Voraussetzungen internationaler Solidarität. WSI-Forscher fragt, warum es angesichts der Krise nicht zu größeren europaweiten Protesten kommt
„Wo bleibt der europäische Generalstreik? Mit dieser Frage befaßt sich Heiner Dribbusch vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in den aktuellen WSI-Mitteilungen. Er verweist auf die Erfahrungen mit dem europaweiten Aktionstag, zu dem der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) am 14. November 2012 aufgerufen hatte: »Während es in Portugal, Spanien sowie teilweise Griechenland und Italien erstmals zu synchronisierten Streikaktionen kam und Gewerkschaften in Frankreich, Belgien sowie einigen osteuropäischen Ländern zumindest größere Demonstrationen organisierten, kamen die Gewerkschaften in den Nordländern, so zum Beispiel auch in Deutschland, nicht über weitgehend symbolische Aktionen und Solidaritätserklärungen hinaus.«…“ Besprechung von Daniel Behruzi in junge Welt vom 29.07.2014
- Aus dem Text: „… Bezogen auf den Widerstand gegen die Kürzungspolitik leitet der Wissenschaftler daraus die Erkenntnis ab, daß nennenswerte Proteste in den mächtigen EU-Staaten Frankreich und Deutschland weitreichendere Auswirkungen hätten als erneute Generalstreiks in Griechenland oder Portugal. Entsprechend komme insbesondere den deutschen Gewerkschaften eine Schlüsselrolle zu. Zwar gebe es innerhalb von ver.di, der IG Metall und des DGB eine kritische Debatte, die sich von nationalen Rückzügen und Abgrenzungen absetze. Diese Kritik sei aber sowohl gesellschaftlich als auch in den betreffenden Organisationen in der Minderheit. Das müsse nicht so bleiben, argumentiert Dribbusch unter Verweis auf die Fragen von Mindestlohn und Leiharbeit, bei denen die Minderheitsmeinung mit der Zeit ebenfalls zur Mehrheitsposition geworden sei. Beim Thema Krisenpolitik sei ein solcher Prozeß bisher allerdings nicht in Gang gekommen. (…) Der Autor betont, daß sich internationale Solidarität aus Widerspruch und Auseinandersetzung entwickelt. »Hierzu gehört auch die innergewerkschaftliche Debatte über die zukünftige Europastrategie im Spannungsfeld von Standortpolitik und internationaler Zusammenarbeit.«
Siehe dazu:
- WSI-Mitteilungen Ausgabe 05/2014: Schwerpunktheft „Streik und sozialer Protest“
Infos und Inhaltsverzeichnis zum Schwerpunktheft (Konzept und Koordination: Torsten Bewernitz, Heiner Dribbusch), die Beiträge sind leider nicht frei, aber dort beziehbar. Die Redaktion des LabourNet Germany hat sich leider erfolglos um eine Leseprobe bemüht…
- Streik und sozialer Protest
„Stillstand am Frankfurter Flughafen, Generalstreiks in Spanien und Griechenland oder Massenproteste gegen die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der Fußballweltmeisterschaft – Streik und sozialer Protest haben wieder einen festen Platz in den Nachrichten. Sie sind sichtbare Zeichen der fortbestehenden Instabilität einer ökonomischen Ordnung, die ohne Ausbeutung und soziale Spaltung nicht zu haben ist. Dabei zielen die meisten der gegenwärtig zu beobachtenden sozialen Auseinandersetzungen nicht auf Überwindung des Kapitalismus, sondern auf Teilhabe. (…) Das vorliegende Schwerpunktheft versammelt Beiträge, von denen wir glauben, dass sie neue Einblicke in das derzeitige Streik- und Protestgeschehen vermitteln. Das Augenmerk liegt auf Auseinandersetzungen um Krisenpolitiken und auf Konflikten mit Bezug zur Arbeitswelt und den Gewerkschaften. Wir sind uns bewusst, dass diese nicht das globale Streik- und Protestgeschehen in der ganzen Vielfalt seiner Formen und Inhalte repräsentieren. Aber sie sind Beispiele für ein plurales Streik- und Protestgeschehen, das deutlich macht, dass Kämpfe um materielle und demokratische Teilhabe ihre Relevanz nicht eingebüßt haben.“ Editorial zum Heft von Torsten Bewernitz und Heiner Dribbusch bei HBS