[Buch] Arbeit, Dienst und Führung. Der Nationalsozialismus und sein Erbe
„Die Deutschen und ihre Arbeit. Eine lange Geschichte eines überhöhenden Selbstbildes. Eine lange Geschichte des Antisemitismus, die der Nationalsozialismus noch einmal radikalisierte. Deutsch soll eine Arbeit sein, die der Volksgemeinschaft dient. Unter Verweis auf »deutsche Arbeit« begründete der Nationalsozialismus nicht nur sein antisemitisches Selbstbild, sondern auch Praktiken der Verfolgung und Vernichtung. »Arbeit, Dienst und Führung« rekonstruiert diese Geschichte und analysiert dieses Selbstbild. Dabei wird der Blick auch ins »Innere« der deutschen Volksgemeinschaft geworfen. Denn hier hat der Nationalsozialismus Formen von Menschenführung entwickelt, die in Managementkonzepten der deutschen Nachkriegsgeschichte fortlebten.“ Klappentext des am 17.06.2022 erscheinenden Buches von Nikolas Lelle beim Verbrecher Verlag. Siehe mehr Informationen zum Buch und als Leseprobe das Kap. 7. „Arbeit macht nicht frei. Vernichtung, Zwang, Erziehung“ – wir danken Autor und Verlag!
- 2 Rezensionen zur „Kontinuität einer verheerenden Ideologie“: „Arbeit, Dienst und Führung“ – wie viel Nationalsozialismus steckt noch in unserer Arbeitswelt?
- „Arbeit, Dienst und Führung“ – wie viel Nationalsozialismus steckt noch in unserer Arbeitswelt?
„Nikolas Lelle hat das Verhältnis der Deutschen zur Arbeit genauer untersucht und festgestellt, dass das nationalsozialistische Erbe in der Arbeitswelt allgegenwärtig ist. (…) Eine mögliche Erklärung dafür, weshalb eine offene Auseinandersetzung mit dem Faschismus eher ungern gesehen wird, beschreibt Nikolas Lelle in einem der letzten Sätze seines Werkes: „Denn das Nachdenken über den Faschismus wirft eine•n zurück auf den Kapitalismus.“ (…) Nikolas Lelles Werk sollte uns alle einmal mehr dazu bewegen, uns selbst und unsere Denkweisen zu hinterfragen. Welche Auffassung haben wir selbst beim Thema Arbeit? Wie denken wir wenn es um die Themen Leistung und Fleiß geht? Haben auch wir gelernt, dass Arbeit alles ist, dass das, womit wir Geld verdienen das ist, was uns ausmacht? Oder sind wir selbst vielleicht sogar schon einmal aufgrund unserer beruflichen Tätigkeit diskriminiert worden? Beim Lesen dieses Buches wird man das ein oder andere Mal schlucken müssen – denn es liefert Erklärungen für Vieles, was für uns eventuell schon etwas unangenehm, aber dennoch normal ist. Es ist ja „schon immer“ so. Zum Beispiel wird einem klar, weshalb Arbeitslose in Deutschland so geächtet werden, umgekehrt beginnt man aber auch zu verstehen, weshalb diese Menschen schnell in Depressionen fallen, sich wertlos fühlen: Im deutschen (Selbst-)Bild der Gemeinschaft sind sie tatsächlich wertlos. Die Aufopferung für die Arbeit, das ist es, was von Deutschen erwartet wird – wer war noch nicht in der Situation, krank zur Arbeit gegangen zu sein? Es verwundert also ebenfalls kaum, dass viele der jüngeren Generationen ausbrechen aus dieser Opferrolle und als Soloselbstständige im kapitalistischen Neoliberalismus ihr Glück suchen. Leider bringt genau diese Entwicklung erneuten Annäherung an nationalsozialistisches Gedankengut – war er doch gerade in Bezug auf die Arbeitswelt schon damals der Gegenpol zu einem liberalen Arbeitsbegriff. Die Illusion, jeder könne Führer sein obwohl das Führerprinzip natürlich auf eine Person ausgerichtet war, ähnelt ebenfalls der Illusion des Neoliberalismus, jede•r könne alles erreichen (wenn er/sie/* nur hart genug arbeite). Tatsächlich könnte ich die Liste der Beispiele und Verstrickungen noch lange fortführen, aber am besten wäre, ihr lest einfach das Buch. Dabei wird mit Sicherheit jede•r den ein oder anderen Aha-Moment erleben. Auch wenn es sich um eine Dissertation handelt, die natürlich vor Fachjargon nur so strotzt, empfehle ich dieses Buch uneingeschränkt. Nikolas Lelle schafft es zwischen den akribischen Recherchen und schlüssigen Argumentationen auch seine persönliche Note nicht zu kurz kommen zu lassen und macht so „Arbeit, Dienst und Führung – der Nationalsozialismus und sein Erbe“ zu einem großartigen, wichtigen Werk.“ Rezension von Sabrina Teifel im Alerta-Blog (ohne Datum aber vom August 2022) - Wir tun es noch heute. Nikolas Lelle zeigt in seinem Buch »Arbeit, Dienst und Führung« die Kontinuität einer verheerenden Ideologie vom NS bis in die Gegenwart
