„Die Krise einfach umgedeutet“
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 10.11.2012
Ein aktueller Vergleich USA -Europa zu den Wahlen in den USA am 6. November 2012 und mit einem Blick auf die Mobilisierung der europäischen Gewerkschaften am 14. November 2012
Heute einfach einmal wieder eine längere Geschichte – eine Geschichte des Scheiterns und des Verzagens: Vorsicht, mein „Makrokosmos“ (= die große Welt um mich herum) wird etwas „ausführlicher“ – bei gleichzeitiger Berücksichtigung auch noch „meines“ Mikrokosmos – so um mich persönlich herum -, um auch etwas meine Befindlichkeit in diesen Makrokosmos einfließen zu lassen.
Wenn du so willst, mein „Makrokosmos“ ist eben „die Krise“ – aber je mehr ich darin herumturne (vgl. zur aktuellen „Einführung“ die drei Links ganz am Schluss dieses Textes), umso mehr habe ich den Eindruck, dass ich mich in einer Realität bewege, die gar niemand so recht sehen will, bzw. einfach nur verleugnen möchte – und zwar kollektiv!
Deshalb fühle ich mich diesem amerikanischen Journalisten Thomas Frank nahestehend , der schön herausarbeitet, wie es die (finanzkapitalistischen) Eliten in den USA, die die Krise verursacht haben, in diesem Amerika dann fertiggebracht haben, das Geschehen so – ganz abstrakt – jenseits der Finanz-Realitäten umzudeuten, dass sie sich schon wieder als „Retter“ gerieren können – und die „Masse“ in den USA folgt ihnen so gerne – immer noch strikt nach der doch eigentlich „gescheiterten“ neoliberalen Erzählung – der Markt ist „unfehlbar“… (http://www.sueddeutsche.de/politik/bestseller-autor-thomas-frank-im-interview-amerikas-rechte-hat-die-krise-umgedeutet-1.1469588 )
und deshalb hat die ehemalige „Oppossition“ dagegen – jetzt mit den Demokraten in den USA an der Regierung – schlicht und einfach vor dieser Krisen-Realität bisher kläglich versagt – vgl. Obama hat es nicht gut gemacht: (www.fr-online.de/us-wahl/obama-obama-hat-es-nicht-gut-gemacht,11442534,20686836.html )
Und zu diesem Versagen schreibt dieser Thomas Frank: „Aber die Banken und Maklerfirmen und windigen Risikogesellschaften, die den zweifelhaften Boom vorangetrieben hatten, der die Krise ausgelöst hatte – diese Unternehmen durfte man nicht in die Pleite gehen lassen. Sie wurden mit neuem Kapital ausgestattet, aufgepäpelt und frisch gebürstet wieder in die Welt hinausgeschickt , damit sie dort weiter die Rolle des Rüpels spielen und alle den Stinkefinger zeigen konnten.“
Stattdessen schlägt er vor: “ Man hätte den gesamten Bankensektor zerschlagen sollen (- wie unter Roosevelt 1932 mit dem Glass-Steagall-Act – siehe Seite 1 den 3. Absatz bei (archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/bahl_zerschlag.html) und wieder unter strenge Regulierung stellen können, flankiert mit einer Politik der Nulltoleranz für finanzielle Konstrukte, die „zu groß zum Scheitern“ sind.“ („Too Big to Fail“) Das Wort „Systemrelevanz“ hatte sich dafür bei uns eingebürgert. (Vgl. dagegen das „ganz andere“ Beispiel Island, wo die Bürger in der Krise gerettet wurden – und nicht die Banken allein: www.nachdenkseiten.de/?p=13760 sowie www.taz.de/!101198/ )
„Die (US-)Regierung erlaubte statt dessen den größten Banken noch größer zu werden. Sie bot ihnen grenzenlose Garantien – und zwar fast ohne Auflagen – also praktisch eine Einladung, sich auf hochriskante Spekulationen einzulassen, denn die Institute konnten sich doch darauf verlassen, dass der Steuerzahler am Ende für die Verluste gerade stehen würde.“
Wie die „Bailouts“ zum Trauma einer Nation werden – nur total verdrängt oder „umgedeutet“
„Diese Bailouts gehören zu jenen Momenten , die den Glauben einer ganzen Nation erschüttern können. Die Wall Street hatte mit dem Wohlstand der Welt gezockt, uns an den Rand einer Katastrophe geführt – und erhielt nun dafür staatliche Unterstützung in einem Ausmaß. auf das der Normalbürger niemals zählen kann.“
„So erlaubte unsere (US-)Regierung den größten Banken noch größer zu werden.“ – Dies veranlasste Wolfgang Streeck in seinen Überlegungen zu den „Kapitalverstehern“ zu der Bemerkung: „Für Goldman Sachs sind die besten sich selbst regulierenden Märkte, die Märkte, die Goldman Sachs selbst reguliert.“
Aber nun weiter mit Thomas Frank: „Die Regierung der USA bot den Banken grenzenlose Garantien, und zwar fast ohne Auflagen – praktisch eine Einladung, sich auf hochriskante Spekulationen einzulassen, konnten sich diese Institutionen doch darauf verlassen, dass der Steuerzahler am Ende für die Verluste gerade stehen würde.“ (Thomas Frank, „Arme Milliardäre“, S. 40 f.)
Nur, Thomas Frank bleibt hier nicht stehen, sondern fragt sich wie konnte es geschehen, dass dieser Volkszorn – anfangs durchaus gegen die Banker – und vor allem ihre schamlosen Boni – gerichtet – dann plötzlich von der Wall Street auf Washington übergesprungen ist: Für ihn sind dann die Wahlen im Januar 2010 in Massachusetts der beste Beweis dafür, wie es gelungen war – „dank“ der konservativen „Tea-Party“ (S. 49 ff. – insbesondere S. 52 ff.) – dieses „Verwandlungskunststück“ durchzubringen, dass die vorherige Angst durch eine andere ersetzt wurde: Die Börsenmakler wurden mit „dem“ Amerika gleichgesetzt – eine der größten Verdrehungen! (übrigens millionenfach wurde diese zentrale Sendung vom Chicagoer Börsenparkett auf Youtube abgerufen – Frank,S.56) – und der Geist der Rebellion richtete sich nun gegen Washington.
Und so wurde es eine Zeit der großen Verwirrung, die die wirklichen Ursachen einfach verdrehte und auf den Kopf stellte.
Und TARP als Angelpunkt für die Verdrehung und Verwirrung
Und zum Angelpunkt dieser Verdrehung wurde das hilflos zögerliche Vorgehen der Obama-Regierung in der Finanzkrise, das sich in dem „Troubled Asset Relief Program“ (TARP ) manifestierte. (Frank, S. 40,53 und 56 f.)
Dieses „TARP“ war groß von der Bush-Regierung mit Finanzminister Paulson noch eingeführt worden – und wurde dann ziemlich „nahtlos“ unter Obama mit Finanzminister Geithner fortgesetzt. (http://en.wikipedia.org/wiki/Troubled_Asset_Relief_program )
Dabei war TARP eindeutig schlecht, eine Art Schnellstraße, über die der Staat diensteifrig die Verluste der Finanzindustrie auf die Steuerzahler abwälzte. Zu anderen Zeiten, meint Frank, hätte TARP das Thema einer revitalisierten Linken sein können.
Hätte die Linke schneller reagiert, so hätte TARP als das letzte Kapitel im großen Buch des Betrugs – mit der Deregulierung der Banken, der Bonus-Kultur, der Aushebelung der Aufsichtsfunktionen des Staates – sein können. Die wirtschaftsfreundlichen Konservativen hatten aus diesen zwielichtigen Gründen TARP aufgesetzt, um ihren Freunden bei den Banken zu geben, was immer sie verlangten – und dann hatte die Regierung Obama diesen „Betrug“ an den normalen Bürgern einfach „alternativlos“ fortgesetzt.
Nun gelang es aber der Rechten, dieses eilfertig von ihnen inganggesetzte Manöver mit den „Bailouts“ bei TARP weit von sich wegzuschieben – und von der Wall Street an den Staat weiterzureichen.
