Ausgelaugt und überlastet: Menschen in der deutschen Arbeitwelt

Effizienz macht hässlichWann endlich stellt eine Bewegung den Widerstand gegen Leistungsdruck und mutwilligen Verschleiß von Lohnabhängigen ins Zentrum ihrer Politik? Die Überlastung und Auslaugung von Menschen in der deutschen Arbeitswelt beschäftigt die Öffentlichkeit gegenwärtig weit weniger als die Belastung und Inanspruchnahme der nichtmenschlichen Natur. Viele Arbeitende stehen unter ständigem Stress, die Arbeitsanforderungen zu schaffen. Ihre Fähigkeiten, ihre Energien und ihre Aufmerksamkeit werden ausgepresst wie der Saft einer Zitrone. An Personal gilt es allenthalben zu sparen, bei den Arbeitsanforderungen gibt es von Seiten der Unternehmens- und Organisationsleitungen tendenziell kein „genug“. (…) Menschen sind die abhängige Variable, die es „relevant zu halten“ gilt für die jeweils neuen Anforderungen der Wirtschaft. Nicht die Arbeitssituation soll an die Menschen angepasst werden, sondern umgekehrt. (…) Am mangelnden Reichtum liegt es nicht, dass Altenpfleger in Altenheimen so gehetzt arbeiten müssen, dass ihnen nur zwei Minuten Zeit bleibt, um sich von einer von ihnen betreuten Person zu verabschieden, wenn sie gestorben ist. (…) Die Zumutungen von außen werden mit einem harten Verhalten gegen sich selbst begleitet. Sich Rechenschaft abzulegen von dem, was viele Arbeiten den Arbeitenden antun, fällt so lange schwer, wie letztere mangels kollektiver Handlungsmöglichkeiten nichts an der Misere ändern können…“ Artikel von Meinhard Creydt vom 10. Oktober 2021 in Telepolis externer Link – auch zu den Grenzen der DGB-Aktivitäten für „gute Arbeit“. Siehe dazu:

  • Gallup-Studie 2014: Beschäftigte in Deutschland sind zunehmend unzufriedener New
    „… Die Lebenszufriedenheit der deutschen Beschäftigten ist im weltweiten Vergleich deutlich gesunken. Nur noch 45 Prozent fühlen sich zufrieden und zuversichtlich, das sind acht Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Das Stresslevel der Deutschen hat sich zwar leicht erholt, liegt aber mit 41 Prozent über dem europäischen Durchschnitt von 37 Prozent. Das zeigt eine neue Studie des Beratungsunternehmens Gallup. Für den Bericht State of the Global Workplace 2024 wurden 128.278 Beschäftigte in 145 Ländern zu Themen wie Arbeitsmarkt, emotionale Bindung an den Arbeitsplatz, Stress, Wut und Lebensbewertung befragt. Im europäischen Vergleich landet Deutschland mit 45 Prozent auf dem 20. Platz. In 17 von 38 europäischen Staaten fällt die Beurteilung des eigenen Lebens schlechter aus als im letzten Jahr. In Irland und Deutschland hat die Zufriedenheit jedoch mit einem Minus von acht Prozentpunkten am meisten abgenommen. Auch in Österreich und der Schweiz hat die Zufriedenheit besonders stark abgenommen und liegt nun bei 48 (minus 6 Prozentpunkte) und 54 Prozent (minus 5 Prozentpunkte). (…) Laut den Studienautoren belastet der Arbeitskräftemangel in vielen Branchen diejenigen Arbeitnehmenden, die ihn kompensieren müssen. Die anhaltenden wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Diskussionen würden zudem den Eindruck vermitteln, dass Deutschland dauerhaft im Krisenmodus steckt. „Die Sorge um den Abstieg des Landes ist allgegenwärtig, die Wettbewerbsfähigkeit schwindet, und beim Wachstum ist Deutschland Schlusslicht in Europa. Das drückt nicht nur auf die derzeitige Stimmung, sondern wirkt sich auch auf die Zuversicht in die Zukunft aus“, sagt Marco Nink, Forschungsdirektor bei Gallup. (…) Wie bisher unveröffentlichte Daten aus dem Gallup Engagement Index Deutschland vom März 2024 zeigen, haben sich auch andere Faktoren, die das Wohlergehen und die psychische Gesundheit beeinflussen, zum Schlechteren entwickelt. Dazu gehört die die Gefahr eines Burn-Outs, die bereits 2020 deutlich angestiegen ist und sich seitdem auf unverändert hohem Niveau bewegt. (…) Auch die Work-Life-Balance wird von den Befragten zunehmend kritischer wahrgenommen. 2021 sagten noch 42 Prozent der Befragten, sie hätten genug Zeit für Familie und Freunde, aktuell sind es nur 36 Prozent. Zudem fällt es immer mehr Beschäftigten schwer, nach der Arbeit abzuschalten. Nur jeder Vierte (28 Prozent) stimmte der Aussage zu, dass es ihm leicht falle, in seiner Freizeit von der Arbeit abzuschalten. 2011 waren es noch 36 Prozent.“ Meldung vom 12. Juni 2024 in der Zeit online externer Link