„… Arbeit – exakter: Lohnarbeit – ist der widersprüchliche Dreh- und Angelpunkt der kapitalistischen Gesellschaft: Einerseits gilt sie als Quelle der Selbstverwirklichung, Autonomie sowie Anerkennung als mündige Bürger*innen und als politische Subjekte. Andererseits aber ist sie faktisch das größte soziale Zwangssystem. (…) Die linke Hoffnung auf eine von den Zwängen der Lohnarbeit befreite Gesellschaft ist im Klassenkampf von oben längst untergegangen. Die Forderungen sind dazu geschrumpft, einen Job mit Sinn haben zu wollen, sich treu bleiben zu können, eine work-life-balance zu halten und mit Achtsamkeit und Yoga dem Burnout zu entkommen. Arbeit und Leistung sind ein Fetisch: ein Herrschaftsverhältnis, das natürlich erscheint. Und das hat eine lange und verheerende Tradition. Diese macht Nikolas Lelle in seinem Buch »Arbeit, Dienst und Führung. Der Nationalsozialismus und sein Erbe« sichtbar. Lelle stellt die zentrale Rolle der Arbeit für die nationalsozialistische Ideologie sowie die Verbindung zum Antisemitismus heraus und zeigt ihre historische Transformation vom 19. Jahrhundert bis heute. An die grundlegenden »Praktiken und Denkfiguren«, die im Nationalsozialismus mit Hinblick auf die Arbeitsorganisation zum Tragen kamen, sei nach 1945 angeknüpft worden. (…) Die deutlichste Kontinuität zur BRD besteht Lelle zufolge in der Person Ernst Höhns (1904-2000), dem es gelang, das Managerprogramm seines Harzburger Modells der Arbeit zu etablieren – beseitigt wurden die antisemitischen und rassistischen Dimensionen, die Herkunft der Ideen und deren Anwendung wurden verschwiegen und konnten erst spät skandalisiert werden. Zwar sei Arbeit nach 1945 nicht mehr als Dienst verstanden worden, der Führer als zentrale Figur sei verschwunden, es habe auch keine völkisch gedachte Gemeinschaft mehr gegeben, so Lelle. Aber das Führen und das Folgen blieben, angepasst, wichtige Elemente. Ziel Höhns sei daher das »führende Selbst« gewesen. Lelle spricht von einem »transformierten Fortleben«, das nicht »bruchlos« gewesen sei. Weiter transformiert und später neoliberal durchbrochen treibt die »Ideologie der Arbeit« noch immer ihr Unwesen, eng verbunden mit dem Ruf nach Leistung. Die imaginierte »Überlegenheit der ›deutschen Arbeit‹ und des deutschen Fleißes« spielt bei rechten Figuren wie Björn Höcke wieder explizit eine Rolle. Die Frage, zu welchem Zweck und mit welchem Ziel überhaupt gearbeitet wird, wurde nach 1945 bis heute verdrängt, gar bekämpft. Das gute Leben für alle soll nicht einmal mehr vorstellbar sein. Stattdessen wird derzeit wieder das lebenslange Arbeiten für Deutschland gefordert. Die Lektüre des Buches ist so erschreckend wie erhellend. Sie drängt zur Konsequenz, über den Fetisch der Arbeit auch in unserer Gegenwart nachzudenken. Der Autor macht klar, welche Schrecken Arbeit bedeuten konnte – und vielleicht wieder bedeuten wird.“ Rezension von Sebastian Klauke vom 12. August 2022 in neues Deutschland online
- „Arbeit, Dienst und Führung“ – wie viel Nationalsozialismus steckt noch in unserer Arbeitswelt?
- [Buch] Arbeit, Dienst und Führung. Der Nationalsozialismus und sein Erbe
- Broschur, ca. 420 Seiten
- Preis: 30,00 €
- ISBN: 9783957325198
- Siehe Infos und (Vor)Bestellung beim Verbrecher Verlag und ebd. Inhaltsverzeichnis und Einleitung
- Arbeit macht nicht frei. Vernichtung, Zwang, Erziehung
„Die erste Assoziation, die sich einstellt, wenn es um Arbeit und Nationalsozialismus geht, ist vielleicht das angestrahlte Tor am Eingang im Stammlager von Auschwitz, über dem zu lesen ist: Arbeit macht frei. Die KZ-Devise wurde zum Symbol für den nationalsozialistischen Massenmord. Eine bestimmte Verwendung des Begrifffs »Arbeit« wird also aufs Engste mit dem Nationalsozialismus verknüpft.
Doch in welchem Zusammenhang steht der Satz »Arbeit macht frei« zu der bisher analysierten, NS-Arbeitsauffassung? Inwiefern haben die Praktiken der Verfolgung und Vernichtung, an die denkt, wer »Arbeit macht frei« hört, etwas zu tun mit dieser Auffassung? Wie wurde Arbeit in diesen Praktiken genutzt? Und wie wurde wiederum »Arbeit«, also der ideologische Bezug auf Arbeit, genutzt, um diese Praktiken zu rechtfertigen, um die Regeln und Formen des Ausschlusses festzulegen, um zu bestimmen, wen welche Form des Ausschlusses erwartete, wen Erziehung und Disziplinierung, wen Zwang zur Arbeit, wen der Tod? Die Aufgabe dieses Kapitels ist es, die Erkenntnisse aus der Analyse der nationalsozialistischen Arbeitsauffassung auf deren exterminatorische Exekution zu beziehen…“ Das Kapitel 7 des Buches