Und so wird der Staat zum „Buhmann“ für die Krise – ohne einen Blick auf den Derivate-Markt
Und wie bei uns die „Staatsschulden“ zum Zentrum der Krise gemacht wurden (vgl. dazu Volker Lösch: „Das die Finanzkrise zur Schuldenkrise gemacht wurde ist die Lüge des Jahres“: www.wirtschaftundgesellschaft.de/?p=6324 ), so wurde in den USA TARP das einzig relevante Element der Krisengeschichte. Und so konnte die Rechte in den USA TARP zum großen Skandal der Demokraten aufblasen (Frank)
Die Derivate – aber wer versteht davon schon etwas und die Medien schweigen es tot: Dabei kann man recht einfach zu der „All-Gewalt“ der Finanzmärkte und ihrer Gefahren gelangen, wenn man sich die Demensionen dieser Märkte vor Augen nimmt – und zu dem eigentlich unvorstellbaren enormen Volumen der Finanztransaktionen , die 67,4 mal höher sind als das nominale Weltinlandsprodukt – vorstößt. Dieser immense Volumen verteilt sich „nur“ auf die meisten fortgeschrittenen Ökonomien – wie eben die USA und Europa -, wo sie sich konzentrieren. (Vgl. noch einmal die ersten beiden Abschnitte auf der Seite 11 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html) Und dieser schon fast unvorstellbar gewaltige Boom – gegenüber der „realen Wirtschaft“ – ist ausschließlich den Derivate-Märkten zu verdanken.
Wie diese „aufgeblasene“ Bedeutung des Investmentbanking „eskamotiert“ wurde (= weggezaubert)
Diese – im wahrsten Sinne „aufgeblasene“ Bedeutung des sog. Investmentbanking veranlasste Robert Misik ja kürzlich, diesem Zweig der Banken jede gesellschaftliche Bedeutung abzusprechen. (Vgl. www.nachdenkseiten.de/?p=14267#h02 )
Diese Einsicht veranlasste Axel Troost, den Abgeordneten der Linken, nur noch die Abwicklung des Investmentbanking für angemessen zu halten – einfach weil es nur wie ein Geschwür wirkt, das andere Organe schädigt (vgl. dazu den Abschnitt „… und die gesellschaftliche Bedeutung des Investmentbanking“ auf der Seite 7 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html) – deshalb erscheint es wichtig auch weiter die vorausgegangen Deregulierungen – wie z.B. die Aufhebung des Glass-Steagall-Acts in den USA unter der Regierung Clinton – ein wesentlicher Grund für die Finanzkrise, wie eine „Untersuchungskommission“ („Enqiry“) des US-Repräsentantenhauses zur Finanzkrise festegestellt hatte – wieder aus der politisch gewollten „Versenkung“ zu holen – und nicht mehr aus dieser neoliberalen Geschichte total auszublenden.
Und die Demokraten in den USA stehen ja auch mitten in dieser Finanzmarkt-Krisen-Geschichte drin – ohne sie je als Fehler, der inzwischen dringend korrigiert werden müsste, erkannt zu haben (wie in Deutschland bisher weitgehend – gerade bei der SPD – auch noch vgl. den Abschnitt „…noch einige aktuelle Wendungen im Finanzmarkt-Narrativ“ auf der Seite 6 f. bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html) – und mit der doch weitgehenden Ausblendung dieser Ursachen der Krise – eben als Finanz- und nicht Staatskrise – konnte das Krisengeschehen doch wieder in die alte neoliberale und marktradikale „Erzählung“ der Konservativen eingebettet werden – einfach durch diese politisch hilflos- unterlassene Thematisierung durch die demokratische Obama-Regierung.
Der Wissenschaftler und Ökonom Robert B. Reich fragt deshalb auch, wie es dazu kommen konnte, dass die Republikaner Mitt Romney als Präsidentschaftskandidaten präsentieren konnten, der doch so kaltschnäuzig die Exzesse des – eigentlich doch gescheiterten – Kasinokapitalismus vertritt? Und mit Bedauern muss auch er dann feststellen, dass das „Weiße Haus“ es versäumt hat, Mitt Romney in eben jenen Kontext des Kasino-Kapitalismus zu stellen, der die Geißel in der Wirtschaft wurde und zu dieser Krise führte. (Vgl. Robert B. Reich, „Mitt Romney und das neue vergoldete Zeitalter“ bei der Ziff. 16d: www.nachdenkseiten/?p=14937#h16 – vgl. zum „Staatshass“ der Konservativen weiter auch das Buch von Philipp Schläger, „Amerikas Neue Rechte – Tea-Party usw.“:www.taz.de/Zwei-Buecher-zu-US-Wahl/!104779/ )
Und so konnte auch in den USA die Finanzkrise zur Staatskrise gemacht werden. Und damit wurde auch hier die Finanzkrise zur Staatskrise gemacht.
Aber die Bedingungen für eine solche Verwirrung im großen Stil waren günstig: Wer zum Beispiel wusste den schon, was die Zusammenbrüche der Banken ausgelöst hatte? Oder was ein Credit Default Swap überhaupt war – und ist? Und wer konnte dies erklären?
Und so war der Ausgang bei den Wahlen am 6. November doch lange Zeit ziemlich offen – auch für das,was für Obama dann bei seinem Wahlsieg wieder daraus folgen könnte…
Und es bleibt dabei, es gab zunächst keine Parallele bei dieser Wiederwahl von Obama im Jahre 2012 mit der Wiederwahl von Franklin D. Roosevelt im Jahr 1936 , wo dieser doch glatt sagte: „Eine Regierung des organisierten Geldes ist genauso gefährlich wie die Regierung des organisierten Pöbels“ (vgl. den letzten Absatz auf der Seite 2 f. bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl37.html).
Durch das bisherige „Leisetreten“ gegenüber dem organisierten Geld jedenfalls wird diese Krise nicht gelöst werden.
Die Wall Street mit ihrem Geld hat jedenfalls dieses Mal schon gezeigt, wohin sie ihre „Sympathien“ verteilt. (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/spenden-im-us-wahlkampf-wohin-das-geld-der-wall-street-fliesst-1.1510791 )
Nur so „starr“ sind die Fronten nicht mehr, wenn ein Kämpfer für die Aufhebung des „Glass-Steagall-Acts“, der frühere Chef der Citi-Group, Sanford Weill, heute erklären kann: „Was wir tun sollten, ist wohl das Investmentbanking vom Privatkundengeschäft trennen“ – und damit im Finanzmarktgeschehen vom Saulus zum Paulus wurde. (vgl. archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/bahl_zerschlag.html)
Vielleicht kann ja Obama jetzt auf solch eine Stimme eines alten Finanz-Kämpen hören – nach seiner Kehrtwendung vom Finanzmarkt-Saulus zum Paulus?
Der keynesianisch geschulte Ökonom würde nur sagen: „Respice finem“ (= „Blicke auf das Ende“) – es kann gar nicht gut ausgehen. (Vgl. dazu auch den Vortrag „Niedergang Europas“ von Stephan Schulmeister (http://youtu.be/fl2blvPOwr8 ) Und irgendwie stehen sie und wir mit ihnen – somit alle zusammen noch „im falschen Film“.
Aber – bleibt es dabei – kann die Finanzmarkt-Krise daher „ungestört“ durch irgendwelche „störende“ Einflüsse ihre Dynamik weiter entwickeln (und nicht zuletzt die Spekulanten weiter ihren Reibach machen) – ja, bis vielleicht diese Realität doch für alle so erdrückend wird, dass sie „aufwachen“ (= wie in der letzten großen Weltwirtschaftskrise die Deutschen bei Hitler?)
Und kann man eine Rolle für den Arbeiter und „seine“ Gewerkschaften in diesem „falschen Film“ entdecken?
Der „Arbeiter“ könnte die Rolle des Kindes aus dem Märchen von Andersen „Des Kaisers neue Kleider“ übernehmen – und der Wirklichkeit zum Durchbruch verhelfen. – Nur dahin gelingt es ihm anscheinend nicht zu kommen. Wie kommt das?
