[Bedingungsloses Grundeinkommen] Armutsfalle für Betroffene [???]
Soziologe Gerhard Bosch im Gespräch mit Britta Rybicki bei neues Deutschland vom 31. Juli 2018 „über die negativen Seiten des bedingungslosen Grundeinkommens“: „… Ein Ende von Arbeit ist überhaupt nicht in Sicht. Wir hatten noch nie so viele Beschäftigungen wie aktuell. Was auf Frauen, die zunehmend erwerbstätig werden, und auf die hochgesetzte Altersgrenze zurückgeht. Es gibt zudem viele ungesättigte Bedürfnisse in unserer Welt. Da denke ich sofort an die Pflege oder den Notstand in der Bildung. Dort werden wir in Zukunft sehr viel mehr Arbeitskräfte brauchen. (…) Viele Menschen in besonderen Situationen werden damit allein nicht mehr ihren Lebensunterhalt finanzieren können. Wenn jeder monatlich 1000 Euro erhält, kommen wir auf insgesamt 984 Milliarden Euro. Das sind knapp 100 Milliarden Euro mehr als unser Sozialbudget. Was passiert aber, wenn wir plötzlich krank, pflegebedürftig oder arbeitslos werden? Dann müssen wir von 1000 Euro im Monat leben, weil es keine Kranken- oder Unfallversicherung, Altersvorsorge, Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen, keine Jugendhilfe oder die jetzige Arbeitsmarktpolitik mehr gibt. Oder was ist, wenn wir chronisch krank sind und gar nicht arbeiten können? Eine Heimpflege in der Pflegestufe fünf kostet im Monat 3500 Euro, und die kann sich dann keiner mehr leisten. Betroffene würde das BGE in die Armut stürzen. (…) 2,7 Millionen der unter 18-Jährigen waren 2017 laut dem Statistischen Bundesamt armutsgefährdet. Deswegen würde ich ein BGE für Kinder einführen. Damit das Geld auch wirklich in den armen Familien ankommt, könnte man es durch einen hohen Grenzsteuersatz für Kinder in reichen Familien wieder wegsteuern. Es sollte mehr kostenlose Sachleistungen im Bildungswesen geben, etwa in der Vorschule. Eine Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs könnte verhindern, dass Betroffene zu schnell in die Hartz-IV-Grundsicherung rutschen. Um Diskriminierungen am Arbeitsmarkt zu vermeiden, muss es gleiche Bezahlung für alle Beschäftigungsformen geben. Diese wenigen Maßnahmen kosten keine 984 Milliarden Euro.“ – Siehe unseren Kommentar und nun einen weiteren:
- Kommentar von Norbert Hermann (Bochum Prekär)
„Es ist schon interessant dass das „bedingungslose Grundeinkommen“ (bGe) immer wieder Thema wird. Dabei hat es im Kapitalismus eh keine Chance. (Siehe https://www.labournet.de/politik/fetisch/existenzgeld/linke_kritik/neurotiker-streiten-ums-grundeinkommen/ )
Und das wollten wir ja auch gar nicht, den uns geht es ja in erster Linie darum den Kapitalismus zu erledigen mit all seinen Grausamkeiten, v.a. international.
Bei der Diskussion geht es auch gar nicht um eh so nicht Umsetzbares, sondern es geht um die Ideen in den Köpfen. Da ist das „bGe“ (oder „Existenzgeld“ oder „bedingungslose gute Existenzsicherung für alle Menschen der Welt“) natürlich schon revolutionär: Allen sei gegeben nach ihren Bedürfnissen, natürlich mit Extra wenn wer krank, alt, behindert … ist, und teure Mieten gibt es dann eh nicht mehr.
Tätig seien sie nach Neigungen und Fähigkeiten. Ohne Kapitalismus.
Wenn das in der Diskussion nicht berücksichtigt wird, haben sie alle Recht und Unrecht zugleich. Denn „Ein Ende von Arbeit ist überhaupt nicht in Sicht“, jedenfalls nicht von Lohnarbeit im Kapitalismus. Davon lebt er schliesslich, als Blutsauger. Weniger oder keine „Arbeit“ für alle gibt es nur, wenn wir die Tätigkeiten von der Profitschaffungspflicht befreien, unnütze, gar schädliche Produktion sein lassen, glücklich und zufrieden weniger krank sind, und vom Rest einen grossen Teil von Robotern machen lassen – die tun das gerne: https://www.labournet.de/internationales/schweiz/lebensbedingungen-schweiz/wef-2016-roboter-fuer-grundeinkommen-erklaerung-von-davos/
Aber der Soziologieprofessor Bosch möchte ja den Kapitalismus nicht abschaffen, auch Hartz IV nicht. Es solle nur verhindert werden, dass „Betroffene zu schnell in die Hartz-IV-Grundsicherung rutschen … . Also: Nur schnell, nicht „zu schnell“!
