Ich kann das Werk (= abstrakte Arbeit) so hoch unmöglich schätzen…
„M. E. lässt sich prinzipielle Kritik an Hartz IV wirksam nur üben, indem man die abstrakte Arbeit an sich (wie auch unser Wirtschaftssystem als Ganzes) in Frage stellt. Denn diese hat den Charakter einer Ware, und zwar unabhängig von ihrem Nutzen für die Allgemeinheit. D. h. selbst Menschen, die bewusst einer Erwerbsarbeit nachgehen, die sie als sinnvoll und für andere nützlich empfinden, wie z. B. in der Pflege, müssen erleben, dass sie im Grunde nichts anderes sind als ein Rädchen im Getriebe. (…) Nicht nur die Situation am „Arbeitsmarkt“, die zunehmende Zahl von Überflüssigen, die mit der Digitalisierung noch rapide ansteigen wird, deutet darauf hin, dass unser Wirtschaftssystem selbst in der Krise ist. (…) Viele Menschen stecken ihren Kopf gerne weiterhin in den Sand, z. T. weil ihr Alltag bereits so anstrengend ist, dass sie sich nur noch eins wünschen: in Ruhe gelassen zu werden. Das ist begreiflich, wird aber nur zur Verschlimmerung der Situation für uns alle führen, und zwar mit wachsender Beschleunigung. (…) In unserem normalen Alltagsbewusstsein erscheint uns die Krise des Kapitalismus als Schicksal. Menschen ohne Arbeit erscheinen „wertlos“, „überflüssig“, werden ausgegrenzt. Aufgrund fehlender Ressourcen werden sie von vielen Bereichen ausgeschlossen. Trotzdem bleiben sie in die Arbeitsgesellschaft eingeschlossen. müssen sich ständig in Arbeitsbereitschaft halten, damit ihnen nicht auch noch das materielle Mindestmaß entzogen wird. Arbeitsbereit heißt auch: bereit zu sein, in Konkurrenz mit anderen jeden noch so schlecht bezahlten und ungesicherten Job anzunehmen. Ohne darüber nachzudenken, dass die Krise des Kapitalismus etwas zu tun hat mit der Krise der abstrakten Arbeit, ist die Versuchung groß, ganz schnell nach „Schuldigen“ zu suchen: diejenigen, die nicht arbeiten; diejenigen, die über Macht und Geld verfügen; die „faulen“ Hartz-IV-EmpfängerINNEN; die Flüchtlinge, die „bei uns“ versorgt werden wollen; usw…“ Artikel von Ursula Mathern vom 07.10.2018 – wir danken!
Ich kann das Werk (= abstrakte Arbeit) so hoch unmöglich schätzen…
I. Vorbemerkungen
E. lässt sich prinzipielle Kritik an Hartz IV wirksam nur üben, indem man die abstrakte Arbeit an sich (wie auch unser Wirtschaftssystem als Ganzes) in Frage stellt. Denn diese hat den Charakter einer Ware, und zwar unabhängig von ihrem Nutzen für die Allgemeinheit. D. h. selbst Menschen, die bewusst einer Erwerbsarbeit nachgehen, die sie als sinnvoll und für andere nützlich empfinden, wie z. B. in der Pflege, müssen erleben, dass sie im Grunde nichts anderes sind als ein Rädchen im Getriebe. So erging es mir selbst. Nachdem ich meine Stelle als Sachbearbeiterin verlor, weil der Betrieb dicht gemacht wurde, nahm ich einen Job in der Ambulanten Pflege an, weil ich mir sagte: Das ist eine Arbeit, die getan werden muss. Sie ist sinnvoll. Zur Realität in diesem Bereich gehört aber auch: der Zeitdruck ist groß, die Arbeitsbedingungen, das soziale Ansehen wie auch die Entlohnung sind miserabel.
Das Gros der Bevölkerung ist in unserem Wirtschaftssystem gezwungen, seine Arbeitskraft zu verkaufen, um den eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Der Produktivitätsfortschritt allerdings hat zur Folge, dass in vielen Bereichen immer mehr Menschen überflüssig werden. Sie werden einfach nicht mehr gebraucht, weil ihre Arbeitskraft durch Maschinen ersetzt worden ist. Dieses Problem wird sich mit zunehmender Digitalisierung weiter verschärfen und selbst Berufszweige treffen, die bisher als hoch qualifiziert gelten. Wenn Roboter Operationen präziser durchführen können als Ärzte, wofür sind diese dann noch erforderlich?
Eine wichtige Rolle spielt auch, dass in vielen Bereichen die Märkte gesättigt sind. Wozu noch investieren, wenn die Nachfrage einbricht und das eingesetzte Kapital nicht mehr verwertet werden kann?
II. Agenda 2010 und Hartz IV
Das „Goldene Zeitalter“ der Wirtschaftswunderjahre nach dem 2. Weltkrieg mit Arbeitslosenzahlen von weniger als 1 %, Massenproduktion und steigendem Massenkonsum geriet in den 70er Jahren in die Krise. Die Profitraten fielen, die Arbeitslosenzahlen nahmen mehr und mehr zu.
