[Presseschau] Der Kampf um ein gemeinsames Europa geht weiter – jetzt beim Euro
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 29.7.2020 – wir danken!
Jetzt wird der Kampf um einen „echten“ Euro als gemeinsame Währung Europas gegenüber dem Remimbi (China) und dem schwächer werdenden Dollar (USA) immer dringender: Stärkt also den Euro! (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-staerkt-den-euro-1.4981397 )
Vollkommen zu Recht kratzen die weltweiten Finanzprofis derzeit am Allmachtstatus des Dollar, indem sie die US-Devise losschlagen – und ausgerechnet beim lange ungeliebten Euro zugreifen. Das ist als dröhnende Aufforderung der Währungshändler an die Zentralbanker in Frankfurt (EZB) und die Finanzpolitiker in Brüssel zu verstehen, erklärt Victor Gojdka in der Süddeutschen. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-staerkt-den-euro-1.4981397 )
Mit der Stärkung der gemeinsamen Finanzpolitik für Europa hatten die Europapolitiker mit Merkel und Macron ja auch schon einen ersten – vielleicht noch zu zaghaften – Schritt gewagt. (https://www.labournet.de/?p=175948)
Und es ist jetzt an der Zeit meint Victor Gojdka noch, denn nicht nur die desolate Coronapolitik des US-Präsidenten stellt kurzfristig die Rolle des US-Dollar infrage, denn entscheidend jetzt ist doch vielmehr ,dass Trump den Dollar von einer Währung auch zu einer Waffe umfunktioniert hat. Beispielsweise, indem er eigenmächtig das Atomabkommen mit dem Iran kündigte und das Land dann anschließend von den finanziellen Pulsadern des dollardominierten Finanzsystems abtrennte. Mit Hilfe des Dollar kann so leicht aus Washington Einfluss auf die Weltpolitik genommen werden. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-staerkt-den-euro-1.4981397 )
Europa kann sich nicht dauerhaft an diese währungspolitische Leine der USA legen lassen.
Und das ausgerechnet noch in einer Zeit, wo diese Leine immer straffer ausfällt. Und die Politik des US-Präsidenten auch immer mehr europäischen Interessen und Werten wiederspricht. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-staerkt-den-euro-1.4981397 )
Aber umgekehrt kann Europa auch nicht tatenlos zusehen, wie – gerade auf dem digitalen Parkett – Chinas Remimbi immer mehr an Bedeutung gewinnt. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-staerkt-den-euro-1.4981397 )
Aber gleichzeitig tut sich in Europa nationalistische Tendenzen hervor um Europa bedeutungslos werden zu lassen. Dagegen hat Peter Gauweiler im Kampf gegen die Geldpolitik der EZB ein Dauerticket für das nationalistische Unterlaufen der europäischen Geldpolitik gelöst zu haben scheint (https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesverfassungsgericht-eugh-ezb-1.4907418 ), sieht Heribert Prantl in dieser Förderung des Separatismus in Europa auch schon klar die Gefährdung Europas (https://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-heribert-prantl-verfassungsgericht-ezb-europa-rechtsgemeinschaft-1.4901395?reduced=true )
Siehe dazu weiter den Abschnitt „Diesen Kurs einer auf nationale Alleingänge abgestellten Politik… hat das Bundesverfassungsgericht….“ auf der Seite 7 f. bei https://www.labournet.de/?p=173243 – dabei hatte Europa gerade mit Merkel und Macron eine Kehrtwende für Europa auf dem Weg zu einer Wirtschafts- und Finanzunion hingelegt (https://www.labournet.de/?p=175948 oder vorher schon: https://www.labournet.de/?p=173243)
Zaghaft fürs erste – nur einmalig! – aber immerhin! Und deshalb kann oder sollte dich darüberhinaus auch dieses Hamiltonian Moment für Europa interessieren – Und vielleicht haben wir eventuell auch noch das Vergnügen, dass jetzt Norbert Walter-Borjans dem Scholz zur Seite springt? Er könnte das ja noch viel präziser machen. (https://www.fes.de/progressive-wirtschaftspolitik-fuer-europa/artikelseite-progressive-wirtschaftspoitik/ein-europa-der-solidaritaet )
Ach, jetzt ist Europa doch gerade wieder einmal nicht an seinen Widersprüchen eines nationalistischen Widerstands gescheitert – und hat einen Plan für Europa – als „historischen Kompromiss“ erreicht. (https://www.labournet.de/?p=175948)
Aber wegen des Endes der finanzpolitischen Engstirnigkeit kann es trotzdem für die Zukunft Mut machen (https://www.sueddeutsche.de/politik/kanzlerin-merkel-corona-krise-deutschland-europapolitik-aufbaufonds-1.4969019?reduced=true ).
