Linker Zwist über Euro-Rettung: „An die Wand gefahren“
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 26.2.2014
Linker Zwist über Euro-Rettung / Eine Diskussions-Eröffnung mitUlrike Herrmann
Die Frage, ob und wie der Euro zu retten ist, spaltet die Linke. Nun werfen sich der Grüne Sven Giegold, die Linke Sarah Wagenknecht und der Ökonom Heiner Flassbeck Ahnungslosigkeit vor. (http://www.taz.de/Linker-Zwist-ueber-Euro-Rettung/!133781/ )
Wie weiter mit dem Euro? Diese Frage entzweit linke Politiker und Wissenschaftler. Der Streit schwelt schon länger (vgl. z.B. Jens Berger „Rein oder Raus? – Wer kritisches Denken unterbinden will, stärkt damit meist diejenigen, die ohnehin ein gestörtes Verhältnis zum Nachdenken haben“: http://www.taz.de/Eurokolumne/!133467/ ), aber seit einer Woche ist er offen ausgebrochen.
Den Anfang machte der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold, der auf Zeit.de eine Frontal-Attacke gegen die linke Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht plazierte: Sie würde „für die AfD den Knecht“ spielen (besser müsste es wohl doch die „Magd“ heißen) – und rechtspopulistischen Euro-Totengräbern hinterherlaufen. (http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-02/linke-anti-euro-populismus-gastbeitrag/komplettansicht )
Die Retourkutsche ließ nicht lange auf sich warten – kam dann aber nicht von Wagenknecht, sondern von Heiner Flassbeck, einst Chefökonom der UN-Organisation UNCTAD und jetzt Betreiber eines Blogs, der in linken Kreisen breit rezipiert wird. (vgl. www.nachdenkseiten.de/?p=20829 )
Dort ließ Flassbeck wissen, Giegold habe ein schlimmes Stück geschrieben, denn er würde die „erhebliche Mitschuld“ leugnen, die die Grünen an der Eurokrise hätten. Sein ganz zentraler Vorwurf „Giegold hat das deutschen Lohndumping nicht verstanden“ (vgl dazu auch vor allem ab dem Abschnitt „Auch deutsche Gewerkschaften schweigen so gerne zum Lohndumping aus Deutschland“ auf den Seiten 4 ff. bei https://www.labournet.de/?p=53716). Und dennoch sinken die Löhne aus Deutschland weiter (S. 6 f.)
Bezüglich des Rein oder Raus aus dem Euro, das Sven Giegold wiederum so am Herzen liegt, halte ich weiter die vermittelnde Position von z.B. Steffen Lehndorff für die angemessenste, der einfach das Szenarium eines Auseinaderbrechens der Eurozone – die ja gerade Sven Giegold wohl berechtigerweise für einen Horrorvision – und wahrscheinlich auch nicht beherrschbar hält (hier trifft er sich mit dem linken Ökonomen und Finanzmarktspezialisten Stephan Schulmeister „Euroabwicklung: Der finale Schritt in den Wirtschaftskrieg“ – Blätter“ 10 – 2013: http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/EuroabwicklungDerFinaleSchrittInDenWirtschaftskrieg.pdf ), angesichts des immer weiter betriebenen Geschäftsmodells für Europa „Profitieren, ohne zu investieren“, für durchaus möglich hält (eben nicht als politische anzustrebende Version, sondern als Ergebnis der weiter „explodierenden“ Eurokrise): „Wenn bei nüchterner Betrachtung vieles auf ein Auseinanderbrechen der Eurozone hindeutet, sind die Kritiker natürlich gut beraten, verschiedene Szenarien gedanklich durchzususpielen. (vgl die Seite 1 bei „Für eine lebendige Europa und Euro-Debatte“: https://www.labournet.de/?p=53329)
Gerade auch die „Kassandra“ bleibt in der Eurokrise wichtig
Den Austritt nicht als politisches Ziel anzuvisieren, sondern als eine – wenn auch schlimme – Möglichkeit des „Not-Ausstiegs“ ins Auge zu fassen, wie es die Linke mit Sarah Wagenknecht als „Kasandra“ vorführt, halte ich deshalb für eine wichtige Öffnung der linken Diskussion. Auch wenn die Rolle der Kassandra in der politischen Auseinandersetzung immer wieder eine schwierige – und wie schon bei ihrem „Vorbild“ – eine wenig geschätzte Rolle bleibt. Aber nur mit ihrer Warnung können wir vielleicht doch das „Schlimmste“ vermeiden.
Anmerkung: Am 12. April auf dem taz-lab treffen Sven Giegold und Sarah Wagenknecht zusammen mit dem Finanzexperten Martin Hellwig zu einer Diskussion aufeinander.