Was tat der Staat? Für den Selbsterhalt darauf angewiesen, dass das System weiter funktioniert, sorgte der Staat für bessere Verwertungsmöglichkeiten für das Kapital durch: Steuererleichterungen, die Deregulierung der Finanz- und Arbeitsmärkte, die Senkung der Lohn- und Lohnnebenkosten, neue Märkte weltweit, die Privatisierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen. (S. u. a. „Vom Arbeitshaus zu Hartz IV und Ein-Euro Jobs“ von Günther Salz in: Netztelegramm Informationen des Ökumenischen Netzes Rhein Mosel Saar, Oktober 2013 )
Auch der von ArbeitnehmerINNEN einmal erkämpfte Sozialstaat wurde geschleift. Schließlich waren Unfall-, Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung vor mehr als 130 Jahren nicht einfach so vom Himmel gefallen. Sondern sie waren und sind das Ergebnis erbitterter Kämpfe, Zugeständnisse von Bismarck, um den damaligen sozialen Unruhen zu begegnen und der sozialistischen Bewegung das Wasser abzugraben.
Das für mich absolut Perverse ist: Trotz der ständigen wirtschaftlich verursachten Abschaffung von Arbeit wird das Prinzip „Arbeit um jeden Preis“ aufrecht erhalten.
Und so richtig in Fahrt kam es mit der Einführung der Agenda 2010 vor nunmehr 15 Jahren. Agenda 2010, das bedeutete:
- Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf dem Niveau der letzteren
- Schaffung eines breiten Sektors von Elendsarbeit (Mini-, Midi- und 1-Euro-Jobs)
- Massive Ausweitung der Leiharbeit
- Deregulierung des Arbeitsrechts
- Verschärfte Mitwirkungspflichten, Sanktionen, umfassender Arbeitszwang für sog. Hartz-IV-lerINNEN.
Zusammenfassend wurde damit Armut per Gesetz installiert. Denn klar zielte dieses Gesetz nicht nur auf die unmittelbar Betroffenen ab, sondern darüber hinaus auf alle abhängig Beschäftigten, denen seitdem stets „Hartz IV“ als Drohung vor Augen steht.
Persönlich hatte ich die Entwicklung damals – noch in Frankfurt – sehr aufmerksam mit verfolgt, weil ich gerade selbst für einige Monate arbeitslos war. Ich beteiligte mich am 03.04.2004 an einer Fahrt nach Berlin, wo – neben Stuttgart und Köln – zu einer Großdemonstration aufgerufen worden war. 250.000 fanden sich vor dem Brandenburger Tor ein, um gegen dieses Machwerk zu protestieren. Insgesamt waren es 500.000.
Gelungen ist der Coup seinerzeit aus meiner Sicht, weil einerseits die Gewerkschaften irgendwann ihre Zustimmung gaben. In Frankfurt zeigte sich das darin, dass die Gewerkschaften abrupt ihr Engagement einstellten, nachdem über Wochen der Platz an der Hauptwache jeweils montags über gequollen war von Menschen, die ihre Wut zum Ausdruck bringen wollten. Die Beteiligung bei den Montags-Demos bröckelte darauf hin immer weiter ab.
Zum „Erfolg“ bei der Durchsetzung trugen auch Institutionen wie Caritas und Diakonie bei, die massenhaft Ein-Euro-Jobs zur Verfügung stellten und von der Verwaltungsgebühr profitierten.
Begleitet wurde das Manöver außerdem durch eine breit angelegte und dauerhafte Diffamierungskampagne durch Politik und Medien gegen „Faulenzer, Sozialschmarotzer“ usw. Schröder sprach sich gegen „ein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft“ aus und redete von der „sozialen Hängematte“. Franz Müntefering erklärte sogar: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“, was fatal erinnert an die Aufschrift an KZ-Toren „Arbeit macht frei!“
Das Gesamtpaket trug „gute Früchte“, d. h. es stieß bald auf breite gesellschaftliche Akzeptanz. Warum? Gründe dafür mögen sein, dass das Leistungsprinzip seit Jahrhunderten in unserer Gesellschaft ziemlich fest verankert ist. Die Reformation hatte die neue Arbeits- und Leistungsideologie des aufstrebenden Bürgertums befördert. Bis dahin, man höre und staune, war Betteln weder verpönt noch übel beleumundet gewesen. Von da an aber wurde der Armut die Arbeit als Allheilmittel entgegen gesetzt. (S. u. a. „Vom Arbeitshaus zu Hartz IV und Ein-Euro Jobs“ von Günther Salz in: Netztelegramm Informationen des Ökumenischen Netzes Rhein Mosel Saar, Oktober 2013 )
Außerdem kann ich gut verstehen, wenn Menschen, die von früh bis spät im Hamsterrad strampeln müssen, öfter neidvoll auf die schauen, die diesem Zwangskorsett nicht unterworfen sind, sich ihrer Meinung nach einfach „einen schönen Lenz machen“ und dazu noch „alles umsonst“ bekommen, mit Hilfe der Tafeln sich sogar noch manches Extra leisten können.