Robert Reich macht darauf aufmerksam, dass die Lehre vom Sozialdarwinismus – das Überleben der Tüchtigsten – um sich gegriffen hat – ein Phänomen das wir in Deutschland auch im Gefolge der „letzten“ Weltwirtschaftskrise gut kennen. (Vgl. noch einmal Robert Reich auf der Seite 4 f. bei der Ziff. 16 d) bei www.nachdenkseiten.de/?p=14937#h16 )
Und so sieht Reich Mitt Romney auf den Spuren von Summers wandeln, der die Auffassung vertritt, dass „Millionäre ein Produkt der natürlichen Auslese sind“ – und getreu dieser Logik wirft Romney Präsident Obama die Schaffung einer „Anspruchgesellschaft“ vor, nur weil Millionen verzweifelter Amerikaner durch diese gewaltige Krise, die ihren Ausgang auf den Finanzmärkten hatte, gezwungen sind, Lebensmittelmarken und Arbeitslosenversicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. (Zu einem Vergleich zur deutschen Situation siehe noch einmal bei der Vorlage des Reichtums- und Armutsberichtes die Seite 2 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html – sowie zur Ergänzung noch die Seite 4 „nur das „goldene Kalb“ der Anleger bleibt einzige Referenz“…)
Konkreter zeigt diese asoziale Wende dann auch noch Thomas Frank in seinem Buch („Arme Milliardäre“) auf. Bei diesem „Weckruf“ zugunsten der Börsenmakler vom Chicagoer Börsenparkett tobte dieser Wirtschaftsjournalist nämlich gerade gegen jenen Teil von TARP, der den in dieser „Subprime“-Krise in Not geratenen kleinen „Häusle-Bauer“ Erleichterung verschaffen sollte und sie auch vor der Zwangsversteigerung bewahren sollte: Hier werde durch das Programm „Fehlverhalten belohnt“ und „die Kredite von Verlierern subventioniert „. Und dieser Gedanke brachte ihn dann so in Rage, dass er noch ausrief: „Wir leben hier in Amerika!“ (Frank, S. 52 f.)
So wurde der Betrug der Finanzalchemisten an den kleinen Leuten (Arbeiter / Mittelschicht) noch sozialdarwinistisch geadelt.
Statt Solidarität „Survival of the Fittest“ – und Banken“rettung“ doch auf Kosten des Steuerzahlers – und der „Derivate-Markt“ als Ursache bleibt einfach unangetastet!
Nur im Gegensatz zu dem hier verbreiteten „Glauben“,dass die Krise aus Amerika über die unschuldigen Deutschen kam (vgl. zu dieser „Lehman-Lüge“ (www.nachdenkseiten.de/?p=4196 ) – und wie dann auch der Spiegel drauf kam (www.nachdenkseiten.de/?p=10763#h03 ), waren die deutschen Banken „wie wild“ daran beteiligt. Denn mitten drinnen in diesen Betrügereien im „fernen“ Amerika stand die Deutsche Bank.
Dies „referiert“ wunderbar nach den US-Untersuchungsberichten (in diesem Falle des US-Senates), – die ja bekanntermaßen in Deutschland beim Bundestag kein Pendant fanden und deshalb auch überhaupt von den hiesigen Medien als US-Berichte wahrgenommen wurden, der Journalist Malte Heynen in seinem Buch „Der Raubzug der Banken“ (auf den Seiten 17 ff.)
Ohne deshalb gleich mit den Schlussfolgerungen des Autors übereinzustimmen, bietet dieses Buch eine wunderbare Materialsammlung – auf deutsch – zu dieser Verschiebung der Risiken durch „Verbriefung“ gerade durch die Deutsche Bank dann auch insbesondere an andere deutsche Banken -als Opfer dann vom deutschen Steuerzahler gerettet. (z.B. die Industriekreditbank und die Commerzbank)
Hier wird dieser gewaltige – rund 67-fache des Weltinnenproduktes -Derivatemarkt dann doch ganz konkret auf die Akteure bezogen,sichtbar gemacht und damit nachvollziehbar.
Aber das gelangte – obwohl in offiziellen US-Untersuchungsberichten breitgetreten – nicht bis ins Bewußtsein des US-Arbeiters – und schon gar nicht des deutschen.
Und so wechselt in den USA der Arbeiter die Seiten
Thomas Frank schildert uns nämlich – reichlich erschüttert – wie die Arbeiter in den USA die Seiten gewechselt haben – und wie bei einem gigantischen Taschenspielertrick ihre echten Gefahren gegen eingebildete eingetauscht haben. Hatten wir schon davon gesprochen, wie die Republikaner im Januar 2010 im eigentlich demokratisch geprägten Massachusets den vakant gewordenen Senatorensitz des verstorbenen Ted Kennedy mit einem Republikaner besetzen konnten. Bei diesen Wahlen vollzog gerade die Arbeiterschaft – eine typische demokratische Wählergruppe – den erstaunlichsten Wechsel von allen. Ja – gegenüber früher war dieses Abstimmungsverhalten so untypisch, dass der Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO von einer „Revolte der Arbeiterklasse“ sprach (Frank, S. 50 f.) – man müsste ergänzen „eine Konter-Revolution“ zugunsten der Finanzmarktakteure…“
Aber das blieb ja kein einmaliger Ausrutscher, denn bei den Kongresswahlen im November desselben Jahres gelang den Republikaner ein Triumph – „der gescheiterten Ideen“.
Das Repräsentantenhaus erlebte den größten Umschwung in der Mitte der Amtszeit eines Präsidenten seit 1938, dreiundsechzig Sitze wechselten von Blau nach Rot, gingen also von den Demokraten an die Republikaner.
„Zwei Jahre nach ihrem Großen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen hatte also der Volkszorn die Seiten gewechselt“, stellt Thomas Frank ernüchternd fest (S. 51). Und er fährt fort: Eine erstaunliche Kehrtwende!
Und die Arbeiterschaft – so stellte in einer Wahlanalyse das „National Journal“ fest – hatte mit einer erstaunlichen Rate von 2 zu 1 republikanischen Kongressabgeordneten den Vorzug gegeben. In einer Demonstration des „erbitterten Widerstandes gegen Obama und seine Politik“ hatte dieses Mal die Bevölkerungsgruppe, die in der großen Krise des Kapitalismus der Vergangenheit Franklin Roosevelt vier Mal ins Präsidentenamt gewählt hatte, sich nun für die Politik von Herbert Hoover entschieden.
Und die Arbeiter in den USA weit jenseits des „Bewußtseins“ der Gewerkschaften?
So blickt man etwas erstaunt auf die Schelte eines US-Gewerkschafters, der reichlich frustriert seine Enttäuschung über die Politik Obamas ausdrückt (www.taz.de/Debatte-US-Wahlen/!104761/ )
Er moniert – berechtigterweise -, dass Obama eine Politik verfolgt hat, die Unternehmensprofite und Vermögensanhäufungen auf neue Höchststände trieb – auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung.
Obama hat sich geweigert, die schamlosen Unternehmens-, Banken-, Kredit- und Finanzverbrechen zu verfolgen, die uns direkt in die Wirtschaftskrise geführt haben. Schlimmer noch, er hat viel Posten in seiner Regierung an Leute aus völlig diskreditierten Unternehmen vergeben…
Man kann eigentlich dieser Kritik nur zustimmen – aber wie konnte es dann den Republikanern gelingen – an solcher Gewerkschafts-Position vorbei – sich hinter die neoliberalen Republikaner zu scharen? Das fragt sich der geneigte Leser. Und das werden sich die Gewerkschaften in den USA nach dieser Wahl wohl auch selber fragen.
Gewerkschaften in Deutschland und Europa: Merkels Spar-Diktat-Agenda für Deutschland und Europa?
Sind „unsere“ Gewerkschaften gegen solche Umdeutungen der Krise – in eine Schuldenkrise „von Staats wegen“ unter Ausklammerung der wahren Verursacher der Krise – besser aufgestellt als die US-Gewerkschaften?
Im Moment haben sie sich ja in Europa eine Marke gesetzt – den 14. November – mit europweiten Aktionen (archiv.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/2009/finanzkrise_gew.html)
Nur werden jetzt hier die Verursacher der Krise genannt – oder auch nur eine sozialdarwinistische „Verschiebung“ der Schuld?
