öffnungsklauseln genutzt haben. (…) Aus ordentlich bezahlter Arbeit wurden Billigjobs. Die Hartz-Reformen verstärkten den Druck auf Arbeitslose, fast jede Stelle anzunehmen. Die Deregulierung und Privatisierung in Sektoren wie Post, Verkehr und Telekommunikation führte zu sinkenden Preisen, etwa für Flüge. Aber auch zu sinkenden Gehältern für Postboten, Busfahrer oder Flugbegleiter. „Die Gewerkschaften haben hier einen historischen Fehler gemacht“, sagt Bosch: „Sie haben nicht darauf gedrängt, dass mit der Liberalisierung allgemeinverbindliche Branchentarifverträge eingeführt werden, die einen Wettbewerb über Niedriglöhne begrenzt hätten.“…“