Die gesellschaftliche Ächtung freilich, die Selbst-Entblößung vor den Jobcentern, den Zwang, sich allen möglichen Anweisungen wie auch noch so sinnlosen Maßnahmen fügen zu müssen, möchten sie für sich keineswegs in Kauf nehmen.
Gelungen ist der Coup auch insofern, dass die Betroffenen selbst weitgehend resigniert haben, zumal sie sich mit ihren Interessen im Parlament kaum repräsentiert fühlen können. Viele haben das Bild, das ihnen von außen vermittelt wird, nämlich wertlos zu sein, verinnerlicht. Sie schämen sich, können kaum am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, weil das Geld dazu fehlt. Dazu kommen u. U. Auseinandersetzungen mit den Jobcentern, Sanktionen beim geringsten „Regelverstoß“, überwiegend sinnlose Maßnahmen. Das zermürbt. Das für unter 25-Jährige besonders rigide Sanktionsregime hat in vielen Fällen bereits zu Obdachlosigkeit geführt. Scham und Isolation sorgen darüber hinaus dafür, dass diese per Gesetz fabrizierte Kaste, sich eher weniger organisiert und sich massiv gegen die Zumutungen zur Wehr setzt.
Scheinbar war die Agenda 2010 ja ein Erfolgsrezept. Die Zahl der Beschäftigten stieg, wobei natürlich verschwiegen wird, zu welchen Bedingungen.
„Ob Minijobs, Teilzeit- und Leiharbeit oder Zeitverträge: 7,4 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland auf 450-Euro-Basis, für 4,7 Millionen von ihnen ist es die einzige Einkommensquelle. Die Zahl der atypisch Beschäftigten ist seit 1991 stark gewachsen.“ Das geht aus dem „Atlas der Arbeit“ hervor, den die Hans-Böckler-Stiftung und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am Montag vorgelegt haben.
„Entgegen der ursprünglichen Idee haben sich Minijobs für die Beschäftigten nicht als Einstieg zu guter Arbeit erwiesen“, resümieren die Autoren. Deutschland habe den größten Niedriglohnsenktor Westeuropas, kritisiert der Bericht. 1,2 Millionen Beschäftigte bekämen zusätzlich Hartz IV. Wer neu eingestellt werde, bekomme in 44 Prozent der Fälle nur einen befristeten Vertrag – in der Hoffnung, eines Tages unbefristet eingestellt zu werden.“ (S. https://www.nrz.de/wirtschaft/deutschland-hat-groessten-niedriglohnsektor-id214230753.html )
Die Zahl der Erwerbslosen nahm ab, auch dank massiver Manipulation der Statistiken. Wer sich z. B. in einer Maßnahme befindet, zählt nicht, auch wer älter als 58 Jahre ist. Aus Scham nehmen viele Verarmte die erbärmlichen „Hartz-IV-Leistungen“ nicht einmal in Anspruch, darunter bis zu einer halben Million Rentner (Quelle: https://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/aus-scham-oder-unwissenheit-sozialverband-alarmiert-bis-zu-einer-halben-million-rentner-leben-in-verdeckter-armut_id_9110732.html ). Gemäß einer Aufstellung der LINKEN weicht die tatsächliche Arbeitslosigkeit im Sept. 2018 mit 3.147.048 erheblich ab von der offiziellen Zahl: 2.256.473. (https://www.die-linke.de/themen/arbeit/tatsaechliche-arbeitslosigkeit/2018/ )
In der Tat einen Erfolg verbuchen konnte mittels der Agenda 2010 die Wirtschaft in Deutschland. Dank des massiv ausgeweiteten Niedriglohnsektors (inzwischen der größte innerhalb Westeuropas) konnte sie sich kräftige Wettbewerbsvorteile verschaffen, sich Exportüberschüsse weiterhin sichern – zu Lasten vieler anderer Länder. Diese ziehen nun nach. Der „Race to the bottom“ ist auch an der Stelle in Gang.
