1989 organisierten sich in der DDR Frauen, um für vollständige Gleichstellung zu kämpfen und einen Rollback zu verhindern. Gelungen ist dies nicht
„… Zum dreißigsten Jahrestag der Wende ist sie präsent wie nie: die „Ostfrau“. (…) Gerda Jasper sieht das etwas nüchterner. „Natürlich sähe die Bundesrepublik heute anders aus, wären wir nicht dazu gekommen“, sagt sie. „Aber den Rollback haben wir nicht verhindern können.“ Jasper ist Ökonomin. (…) Schon zu DDR-Zeiten beschäftigte sich Jasper mit feministischen Theorien, obwohl diese im Osten nicht gerade verbreitet waren. Sie gelangte zur Überzeugung, dass die Vergesellschaftung der Produktionsmittel nicht automatisch zur Gleichheit zwischen den Geschlechtern führt. Das Patriarchat, sagt sie, habe es auch in der DDR gegeben. „Dennoch waren wir im Vergleich zum Kapitalismus auf vielen Gebieten weiter.“ (…) Tatsächlich war der Einigungsvertrag von 1990 eine Niederlage, allein schon, weil damit die Abtreibungsparagrafen 218 und 219 im Osten rechtswirksam wurden. Zuvor galt in der DDR das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ und Frauen konnten in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft eigenverantwortlich über einen Abbruch entscheiden. Auch die Abwicklung der DDR-Wirtschaft traf Frauen, die nun mit steigender Arbeitslosigkeit konfrontiert waren: Zuvorderst die 34.600 ausländischen Vertragsarbeiterinnen, die in der DDR lebten, nach der Wende keinen Aufenthaltstitel und keinen Arbeitsplatz mehr hatten und denen die Abschiebung drohte. Anderen Arbeiterinnen wurde in den Neunzigern nahegelegt, die „Chance“ zu nutzen, sich nun endlich um die Kinder kümmern zu können. Ihnen wurde immer wieder vorgehalten, mit dem Anspruch, weiterhin berufstätig sein zu wollen, zur steigenden Massenarbeitslosigkeit im Osten beizutragen. Viele haben sich das nicht gefallen lassen, dafür war ihnen ihre Unabhängigkeit zu wichtig. „Unsere Töchter sind in den Westen gegangen und für sie war es selbstverständlich, arbeiten zu gehen“, sagt Christel Panzig. Dass es in weiten Teilen Ostdeutschlands heute einen „Frauenmangel“ gibt, ist auch Folge davon. Gleichzeitig brach die Geburtenrate dramatisch ein. Die Unsicherheit, die die Wende mit sich brachte, hinterließ Spuren…“ Beitrag von Nelli Tügel aus an.schläge Ausgabe IV/2019