– Erst einmal die Griechen als Sündenbock –
Fangen wir noch einmal an, wer in Europa die Schuld an der Krise tragen soll. Schon früh wurde klar – auch öffentlich thematisiert, dass,um die wahren Ursachen der Krise zu verschleiern, die Griechen zum Sündenbock gemacht wurden, um von den Ursachen der Krise abzulenken. (vgl. dazu Christian Ude und Stephan Schulmeister bei „Quer“ (http://blog.br.de/quer/studiogespraech-man-lenkt-von-den-ursachen-der-krise-ab-16092011.html )
Dabei wird auch gleich die wichtige Frage aufgeworfen, wie kommt man von der falschen Weltanschauung wieder los – als das „Zauberlehrling-Problem“ bei Goethe.
Dieser – so falschen – Erzählung über Griechenland widmete sich dann auch noch Stephan Kaufmann in der FR. Nachdem er seine „Dekonstruktion“ dieser öffentlichen – allein alternativlos marktkonformen – Erzählung abgeschlossen hat, meint er: „Damit wäre der Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone nicht das Resultat eines gerissenen Geduldsfadens (vgl. dazu auch noch einmal „Die Fiskalpakt-Agenda am Beispiel Griechenlands“ auf der Seite 3 ff. bei (archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html), sondern ein Mittel zur Disziplinierung innerhalb der Eurozone. Die Bestrafung Griechenlands dient als Warnung an alle Staaten, eisern zu sparen und ihre Lohnkosten zu senken.
Denn am Ende soll Europa die wettbewerbsfähigste Region der Welt sein – so jedenfalls im marktradikal-neoliberalen Märchen. (www.fr-online.de/schuldenkrise/euro-krise-das-maerchen-von-den-griechen,1471908,17172592.html )
Deutsche Gewerkschaften kontern: Griechen sind nicht faul – aber kein angemessenes Mittel zur Krisenüberwindung!
Einen Teilaspekt diese Märchens, der die faulen Griechen stigmatisiert, haben die deutschen Gewerkschaften gegenüber ihren Mitgliedern schon noch aufgegriffen (vgl. den 7. Absatz auf der Seite 3 bei (archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl16.html) – nur fehlte der Einzelgewerkschaft Verdi schon damals der „Mut“ ein wichtiges Instrument zur Eindämmung hochspekulierten Zinsen auf Staatsschulden – die Eurobonds als „Vergemeinschaftung“ der Schulden – zu erwähnen, obwohl es noch kurz vorher gefordert worden war. (zu den hochspekulierten Zinsen vgl. auch noch den Abschnitt auf der Seite 4 „Wird mit dem Kosten-Coups…“)
So unterwirft man sich auch hier „durch Unterlassen“ dem Kampf der Kanzlerin gegen diese Eurobonds und für ein Weiterbestehen der Herrschaft der Finanzmärkte – auch über die Staatsschulden (archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl31.html). Aber damit verschwand auch die Auseinandersetzung mit einem ganz zentralen Ursachen-Komplex – den Finanzmärkten – aus der gewerkschaftlichen Diskussion.
Die gewerkschaftliche Diskussion musste so wohl rein defensiv bleiben – und es gelang nicht zu einer „anderen Erzählung“ vorzudringen.
Wie wenig dann auch noch diese Rechnung mit der „wettbewerbsfähigsten Region Europa“ aufgehen kann, hat an anderer Stelle Stephan Kaufmann dann später deutlich gemacht: Mit seiner auf Exporte gestützten Offensive versucht Europa also, anderen Staaten Wachstumsanteile abzunehmen – und die in einer Zeit, in der die Wachstumsraten für den Welthandel – nicht zuletzt durch das Spardiktat in Europa – allgemein sinken. So werden diese angestrebten Leistungsbilanzüberschüsse des Euro-Raumes zu einem negativen Schock für die Weltwirtschaft – mit der Gefahr von Handelsstreitigkeiten, ja, Wirtschaftskriegen. (www.fr-online.de/wirtschaft/exporte–europa-wird-deutsch-deutschland-zeigt-europa-wie-es-geht,1472780,20732570.html )
Und auch Stephan Sculmeister sieht die Gefahr von Wirtschftskriegen heraufziehen (www.wirtschaftundgesellschaft.de/?p=4942 ) – wobei er sich durch die Lektüre von Sebastian Haffner`s Buch „Von Bismarck zu Hitler“ daran erinnert fühlt, wie auch damals nach der Reichsgründung – wie jetzt nach der Vereinigung – Europa wegen des erstarkten Deutschland mit den Ungleichgewichten nicht zu Rande kam – nur besteht heute nicht die Gefahr von Kriegen, aber von Wirtschaftskriegen, meint er.
Aber aktuell bröckelt in dieser Krise auch das deutsche „Lohndumping-Exportoffensive-Modell“ selbst – weil die Exporte aus Deutschland dramatisch einbrechen. (www.sueddeutsche.de/ wirtschaft/folgen-der-euro-krise-deutsche-exporte-brechen-dramatisch-ein-1.1517889 )
Der anstehende Streit um den immer kleiner werdenden Kuchen ist also „vorprgrammiert“.
In dieser Situation sieht dann Heiner Flassbeck keine andere Möglichkeit mehr – wohl um die Integration Europas nicht auf dem Altar der Finanzmärkte mit ihrer radikalen Sparpolitik zu opfern – als in der „Beseitigung“ der gemeinsamen Währung (vgl. „die Euroländer müssen sich trennen“ (www.tagesanzeiger.ch/27124507/print.html ), die einmal geschaffen worden war, um die Spekulation auf Währungen für diesen Wirtschaftsraum „fernzuhalten“. Diesen Gründungsbaustein für ein wirtschaftlich geeintes Europa hatte die Kanzlerin Merkel – ohne die Statik des ganzen Gebäudes zu verstehen – dann 2010 einfach rausgezogen (vgl. noch einmal den Abschnitt a): „Das hochgetriebene Zinsniveau“ auf der Seite 3 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/ krise_bahl40.html) – mit der wohl voraussehbaren Folge, dass das ganze europäische Gebäude zerbricht, was schon andere heftig umtrieb.- Dies aber möchte wiederum der Abgeordnete Axel Troost am liebsten noch verhindern – jetzt endlich durch ein Umstellen der Weichen. (www.nachdenkseiten.de/?p=14937#h04 )
Bleibt jetzt den europäischen Gewerkschaften nur noch die Unterwerfung unter Merkel`s Fiskalpaktagenda?
Irgendwie hatte ich kürzlich angenommen, dass die Gewerkschaften – in Deutschland – noch in der Lage sind, eine Gegenposition zur Unterwerfung unter die Finanzmärkte mit der Fiskalpaktagenda – gegen die „ganz große“ Mehrheit im deutschen Bundestag hochzuhalten. (vgl. den Abschnitt „Eine..wichtige Rolle der Gewerkschaften… beim Brechen der „Herrschaft“ der Finanzmärkte“ auf der Seite 3 f. bei archiv.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/tarifpolitik/tarifbindung_bahl.html oder auch www.nachdenkseiten.de/?p=14931#h12 )
Aber ich muss inzwischen eingestehen, dass die große europaweite Mobilisierung in diesem Herbst gegen die neoliberale Schockstrategie (Naomi Klein) (vgl. Dierk Hirschel / Verdi (www.neues-deutschland.de/artikel/800054.schockstrategie.html?action=print ) unter einem sehr ungünstigen Stern zu stehen beginnt. (vgl. allgemein noch einmal archiv.labournet.de/diskussion/arbeit/ aktionen/2009/finanzkrise_gew.html)
Waren noch bei Verabschiedung des sozial so schädlichen Fiskalpaktes (vgl. Dierk Hirschel, „Der Fiskalpakt ruiniert Europa“ (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/oekonomisch-unsinnig-und-sozial-verantwortungslos-der-fiskalpakt-ruiniert-europa-1.1354338 ) die Gewerkschaften noch klar auf der Seite der Gegner dieses ruinösen Spardiktats (archiv.labournet.de/diskussion/eu/ wipo/krise_bahl37.html), jedoch fahrlässigerweise unterließen sie es auch hier schon die Rolle der Finanzmärkte in diesem Spiel hervorzuheben: Es fehlte die elfte Frage, wie dem für die Südländer zerstörerischen hochgetriebenen Zins-Niveau entronnen werden kann?