III. Die Agenda 2010 ist nicht ohne Vorbild.
(S. u. a. „Vom Arbeitshaus zu Hartz IV und Ein-Euro Jobs“ von Günther Salz in: Netztelegramm Informationen des Ökumenischen Netzes Rhein Mosel Saar, Oktober 2013 ; besonders S. 3ff)
Waren lange Zeit die Zucht- und Arbeitshäuser als Vorläufer der Fabrik die „Allzweckwaffen der Armutsbekämpfung im Frühkapitalismus“ (s. a.a.O. S. 1), scheinen den Menschen die Regeln des Systems Anfang des 20. Jhs. In Fleisch und Blut übergegangen zu sein. In der Weimarer Reichsverfassung 1919 wird das „Recht auf Arbeit“ geregelt, in der Reichsfürsorgepflichtverordnung 1924 die „Pflicht zur Arbeit“ festgelegt. D. h. die Unterstützung Arbeitsfähiger konnte von der Übernahme von „angemessener Arbeit gemeinnütziger Art“ abhängig gemacht werden. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise griffen die Kommunen besonders auf die „Fürsorgepflichtarbeit“ zurück. Die Verweigerung führte umgehend zum Leistungsentzug. Immerhin kam es am 31. Mai 1932 zu einem Pflichtarbeiterstreik, der aber durch Leistungsentzug und ein starkes Polizeiaufgebot abgewürgt wurde.
An diese Regelungen konnten die Nazis ab 1933 anknüpfen. Die Ideologie des Arbeitszwangs und der Gegenleistung wurde durchgesetzt und findet sich im „Fördern und Fordern“-Grundsatz der Agenda 2010 wieder. Am 18. Sept. 1933 wurde die erste reichsweite Bettler-Razzia durchgeführt. Die Bettler fanden sich in den Häusern der Arbeits- und Wohnungslosenfürsorge wieder, aber auch in den ersten wilden KZs, und zwar ohne dass die zuvor unterrichteten Wohlfahrtsverbände dagegen Einspruch erhoben hätten. (Siehe http://radiochiflada.blogspot.com/2017/12/die-verachteten-opfer-das-schwarze.html ) Propagandistisch war die Aktion gründlich vorbereitet, die Presse mit entsprechenden „Richtlinien“ versorgt worden. Unterstützt wurde derartiges Vorgehen noch durch entsprechendes Bildmaterial (http://radiochiflada.blogspot.com/2017/12/die-verachteten-opfer-das-schwarze.html und http://radiochiflada.blogspot.com/2017/12/die-vergessenen-lager-teil-2-zu-die.html )
Öffentliche und private Fürsorge wandelten sich grundlegend. Anstelle von Schutz ging von ihnen immer mehr Bedrohung für Hilfesuchende von ihnen aus.
Sog. Asoziale, „Arbeitsscheue“, BettlerINNEN, Arbeitslose; AlkoholikerINNEN, Prostituierte; „Geistesschwache“, behinderte Menschen, psychisch Kranke (oft genügte eine Denunziation) wurden vielfach entmündigt, zwangssterillisiert. Sie landeten als für den „produktiven Volkskörper“ Nutzlose bzw. als Kostenfaktoren in KZs oder Euthanisie-Anstalten..
„Erstaunlich schnell und routiniert meldeten die kommunalen Fürsorgestellen „Asoziale“ der Kriminalpolizei, der weitere Maßnahmen oblagen. Wohlfahrtsämter drängten die Kripo-Stellen geradezu, lästig erscheinende Menschen ins KZ abzuschieben. Bald entledigte man sich der missliebigen Klienten nur mit Hilfe von Formularen, ohne besondere Geheimhaltung und ohne Unrechtsbewusstsein. In den Verwaltungsrichtlinien der Stadtverwaltungen erschien „Vorbeugungshaft“ nun als eine weitere Unterbringungsart, neben den bislang gängigen Möglichkeiten wie Arbeitshausunterbringung oder Anstaltseinweisung nach Entmündigung. Der enorme Abschreckungseffekt, die einfache, schnelle Durchführung und nicht zuletzt die – im Unterschied zur Arbeitshauseinweisung – kostenfreie KZ-Unterbringung faszinierte die beteiligten Kommunalbeamten“ (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-mit-dem-schwarzen-winkel )
In den Lagern wurden die sog. Asozialen mit dem Schwarzen Winkel gekennzeichnet. Dort teilten sie das Schicksal von politisch Missliebigen, Juden, Homosexuellen u. a. – Allerdings wirkte ihr Stigma selbst an diesem Ort. Sie waren nicht organisiert, galten als unzuverlässig, sodass andere Opfergruppen mit ihnen nichts zu tun haben wollten. Dasselbe gilt für sog. Berufsverbrecher.
Die Scham, die ihnen eingeimpft worden war, wirkte nach dem Krieg auch in den Überlebenden fort, sodass viele über Jahrzehnte schwiegen über das, was ihnen angetan worden war. Auch das dahinter stehende Welt- und Menschenbild existierte weiter.
