[Rezension] Widerstand im NS-Staat: Unbekannte Frauenleben
„Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften durch das NS-Regime am 2. Mai 1933 organisierten Gewerkschafter zahlreiche Widerstandsgruppen. Nur Gewerkschafter? Ein jüngst erschienenes historisches Handbuch beleuchtet Biografien und den Widerstand von Gewerkschaftsfrauen im Nationalsozialismus. (…) In der Erinnerungskultur der Gewerkschaften ist von Frauen im gewerkschaftlichen Widerstand kaum die Rede. Verdienstvoll ist daher die Publikation von Historikerinnen und Historikern unter dem Titel „Gewerkschafterinnen im NS-Staat“, herausgegeben von Siegfried Mielke. Kurzbiografien über Frauen aus der christlichen, liberalen, sozialdemokratischen und kommunistischen Gewerkschaftsbewegung der Weimarer Republik beleuchten deren Lebenswege, ihre politische Teilhabe und ihr Schicksal. Ein überfälliger und prägnanter Beitrag zur Korrektur des Rollenbildes von der „unpolitischen Frau“…“ Rezension von Gunter Lange vom 2. Mai 2022 bei der DGB-Gegenblende und mehr daraus:
- Weiter aus der Rezension von Gunter Lange vom 2. Mai 2022 bei der DGB-Gegenblende : „… Das wichtigste gemeinsame Merkmal dieser Frauen sei ihr ausgeprägtes politisches Engagement, betont Mielke. Und: „Das ist umso erstaunlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Hindernisse und Vorurteile Frauen zu überwinden hatten, um sich politisch zu engagieren. Das gilt in gleicher Weise für ihr gewerkschaftliches Engagement“. In zwei Bänden haben er und die Historikerinnen und Historiker 90 Porträts zusammengetragen, die ein breites Spektrum politischer Motivation und Orientierung, ausgewiesener Gegnerschaft zum NS-Regime und persönliche Schicksale aufzeigen. Markant die Herkunft der Frauen. „Am erstaunlichsten sind die Karrieren der Gewerkschafterinnen, die nach Absolvierung der Volksschule, ohne Lehre, ihr Berufsleben als schlecht bezahlte Fabrikarbeiterinnen oder Haushaltsgehilfinnen begannen, denen dennoch ein zum Teil spektakulärer Aufstieg gelang, indem sie sich autodidaktisch weiterbildeten, zum Teil eine Berufsausbildung nachholten“, schreibt Mielke. Ein Großteil der Gewerkschafterinnen kamen eher aus frauentypischen Berufsfeldern wie Lehrerinnen, Krankenschwestern und Textilarbeiterinnen. Circa ein Drittel der porträtierten Frauen gehörte dem hauptamtlichen Kader der Gewerkschaften an, wenngleich nur sehr wenige in Führungsfunktionen. Die Autorinnen und Autoren der Einzelporträts zeichnen ein vielseitiges Bild der Widerständlerinnen gegen das NS-Regime. (…) Soweit sie die NS-Zeit überlebten, hat sich ein großer Teil der Gewerkschafterinnen, etwa 50 bis 55, im Nachkriegsdeutschland am Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung beteiligt, und zwar in Ost und West. Aber Frauen waren in der Folgezeit innerhalb der Gewerkschaften unterrepräsentiert. Unter den 487 stimmberechtigten Delegierten auf dem DGB-Gründungskongress waren nur 14 Gewerkschafterinnen. Siegfried Mielke beschreibt, dass ein Teil der zuvor verfolgten Gewerkschafterinnen sich dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) in der DDR zugewandt hatten, aber dort bald an Einfluss verloren…“
- „Gewerkschafterinnen im NS-Staat“ herausgegeben von Siegfried Mielke erschien beim Metropol-Verlag; Bd. 1, herausgegeben 2008, ist leider nicht mehr erhältlich; Bd. 2, herausgegeben 2022, kostet 29 Euro (555 Seiten)