[Mit Fetisch Lohnarbeit in die Falle der Rechten] Am 1. Mai wird nicht nur die Schinderei angeprangert, sondern zugleich ein uraltes Arbeitspathos beschworen.

Frohes Schaffen – Ein Film zur Senkung der ArbeitsmoralSo laufen Progressive, Sozialdemokraten und Gewerkschafterinnen in die Falle der Rechten: Der 1. Mai ist „Kampftag der Arbeiterklasse“, seit er 1890 als internationaler Tag der Sozialisten ausgerufen wurde. Schnell war der Maifeiertag auch eine Art Hochamt. Parole: „Die Arbeit hoch!“ Arbeitsleid und Schinderei wurden zwar angeprangert, zugleich aber auch das Pathos der Arbeit beschworen. (…) Das eigene „Können“ gab Respekt und Selbstrespekt, genauso wie die Tatsache, dass die Arbeit mit Anstrengung verbunden war. Das waren gewissermaßen die Werte der arbeitenden Klassen: dass man „anpackt“, keine „Spleens“ hatte. Harte Arbeit war für die arbeitenden Klassen der einzige Weg zu Einkommen, aber auch das, wofür man Respekt einfordern konnte – und ein Anrecht auf einen größeren Teil des Kuchens…“ Aus dem Artikel von Robert Misik vom 27. April 2024 in der taz online externer Link („Von Arbeit und Moral“) und mehr daraus:

  • Weiter aus dem Artikel von Robert Misik vom 27. April 2024 in der taz online externer Link („Von Arbeit und Moral“): „… All das weht bis ins Heute hinüber. Die eigene Leistung begründet Ansprüche auf einen gerechten Anteil, ist aber auch ein Einfallstor für Spaltungen. „Der Begriff der Arbeit wird gerade rechts besetzt“, formulierte Linus Westheuser unlängst, Soziologe und Co-Autor der so gefeierten Studie „Triggerpunkte“. Die Arbeitsethik kann leicht missbraucht werden, um die Unterprivilegierten gegeneinander aufzubringen, etwa Angestellte und Arbeiter gegen Bürgergeldempfänger. „Der Arbeitende darf nicht der Dumme sein“, lautet eine Jargonformel, mit der Beschäftigte nicht gegen die Superreichen, sondern gegen jene aufgebracht werden sollen, die sich angeblich ein „Freispiel“ gönnen. Wo immer von Arbeit die Rede ist, ist die Moral nicht fern. (…) Konservative und Unternehmensverbände trommeln das an, um den Wohlfahrtsstaat zu delegitimieren, und Rechtsextremisten erklären sich zur „sozialen Heimatpartei“, indem sie die Bevölkerung in jene sortieren, denen Leistungen „zustehen“, und jene, denen sie „nicht zustehen“. Das ist pure Propaganda, aber sie wäre weniger wirksam, könnte sie eben nicht an vorhandene Gerechtigkeitsnormen andocken. Mit ihrem Arbeitsethos und ihrer Rhetorik laufen Progressive, Sozialdemokraten, auch Gewerkschaftlerinnen in die Falle. Eine Ambiguität, aus der es keinen ganz einfachen Ausweg gibt. (…) Arbeit ist das, womit die meisten ihre Einkommen erzielen und ihren Lebensunterhalt bestreiten. Aber Arbeit strukturiert auch den Tag und das Leben, bettet uns in Netzwerke ein, etwa in ein Geflecht von Kollegenschaft. Sie gibt uns Identität, und heute wünschen sich viele Menschen, sich in ihrer Arbeit verwirklichen zu können. Viele leiden, wenn sie an dieser Maxime scheitern. Die „Stelle“ gibt uns Stellung in der Welt, Selbstwert, oder aber wir fühlen uns in ihr nicht anerkannt, nur kommandiert, sogar gemobbt. Gefühle spielen in der Arbeit eine große Rolle. Während die äußere Seite der Arbeit, die Tätigkeiten, die verrichtet werden, die Produkte, die entstehen, sichtbar sind, sind die Gefühle, die informellen Regeln, die Freiräume, die Hackordnungen im Betrieb oft nicht so leicht wahrnehmbar. Das Eigentliche an der Arbeit ist unsichtbar.“

Siehe zum linken Arbeitspathos auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=220259
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