Im Unterschied zu vielen anderen Opfergruppen fehlt denen „mit dem Schwarzen Winkel“ bis heute fast jede Lobby, wird ihrer bei offiziellen Gedenkveranstaltungen nicht gedacht. Nur ganz wenige bekamen eine Entschädigung. (Siehe https://www.deutschlandfunk.de/asoziale-im-nationalsozialismus-die-letzten-vergessenen.724.de.html?dram:article_id=322567 )
Bis 2008 zumindest galt, wie durch eine Kleine Anfrage der Partei Die LINKE herauskam, dass „der deutsche Bundestag und die Bundesrepublik Deutschland keinen Handlungsbedarf darin sehen, in der Rehabilitierung und Entschädigung der Gruppe der sogenannten Asozialen.“ (https://www.deutschlandfunk.de/asoziale-im-nationalsozialismus-die-letzten-vergessenen.724.de.html?dram:article_id=322567 )
Vermutlich würde eine veränderte Herangehensweise ja auch allzu deutlich offenbaren: dass die gleichen Menschen- und Weltbilder immer noch vorherrschend sind und die Agenda 2010 und insbesondere Hartz IV ein ganz gravierender Fehler war und ist.
IV. Neues Teilhabechancengesetz zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit
Dass sich an dem Menschen- und Weltbild nichts geändert hat, spiegelt sich auch in dem Gesetzesentwurf der Regierung zur „Schaffung neuer Telhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt“ (https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/Regierungse …)
Zu Arbeitsplatzverlusten aufgrund der Digitalisierung kursieren die unterschiedlichsten Zahlen. Sehr detaillierten Studien zur Entwicklung des Arbeitsmarktes zufolge lassen sich bis zu 80 % der heute existierenden Arbeitsplätze automatisieren (Nick Smicek und Alex Williams: Die Zukunft erfinden, Berlin 2016 S. 184)
Trotz solcher und anderer Prognosen wird das Prinzip „Arbeit um jeden Preis“ weiterhin aufrechterhalten.
Der Gesetzentwurf hebt „die gute konjunkturelle Entwicklung in Deutschland“ und „die rückläufigen Arbeitslosenzahlen“ hervor. Folglich muss jedeR selbst schuld sein, die/der es nicht schafft, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Er/sie gehört zu den „Minderleistern“, die nicht ausreichend an ihren „Vermittlungshemmnissen“ arbeiten, (sofern diese nicht ohnehin „in ihrer Person begründet“ liegen, wie z. B. höheres Lebensalter) oder sich den zahlreichen „Arbeitsangeboten“ verweigern. Ihre Beschäftigungsfähigkeit soll verbessert werden durch „intensive Betreuung, individuelle Beratung und wirksame Förderung“, um ihnen vermehrt Beschäftigungsoptionen auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt anzubieten.
Allein schon die Vokabel „Betreuung“ suggeriert m. E., dass es sich bei diesem Personenkreis um Menschen handelt, die nicht voll zurechnungsfähig sind. Und genauso werden sie häufig auch behandelt.
Im Übrigen geht es dabei nach offiziellen Zahlen um ca. 820.000 nach tatsächlichen Zahlen um mehr als 1 Million Menschen. (Siehe Jürgen Aust: https://www.antikapitalistische-linke.de/?p=2688 : Alter Wein in neuen Schläuchen, unter II.5) Für diese sollen 150.000 Stellen im öffentlichen und privaten Sektor eingerichtet werden mit einem Finanzaufwand von 4 Mrd. Euro. (s. ebd.)
Subventioniert werden soll allerdings lediglich der Mindestlohn (statt Tariflohn). Ziel ist außerdem ausdrücklich nicht „der Aufbau neuer Versicherungsansprüche auf Arbeitslosengeld. Bestünde die Möglichkeit solche aufzubauen, könnte dies zu Fehlanreizen bei der Aufnahme der geförderten Beschäftigung führen“ (https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg-teilhabechancengesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1 , S. 21)
Unklar bleibt in dem Gesetzesentwurf, ob die „Zuweisung“ von Stellen auf freiwilliger Basis erfolgt oder ob die Ablehnung von Angeboten weiterhin sanktioniert wird. (S. Jürgen Aust: https://www.antikapitalistische-linke.de/?p=2688 : Alter Wein in neuen Schläuchen)
In die Richtung „intensive Betreuung, individuelle Beratung und wirksame Förderung“ weist bereits eine Maßnahme 50+, zu der ich selbst vor ein paar Tagen ganz kurzfristig „eingeladen“ wurde, wobei die Einladung wie stets mit einer Sanktionsandrohung verbunden war:
30-35 Personen füllten den Raum. Für die Maßnahme (6 Monate, Mo.-Fr. 8.00-15.00Uhr) sollten sich 15 Leute „freiwillig“ melden. Mit der Freiwilligkeit war’s aber nicht so weit her. (Die meisten ahnten wohl, auch wenn sie’s z. T. nicht ausdrücken können, dass sie sich in einer typischen Double-Bind-Situation befinden, nach dem Motto: „Du hast keine Chance! Also nutze sie!“) Frau X vom Jobcenter, die eh zur Anwesenheits-Kontrolle da war (wer nicht kommt, muss mit Sanktionen rechnen!), übte denn auch ganz massiv Druck aus auf die von ihr „Betreuten„.
Sie meinte, sie könne auch bis 15.00 Uhr dableiben, gab den Machtkampf aber doch irgendwann auf – mit 14 „Freiwilligen„, die ab dem nächsten Tag die Maßnahme absolvieren sollten.