Und angesichts der heutigen Ausgangslage, dass die Kanzlerin den Bundestagswahlkampf 2013 zu einer Volksabstimmung für „ihre“ Stabilitätsunion erklärt hatte (vgl. (archiv.labournet.de/ diskussion/eu/wipo/krise_bahl36.html) kann man sich schon vorstelllen, wie angesichts diese fahrlässigen „Nicht-Thematisierung“ der ganz großen Krisenursache – der schlimmen Rolle der Finanzmärkte – auch in Deutschland die Gefahr besteht, dass auch hier die Arbeiter im Verhältnis 2 zu 1 die Konservativen wählen werden – nachdem an eine konsequente Regulierung der Finanzmärkte ja „gar niemand“ denken will.
Sorry, es mag hart klingen, aber mir kommt die jetzige Artikulation vor wie ein zu „Kreuze kriechen“ vor Merkels Agenda. Just vor der angekündigten europaweiten Mobilisierung der Gewerkschaften, erklärt uns doch die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes Bernadette Segol, dass wir uns in einer „Schuldenkrise“ befinden. (www.fr-online.de/meinung/gastbeitrag-europa-ist-mehr-als-ein-marktplatz,1472602,20767480.html )
Alle die guten Ziele, die sie für die Gewerkschaften nennt, sind zwar erstrebenswert – aber doch nicht ohne erst einmal die Finanzmärkte an die Kandare zu legen.
Und so kehren die europäischen Gewerkschaften dem Finanzmarktgeschehen als Krisenursache einfach den Rücken – und alles wird einfach zur „Schuldenkrise“ und damit „Staatskrise“.
Bei diesem verkürzten Blick mutet es dann seltsam an, wenn dann just dieser Staat doch noch all die schönen Dinge tun soll, für die ihn die Gewerkschaften „finanziell“ brauchen – und das so gefährliche „Zocken“, das die Staatshaushalte schon bisher „ruiniert“ hat, kann einfach so weiter gehen?
Seltsam paradoxe Gewerkschaftswelt!
Und es wird verständlich, wenn ein frustrierter Gewerkschafter sein Mitgliedsbuch – an Verdi – zurückgibt, weil er diese sich so scheinbar einfach „zwangsläufig“ ergebende „Haltungslosigkeit“ der deutschen Gewerkschaften im Nord-Süd-Verhältnis von Europa – gerade mit den Generalstreiks für den 14. November – nicht mehr mittragen kann. (http://tv-orange.de/2012/11/generalstreik-griechenland-und-in-deutschland-abendstille/ ) Und dem Kollegen fällt dabei gerade ins Auge, was bei den (deutschen) Gewerkschaften „untergeht“: „Sparprogramm für das Volk – Billionen in die Taschen privater Banken: Das ist das Europa von heute“
Denn diese ökonomische „Gewerkschaftswelt“ liegt damit aber gar nicht mehr weit weg von der ökonomischen Welt des deutschen Sachverständigenrates für Wirtschaft , der sich nur „ausgesprochen“ konsequent für die von Merkel so folgenreich eingeführte “ Herrschaft“ der Finanzmärkte ausspricht – der Punkt, wo die Gewerkschaften einfach abtauchen – Und zweitens spricht sich der Sachverständigenrat dezidiert für den Merkelschen „Fiskalpakt“ aus. Den – als einzelnen – wünschen sich die Gewerkschaften zwar meist weg, – nur als sozialschädlicher und ökonomischer Fehler wird er für den 14. November anscheinend gar nicht mehr besonders angegriffen. So fehlt anscheinend der „Durchblick“ in welcher eindeutigen „Gesamt-Agenda“ er steht. Da ist der Sachverständigenrat doch „folgerichtiger“, wenn er auch noch nicht einmal vom „Fiskalpakt“ weichen will (vgl. (www.nachdenkseiten.de/?p=14990#h07 ) – vgl. noch weiter zum SVR-Gutachten 2012/2013 (www.nachdenkseiten.de/?p=15034#h16 ).
Diesen immer noch vorhandenen Lernwiderstand dieser Ökonomen kann daher Stephan Schulmeister in seinen längeren Ausführungen in „Le Monde diplomatique“ vom November 2012 ausmachen: „Die manisch-depressiven Schwankungen der („freiesten“) Finanzmärkte sind durch die „neoliberale Brille“ nicht als systemische Hauptursache der Krise auszumachen. Also beschränkt man sich auf Symptombekämpfung durch Banken- und Konjunkturpakete. Die „Spielanlage“ bleibt unangetastet. Wirtschaftseinbruch und Rettungsmaßnahmen treiben die Staatsverschuldungen in die Höhe. Das wiederum ermöglicht ein neues Spiel , die Spekulation auf den Staatsbankrott. Die Zinsen der Anleihen der „schlechten“ Länder – von Griechenland bis Italien – steigen stetig an. Davon profitieren die „guten“ Länder, allen voran Deutschland.
Die neoliberale (Orientierungs-)Karte lässt nur eine Diagnose zu: Schuld sind „die Griechen“ und die anderen Südländer, sie müssen von „den Märkten“ durch hohe Zinsen diszipliniert werden.“
Schulmeister meint, „würden diese Ökonomen endlich zur Kenntnis nehmen – ganz empirisch! -, dass die „freiesten „, also die Finanzmärkte manisch-depressiven Schwankungen hervorbringen und damit systematisch falsche Preise generieren , dann wäre ihr gesamtes Weltbild nicht mehr zu halten.“(www.monde-diplomatique.de/pm/2007/07/13.mondeText.artikel,a0015.idx,1 )(Dieser aktuelle Text von Stephan Schulmeister ist bisher nur vollständig in der Printausgabe vom November der „Monde Diplomatique“ zu lesen)
Zur „Erklärung“ dieser Krisenursachen-Abstinenz noch die politischen Rahmenbedingungen in Europa – Frankreich wieder bloß im Schlepptau Deutschlands
Eigentlich kann man das nur verstehen, wenn man sich auch noch jenseits Deutschlands in Europa umsieht. Da war doch erst kürzlich in Frankreich in „linker“ Präsident gewählt worden, Francois Hollande.