Nur welche Zukunft kann es sein? Gibt es jetzt „Hamiltonian Moment“? Der schwierige Weg zu einer echten Währungsunion als Notwendigkeit für einen stabile Euro zwischen Dollar (USA) und Remimbi (China)
Während der Erfinder der amerikanischen Finanz- und Währungsunion Alexander Hamilton als Musical auf dem Broadway gefeiert werden kann – statt Trumpscher politischer Regression (https://www.sueddeutsche.de/kultur/musical-hit-hamilton-auf-disney-plus-unerforschte-gebiete-1.4954537?reduced=true ), wird dieser „Hamiltonian Moment“ dann als mögliche Perspektive auch für „unser“ Europa entdeckt. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/pipers-welt-hamiltons-augenblick-1.4976653?reduced=true )
Hans-Werner Sinn dagegen greift gleich Finanzminister Scholz an, weil er die jetzige Kreditaufnahme der EU doch – frecherweise – mit der Gründung der Vereinigten Staaten – also Alexander Hamiltons Wirken – vergleicht. (https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Interviews/2020/2020-05-20-Zeit-Interview.html )
Diesen Vergleich mit der – erfolgreichen Gründung der Vereinigten Staaten als Währungs- und Finanzunion weist dagegen Hans-Werner Sinn empört zurück (https://www.hanswernersinn.de/de/der-hamilton-moment-faz-22052020 ).
Der Wirtschaftshistoriker Harold James dagegen hat sehr differenziert und ausführlich dazu Stellung genommen (https://www.hoover.org/sites/default/files/research/docs/16117-bordo-james.pdf ), weil die Krisen von Europa gezeigt haben, dass eine Währungsunion, wenn sie „funktionieren“ soll, eben durch eine Fiskalunion ergänzt werden muss.
Der renommierte Wirtschaftsjournalist Anatole Kaletzky hat diesen Gedankengang auch noch aufgegriffen. (https://www.neweurope.eu/article/europes-hamiltonian-moment/ )
Dabei können wir uns direkt in die Auseinandersetzung zur Zeit Alexander Hamiltons zurückversetzt fühlen, wenn die Historikerin Jill Lapore (= „Diese Wahrheiten – Geschichte der Vereinigten Staaten“) dazu schreibt: Ein großer Teil der politischen Geschichte Amerikas besteht aus einer anhaltenden Meinungsverschiedenheit zwischen denjenigen, die eine starke Bundesregierung bevorzugen, und denjenigen, die den einzelnen Staaten den Vorzug geben. (Jill Lepore, S. 185)
Aber bevor diese Auseinandersetzungen begannen, stellte Hamilton schon 1787 die grundsätzliche Frage: „Sind menschliche Gemeinschaften wirklich dazu fähig, eine gute politische Ordnung auf der Grundlage von vernünftigen Überlegungen und freier Entscheidung einzurichten, – oder sind sie für immer dazu verurteilt, bei der Festlegung ihrer politischen Verfassung von Zufall und Gewalt abhängig zu sein?“ (Lepore, S. 17)
Und recht konsequent stellte er dann auch 1790 bei der Durchsetzung seines – auch recht heftig umstrittenen Planes, der durch die Unterstützung von George Washington, dem Präsidenten, gelang, – fest: „Der Gedanke dieser Plan sei verfassungswidrig, ist das erste Symptom, dass die Verfassung der Vereinigten Staaten beseitigt wird.“ (Lepore, S. 185 ff.) Der Kongress verabschiedete dann diesen Plan von Hamilton im Juli 1790.
- Siehe zuletzt am 23. Juli 2020: [Presseschau] Ist Europa gescheitert – oder gerade noch einmal nicht?