Der Rest durfte gehen, versehen mit der Drohung, dass ihre Sachbearbeiter verständigt und sie auf die „Nachrückerliste“ gesetzt würden.
Wie ich im Nachherein erfuhr, scheint die Vorgehensweise bei Jobcentern und den sog. Fortbildungsinstituten typisch zu sein gegen Jahresende. Die Budgets sind noch nicht ausgeschöpft. Also besteht Zugzwang, damit im nächsten Jahr wieder derselbe Betrag zugewiesen wird. Allen scheinbaren Aufmunterungen von Frau X zum Trotz: „Das ist doch eine Chance! Sie können nichts verlieren. Ich begreife überhaupt nicht, warum Sie diese Möglichkeit nicht nutzen“… Tatsächlich geht es überhaupt nicht um die Menschen, sondern in dem Fall um den Selbsterhalt von Jobcentern und „Bildungsträgern“
Für eine alternative Arbeitsmarktpolitik stellt J. Aust deshalb ein paar zentrale Forderungen auf:
- Beendigung des „Zwei Klassen“-Systems in der Arbeitsmarktpolitik. Stattdessen eine gemeinsame Arbeitsförderung für alle arbeitslosen Menschen.
- Dies setzt die Abschaffung von Hartz IV als „System“ voraus.
- Weiterhin erforderlich: die bedingungslose Abschaffung von Zumutbarkeitskriterien und Sanktionsregeln, da diese Menschen lediglich disziplinieren und für jede Art von Arbeit gefügig machen sollen.
- Darüber hinaus erforderlich: Unbefristete Bewilligung von ALG. Denn jede Art von Befristung führt dazu, dass arbeitgeberseitige oder betriebsbedingte Entlassungen auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden, und diese nach bisherigem Recht in Hartz IV fallen.
Insbesondere erforderlich: eine armutsfeste und menschenwürdige Sozialleistung oberhalb der Pfändungsfreigrenze, aktuell mind. 1.200 €. (s. Jürgen Aust: https://www.antikapitalistische-linke.de/?p=2688 : Alter Wein in neuen Schläuchen).
Die Attribute, mit denen Langzeitarbeitslose belegt werden, sind für mich eindeutig abschätzig. Aber die Sprache weist darauf hin, um was es eigentlich geht: Nicht darum, Langzeitarbeitslosen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, sondern darum, sie auf Teufel komm raus in die Arbeits-Maschinerie zu zwingen, in der sie, auch wenn das von „Minderleistern“ ja kaum zu erwarten ist, möglichst doch noch etwas Mehrwert produzieren sollen.
V. Echte Alternativen? – Eine Welt jenseits des Kapitalismus und abstrakter Arbeit?
Nicht nur die Situation am „Arbeitsmarkt“, die zunehmende Zahl von Überflüssigen, die mit der Digitalisierung noch rapide ansteigen wird, deutet darauf hin, dass unser Wirtschaftssystem selbst in der Krise ist.
Dies zeigt sich vielmehr an allen Ecken und Enden. Ich nenne nur ein paar Stichworte: Klimawandel (auch hierzulande nun spürbar), Vernichtung unserer Lebensgrundlage, der Erde; Kriege zur Sicherung von Rohstoffen, freien Handelswegen, Einflusssphären, Absatzmärkten, und damit wiederum verbundene Flüchtlingsströme. „Der Kapitalismus geht über Leichen!“ unter diesem Motto veranstalten die Ordensleute für den Frieden seit Jahrzehnten jeweils am 1. Donnerstag im Monat eine Mahnwache vor der Deutschen Bank in Frankfurt. „Diese Wirtschaft tötet“, formulierte Papst Franziskus.
Viele Menschen stecken ihren Kopf gerne weiterhin in den Sand, z. T. weil ihr Alltag bereits so anstrengend ist, dass sie sich nur noch eins wünschen: in Ruhe gelassen zu werden. Das ist begreiflich, wird aber nur zur Verschlimmerung der Situation für uns alle führen, und zwar mit wachsender Beschleunigung.
Herbert Böttcher bringt den Sachverhalt in seinem einem Beitrag „Menschenwürde und ein Recht auf Arbeit? – ‚abstrakte Arbeit’ und Menschenwürde sind nicht zu versöhnen“ auf den Punkt. Nicht einfach zu verstehen, aber plausibel. (S. Herbert Böttcher in Netztelegramm Informationen des Ökumenischen Netzes Rhein Mosel Saar, Oktober 2013, S. 8-12) Böttcher sagt: Was dem Alltagsverstand verborgen bleibt, kann durch theoretische Reflexion durchaus erkannt werden. Arbeit ist dabei zu befragen auf ihre Rolle für die Konstitution kapitalistischer Gesellschaft.