  • Abhärtung und Abstumpfung: Die Überforderung und Auslaugung der Menschen in der Arbeit
    „… Viele Arbeitende stehen unter ständigem Stress, die Arbeitsanforderungen zu schaffen. Ihre Fähigkeiten, Energien und Aufmerksamkeit werden ausgepresst wie eine Zitrone. An Personal gilt es allenthalben zu sparen, bei den Arbeitsanforderungen gibt es von Seiten der Unternehmens- und Organisationsleitungen tendenziell kein „genug“. (…) Die Menschen sind die abhängige Variable, die es „relevant zu halten“ gilt für die jeweils neuen Anforderungen der Wirtschaft. Nicht die Arbeit soll an die Menschen angepasst werden, sondern umgekehrt. (…) Die Betroffenen bewegen sich oft im Rahmen einer – durch die herrschende Medizin kräftig verstärkten – Selbstverantwortungsideologie (vgl. Creydt 2006). Das behindert sie dabei, den konstitutiven Zusammenhang zwischen den gesellschaftlich verursachten Überforderungen und dem Krankheitsgeschehen wahrzunehmen. Gewiss können z. B. Psychotherapeuten und psychologische Berater nicht die Arbeitsverhältnisse verändern. Aber es macht einen Unterschied ums Ganze, ob die Klienten die objektive Überlastung wahrnehmen oder sich einreden (lassen), es hänge alles vom individuellen subjektiven Umgang mit ihr ab. Viel zu leicht heisst es dann: „Ich überfordere mich“ statt „Ich werde überfordert“. (…) Oft bewegt sich der Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen in der Logik von „zufriedene Kühe geben mehr Milch“. Beanstandet wird dann, dass keine artgerechte Nutztierhaltung stattfindet. (…) [Die gewerkschaftliche Kritik] passt sich den pragmatischen Wirkungsmöglichkeiten an und stellt deren sie begrenzende Voraussetzungen nicht infrage. (…) Dass eine Gesellschaftstransformation hin zu einer Gesellschaft des guten Lebens eine grundlegende Veränderung des Arbeitens und der Produktionstechnologie (vgl. dazu Creydt 2021) erfordert, bleibt ausserhalb des Blickfeldes. „Die technisch-wirtschaftliche Entwicklung befindet sich auf einem Niveau der wirtschaftlichen Effizienz, wo wir auch auf mögliche Prozentpunkte der Produktivitätssteigerung verzichten können zugunsten von menschenfreundlicheren Arbeitsplätzen. Bisher hatte immer die Humanisierung die Beweislast, wieweit sie ohne Einschränkung der wirtschaftlichen Effizienz möglich sei. Für eine Wirtschaftsordnung, welche der Freiheit den hervorragenden Platz einräumt, ist diese Beweislastzuteilung nicht selbstverständlich. (…) Messen wir die Wirtschaft nicht allein an ihrer Effizienz und an ihrer Ausbringungsmenge, sondern daran, wie sie Menschen erschöpft und verbraucht. (…) Schluss mit einer Wirtschaft, die um den Preis kranker und beschädigter Menschen gesundet.“ Beitrag von Meinhard Creydt vom 22. November 2021 beim untergrundblättle externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=194129
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