Und währen der der Wahl-Kampagne hatte der Direktor von „Le Monde-Diplomatique“ Serge Halimi geschrieben: „Die Wahlen dieses Jahres werden eine verpasste Chance sein, wenn in ihnen nicht deutlich wird, dass der politische Wille wie das geeignete Instrumentarium vorhanden ist, um das Finanzsystem wieder zu entmachten.“ (siehe den 3. Absatz auf der Seite 1 bei (archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl22.html)
Und bis dahin hatte es keiner so schön auf den Punkt gebracht, was diese bisher geübte politische „Krisenbearbeitung“ für den „Arbeiter“ bedeutete wie Stephan Kaufmann: „Eine Entwertung des Finanzkapitals wird verhindert, durch eine – fortlaufende – Entwertung der Arbeitskraft“ (www.nachdenkseiten.de/?p=11731#h04 )
Aber soweit hatten die europäischen Eliten das wohl nicht begreifen können – und damit war der progressive Lack bei dem neugewählten französischen Präsidenten wohl bald abgeblättert. (vgl. „Vom Einknicken eines Hoffnungsträgers“: www.nachdenkseiten.de/?p=14614 )
Und in der Folge segnete nicht nur die französiche Nationalversammlung – gerade auch mit der Unterstützung der Rechten – sondern auch noch ein Parteitag der französischen Sozialisten mit Mehrheit selbst den schrecklichen Fiskalpakt noch ab. (www.nachdenkseiten.de/?p=14926 )
Und wenn wir wieder „zurück“ in die USA blicken, so ähnelt das so sehr dem Versagen der Obama-Regierung in seiner ersten Amtsperiode – nur ob Hollande dann auch ein „schlechter“ rechter Gegenkandidat – wie der Milliardär Romney in den USA – noch einmal im Amt retten wird, muss fraglich bleiben. Der Hurrikan „Sandy“ verhalf Obama auch noch der Hurrikan „Sandy“ zu einer (kurzen?) Welle der Solidarität. (www.fr-online.de/us-wahl/leitartikel-zur-us-wahl-sandy-eint-die-usa-,11442534,20786494.html )
Jedenfalls wurde Frankreich ganz im Fahrwasser der Deutschen auch „deutsch“ – mit dem ökonomisch gerade in der Krise so irrwitzigen Faible für eine Spardiktat-Exportoffensive. (siehe oben)
Und Frankreich soll unter Hollande noch deutscher werden
Aber nun soll Frankreich noch „deutscher“ werden – mit Arbeitsmarkt-Reformen a la Hartz & Co. – um „konsequent weiter gedacht“ dem deutschen Lohndumping (vgl. oben) auf einer die Gesellschaft stärker noch spaltenden Spirale nach unten „auszuweichen“. (www.sueddeutsche.de/politik/umstrittenes-gallois-reformpapier-schocktherapie-fuer-frankreichs-regierung-1.1514423 oder www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/gallois-ex-eads-chef-fordert-schocktherapie-fuer-frankreich-a-865392.html und http://de.reuters.com/article/topNews/ idDEBEE8A402R20121105 ) Da bleibt dann nur noch der französischen Sozialistin Marie-Noelle Lienemann mahnend festzustellen: „Hollande und Ayrault sollten sich an die Wahlniederlage von Gerhard Schröder im Jahr 2005 erinnern.“
So scheint jetzt der Albtraum unseres Wirtschaftsweisen Peter Bofinger doch noch Wirklichkeit zu werden. Er hatte nämlich einmal mit Blick auf Europa als Ökonom sich ungefähr so geäußert: “ Lauter Deutschlands in Europa wäre der Horror, dagegen lauter Frankreichs wäre o.k.!“
Und so hatte das IMK es immer wieder in breiten ökonomischen Analysen aufbereiten können, dass Frankreich nicht nur als einziges Land der Eurozone sich mit seinen Löhnen an der Zielmarke von 2 Prozent Inflation orientiert, sondern dazu noch durch diese angemessene Lohnpolitik mit einer entsprechenden Binnennachfrage auch beschäftigungspolitisch auf dem besseren Weg als das „lohndumpende“ Deutschland ist. (vgl. „Frankreich als Vorbild?“ www.boeckler.de/pdf /p_imk_report_31_2008.pdf sowie die Kurzfassung (www.boeckler.de/imk_5269. htm?produkt= HBS-004212&chunk=4&jahr )
Und dieses Ergebnis mit einem besseren Wachstum konnte noch einmal im Jahr 2010 bestätigt werden. (www.boeckler.de/pdf/p_imk_pb_1_2010.pdf )
Die damalige konservative französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde hatte deshalb auch im Jahr 2010 gegen diese Lohndumping aus Deutschland beim „Ecofin-Rat“ interveniert – allerdings ohne Erfolg angesichts der Blockade aus Deutschland. (archiv.labournet.de/diskussion /eu/sopo/lohn_bahl.html)
Und jetzt wird die Krise – durch dieses „Deutsch-Werden“ von Europa weltweit verschärft, indem ausgerechnet ein französischer Sozialist sich daran machen soll das deutsche Lohndumping durch die Arbeitsmarktreformen auf Frankreich zu übertragen? So könnte Europa noch „deutscher“ werden – eben der Alptraum von Peter Bofinger – und mit dieser „Fokusierung“ der Wirtschaft auf den Export wird diese Strategie zur Schocktherapie für die Weltwirtschaft auch noch. (www.nachdenkseiten.de/?p=14897#h02 . Hier hakt doch auch der DGB noch ein: Deutschland ist kein Vorbild für Europa: www.nachdenkseiten.de/?p=15041#h02 )
Bleibt jetzt in diesem vorgegebenen politischen Rahmen nur „Bettelei“ für die Gewerkschaften? Dabei führt Sparen zur Schuldenexplosion – ganz anders als bei der „schwäbischen Hausfrau“
Und wenn wir dieses jetzt alles berücksichtigen, dann sieht wohl die – vielleicht persönlich durchaus sympathische – Generalsekrtärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes keine andere Möglichkeit mehr, als gegenüber dieser ideologisch in der Sackgassen befindlichen und irgendwie vernagelten Politik in Europa auf dem ökonomischen Holzweg, keine Möglichkeit mehr konkret in ein „alternatives Wirtschaftsmodell“ einzusteigen.
Dabei kommen gerade aus dem IWF , bzw. ihrem Chefökonomen ermutigende Signale, denn der wackere Olivier Blanchard hat jetzt überzeugend mit einem Multiplikator aufgezeigt, wie diese Spardiktat-Haushaltspolitik in Europa nicht – wie diese „Irren“ immer noch uns glauben lassen wollen, zu mehr Wachstum führt (vgl. „Finanzminister der G20 warnen vor verzögertem Schuldenabbau“: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tagung-in-mexiko-g-finanzminister-warnen-vor-verzoegertem-schuldenabbau-1.1514934 ), sondern letztlich nur zu einer weiteren Schuldenexplosion führt – wie es auch die Vergangenheit schon gezeigt hat. (vgl. z.B. „Europa weiter Empirie-resistent: Griechisches Defizit fällt höher aus“: archiv.labournet.de/diskussion/eu /wipo/krise_bahl41.html)
Und auch in Spanien führt die Kürzungspolitik nur in die wirtschaftliche und soziale Katastrophe, wie der DGB plausibel macht (www.nachdenkseiten.de/?p=14937#h06 ).
Aber hier noch zu dem Multiplikator von Olivier Blanchard aus em IWF noch, dem die Zweifel an der rigorosen Schuldenabbau-Mantra auch immer stärker gewachsen sind. (www.nachdenkseiten.de/?p=14937#h03 sowie www.nachdenkseiten.de/?p=14931#h02 ) Warum also eine Mobiliserung in Angriff nehmen, die weiter der Schulden-Mantra huldigt – anstatt den Blick der Gewerkschafter für diesen absoluten Holzweg öffnen, damit sie jeden Bundestagsabgeordneten befragen, wie er zu dieser falschen Schuldenpolitik steht. Aber so bleibt doch die ernüchternde Frage,zu was eine derartige Mobilisierung – ohne konkretere, greifbare Handlungsalternativen taugen soll – die vor allem nicht einmal die Herrschaft der Finanzmärkte anspricht , die uns noch alle noch zu „erwürgen“ drohen, – und wie diese endlich „eingedämmt“ werden können. (vgl. noch einmal „Zerschlagt die Banken… “ (archiv.labournet.de/diskussion/wipo /finanz/bahl_zerschlag.html)
Aber als Hoffnungsschimmer bleiben aktuelle Ansätze, die vielleicht auch dereinst die Gewerkschaften erreichen
So haben schon einmal drei Politiker aus den drei Ebenen der Parlamente ein Papier vorgelegt: „Von der Krisenunion zur Solidaritätsunion“, in dem schon gleich einleitend bemerkt wird: „Das bisherige Krisenmanagement der kurzfristigen Beruhigung der Finanzmärkte und der notdürftigen Flickschusterei an den Strukturen der Währungsunion ist an seine Grenzen gestoßen“ – und weiter:“Um sich aus dem Würgegriff der Finanzmärkte zu befreien , braucht Europa eine Brandschutzmauer, die die Sicherheit der Staatsanleihen garantiert. Kurzfristig muss die EZB die Aufgabe als Stabilitätsanker der Eurozone übernehmen. Mittelfristig müssen die Euro-Rettungsschirme zu einem Europäischen Währungsfonds umgebaut werden.“
„Die Politik muss den außer Kontrolle geratenen Casino-Kapitalismus durch verbindliche Regeln wirksam bändigen.“ (Udo Bullmann, Michael Roth, Thorsten Schäfer-Gümbel „Von der Krisenunion zur Solidaritätsunion“: www.nachdenkseiten.de/?p=14937#h09 – oder http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/09420.pdf )
Ja, es gibt Diskussionen – wenn auch noch nicht breit – zur „Diktatur der Banken? Die Eurokrise und die „Märkte“ (www.nachdenkseiten.de/?p=14934 )
So gilt es diese durchaus vorhandenen „Ansätze“ weiter zu entwickeln, damit sie doch noch ins Bewußtsein der arbeitenden Bevölkerung eindringen.
