Mehr Sozialität in der Reproduktion – damit schrumpft auch die Relevanz der Märkte

Leben statt funktionierenPrivate Isolation verringern – unnötigen Konsum und überflüssige Arbeit vermeiden  – In der modernen westlichen Gesellschaft gibt es bemerkenswerte Veränderungen des Konsums. Sie betreffen die Nachfrage, die Form des Konsums und das Angebot. In Grossstädten sinkt die Attraktivität des individuellen Eigentums am Auto. Vielen ist mittlerweile bewusst geworden: Mobilität geht auch mit einem guten Öffentlichen Personen-Nahverkehr. Seine Nutzer sparen sich die lästige Suche nach Parkplätzen und nervenaufreibende Staus. (…) Es verändert sich etwas in der Gesellschaft, wenn Konsumenten sich klarmachen: Die Arbeit in Fabriken und Supermärkten zur Produktion und zum Verkauf von Konsumgütern ist gegenwärtig häufig für die Arbeitenden unattraktiv…“ Beitrag von Meinhard Creydt vom 9. Mai 2024 beim untergrundblättle externer Link und mehr daraus:

  • Weiter aus dem Beitrag von Meinhard Creydt vom 9. Mai 2024 beim untergrundblättle externer Link„… Wir klammern an dieser Stelle mögliche Umgestaltungen der Arbeit unter anderen gesellschaftlichen Verhältnissen aus, die die Qualität der Arbeitszeit als Lebenszeit erhöhen (…). In einer anstrebenswerten Gesellschaft des guten Lebens würden Konsumenten nicht nur aus ökologischen Beweggründen, sondern auch aus dem Bewusstsein für die massiv negativen Folgen der unattraktiven Arbeit für die Arbeitenden weniger Produkte nachfragen. (…) Zur Veränderung des Verhältnis zwischen Arbeit und Konsum trägt auch eine andere Entwicklung bei. Bei einem Teil der Zeitgenossen greift die Einsicht um sich, dass auch eine noch so schöne Freizeit weder die Entbehrungen und Frustrationen noch den Mangel an menschlicher Entwicklung innerhalb der Arbeitszeit zu kompensieren vermag. (…) Eine stark umstrittene Frage in der Diskussion um Alternativen zur modernen bürgerlichen Gesellschaft mit kapitalistischer Ökonomie lautet: Welchen Stellenwert sollen bzw. müssen Märkte in ihr haben? Die einen sagen: Marktwirtschaft ist als Regulationsmechanismus unvermeidbar. Andere weisen auf das „Marktversagen“ hin und auf die psychosoziale Bilanz von Märkten: Sie erziehen zu Konkurrenz, zur Gleichgültigkeit zwischen Konsumenten und Produzenten sowie zur Ausblendung desjenigen, was nicht bepreisbar ist. Ohne diese Kontroverse hier direkt zu diskutieren, nähern wir uns ihr indirekt: Werden Güter gemeinsam genutzt, so verringert sich die Nachfrage nach ihnen und damit auch die Relevanz von Märkten. Über Gemeingüter wird gemeinsam oder öffentlich entschieden. Das setzt eine Ökonomie voraus, in der die Arbeitsplätze davon abhängig sind, dass gesellschaftlich Sinnvolles geschaffen wird. In der kapitalistischen Wirtschaft lässt sich den produzierten Gebrauchswerten anmerken, dass sie immer mehr nur deshalb produziert werden, um das Kapital zu verwerten. Dann kommen die Produzenten schon insofern in eine perverse Interessenidentität zum Kapital, als eine vernünftige Neustrukturierung des Konsumierens und des Arbeitens erst einmal viele der bestehenden Arbeitsplätze unnötig macht. Nur unter der Herrschaft der kapitalistischen Kriterien des Reichtums entsteht damit Arbeitslosigkeit. (…) Die Befreiung der Konsumgüter, des Kochens und der Kindererziehung aus der Privatform bildet eine Teilmenge einer grösseren Transformation – der Veränderung der sozialen Beziehungen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Konsumgüter, das Kochen und die Kindererziehung stellen Themen dar, an denen sich neue Beziehungen zwischen Personen bilden und sich kollektivere gesellschaftliche Praxen einrichten lassen. Das stärkt die Assoziation der Menschen und emanzipiert sie von ihrer Vereinzelung und dem Ausgeliefertsein an anonyme Marktprozesse. Es geht darum, die Gesellschaft zu re-sozialisieren, also in ihr mehr Sozialität, mehr bewusst gestaltete prosoziale Lebensformen zu schaffen. In dem Masse, wie Strukturen und Institutionen dies ermöglichen und fördern, wird die Gesellschaft zu etwas, das nicht nur die Lebensbedingungen von Menschen bereitstellt. Vielmehr sehen die Individuen ihre Sozialität als für ihre eigene Lebensqualität wesentlich an. Das schliesst ein, die Gesellschaft so einzurichten, dass sie ihre Gestaltung nicht an Marktprozesse abgeben, die sich gegen die Bevölkerung verselbständigen.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=220530
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