Entscheidend in diesem Wirtschaftssystem ist eben nicht der Inhalt dessen, was hergestellt wird….“Ob Brot, Krankenhausbetten oder Kanonen hergestellt werden, ist inhaltlich-stofflich belanglos. Entscheidend ist, ob der in den Produkten dargestellte Wert sich wieder in Geld zurück verwandeln lässt. Ob dies möglich ist, hängt an der Kaufkraft, aber nicht an menschlichen Bedürfnissen“. (a.a.O. S. 8) D. h. Wer hungrig ist und satt werden will, aber kein Geld hat, hat eben Pech gehabt.
„Im Kapitalismus werden Gebrauchswerte nur produziert, weil sie Träger von etwas Abstraktem, von Tauschwert sind. Dem Doppelcharakter der Ware als Gebrauchs- und als Tauschwert entspricht der Doppelcharakter der Arbeit als konkrete und abstrakte Arbeit. Wie bei der Ware wird auch bei der Arbeit von ihrer Besonderheit, d. h. von ihrer konkreten Inhaltlichkeit, abstrahiert. Es ist gleichgültig, welche Arbeit getan wird. Entscheidend ist, dass in ihr abstrakte Arbeit verausgabt wird, die sich in einer Ware als (Mehr-)Wert vergegenständlicht“. (ebd.)
Genau diese Abstraktion, d. h. das Absehen vom konkreten Inhalt, ob bei Waren, Arbeit oder Reichtum, bestimmt aber ganz real die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Im Feudalismus waren die Abhängigkeiten in Personen verankert (Herr-Knecht).
Im Kapitalismus konstituiert der Verwandlungs- und Verwertungsprozess die gesellschaftlichen Verhältnisse. (Geld wird investiert. Mittels abstrakter Arbeit werden Waren, (Mehr-)Wert produziert. Im Tausch auf dem Markt wird der Wert der Ware realisiert, d. h. in Geld zurückverwandelt. Ein Teil des Geldes wird in einer endlosen Kette und durch Produktivitätsfortschritte auf immer höherer Stufenleiter immer wieder neu in den Verwertungsprozess eingebracht.) Dabei geht es letztendlich um etwas völlig Irrationales.
Kern ist die abstrakte Arbeit. Und der Verwertungsprozess auf der Grundlage der Abstraktion von Arbeit, Wert und Geld begründet eine abstrakte Herrschaft. Diese abstrakte Herrschaft ist unserem Handeln vorgegeben, und zwar ausnahmslos uns allen, egal, ob wir ArbeiterIN sind oder KapitalistIN. (ebd. S. 9)
D.h. wir alle sind in diesem Mechanismus gefangen und können nicht einfach so raus springen. Das gilt auch für den Kapitalisten, der bei Strafe des eigenen Untergangs so handeln muss, wie er es tut.
Den Kern der aktuellen Krise des Kapitalismus macht Böttcher darin aus, dass er aufgrund ständiger Produktivitätsfortschritte Arbeitssubstanz entsorgen muss. Den Verlust kann er aber nicht mehr durch Ausweitung der Produktion und die Eroberung neuer Märkte kompensieren. (ebd. S. 9)
Außerdem ist mit dem Zwang zu permanenten Produktivitätsfortschritten ein immer höherer Verbrauch an natürlichen Ressourcen wie auch der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verbunden.
Angesichts der Macht (so verstehe ich Böttcher) dieses automatisch ablaufenden Prozesses gehen viele Forderungen einfach ins Leere: die Forderung nach menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen, das Recht auf Arbeit – gegen Ausgrenzung durch Arbeitslosigkeit u. a. m.
Deutlich wird somit in letzter Konsequenz, dass abstrakte Arbeit mit Menschenwürde nicht zu vereinbaren ist.
Nach Böttcher erreicht der Kapitalismus mit der mikroelektronischen Revolution die Grenze seiner Entwicklungsmöglichkeiten. Die zeigt sich u. a. darin, dass Arbeit immer billiger und durch Technologie ersetzt werden muss, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. (ebd. S. 10). D. h. Spielräume für Lohnforderungen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen schwinden.
Auch der Bereich der Reproduktion bricht ein. D. h. all das, was mit Haushalt, Kindererziehung, Pflege usw. zu tun hat, ist die unausgesprochene und unbezahlte Voraussetzung dafür, dass die abstrakte Arbeit überhaupt getan werden kann. Traditionell Arbeit, die Frauen zugeordnet wird. Kitas, Krankenhäuser, Altenheime etc. werden mit Sparzwängen konfrontiert, weil ihre Finanzierung von der einbrechenden Wertschöpfung abhängig ist. D. h. die Würde des Menschen wird unter Finanzierungsvorbehalt gestellt.
In unserem normalen Alltagsbewusstsein erscheint uns die Krise des Kapitalismus als Schicksal. Menschen ohne Arbeit erscheinen „wertlos“, „überflüssig“, werden ausgegrenzt. Aufgrund fehlender Ressourcen werden sie von vielen Bereichen ausgeschlossen. Trotzdem bleiben sie in die Arbeitsgesellschaft eingeschlossen. müssen sich ständig in Arbeitsbereitschaft halten, damit ihnen nicht auch noch das materielle Mindestmaß entzogen wird. Arbeitsbereit heißt auch: bereit zu sein, in Konkurrenz mit anderen jeden noch so schlecht bezahlten und ungesicherten Job anzunehmen.
