[„Netto-Grundeinkommen“] Grundeinkommen als Versicherung gegen Krisen
„Prof. Bernhard Neumärker nutzte im Rahmen der Ringvorlesung des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität die Möglichkeit, seine Vorstellung eines Krisengrundeinkommenskonzept zu präsentieren. (…) Seine Grundidee: Ein Grundeinkommen für künftige Krisen und den künftigen Alltag. (…) Bei einem Krisengrundeinkommen jedoch brauche künftig niemand mehr beweisen, dass er systemrelevant sei. »Wir müssen uns gegen Maßnahmen versichern, die teilweise nicht vorhersehbar waren. Wir mussten in der Krise zudem ständig nachbessern.« (…) »Eine Krise ist nicht einfach eine Rezession, sondern auch eine Entwurzelung von Menschen« unterstrich er. Eine »Grundeinkommensgesellschaft« begrüßte der Professor für Wirtschaftspolitik…“ Bericht vom 25. Januar 2022 beim Gießener Anzeiger online und Hintergründe/Anmerkung:
- Zur Theorie von Bernhard Neumärker (und Team), der mit einer Götz-Werner-Professur in Freiburg lehrt, erhellend eine Kurzfassung vom 11. August 2021 bei der Uni Freiburg mit dem Titel „Bedingungsloses Grundeinkommen als Krisenprävention“ , in der es u.a. heißt: „… Das Modell sieht vor, dass während der Pandemie jede erwachsene Person in Deutschland ein monatliches bedingungsloses Grundeinkommen von beispielsweise 550 Euro erhält, ergänzt durch das Aussetzen von Miet-, Pacht-, Tilgungs- und Zinsverpflichtungen während eines Einkommensausfalls. Der ausgezahlte Betrag ist der Netto-Anteil des Krisen-Grundeinkommens, die Einsparungen durch die Aussetzungen ergeben das Brutto. Das Aussetzen von Zahlungen in Krisensituationen führe laut der Forschenden dazu, dass das kriseninduzierte Risiko nicht nur an Arbeitnehmer*innen und Unternehmer*innen übertragen werde. Fällt dem Mitarbeitenden der Lohn aus, darf dieser seine Miete aussetzen, der Vermietende wiederum darf Kapitaltilgungsleistungen aussetzen. Durch diesen Mechanismus entstünden keine Zahlungsnöte am „untersten Teil der Kette“. Nach der Pandemie könne das Netto-Grundeinkommen mit steigender wirtschaftlicher Dynamik zu einem vollen partizipativen Betrag in Höhe von 1.200 bis 1.500 Euro angehoben werden. Im Gleichschritt seien dann wieder die Miet-, Pacht- und Kapitaldienste in voller Vertragshöhe zu leisten. Eine ganzheitliche Finanzierung eines Grundeinkommens klärt der Ansatz noch nicht. Die Gegenrechnung zeige allerdings, so die Wissenschaftler*innen, dass ein solcher Ansatz seitens der Kosten „günstiger“ gewesen wäre, als die aktuellen Krisenhilfsmaßnahmen, die selbige Funktion hatten. (…) Blum und Neumärker verdeutlichen die Notwendigkeit politischen Handelns, um Herausforderungen wie den Klimawandel ebenso wie die wachsende Ungleichheit und Ungerechtigkeit anzugehen. Wichtiges Mittel hierfür sei unter anderem ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dieses könne zum einen ein Ansatz sein, um Krisen und damit verbundene Einkommensbußen besser abzufangen. Zum anderen ließe sich ein Grundeinkommen aus regulierungstheoretischer Perspektive unter dem Argument der Klimagerechtigkeit begründen, wenn es durch Emissionssteuern finanziert würde. Dabei sei nicht die existenzsichernde Höhe das relevante Merkmal, sondern die grundsätzliche Anspruchsberechtigung aufgrund „gleichen Anspruchs an natürlichen Ressourcen“.
- Das Problem mit dem Beitrag im Gießener Anzeiger ist vor allem, dass offenbar der/die Berichterstatter/in selbst nicht so ganz begriffen hat, auf was der Herr Professor da abzielt. Deshalb als Ergänzung den Beitrag bei der Uni Freiburg. Als Diskussionsbeitrag (auch zur Klimakatastrophe) ist die Theorie zumindest interessant. Und modifiziert im gewissen Sinne Pikettys Vorstellung eines Grundeinkommens (was sich bei Piketty jedoch auf eine Garantie in Zeiten der Erwerbslosigkeit reduziert). Was, trotz notwendiger (!) Kritik, an Neumärkers Ansatz gefällt, ist die Radikalität…
- Siehe auch unser Dossier: [Petition] Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen durch die Coronakrise