Als gutes Beispiel ist die Schweizer UBS den Schritt gegangen, sich vom Investmentbanking einfach zu trennen. (www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2012-10/ubs-investmentbanking )
Nur, wie wiedersprüchlich auch diese Entwicklung auch bei dieser Schweizer Bank mit ihrem Geschäftsmodell wieder ist, zeigt das Vorgehen der deutschen Staatsanwaltschaft gegen die UBS, was Sarah Wagenknecht auf den Plan rief (www.nachdenkseiten.de/?p=15041#h08 )
Aber „natürlich“ der Ober-Risiken-Kandidat Deutsche Bank macht weiter mit dem Zocken, so dass Rudolf Hickel nicht müde wird zu betonen, die Deutsche Bank lehrt uns die Dringlichkeit einer Regulierung. (www.nachdenkseiten.de/?p=14565#h01 )
Wie gefährlich das gerade wieder mit der Deutschen Bank werden kann, macht der Finanzstabilitätsrat deutlich, nach dessen Einschätzung die Deutsche Bank zu den vier wichtigsten Banken der Welt gehört, so dass ihr Zusammenbruch das weltweite Finanzsystem stark gefährden könnte („Too Big to Fail“)
Jedoch eine wirksame Strategie für den Fall der Insolvenz gibt es bisher noch nicht. (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/liste-systemrelevanter-banken-deutsche-bank-ist-too-big-to-fail-1.1512201 ) So macht sich die Bankenaufsicht schon einmal daran, bei den Banken Abwicklungspläne einzufordern – und ganz oben bei den Problemfällen steht die Deutsche Bank wiederum. (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bankenaufsicht-erzwingt-abwicklungs-plaene-auch-banken-brauchen-ein-testament-1.1512828 )
Und deshalb ist es auch gut, wenn der DGB das weiter anmahnt. (Vgl. DGB-Sommer: Bankenaufsicht versagt: www.nachdenkseiten.de/?p=14267#h10 )
Und – man höre und staune – endlich machen sich auch die Gerichte daran, dem ganzen Schwindel der Ratingagenturen nachzugehen – und so wird Standard & Poor`s in einem Präzedenzfall in Australien erstmals für irreführende Ratings verurteil (www.sueddeutsche.de/wirtschaft /praezedenzfall-standard-poors-erstmals-fuer-irrefuehrende-ratings-verurteilt-1.1513997 )
Dabei hatte Werner Rügemer schon einmal recht aufschlussreich dieses ganze „Schwindelsystem“ der Ratingagenturen durchleuchtet (siehe die Besprechung von Rudolf Hickel (www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/120727_hickel_rezension.pdf ) Aber auch ein Filmteam will sich auf den Weg machen, um die Spuren des Finanzkapitals in dieser Krise aufzudecken: „Wer rettet wen? – Wie wir die Risiken des Finanzmarktes tragen! (http://werrettetwen.org/ index.php/de ) – auch wenn das Projekt erst nach der Bundestagswahl 2013 steht.
So bleibt auch für den 14. November: Griechenland voran – aber doch „gemeinsam“ auf dem Weg nach unten
Was es aber bedeutet, wenn die Finanzmärkte weiter die „Herrschaft“ behalten und damit auch das „Spardiktat-Mantra“ weiter hochgehalten wird, das wird „erfolgreich“ an dem „Sündenbock“ Griechenland weiter durchexerziert (vgl. Jens Berger, „Wenn marktkonformer Zynismus ein Land vor die Hunde gehen lässt“ (www.nachdenkseiten.de/?p=14982 ): „Beim griechischen Volk bleibt von den Milliarden „Hilfsgeldern“ – dieser Troika – kein Cent hängen. Im Gegenteil durch den Zinsdienst wird stetig das Geld aus der griechischen Volkswirtschaft herausgezogen, das dringend notwenig wäre, um die Konjunktur und damit die Steuereinnahmen zu stabilisieren.“
Dennoch geht der „Wahnsinn“ erstmal hilflos weiter: Das griechische Parlament billigt das Sparpaket (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abstimmung-griechisches-parlament-billigt-sparpaket-1.1517525 ) und die Griechen protestieren zu Zehntausenden in einem Generalstreik gegen die Sparbeschlüsse. (www.sueddeutsche.de/politik/generalstreik-in-griechenland-zehntausende-protestieren-gegen-sparbeschluesse-1.1515573 )
Ja, bleibt dann in Deutschland mit Blick auf das angeblich geeinte Europa nur die lakonische Feststellung: Griechenland am Rande des Infarkts? (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ griechenland-in-der-krise-am-rande-des-infarkts-1.1518580 )
Alles bleibt weiter in diesem „marktkonformen“ Zynismus von Finanzmarkt-Dominanz und Spardiktat der Politik stecken. Und auf der Grundlage der ökonomischen Ungleichgewichte werden die ungleichen Kampfbedingungen der Gewerkschaften weiter „ausgehebelt“ (vgl. noch einmal „Europas vorprogrammierte „Generalstreikwellen“ bei Beseitigung der letzten Reste des sozialen Europa“:archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl19.html)
Die deutschen Gewerkschaften werden es – angesichts des Mantra, „die Griechen sind schuld“ – nicht wirklich schaffen, für den 14. November zu mobilisieren, sondern eher Grußadressen an die Gewerkschaften in Südeuropa senden. (vgl. Arno Klönne, „Vaterländisch geteilt“ (www.heise.de/tp/artikel/37/37936/1.html )
Die einen eben noch weiter oben, die anderen schon weiter unten -aber gemeinsam unter dem Dach der einheitlichen Währung Euro in der Krise auf dem Weg nach unten!
Sarah Wagenknecht hat nicht immer recht, aber bei ihrem Diktum „Die Finanzmärkte sind Merkels Kettenhunde “ auch für die weiterhin – nur relative – Dominanz von Deutschland, da hatte sie dem Nagel auf den Kopf getroffen. (www.nachdenkseiten.de/?p=11278#h05 ) – und Italien – worauf sich ihre Aussage aktuell bezog, ist auch weiter in die so gesellschaftschädliche Austeritätspolitik eingeschwenkt. (www.nachdenkseiten.de/?p=11278#h01 )
Es gilt aber zu bedenken, dass die Solidarität in Europa irgendwie auch etwas mit dem jeweiligen „Geschäftsmodell“ der einzelnen Staaten zu tun hat – und ob das dann bei einem Finanzmarkt-„Schmarotzer“-Modell wie bei Zypern doch anders zu betrachten ist, taucht dann als drängende weitere Frage auf (vgl. die Ziff 4b) bei „Eurokrise“: www.nachdenkseiten.de/?p=15041#h04 )(und zum aktuellen Stand der Aktionen für den 14. November siehe noch einmal archiv.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/2009/finanzkrise_gew.html)
Ausbruch aus diesem Wechselkreis des sozialdarwinistischen „Survival of the Fittest“ – zurück zu mehr Gleichheit und Solidarität!
Jedoch es gibt für uns aktuell die Alternative in einer solchen sozialdarwinistischen Erklärung der Krisenlösung hängen zu bleiben, wie sie uns der ehemalige Bundesbanker Sarrazin es so „durchschlagend auf das „Mehrheitsbewußtsein“ der Deutschen suggeriert – eine regelrechte Propaganda der Ungleichheit (www.nachdenkseiten.de/?p=6708#h09 )
Die dann durch „Leitmedien“ wie die Bildzeitung offensiv unter „das Volk“ geblasen werden (vgl. Wolfgang Lieb, „Bildzeitung hat Sarrazin wie ein Bauchredner seine Puppe benützt“: www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33301/1.html )
Ja, sogar sogenannte „Sozial“-Philosophen haben dies gleich zur „Weltanschauung“ vermanscht. (www.nachdenkseiten.de/?p=4317 oder auch www.nachdenkseiten.de/?p=7652 )
Und nachdem – vollkommen ohne „Tea-Party“ – die Menschen derart gedanklich aufgemischt waren – die Angst am und um den Arbeitsplatz bzw. den sozialen Abstieg kam dazu (vgl. „Zwei Jahrzehnte Flexibilisierung: Ein Drittel arbeitet atypisch“: (www.boeckler.de/cps/rde/xchg/ hbs/hs.xsl/41389_41400.htm ) – bekamen wir diese gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wie sie über Jahre Wilhelm Heitmeyer analysieren konnte – die zu dieser explosiven Situation als Dauerzustand führte (www.sueddeutsche.de/politik/ausgrenzung-von-minderheiten-explosive-situation-als-dauerzustand-1.1233203 oder auch vorher schon www.nachdenkseiten.de/?p=1987 und www.nachdenkseiten.de/?p=4254#h09 ).