Die „Pro-Seite“ bleibt auch gerne in der Akzeptanz des Kapitalismus hängen. Warum sollte es für Kinder nur den halben Satz geben? Sie sind doch keine halben Erwachsenen, sagen wir immer zur Regelsatzdebatte. Und wieso nur 1.000 Euro monatlich, damit kommt doch im Kapitalismus niemand zurecht, dass kostet mancherorts allein die Miete.
Ausserdem sei es „unser“ Geld, was da zur Verteilung anstehe. Wenn sie mal die Augen zumachen dann sehen sie, was „unser“ ist. Gar nichts! Das ist auch gut so, denn Eigentum ist schliesslich der Anfang vom (kapitalistischen) Ende.
Im Kapitalismus wird zunächst allen Nichtbesitzenden alles genommen, um es anschliessend zu verteilen. Nach Gusto, und nach Notwendigkeit um soziale Unruhen zu vermeiden. Verschleiert wird dieses einfache Machtverhältnis durch ein Hin-und-Her von Lohn- und Bonuszahlung, Steuer- und Sozialabgabenabzug, irgendwelche Umlagen, und andererseits steuerliche Subventionen (km-Pauschale …), Kindergeld, Sozialleistungen, teils kostenfreie Gesundheits-, Bildungs-, Verkehrsdienstleistungen, kostenfreies Polizei- und Kriegsgedöhne. Allein die FDP zeigt hier klare Kante: Allen soll Alles bleiben, und für Alles sollen sie extra zahlen. Das ist nichts anderes als das Bestehende, verschleiert es aber weniger. Wirkliche Umverteilung findet eh nicht statt, weder durch Steuern noch durch Sozialabgaben, da die relevante Aneignung bereits vorher stattgefunden hat.
Erstaunlich ist nur dass Befürworter*innen des „bGe“ bemüht sind, sich an der Verschleierung der Machtverhältnisse zu beteiligen. Im Kapitalismus gibt es kein „Gutes Leben für alle“ (auf der ganzen Welt), keinen „fairen“ Lohn, keinen Umweltschutz, keinen Frieden. Nur Elend, mal mehr, mal weniger.“
- LabourNet Germany: Ein gutes Beispiel dafür, wie falsch die Gegner eines BGE liegen. Nicht nur das mit der Arbeit, die nicht zu Ende geht (weil sie immer prekärer wird), sondern auch das mit den Sozialleistungen ist interessant. Denn es sind ja gerade keine staatlichen Leistungen, sondern (solidarische) Umlagen aus Lohnbestandteilen, also aus dem Eigentum des Sozialversicherungsberechtigten. Das BGE für Kinder existiert in der Gestalt bereits als Kindergeld. Und 500 Euro pro Kind (also halbes BGE von 1000 Euro) will Herr Bosch offensichtlich auch nicht; hier bleibt der Sozialstaat „reaktionär“ (was neulich Butterwegge fälschlich Precht vorwarf), weil er grundsätzlich den Kinder keine soziale Sicherung unabhängig vom Geld ihrer Eltern sichert. Schließlich sind die Maßnahmen von Herrn Bosch auch nur deshalb so günstig, weil immer mehr an Sozialleistungen gespart und sogar durch Lohnsubvention Geld sozial „zweckentfremdet“ wird. Die Hauptzweckentfremdung besteht jedoch vor allem in der Abhängigkeit der Sozialleistungen vom funktionierenden kapitalistischen Markt (also Reichtumsmehrung einiger wenige) Und von der Möglichkeit Menschen wegen ihrer Grundbedürfnisse (Gesundheit usw.) erpressbar zu machen. Wäre überhaupt mal interessant, was es kosten würde, wenn der Sozialstaat seinen Anspruch gerecht würde (z.B. bezüglich Rente, Erwerbslosigkeit ohne Verlust, Krankheit usw.). Aber das soll ja gerade nicht gehen – und nicht nur z.B. in Griechenland. Also kein BGE, damit der Kapitalismus weiter so laufen kann wie bisher. Was das Soziale betrifft also besser keine „Heilsversprechungen“.