Ist DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. – tariffähig?

Dossier

Logo der Gewerkschaft DHV… Nach Auffassung des LAG ist DHV trotz der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge mangels Mächtigkeit und Durchsetzungskraft keine Gewerkschaft. DHV hatte in der Vergangenheit viele Gefälligkeitstarifverträge zu Lasten der Beschäftigten abgeschlossen. „Das LAG hat unsere Rechtsauffassung bestätigt. Gefälligkeitstarifverträge gehören nun endlich der Vergangenheit an. Damit verbessert sich vor allem die finanzielle Situation der Beschäftigten in Dienstleistungsbranchen, aber auch in der Fleischindustrie und in der Leiharbeit.“ ,betonte Adjan. Hintergrund: Das jetzige Verfahren basiert auf einem gemeinsamen Antrag der Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen, der Gewerkschaften ver.di, IG Metall und NGG sowie des DGB Ende 2013 beim Arbeitsgericht Hamburg. Dies hatte festgestellt, dass der DHV e.V. keine tariffähige Gewerkschaft ist. Das LAG Hamburg hob diese Entscheidung auf. Anschließend befasste sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dem Rechtsstreit und verwies ihn an das LAG zurück. Das LAG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass DHV tariffähig sei. Das hat das LAG nun nach erneuter Verhandlung korrigiert. Das Gericht stellte nach umfangreichen Untersuchungen u.a. fest, dass die vom DHV behaupteten Angaben zur Mitgliederzahl nicht nachvollziehbar seien. Selbst wenn man diese aber als richtig unterstellen wolle, reiche die angegebene Mitgliederzahl von deutlich gut zwei bis unter 1,6 Prozent in den jeweiligen Branchen nicht aus, um von einer der Tariffähigkeit genügenden Mächtigkeit ausgehen zu können.“ NGG-Pressemitteilung vom 25. Mai 2020 externer Link: „DHV ist nicht tariffähig – Schluss mit Gefälligkeitstarifverträgen – Gewerkschaft NGG begrüßt Entscheidung des LAG Hamburg (Aktenzeichen: 5 TaBV 15/18)“. Siehe dazu auch ver.di und DHV, die das Urteil für verfassungswidrig hält, und nun das BAG:

  • Gewerkschaften begrüßen Entscheidung des BAG: DHV ist nicht tariffähig / Eine Gefahr für Gefälligkeitstarifverträge weniger? New
    • Gewerkschaften begrüßen Entscheidung des BAG: DHV ist nicht tariffähig
      „Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die IG Metall, die Gewerkschaft NGG und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom heutigen Tage, mit der die Tarifunfähigkeit des DHV („DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V.“) nach fast acht Jahren Verfahrensdauer rechtskräftig festgestellt wird. DHV kann damit keine Tarifverträge mehr wirksam abschließen (Aktenzeichen: 1 ABR 28/20). (…) Nach Auffassung des BAG ist DHV trotz der von ihm abgeschlossenen Tarifverträge keine Gewerkschaft, da ihm die Mächtigkeit fehle. Gewerkschaften müssen aber, wenn sie tariffähig sein wollen, über die notwendige Durchsetzungskraft verfügen. DHV hatte in der Vergangenheit viele Gefälligkeitstarifverträge zu Lasten der Beschäftigten abgeschlossen. Die beteiligten Gewerkschaften fühlen sich in ihrer Rechtsauffassung durch das BAG in vollem Umfang bestätigt. Diese Entscheidung verbessere die rechtliche und vor allem finanzielle Situation der Beschäftigten in einem großen Teil der Dienstleistungsbranchen einschließlich der Leiharbeit, hieß es. Das jetzige Verfahren geht zurück auf einen gemeinsamen Antrag der Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen, der Gewerkschaften ver.di, IG Metall und NGG sowie des DGB Ende 2013 beim Arbeitsgericht Hamburg. Dies hatte festgestellt, dass der DHV e.V. keine tariffähige Gewerkschaft ist. Das LAG Hamburg hob diese Entscheidung auf. Anschließend befasste sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dem Rechtsstreit und verwies ihn an das LAG zurück. Das LAG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der DHV tariffähig sei. Das LAG Hamburg korrigierte diese Entscheidung und stellte die Tarifunfähigkeit des DHV fest. Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hat das BAG die Entscheidung des LAG vollumfänglich bestätigt. Das BAG bestätigte das LAG Hamburg, das nach umfangreichen Untersuchungen u.a. festgestellt hatte, dass die vom DHV behaupteten Angaben zur Mitgliederzahl nicht nachvollziehbar seien. Selbst wenn man diese aber als richtig unterstellen wolle, reiche die angegebene Mitgliederzahl nicht aus, um von einer der Tariffähigkeit genügenden Mächtigkeit ausgehen zu können. Der DHV hatte im Laufe der letzten Jahre mehrfach seine Satzung verändert, um seine Tarifzuständigkeit auszuweiten. Damit konnten die Tarifverträge, die im Rahmen der früheren Tarifzuständigkeit abgeschlossen wurden, keine Indizwirkung für die Mächtigkeit mehr entfalten.“ Gemeinsame Pressemitteilung vom 22. Juni 2021 auf der NGG-Homepage externer Link
    • Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts externer Link vom 22.06.2021
    • Eine Gefahr für Gefälligkeitstarifverträge weniger? Nach acht langen Jahren bestätigt das Bundesarbeitsgericht die Nicht-Tariffähigkeit der „DHV – Die Berufsgewerkschaft“
      „… »Tarifverträge kann nur eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung schließen. Das setzt voraus, dass die Vereinigung über eine Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite und eine hinreichende organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des beanspruchten Zuständigkeitsbereichs verfügt. Diese soziale Mächtigkeit wird regelmäßig durch die Zahl der organisierten Arbeitnehmer vermittelt.« Das leuchtet erst einmal ein, denn ansonsten besteht die Gefahr, dass eine nicht-mächtige „Gewerkschaft“ benutzt oder gar bewusst ins kleinteilige Leben gerufen wird, um mit ihr Abschlüsse zu machen, die eher oder überwiegend den Interessen des Arbeitgebers dienen oder diese bedienen sollen. Auf der anderen Seite kann man durchaus Argumente vortragen, dass nicht vorschnell einer (anfangs?) kleinen Gewerkschaft die Luft zum Atmen genommen wird, so dass sie gar keine Chance hat, beispielsweise durch eine innovative oder basisorientierte Arbeit sukzessive an Mitgliedern und damit auch an der geforderten Mächtigkeit zu gewinnen. Einige werden sich an dieser Stelle erinnert fühlen an die Auseinandersetzungen um das höchst umstrittene Tarifeinheitsgesetz, andere mit einer gewissen Skepsis auf die Monopolisierung gewerkschaftlicher Arbeit unter dem Dach der DGB-Gewerkschaften. Aber im vorliegenden Fall geht es wahrlich nicht um eine innovative Neugründung, bei der man einen wie auch immer konkretisierten Welpenschutz ins Feld führen kann. (…) Allein die Aufzählung der Branchen, in denen die als eine Gewerkschaft der „Kaufmannsgehilfen“ gestartete und unter dem Dach der Christlichen Gewerkschaften segelnde DHV (angeblich) zu agieren gedenkt, macht nicht nur den grundsätzlichen, sondern auch den von aktuellen Themen getriebenen Beobachter unruhig. (…) Der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf sieht vor, dass sie sich künftig nach irgendeinem in ihrer Region gültigen Tarifvertrag richten müssen – oder anders ausgedrückt: Sie können sich künftig aussuchen, welche Tariflöhne in ihrer Region für sie gelten. In den meisten Fällen ist mit Region das betreffende Bundesland gemeint. „Alle Anbieter in Ihrem Bundesland haben dann die Möglichkeit, einen einzelnen, sehr niedrigen Tarifvertrag“ auszuwählen, auch wenn dieser Tarifvertrag „nur für eine Handvoll Beschäftigte galt und somit keine Relevanz hatte“, warnt Ver.di die Abgeordneten. Die Folge wäre eine Zementierung des bisherigen niedrigen Lohnniveaus. Zudem bestehe die Gefahr von „Gefälligkeitstarifverträgen“, die Arbeitgeber mit ihnen hörigen Kleinstgewerkschaften schließen könnten.« Die DHV hätte hier eine hilfreiche Funktionalität für die vielen, eher kleinteilig strukturierten Pflege-Anbieter entfalten können – wenn nicht dieses Bundesarbeitsgericht gewesen wäre…“ Kommentar von Stefan Sell vom 22. Juni 2021 auf seiner Homepage externer Link
    • Dumping-Tarife der „christlichen Gewerkschaft“ DHV ungültig – Zehntausende Beschäftigte in Dienstleistungsbranchen wie den Textilen Diensten haben nun die Chance auf bessere Tarife