Und so konnte man schon richtig eine kleine Entstehungsgeschichte zu dieser „verrohten und sozial vereisten gehobenen Mittelschicht“ schreiben. (www.nachdenkseiten.de/?p=7652 ) – die „Tea-Party“ aus den USA lässt grüßen.
Und wieder mehr Gleichheit ist ist nicht nur möglich, sondern auch ökonomisch geboten
Fangen wir erst einmal bei der Situation der Reichen und „Super“-Reichen an, die sich der Soziologe Hans Jürgen Krysmanski in seinem Buch „0,1 Prozent – Das Imperium der Milliardäre“ vorgenommen hat. (www.nachdenkseiten.de/?p=14741 und www.nachdenkseiten.de/?p=14726#h08 )
Dabei fand ich seine Kritik , die er an dem Bündnis „UmFairTeilen“ (vgl. dazu im Abschnitt zum „Reichtums- und Armutsbericht“ im dritten Absatz auf der Seite 2 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html) geübt hat, besonders wichtig: „Als Einstieg in einen Bildungsprozess über die Funktion von Reichtum sollte man einmal eine Diskussion über die Deckelung der größten Vermögen in Gang setzen. Von den jetzt diskutierten Formen einer Vermögensabgabe halte ich nicht viel. Da kämen nur Peanuts mit Placebo-Effekt zusammen. Viel interessanter wäre eine öffentliche Diskussion über eine Deckelung dieses Super-Reichtums: Wo ist die obere Grenze für Vermögen (erg.: damit sie sie nicht mehr als spekulative Sprengsätzeauf den Finanzmärkten ihr Unwesen treiben müssen?), bevor die Sache unsozial, zerstörerisch, gesellschaftlich sinnlos und gefährlich für alle Beteiligten wird – auch für die Superreichen selbst?
So gesehen sind die gegenwärtigen Aktionen für eine UmFairteilung zu zahm, den sie nennen zu wenig Rösser und Reiter. (Vgl. das Interview mit Krysmansky auf der Seite 6 bei www.heise.de/tp/artikel/37/37867/1.html )
Zunächst jedoch bleibt es dabei, dass 1 % der Deutschen die Hälfte des Geldvermögens in dieser Republik halten. (www.nachdenkseiten.de/?p=15041#h01 )
Von der ökonomischen Bedeutung spitzen dann die Kollegen vom IMK u.a. in einem Gutachten für die ILO diese Diskussion weiter zu – und müssen feststellen, diese bisherige zunehmende Polarisierung der Einkommen destabilisiert die Wirtschaft (www.nachdenkseiten.de/?p=14481 – Download der Studie (auf englisch) am Schluss).
Aber verschaffen wir uns an dieser Stelle doch erst einmal wieder einen kleinen Überblick über die Bedeutung der Gleicheitsdiskussion – die ja immer noch bei prosperierender Wirtschaft im „Nordischen Modell“ noch stärker verbreitet ist (vgl. die Übersicht am Anfang von (archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/bahl_sowi2.html).
Und es ist jetzt Robert Misik, der ein ganzes Buch „Halbe Freiheit – Warum Freiheit und Gleichheit zusammengehören“ dazu schrieb, zu danken, dass diese beiden Grundsätze unserer Verfassung – wie schon in der französischen Revolution – wie ein „Geschwisterpaar“ zusammengehören. Konservative und Rechte mit ihrer neoliberalen Mantra „Freiheit“ haben nämlich zu der aktuellen Bedrohung der Freiheit nichts zu sagen: denn Freiheit ohne Freiheit von Angst ist halbe Freiheit. Und: Freiheit ohne die Möglichkeit – für jeden – sie zu leben, ist auch nur halbe Freiheit. (www.taz.de/!99600/ )
Der Weltökonom Joseph Stiglitz hat daran in seinem neuen Buch „Der Preis der Ungleichheit – Wie die Spaltung unserer Gesellschaft unsere Zukunft bedroht“ noch einmal ganz aktuell wieder als Ökonom erinnert. Dabei verweist auch er auf den Erfolg des Modells in den skandinavischen Staaten (vgl. z.B. zu diesem Buch, das von Dierk Hirschel am 6. November 2012 unter der Überschrift „Triumph gescheiterter Politik“ im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung besprochen wurde: www.perlentaucher.de/buch/joseph-e-stiglitz/der-preis-der-ungleichheit.html ).
Zu der öffentlichen „Aufmerksamkeit“ zu diesem Buch bemerkt dann der „Freitag“: „Bemerkenswert daran ist, dass unsere öffentlich-rechtlichen Anstalten zu der Ausstrahlung – eines Interviews mit Joseph Stiglitz beim ORF – anscheinend nicht berit sind, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf, die Armen werden ärmer, die Reichen immer reicher – und natürlich darf ein politisch kontrollierter Sender nicht behaupten, dass Europa derzeit mitten in einer Großen Depression wie in den 20-er Jahren des letzten Jahrhunderts steckt. (www.freitag.de/autoren/menschenzeitung joseph-stiglitz-2013-der-preis-der-ungleichheit )
Es gibt also gerade für die Gewerkschaften genügend Möglichkeiten der Krise „endgültig“ zu entkommen – außer all diese Möglichkeiten auf der Seite liegen zu lassen, um so die Zukunft für die nächsten Generationen zu verschlafen.
Und eine „persönliche“ Abschlussbemerkung: Und wie geht es einem persönlich in solch einer Situation?
Und wenn du auf meinen „Mikrokosmos“ dabei schaust, so steht zwar das Gefühl im Vordergrund „Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus“ (http://idw-online.de:80/de/news501939 )
Aber das hat konkret bei mir nicht die Verzweiflung zur Folge – weil Bildungsprozesse, die mich diese Krise lehrt, können durchaus mit einem gewissen Vergnügen einhergehen (http://idw-online.de/de/news502420 ) – obwohl – ich muss das gestehen – diese gezeichneten Albträume der „carceri d`invenzione“ (von 1761) des genialen Giovanni Battista Piranesi als „Traumbilder“ mich dabei immer im Hintergrund verfolgen.
Ach ja, über diese „Carceri“-Bilder des Piranesi wird gesagt: „So darf kein Blick an keiner Stelle zur Ruhe kommen… und darf keine Wand den Anschein erwecken, als gelange hier das Labyrinth an sein Ende… So ist dieser Charakter gemauerter Unendlichkeit das Ergebnis dieses Zyklus um 1760. Aus diesen Kerkern gibt es keinen Ausweg… So wird nach dem Willen des Erfinders dieser Kerker der Betrachter ganz der Unentrinnbarkeit ausgeliefert… führen zu gänzlicher Ratlosigkeit des Betrachters vor der Raumbeschaffenheit dieser Kerkermauern und Bogenöffnungen, deren sorgfältige Durchbildung im einzelnen nur die ganze Widersinnigkeit des Ganzen hervorkehrt…“
Und so kann es auch manches Mal nicht so ganz leicht fallen, das kreative Arbeitsklima zu erhalten, das für die Gesundheit so nützlich sein soll… (http://idw-online.de:80/de/news501818 )
Obwohl ich natürlich alles tue, damit die Gesundheit nicht auch noch baden geht… Vielleicht ist das „Verpacken“ in Schubladen dafür auch ganz nützlich: Die „Hohe Kunst des Schubladendenkens“ (http://idw-online.de:80/de/news502258 )
Nur allzusehr geht das mit den Schubladen auch wieder nicht, denn die Krise hat nicht diese „unbewegliche“ Statik eines Schrankes, sondern bleibt sehr virulent. Wie es Bertelsmann bei Griechenland „weissagt“ (vgl. den letzten Abschnitt auf de Seite 1 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl41.html) und auch der IWF sieht Europa als das Zentrum einer weltweiten Krise (vgl. ab dem 4. Absatz ff. auf der Seite 8 bei archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl40.html) – und keiner weiß genau, wie es ausgehen wird…
Also doch erst einmal – zur Sicherheit für alle – die Banken zerschlagen – auf funktionales Normalmaß? (archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/bahl_zerschlag.html)
Ein Makrokosmos, der mich zu erschlagen droht – und ein Mikrokosmos, in dem ich mich zu stabilisieren versuche – das ist ein wenig meine ambivalente Welt.