Ohne darüber nachzudenken, dass die Krise des Kapitalismus etwas zu tun hat mit der Krise der abstrakten Arbeit, ist die Versuchung groß, ganz schnell nach „Schuldigen“ zu suchen: diejenigen, die nicht arbeiten; diejenigen, die über Macht und Geld verfügen; die „faulen“ Hartz-IV-EmpfängerINNEN; die Flüchtlinge, die „bei uns“ versorgt werden wollen; usw. (ebd. S. 10)
Mit Voranschreiten der Krise nehmen gleichzeitig seitens des Staates die Repressionen zu. Das zeigt sich:
- in der repressiven Hartz-IV-Gesetzgebung und –verwaltung.
- in Kriegen, um die bröckelnde Funktionsfähigkeit des Kapitalismus abzusichern
- in Maßnahmen gegen Flüchtlinge, die mit aller Macht von den Grenzen fern gehalten, in Lagern festgehalten oder in Elend oder sicheren Tod abgeschoben werden.
Im Umgang mit Flüchtlingen, für mich aber nicht nur dort, zeigt sich, wie die staatliche Gewalt ihre demokratische Haltung verliert, die sie sich in der Hochphase der kapitalistischen Entwicklung leisten konnte. Zunehmend, so scheint es mir, bröckelt die demokratische Fassade. (Siehe brutale Polizei-Einsätze während des G-20-Gipfels in Hamburg; Ausbau eines Polizei- und Überwachungsstaates usw. In Schnöggersburg wappnet die Bundeswehr sich für den kommenden Aufstand) Als am 17. Sept. 2016 320.000 Menschen auf die Straße gingen, um gegen CETA, TTIP & Co. zu protestieren, setzte die Regierung sich einfach darüber hinweg, als wäre nichts geschehen.
Allerdings, meint Böttcher, dürften angesichts der Grenzen des Verwertungsprozesses Billiglohn, massenhaft prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Zwangsarbeit scheitern. Mit dem Einbrechen des Wertschöpfungsprozesses würden auch dem Staat die Grundlagen entzogen, insofern er sich über die Wertschöpfung finanziert. Selbst staatliche Repression und Kriege würden immer weniger finanzierbar.
Die „Überflüssigen“ würden ins Nichts entlassen (wie heute bereits im größten Teil der Peripherie, wo Plünderungsökonomien, Rechtlosigkeit und Gewalt bestimmend sind). Oder: Dort, wo staatliche Souveränität sich noch halten kann, würden sie auf Dauer interniert und weg gesperrt. So wie die „Illegalen“ und Flüchtlinge.
Die Perspektiven sind wahrhaftig alles andere als rosig!
Umso mehr sind Nachdenken und Analysen erforderlich! Kritik an den Kategorien, in denen der Kapitalismus sich darstellt. Nur so haben wir die Chance, nach Alternativen zu suchen. Ich meine: Wer immer Kinder und Enkelkinder hat, für die/den ist es ein unbedingtes Muss, sich an der Suche nach Alternativen zu beteiligen.
Jenseits von Markt und Staat, von abstrakter Arbeit und Geld, von Wert und Abspaltung. Menschliche Bedürfnisse, die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen wären Zweck von Produktion und Reproduktion.
Dabei gilt:
- Es gibt menschliche Bedürfnisse, die nicht verhandelbar sind!
- Menschen müssen satt werden.
- Menschen müssen einen Lohn bekommen, von dem sie ihr Leben reproduzieren können.
- Menschen dürfen nicht in Armut und Elend abgeschoben werden.
Auf diesen Forderungen ist auch dann zu bestehen, wenn sie innerhalb unseres Wirtschaftssystems als nicht erfüllbar, nicht politikfähig erscheinen. (S. Herbert Böttcher in Netztelegramm Informationen des Ökumenischen Netzes Rhein Mosel Saar, Oktober 2013 , S. 8-12)
Die Gesamtsituation ist bedrückend. Zweifellos! Ich habe kein Patentrezept. Was mich trotzdem nicht völlig verzweifeln lässt, ist:
- Es gibt kritische Geister.
- Es gibt Menschen und Gruppen, die für etwas anderes einstehen, aktuell sichtbar z. B. im Hambacher Forst.
- Es gibt Menschen und Gruppen, die gegen Kriege, Rüstung, Privatisierungen von Gemeingütern und Freihandelsverträge protestieren und auf die Straße gehen.
- Es gibt Gruppen, die nach anderen Lösungen suchen, wie die Degrowth-Bewegung.
Dies u. a. m. lässt hoffen!
Ursula Mathern
Merxheim, 07.10.2018