Nicht zweimal verlieren. Die Geschichte der vergangenen 30 Jahre ist in Ostdeutschland eine Geschichte der Niederlagen. Es ist an der Zeit, sie endlich umfassend aufzuarbeiten

November 1089: "Wir waren das Volk"„… Es ist ein Erinnern an die Geschichte der Sieger. Da bleibt kein Platz für die Geschichte der Geschlagenen und Gedemütigten, und damit sind nicht die aus einem Politbüro gemeint, sondern jene, die für Sozialismus und Selbstbestimmung kämpften, die anschließend Widerstand gegen die Durchsetzung des Kapitalismus leisteten und dann versuchten, weitere Verschlechterungen abzuwehren. „Die Geschichte ist Gegenstand einer Konstruktion, deren Ort nicht die homogene und leere Zeit, sondern die von Jetztzeit erfüllte bildet“, heißt es bei Walter Benjamin. (…) Wir dürfen die Kämpfe nicht zweimal verlieren – auf diesen Leitsatz hatte einst der leider zu wenig beachtete Publizist Fritz Güde die Arbeiten Walter Benjamins gebracht. Einmal verloren gingen die Kämpfe bereits: der Kampf für einen demokratischen Sozialismus in der DDR wie die Verteidigungskämpfe in Bischofferode und Magdeburg. Schlimmer als diese Niederlagen wäre es, sie, ihre Gründe und ihre Erfahrungen zu vergessen. Im Eingedenken verlorener Kämpfe besteht die Möglichkeit, sich in Beziehung zu setzen – zu den Geschundenen, Gedemütigten, Geschlagenen. Eingedenken bedeutet Erkennen, Begreifen und Nachempfinden. (…) Es ist eine merkwürdige Dialektik, dass sich einige Linke erst wieder mit der sozialen Frage befasst haben, als die Rechten begannen, diese nationalistisch zu beantworten. Ähnliches ist gerade in Bezug auf Ostdeutschland zu beobachten. Selbstredend gibt es die linken Stimmen aus dem Osten schon lange, nur scheint es, als würden sie erst jetzt allmählich Gehör finden. Es sind freilich auch zaudernde Stimmen. „Für die Erfahrung der Selbstermächtigung, die Erinnerung an das Uneingelöste der Revolution von 1989/90, fehlt uns heute die Sprache“, meint etwa Elske Rosenfeld. Vielleicht öffnen zeitliche Distanz und die von rechts erzwungene Auseinandersetzung neue Perspektiven. Eingedenken hilft dabei, Spuren zu finden, denen es nachzugehen lohnt. Der Herbst 1989, die Kämpfe gegen die kapitalistische Schocktherapie und die Proteste gegen die Zerstörung des Sozialstaates sind solche Spuren.“ Beitrag von Sebastian Friedrich vom 1. Januar 2020 aus ‚der Freitag‘ Ausgabe 43/2019 externer Link

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