      „… Sie waschen die Wäsche für Krankenhäuser, auch die von Corona-Patient*innen – und sie haben in der Pandemie Extraschichten durchgearbeitet, bekommen dafür aber oft kaum mehr als den Mindestlohn. Das liegt auch an den Billig-Tarifverträgen, die die sogenannte „christliche Gewerkschaft“ DHV (ehemals „Deutscher Handlungsgehilfenverband“) für die Arbeitgeber abgeschlossen hat. Damit konnten die Arbeitgeber bislang die besseren IG Metall-Tarife für die Textilen Dienstleistungen umgehen. 13 000 der insgesamt 40 000 Beschäftigten der Branche wurden bislang mit den Dumpingtarifen der DHV abgespeist. Dabei hat der DHV nach eigenen Angaben nur 195 Mitglieder in den Textilen Dienstleistungen. Auch in anderen Branchen lieferte der zum sogenannten Christlichen Gewerkschaftsbund gehörende DHV den Arbeitgebern Gefälligkeitstarife zu Lasten der Beschäftigten – etwa bei Banken, Versicherungen, im Handel, in den Krankenhäusern und in der Fleischwirtschaft. (…) Durch die neue Entscheidung des BAG gegen die DHV sehen die DGB-Gewerkschaften die Möglichkeit, dass sich nun auch in einem großen Teil der Dienstleistungsbranchen die rechtliche und finanzielle Situation der Beschäftigten verbessert. (…) Mit dem BAG-Urteil gibt es in den Textilen Dienstleistungen – vor allem Großwäschereien für Berufs- und Krankenhauswäsche – nun nur noch die Tarifverträge der IG Metall und des Arbeitgeberverbands intex. Die IG Metall will jetzt die Tarifbindung in der Branche stärken und ihre Tarifverträge auf mehr Betriebe und Beschäftigte ausweiten. Dazu startet die IG Metall eine bundesweite Kampagne.“ Meldung der IG Metall vom 23. Juni 2021 externer Link
    • NGG Saarland z.B. fordert nun Tarifverträge für Beschäftigte von Kunzler Fleischwaren GmbH & Co. KG externer Link
  • [ver.di] Gewerkschaften begrüßen Entscheidung des LAG Hamburg: DHV ist nicht tariffähig
    „… Bei einer Vereinigung, die keinerlei relevante Verankerung in der Arbeitnehmerschaft habe, sei es absurd, wenn diese sich anmaßt, in deren Interesse sprechen zu können und Tarifverträge abschließt. „Ein Tarifvertragssystem kann nur dann funktionieren und die Tarifautonomie, wie sie im Grundgesetz vorgesehen ist, nur dann wirklich gelebt werden, wenn Tarifverhandlungen auf Augenhöhe stattfinden. Nur so können Arbeitnehmerinteressen auch durchgesetzt werden“, betonte Kocsis. (…) Nach Auffassung des LAG ist DHV trotz der von ihm abgeschlossenen Tarifverträge keine Gewerkschaft, da ihm die Mächtigkeit fehle. Gewerkschaften müssen aber, wenn sie tariffähig sein wollen, über die notwendige Durchsetzungskraft verfügen. DHV hatte in der Vergangenheit viele Gefälligkeitstarifverträge zu Lasten der Beschäftigten abgeschlossen. (…) Der DHV hatte im Laufe der letzten Jahre mehrfach seine Satzung verändert, um seine Tarifzuständigkeit auszuweiten. Damit konnten die Tarifverträge, die im Rahmen der früheren Tarifzuständigkeit abgeschlossen wurden, keine Indizwirkung für die Mächtigkeit mehr entfalten, zumal DHV zunehmend außerhalb des eigenen Tarifzuständigkeit aktiv geworden war.“ ver.di-Pressemitteilung vom 25. Mai 2020 externer Link und dazu Hintergrundinformationen externer Link –  allerdings sehen wir das mit der fehlenden Mächtigkeit als Begründung kritisch…
  • DHV zum Tariffähigkeitsverfahren
    Landesarbeitsgerichtsentscheidung zur fehlenden Tariffähigkeit der DHV aus Sicht der DHV verfassungswidrig – DHV ergreift weitere Rechtsmittel – Entscheidung daher nicht rechtskräftig Die Berufsgewerkschaft DHV verurteilt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg zur Aberkennung ihrer Tariffähigkeit als verfassungswidrigen Eingriff in die vom Grundgesetz in Artikel 9 Abs. 3 geschützte Koalitionsfreiheit. Die DHV wird Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht einlegen und ist bereit, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen…“ Pressemitteilung der DHV vom 25.5.2020 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=173048
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