[Leistungsprinzip] Leistung lohnt sich eben nicht
„Eigentlich soll das Leistungsprinzip Statusunterschiede erklären: Wer mehr leistet, verdient auch mehr. Tatsächlich wird genau dieser Grundsatz immer weiter ausgehöhlt. Soziologen warnen vor einem kollektiven Selbstbetrug. (…) Warum ein Altenpfleger so viel weniger verdient als ein Bankkaufmann, warum die Einnahmen eines Radiologen jene des Hausarztes um ein Vielfaches übersteigen oder warum Männer im Schnitt noch immer mehr verdienen als Frauen, ist nur schwer vermittelbar. Hinzu kommen leistungslose Gewinne durch Erbe oder Kapitalerträge, von denen nur Einzelne profitieren. (…) Das Unbehagen vieler Menschen über zunehmende Statusunterschiede erklären Sozialwissenschaftler damit, dass Spitzengehälter, Börsenprofite oder Millionenerbschaften dem sogenannten Leistungsprinzip widersprechen. (…) Auch Sighard Neckel, Soziologe an der Universität Hamburg, nennt das Leistungsprinzip eine „Basisnorm“, weil es dazu diene, soziale Ungleichheit zu legitimieren. (…) Für Offe, der bereits in den Siebzigern über die Leistungsgesellschaft promovierte, ist die Sache schon lange klar: Er bezeichnet das Leistungsprinzip als Ideologie, als „eine scheinhafte und nicht weiter hinterfragte Selbstverständlichkeit“. (…) Ein Beispiel sei das Konzept eines garantierten Grundeinkommens, so Neckel. „Dahinter steht die Vorstellung, dass wir Einkünfte brauchen, die sich von Leistungserbringung abkoppeln, weil Leistungen so entwertet sind, dass sie für den Lebensunterhalt, für ein anständiges, gutes Leben mitunter nicht ausreichen.“ Beitrag von Janne Kieselbach vom 16. Februar 2020 beim Spiegel online